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Das Jahr im Überblick

** Dieser Überblick behandelt die Aktivitäten der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2019. Er wurde vor Ausbruch der weltweiten Coronavirus-Pandemie (Covid-19) fertiggestellt. Seither hat sich die wirtschaftliche Lage grundlegend geändert, und die geldpolitischen Maßnahmen der EZB wurden substanziell erweitert. Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles tun, was erforderlich ist, um den Euroraum in dieser Krise zu unterstützen. **

2019 jährte sich die Einführung des Euro zum 20. Mal, und der Rückhalt für die gemeinsame Währung war in der Bevölkerung des Euro-Währungsgebiets stärker denn je. Laut der Eurobarometer-Umfrage vom November lag der Zustimmungswert bei 76 %.

Das Wirtschaftswachstum im Euroraum schwächte sich im Berichtsjahr weiter ab und lag bei 1,2 % gegenüber 1,9 % im Vorjahr. Getragen wurde die anhaltende Expansion von den günstigen Finanzierungsbedingungen, erneuten Beschäftigungszuwächsen und dem leicht expansiven finanzpolitischen Kurs. Gleichzeitig belastete die Unsicherheit bezüglich des Welthandels vor allem das verarbeitende Gewerbe und die Investitionstätigkeit.

Die Lage an den Arbeitsmärkten des Euroraums hellte sich im Berichtsjahr weiter auf. Die Arbeitslosenquote sank weiter auf 7,6 %, und das Lohnwachstum war nach wie vor robust und entsprach in etwa seinem langfristigen Durchschnitt.

Die Gesamtinflation im Eurogebiet betrug im Jahr 2019 durchschnittlich 1,2 % (2018: 1,8 %). Dieser Rückgang war auf den geringeren Beitrag der zwei volatileren Komponenten Energie und Nahrungsmittel zurückzuführen. Ohne diese beiden Komponenten lag die Teuerungsrate 2019 wie schon in den beiden vorangegangenen Jahren im Durchschnitt bei 1,0 %.

Vor diesem Hintergrund ergriff der EZB-Rat 2019 dreimal in Folge weitere Maßnahmen zur geldpolitischen Akkommodierung. Diese umfassten eine neue Reihe von gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften, eine Erweiterung der Forward Guidance, eine Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität und die Wiederaufnahme des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP). Ende 2019 waren erste Anzeichen einer Stabilisierung der Wachstumsdynamik und eines leichten Anstiegs der zugrunde liegenden Inflation zu erkennen.

Im Zuge der Beurteilung unserer geldpolitischen Maßnahmen befasst sich der EZB-Rat auch mit den Folgen etwaiger Nebeneffekte. So wurde ein zweistufiges System für die Verzinsung der Reserveguthaben eingeführt, bei dem ein Teil der Überschussliquidität der Banken vom negativen Einlagezinssatz befreit wird, um die bankbasierte Transmission der Geldpolitik sicherzustellen.

Für die Banken im Euroraum stellt ihre strukturelle Ertragsschwäche weiterhin eine Herausforderung dar, auch wenn die Kapitalausstattung des Sektors mit einer harten Kernkapitalquote von 14,2 % angemessen ist. Angesichts der hohen Risikobereitschaft an den Finanz- und Immobilienmärkten nahmen im Jahresverlauf 2019 sowohl die Anfälligkeiten gegenüber Preisrückgängen bei Vermögenswerten als auch die Risiken im wachsenden Nichtbankensektor weiter zu. In Abstimmung mit der EZB ergriffen einige Euro-Länder eine Reihe makroprudenzieller Maßnahmen, um Systemrisiken zu begrenzen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber derartigen Risiken zu erhöhen.

Im Zahlungsverkehr unternahm das Eurosystem weitere Anstrengungen, um das reibungslose Funktionieren der Systeme sicherzustellen. Dazu zählten die Vorbereitungsarbeiten für ein neues, dem neuesten Stand der Technik entsprechendes Echtzeit-Bruttozahlungssystems, das TARGET2 ersetzen wird, und eine neue Strategie für den Massenzahlungsverkehr. Letztere unterstützt die Entwicklung einer vom Markt ausgehenden europaweiten Lösung für Zahlungen am Point of Interaction (POI) als Ergänzung zum erfolgreichen einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA).

Seit dem 2. Oktober 2019 wird der neue Tagesgeld-Referenzzinssatz Euro Short-Term Rate (€STR) veröffentlicht, der im Januar 2022 den EONIA ablösen soll. Die tägliche Berechnung des €STR funktioniert gut, und die Methodik hat sich als zuverlässig erwiesen.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Aussichten für die Preisstabilität und das Finanzsystem sind und bleiben ein Thema, mit dem sich die EZB eingehend auseinandersetzt. Im Zuge dessen erhebt sie aktuell Informationen über die CO2-Intensität der Kreditportfolios der Banken und entwickelt einen Analyserahmen für die erstmalige Durchführung von Stresstests im Bankensektor des Euroraums im Hinblick auf klimabezogene Risiken. Einen aktiven Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leistet die EZB durch ihre eigenen Anlageentscheidungen und Umweltschutzmaßnahmen. So konnten von 2008 bis 2018 die CO2-Emissionen und der Energieverbrauch pro Arbeitsplatz um 74 % bzw. 54 % gesenkt werden.

Seit 2019 arbeitet die EZB auch verstärkt daran, ein breiteres Publikum jenseits der Finanzmärkte und des üblichen Fachpublikums zu erreichen und den Menschen und ihren Anliegen noch mehr Gehör zu schenken. Vor diesem Hintergrund wurden u. a. der Wettbewerb #EUROat20 veranstaltet und eine neue Reihe von Erklärvideos sowie ein monatlicher Podcast veröffentlicht.

Frankfurt am Main im Mai 2020

Christine Lagarde

Präsidentin

Das Jahr in Zahlen

1 Konjunkturabschwächung im Euroraum bei gedämpftem Inflationsdruck

Nach einem Höchststand zur Jahresmitte 2018 kam es 2019 in einem Umfeld stark steigender Verunsicherung durch angespannte Handelsbeziehungen zu einer deutlichen und breit angelegten Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, die sich in den einzelnen Ländern synchron vollzog. Vor diesem Hintergrund schwächte sich das Wirtschaftswachstum im Euroraum weiter – von 1,9 % im Vorjahr auf 1,2 % – ab. In einem Klima weltweit anhaltender Unsicherheit war die konjunkturelle Abkühlung des Jahres 2019 vor allem durch den schwächeren Welthandel bedingt. Gleichzeitig wurde die wirtschaftliche Eintrübung durch günstige Finanzierungsbedingungen, erneute Beschäftigungszuwächse bei steigenden Löhnen, den leicht expansiven fiskalischen Kurs im Euroraum und die anhaltende – wenngleich schwächere – weltweite Konjunkturdynamik abgefedert. Die Arbeitsmarktlage im Eurogebiet hellte sich weiter auf, während sich die Produktivitätszuwächse deutlich verlangsamten. Der Inflationsdruck blieb insgesamt gedämpft. Ein geringerer Preisauftrieb bei Energie und Nahrungsmitteln ließ die Gesamtinflationsrate auf 1,2 % sinken, während die zugrunde liegende Inflation nach wie vor verhalten war. Die günstigen Finanzierungsbedingungen kamen einmal mehr dem Kredit- und Geldmengenwachstum zugute. Die Renditen von Staatsanleihen aus dem Euroraum gaben deutlich nach, während die Aktienkurse vor allem aufgrund niedrigerer Diskontierungssätze anstiegen. Das Vermögen der privaten Haushalte profitierte von Wertsteigerungen beim Sach- und Finanzvermögen.

1.1 Weltwirtschaft verlor deutlich an Schwung

Deutliche und breit angelegte Wachstumsverlangsamung der Weltwirtschaft im Jahr 2019 vollzog sich in den einzelnen Ländern synchron

Das Weltwirtschaftswachstum ging im Jahresverlauf 2019 erheblich zurück. Nach einem Mitte 2018 erreichten Höchststand büßte die Konjunktur weltweit stark an Dynamik ein. So lag die Jahreswachstumsrate deutlich unter dem historischen Durchschnitt und wies ihren niedrigsten Stand seit der globalen Finanzkrise auf (siehe Abbildung 1). Die breit angelegte globale Wachstumsverlangsamung verlief in den einzelnen Ländern synchron. In großen Industrieländern wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Japan waren dieser Entwicklung überdurchschnittliche Wachstumsraten vorausgegangen. In China sank das Wirtschaftswachstum auf den niedrigsten Stand seit 1990, was in etwa der aktuell geschätzten Potenzialrate entsprach. In anderen großen Schwellenländern wuchs die Wirtschaft generell verhalten, was teilweise auf eine langsame Erholung nach den jüngsten Rezessionsphasen zurückzuführen war.

Abbildung 1

Globales BIP-Wachstum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Quartalswerte)

Quellen: Haver Analytics, nationale Quellen und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die regionalen Aggregate sind anhand des BIP zu Kaufkraftparitäten berechnet. Die durchgezogenen Linien zeigen Datenwerte bis zum vierten Quartal 2019. Die gestrichelten Linien stellen den langfristigen Durchschnitt (vom ersten Quartal 1999 bis zum vierten Quartal 2019) dar. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 10. März 2020.

Die weltweite Konjunkturverlangsamung war in erster Linie der geringeren Produktion im verarbeitenden Gewerbe und spürbaren Wachstumseinbußen im Handel und bei den Investitionen zuzuschreiben. Im Dienstleistungssektor schwächte sich der Produktionszuwachs dagegen weniger stark ab; stützend wirkten sich hier ein relativ robustes Konsumwachstum sowie die anhaltende Verbesserung der Arbeitsmarktlage aus.

Handels- und Investitionswachstum 2019 aufgrund erheblich höherer handelspolitischer Unsicherheit deutlich schwächer

Die Unsicherheit aufgrund der angespannten Handelsbeziehungen verharrte nach einem starken Anstieg auf erhöhtem Niveau und schwächte die Weltwirtschaft. Im Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China kam es zu einer Verschärfung, was an einer Reihe verschiedener Indikatoren ablesbar war.[1] Beide Länder erhöhten die Zölle im bilateralen Handel, wovon bis Ende 2019 die meisten Güter betroffen waren. Als im Dezember – nach weiteren Verhandlungen der beiden Länder ab Mitte Oktober – ein vorläufiges Handelsabkommen bekannt gegeben wurde, ließ die Unsicherheit etwas nach. Das Abkommen wurde am 15. Januar 2020 unterzeichnet. Vor dem Hintergrund erhöhter Handelsspannungen führten die gestiegenen Einfuhrzölle zu einem gravierenden Rückgang der Handelsaktivitäten. Zugleich belasteten die verstärkte Unsicherheit und das sich verschlechternde Wirtschaftsklima 2019 das Investitionswachstum (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2

Wachstum des Welthandels

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Quartalswerte)

Quellen: Haver Analytics, nationale Quellen und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Das Wachstum des Welthandels wird als Anstieg der weltweiten Einfuhren (einschließlich des Euroraums) gemessen. Die durchgezogenen Linien zeigen Datenwerte bis zum vierten Quartal 2019. Die gestrichelten Linien stellen den langfristigen Durchschnitt (vom vierten Quartal 1999 bis zum vierten Quartal 2019) dar. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 10. März 2020.

Gesamtinflation gesunken, aber Kerninflation weitgehend stabil

Die globale Teuerung blieb im Jahr 2019 gedämpft, worin sich die schwache Dynamik des Weltwirtschaftswachstums widerspiegelte (siehe Abbildung 3). Im OECD-Raum ging die am Verbraucherpreisindex gemessene jährliche Gesamtinflation von rund 3 % in der zweiten Jahreshälfte 2018 auf 2,1% im Dezember 2019 zurück. Ursächlich hierfür waren sinkende Energiepreise und ein langsamerer Anstieg der Nahrungsmittelpreise. Die zugrunde liegende Inflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) blieb dagegen im Jahresverlauf mit rund 2 % verhältnismäßig stabil.

Abbildung 3

Inflationsraten im OECD-Raum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Monatswerte)

Quelle: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2019.

Rohölpreise schwankten aufgrund der Angebotsdynamik und der erwarteten globalen Nachfrage

Die Preise für Rohöl unterlagen im Jahresverlauf Schwankungen. Dies spiegelte in der ersten Jahreshälfte die Angebotsdynamik und im zweiten Halbjahr die Erwartungen bezüglich der globalen Nachfrage wider. Im Gesamtjahr 2019 bewegte sich der Preis für Rohöl in einer Spanne zwischen 53 USD je Barrel und 74 USD je Barrel. In der ersten Jahreshälfte war ein Aufwärtstrend bei den Ölpreisen zu beobachten, der von unerwartet starken Produktionsdrosselungen seitens der OPEC+-Länder (einer Gruppe großer Erdölproduzenten) sowie geopolitischen Spannungen unterstützt wurde. In der zweiten Jahreshälfte sanken die Preise aufgrund der Besorgnis wegen der handelspolitischen Spannungen und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die Effekte des Ausfalls von Öllieferungen aus Saudi-Arabien nach dem Drohnenanschlag vom 14. September waren nur von kurzer Dauer, da der Schock unter anderem durch umfangreiche Vorräte und die rasche Wiederherstellung der Produktionskapazität abgefedert wurde.

Euro wertete gegenüber den Währungen wichtiger Handelspartner des Euroraums ab

Der nominale effektive Wechselkurs des Euro sank im Verlauf des Jahres 2019 um 1,6% (siehe Abbildung 4). Bilateral war hierfür die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar und dem japanischen Yen ausschlaggebend. Auch gegenüber dem Pfund Sterling gab der Euro nach, wobei der Kurs aufgrund der wechselhaften Entwicklungen um den Brexit im Jahresverlauf 2019 erheblich schwankte.

Abbildung 4

Euro-Wechselkurs

(Tageswerte; 1. Januar 2015 = 100)

Quellen: Bloomberg, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), EZB und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Nominaler effektiver Wechselkurs gegenüber den Währungen von 38 wichtigen Handelspartnern. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2019.

Weltweiter Wachstumsausblick mit Abwärtsrisiken behaftet

Ende 2019 standen die weltwirtschaftlichen Aussichten im Zeichen einer Wachstumsverlangsamung, da sich der Konjunkturzyklus in den Industriestaaten bereits in seiner Spätphase befand und die chinesische Wirtschaft allmählich zu einem schwächeren Wachstum überging. Gleichzeitig blieb die Erholung in anderen Schwellenländern fragil. Dieser Ausblick war mit Unsicherheit behaftet. Auf globaler Ebene überwogen die Abwärtsrisiken für die konjunkturelle Entwicklung.[2] In dem Ausmaß, in dem die Schwäche des verarbeitenden Gewerbes auf den Dienstleistungssektor übergriff, könnte die globale Konjunkturabkühlung rascher verlaufen. Von einer stärkeren konjunkturellen Talfahrt in China könnte ein größerer Effekt auf die Weltwirtschaft ausgehen. Eine Eskalation des Handelskonflikts würde die negativen Auswirkungen auf die weltweiten Handelsströme verschärfen. In Europa bestand vor allem die Gefahr, dass die Vereinigten Staaten Einfuhrzölle auf bestimmte Waren verschiedener Länder erheben könnten. Von den erhöhten geopolitischen Spannungen gingen insgesamt Abwärtsrisiken für das Weltwirtschaftswachstum und den Welthandel aus. Auch waren die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union trotz des geordneten EU-Austritts ungewiss, und so stellte der Ausgang der Verhandlungen weiterhin ein Abwärtsrisiko dar. Darüber hinaus könnte eine drastische Kurskorrektur an den globalen Finanzmärkten weltweit die Risikobereitschaft schmälern und die Realwirtschaft beeinträchtigen.

1.2 Verlangsamtes Wirtschaftswachstum im Euroraum bei anhaltender Verbesserung der Arbeitsmarktlage

Das jährliche Wachstum des realen BIP im Eurogebiet gab 2019 weiter nach und lag zuletzt bei 1,2 %, verglichen mit 1,9 % im Vorjahr (siehe Abbildung 5). Anders als im Jahr 2018, als die Konjunkturverlangsamung sowohl der Auslands- als auch der Binnennachfrage geschuldet war, zeugte die schwächere Entwicklung im Berichtsjahr hauptsächlich von einer merklichen Abkühlung des Welthandels in einem von anhaltender weltweiter Unsicherheit geprägten Umfeld. Gleichzeitig wurde die wirtschaftliche Expansion im Eurogebiet weiterhin durch günstige Finanzierungsbedingungen, erneute Beschäftigungszuwächse bei steigenden Löhnen, den leicht expansiven fiskalischen Kurs im Euroraum und die anhaltende – wenngleich schwächere – weltweite Konjunkturdynamik unterstützt.

Abbildung 5

Reales BIP im Euroraum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Jahreswachstumsrate des BIP für das vierte Quartal 2019 ist eine vorläufige Schnellschätzung. Die jüngsten Angaben für die BIP-Komponenten beziehen sich auf das dritte Quartal 2019.

Binnenwirtschaftlich orientierte Branchen 2019 widerstandsfähiger

Das Produktionswachstum wurde 2019 vom Dienstleistungssektor und vom Baugewerbe getragen; beide Sektoren zeigten angesichts der robusten Binnennachfrage im Euroraum anhaltende Stärke. In der Industrie kühlte sich die Konjunktur indes weiter ab (siehe Abbildung 6). Ausschlaggebend hierfür waren negative Folgewirkungen der schwachen Auslandsnachfrage. Dagegen gab es 2019 nur begrenzte Anzeichen für eine Beeinträchtigung des Dienstleistungssektors durch eine schwächere Auslandsnachfrage.[3]

Abbildung 6

Reale Bruttowertschöpfung im Euroraum nach Wirtschaftszweigen

(Index: Q1 2010 = 100)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das dritte Quartal 2019.

Im Jahr 2019 leistete die Binnennachfrage einmal mehr einen positiven Wachstumsbeitrag im Euroraum. Positiv wirkten sich hier die günstigen Finanzierungsbedingungen und die verbesserte Arbeitsmarktlage aus. Der private Konsum sowie das Verbrauchervertrauen zeigten sich auch 2019 robust (siehe Kasten 1). Die Konsumausgaben der privaten Haushalte wurden durch Beschäftigungs- und Lohnsteigerungen gestützt, die in ein höheres aggregiertes Arbeitseinkommen mündeten. Die Unternehmensinvestitionen entwickelten sich auch 2019 moderat, nachdem sie sich bereits 2018 allmählich verlangsamt hatten. Aufgrund des weit weniger dynamischen außenwirtschaftlichen Umfelds und der weltweit erhöhten Unsicherheit trafen die Unternehmen zurückhaltende Investitionsentscheidungen. Dennoch ging von den Unternehmensinvestitionen dank der günstigen Finanzierungsbedingungen weiterhin ein positiver Wachstumsbeitrag aus – auch ungeachtet der mäßigen Entwicklung der Unternehmenserträge sowie einer rückläufigen Kapazitätsauslastung. Besonders stark war das sonst zu Volatilität neigende Wachstum der Investitionen in urheberrechtlich geschützte Produkte.[4] Zugleich verlangsamten sich die Wohnungsbauinvestitionen nach einer starken und lange anhaltenden Erholung in den Vorjahren; auch die Wohnimmobilienmärkte im Eurogebiet verloren an Dynamik. Hierin spiegelte sich vor allem ein zunehmend eingeschränktes Angebot an Wohnimmobilien wider, das seine Ursache vornehmlich in einem Arbeitskräftemangel, Regulierungsengpässen und dem Abbau von Verbindlichkeiten hatte. Diese Faktoren bremsten das Wachstum des Baugewerbes im Jahresverlauf 2019.

Kasten 1
Konsumausgaben und Stimmungslage der privaten Haushalte weiterhin robust

Insgesamt zeigten sich der Dienstleistungssektor und der Einzelhandel 2019 vor dem Hintergrund der konjunkturellen Abkühlung im Euroraum weiterhin robust, wenngleich sich auch in diesen Sektoren das Wachstum etwas abschwächte. Eine wichtige Nachfragekomponente im Dienstleistungsbereich und im Einzelhandel bilden die privaten Konsumausgaben. Aus diesem Grund befasst sich der vorliegende Kasten näher mit dem Verbrauchervertrauen im Eurogebiet und den Bestimmungsfaktoren der verhältnismäßig widerstandsfähigen privaten Konsumausgaben.

Die Stimmung der Verbraucher hat sich stabilisiert und erwies sich als robuster, als dies in anderen Sektoren zu beobachten war

Die Konjunkturverlangsamung des Jahres 2019 war primär Ausdruck eines schwächeren Welthandels bei erhöhter weltweiter Unsicherheit; hiervon wurde vor allem die Entwicklung im Industriesektor des Eurogebiets beeinträchtigt. Unterdessen blieben der Dienstleistungssektor und der Einzelhandel trotz einer leichten Abschwächung widerstandsfähig. Dies wird aus Abbildung A ersichtlich, in der die Stimmung in unterschiedlichen Branchen im Euroraum dargestellt wird. Der Indikator der wirtschaftlichen Einschätzung (ESI) der Europäischen Kommission ist ein gewichteter Durchschnitt der Vertrauenswerte in der Industrie ohne Baugewerbe (Gewicht: 40 %), im Dienstleistungssektor (30 %), Baugewerbe (5 %), Einzelhandel (5 %) sowie bei privaten Haushalten (20 %). Die Abbildung zeigt, dass der Rückgang des Vertrauens in eher binnenwirtschaftlich orientierten Sektoren (z. B. Baugewerbe, Dienstleistungen, Einzelhandel, Privathaushalte) weit weniger ausgeprägt ist als in der Industrie.

Abbildung A

Vertrauen im Euroraum nach Sektoren

(standardisierte Salden in %)

Quellen: Europäische Kommission und EZB-Berechnungen.

Privater Konsum blieb 2019 insgesamt robust

Der Anstieg der privaten Konsumausgaben des Jahres 2019 wurde durch das anhaltende Wachstum des real verfügbaren Einkommens gestützt, welches wiederum von der robusten Verfassung der Arbeitsmärkte profitierte. Das Arbeitseinkommen wurde von den anhaltenden Lohnsteigerungen sowie weiteren, wenn auch geringeren Beschäftigungszuwächsen begünstigt. Ferner dürfte von direkten Steuern sowie Sozialbeiträgen und ‑transfers insgesamt ein leicht wachstumssteigernder Effekt auf das Arbeitseinkommen ausgegangen sein. Im Jahr 2018 hatten sich diese Faktoren dagegen noch wachstumshemmend ausgewirkt (siehe Abbildung B). Allerdings kehrte sich der Beitrag des Betriebsüberschusses und Vermögenseinkommens, der tendenziell eng mit dem Konjunkturverlauf verbunden ist, 2019 leicht ins Negative, nachdem seit 2015 ein positiver Effekt zu verzeichnen gewesen war.

Abbildung B

Private Konsumausgaben und verfügbares Einkommen (real)

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.

Bestimmungsfaktoren des Verbrauchervertrauens

In den Verbrauchervertrauensindikator der Europäischen Kommission fließen die Durchschnittsergebnisse von vier Teilindizes ein, die sich auf die Wahrnehmung der finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Vergangenheit wie auch entsprechende Zukunftserwartungen für die kommenden zwölf Monate beziehen (siehe Abbildung C).[5] Ein Teilindex bildet die Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage im jeweiligen Land ab, und die übrigen Indizes beziehen sich auf die Finanzsituation der Privathaushalte. Die Teilindizes zeigen, dass die privaten Haushalte ihre persönliche Situation relativ betrachtet günstiger beurteilten. Dies war vor allem der anhaltenden Robustheit der Arbeitsmärkte zu verdanken, die das Einkommen der privaten Haushalte weitgehend gegen die konjunkturelle Eintrübung abschirmte.

Abbildung C

Private Konsumausgaben und Verbrauchervertrauen

(Veränderung gegen Vorjahr in %; standardisierte Salden in %)

Quellen: Eurostat, Europäische Kommission und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Umfragedaten standardisiert mit der Durchschnitts- und Standardabweichung des jährlichen Wachstums des privaten Verbrauchs ab 2010.

Dass das Verbrauchervertrauen im Eurogebiet auch 2019 erhöht blieb und den privaten Konsum stützte, ist primär der robusten Arbeitsmarktlage und den damit verbundenen Lohnsteigerungen zu verdanken, aber auch günstigen Finanzierungsbedingungen und einer verbesserten Finanzlage der privaten Haushalte. Vor dem Hintergrund der kräftigen Binnen- und schwachen Auslandsnachfrage beobachtet die EZB die aktuellen Daten weiterhin genau. Auf diese Weise möchte sie das Risiko einer Übertragung negativer Effekte vom außenwirtschaftlichen auf den binnenwirtschaftlichen Sektor einschätzen.

Von der Außenwirtschaft ging im Berichtsjahr per saldo ein negativer Beitrag zum Wirtschaftswachstum im Euroraum aus. Mit Ausnahme der Ausfuhren in die Vereinigten Staaten, die – verlangsamt – anstiegen, vollzog sich der Exportrückgang auf breiter Basis; er war in erster Linie der schwachen Entwicklung bei Investitionsgütern und Automobilen zuzuschreiben. Der Binnenhandel im Eurogebiet schrumpfte ebenfalls – infolge von Störungen in den Produktionsketten im Euroraum vor allem im Bereich der Vorleistungsgüter.

Anhaltende Verbesserung der Arbeitsmarktlage im Euroraum bei deutlicher Verlangsamung der Produktivitätszuwächse

Arbeitsmarktlage im Euroraum hellte sich 2019 weiter auf

Die weitere Verbesserung der Lage an den Arbeitsmärkten des Eurogebiets 2019 (siehe Abbildung 7) war eine Haupttriebfeder der Konjunktur.

Laut einer Analyse auf Basis von synthetischen Arbeitsmarktindikatoren lag das Aktivitätsniveau im zweiten Quartal 2019 annähernd auf dem vor der Krise verzeichneten Höchststand. Auch gemessen am langfristigen Mittel war die Arbeitsmarktdynamik weiterhin überdurchschnittlich, wenngleich sie sich zuletzt etwas abschwächte.[6] Die gute Arbeitsmarktentwicklung vollzog sich vor dem Hintergrund eines weiter wachsenden Arbeitskräfteangebots, in dem sich teilweise die höhere Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitskräfte als Folge von Reformen zur Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters widerspiegelte.[7]

Abbildung 7

Arbeitsmarktindikatoren

(in % der Erwerbspersonen; Veränderung gegen Vorquartal; saisonbereinigt)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2019.

Die Beschäftigung erhöhte sich 2019 um 1,2 %, was im Vergleich zur Entwicklung des BIP-Wachstums eine kräftige Zunahme darstellt. Das Wachstum der Arbeitsproduktivität je Beschäftigten belief sich im Berichtsjahr auf 0,0 % nach 0,4 % im Jahr 2018.[8] Trotz des höheren Arbeitskräfteangebots ging die Arbeitslosenquote weiter zurück und lag 2019 bei 7,6 %, was in etwa dem Stand von 2007 entsprach. Allerdings war die Streubreite der Arbeitslosenquoten über die Euro-Länder hinweg weiterhin hoch.

Digitalisierung der Wirtschaft muss im Blick behalten werden

Digitalisierung beeinflusst geldpolitisch relevante Variablen

Der Literatur zufolge beeinflusst die Digitalisierung eine Reihe wichtiger ökonomischer Variablen, die für die Geldpolitik von Relevanz sind. Die empirische Evidenz lässt darauf schließen, dass die Digitalisierung die Wirtschaftsleistung und die Produktivität möglicherweise ansteigen lässt, wohingegen die vollständige Wirkung auf die Inflationsrate noch ungeklärt ist.[9] Laut dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der Europäischen Kommission lag der Digitalisierungsgrad bei den Mitgliedstaaten mit den niedrigsten Werten in der EU bei rund 40 Punkten, bei jenen mit der stärksten Digitalisierung bei rund 70 Punkten (siehe Abbildung 8). Der Sub-Indikator der Konnektivität war in allen EU-Staaten in etwa gleich. Dagegen waren in den Bereichen Humankapital, Internetnutzung, Integration der Digitaltechnik und digitale öffentliche Dienste stärkere Unterschiede festzustellen.

Abbildung 8

DESI-Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft 2019

Quelle: Europäische Kommission.

Strukturpolitik als Antwort auf wichtige Herausforderungen

Auch 2019 nur schleppende Umsetzung wirtschaftspolitischer Empfehlungen

Die Umsetzung von Strukturmaßnahmen muss in den Euro-Ländern deutlich intensiviert werden, um die Produktivität und das Wachstumspotenzial im Euroraum zu steigern, die strukturelle Arbeitslosigkeit zu verringern und die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen. Derartige Maßnahmen sollten u. a. die Funktionsweise der Arbeitsmärkte sowie die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern und den Wettbewerb auf den Güter- und Faktormärkten steigern.[10] Des Weiteren bedarf es Strukturmaßnahmen zur Bewältigung der gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen, die sich beispielsweise aus der demografischen Alterung, der Digitalisierung und dem Klimawandel ergeben. Die länderspezifischen Empfehlungen sind auf die einzelnen Länder zugeschnitten und zielen auf die Stärkung von Wachstum und Widerstandsfähigkeit ab. Verabschiedet werden diese Empfehlungen von den Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Rates. Im Februar 2019 stellte die Europäische Kommission fest, dass 95 % der wirtschaftspolitischen Empfehlungen entweder überhaupt nicht befolgt wurden oder bestenfalls „begrenzte“ Umsetzungsfortschritte zu verzeichnen waren.[11]

Konjunkturstützung durch leicht expansiven fiskalischen Kurs

Etwas höhere gesamtstaatliche Defizitquote im Euroraum infolge eines leicht expansiven fiskalischen Kurses

Nachdem der fiskalische Kurs[12] auf Euroraumebene fünf Jahre in Folge weitgehend neutral gewesen war, schwenkte er 2019 auf geringfügig expansiv (siehe Abbildung 9). Diese Lockerung wirkte sich im Eurogebiet konjunkturstützend aus. Hauptverantwortlich dafür waren expansive finanzpolitische Maßnahmen einiger größerer Mitgliedsländer in Form von Senkungen der direkten Steuern und Erhöhungen der Staatsausgaben. Den von Experten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom Dezember 2019 zufolge erhöhte sich die gesamtstaatliche Defizitquote im Euroraum 2019 leicht auf 0,7 %. Der niedrigere Finanzierungssaldo spiegelte die haushaltspolitische Lockerung wider; von niedrigeren Zinsausgaben ging eine ausgleichende Wirkung aus, während der Beitrag der konjunkturellen Komponente weitgehend unverändert blieb.

Abbildung 9

Öffentlicher Finanzierungssaldo und fiskalischer Kurs

(in % des BIP)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.

Die gesamtstaatliche Schuldenquote im Eurogebiet war auch 2019 rückläufig. Ende des Jahres lag sie bei 84,5 %. Allerdings wies eine Reihe von Ländern nach wie vor hohe Schuldenquoten auf. Die Senkung der aggregierten Schuldenquote auf Euroraumebene wurde durch günstige Zins-Wachstums-Differenziale und positive – wenngleich sinkende – Primärsalden unterstützt. Zwar unterlagen Ende 2019 keine Euro-Länder der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), doch befand die Europäische Kommission, dass acht Staaten eine Haushaltsplanung für 2020 vorgelegt hatten, bei der das Risiko einer Nichterfüllung der SWP-Vorgaben bestand. Ein Großteil dieser Länder wies Schuldenquoten von nahezu oder mehr als 100 % auf.[13]

1.3 Inflationsdruck weiterhin verhalten

Die Gesamtinflationsrate für das Eurogebiet lag 2019 im Schnitt bei 1,2 % nach 1,8 % im Jahr 2018.[14] Hierin spiegelten sich im Wesentlichen niedrigere Beiträge der beiden volatileren Komponenten Energie und Nahrungsmittel wider. Die zugrunde liegende Inflation lässt sich unter anderem anhand der Teuerung nach dem HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel messen. Dieser Indikator entwickelte sich mit durchschnittlich 1,0 % im Jahr 2019 – wie auch schon 2018 und 2017 – gedämpft, wenngleich zum Jahresende hin ein Anstieg verzeichnet wurde (siehe Abbildung 10).

Abbildung 10

Teuerungsrate nach dem HVPI und Beiträge der Komponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.

Geringerer Preisauftrieb bei Energie und Nahrungsmitteln ließ Gesamtinflationsrate sinken, während die zugrunde liegende Inflation verhalten blieb

Für den Rückgang der durchschnittlichen Gesamtinflation im Jahr 2019 gegenüber 2018 war die Entwicklung der Energiekomponente hauptursächlich. Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln insgesamt trug 2019 nur noch mit 0,3 Prozentpunkten zur HVPI-Gesamtinflation bei, verglichen mit 0,4 Prozentpunkten im Jahr 2018. Die unterjährige Entwicklung dieser HVPI-Komponente stand vor allem im Zeichen der volatilen Subkomponente unverarbeitete Nahrungsmittel. Die jährliche Inflationsrate verarbeiteter Nahrungsmittel schwankte 2019 um einen Wert von 1,9 % und lag damit leicht unter dem 2018 verzeichneten Durchschnitt. Zwei Bestimmungsfaktoren der Teuerung verarbeiteter Nahrungsmittel sind die Erzeugerpreise für Nahrungsmittel und die – anhand der Ab-Hof-Preise in der EU ermittelten – Nahrungsmittelrohstoffpreise. Aus der Erhöhung dieser beiden Komponenten lässt sich schlussfolgern, dass die Preissteigerungen in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben wurden.

Wie andere Maße der zugrunde liegenden Inflation entwickelte sich auch die Teuerungsrate nach dem HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel über weite Strecken des Berichtsjahrs vorwiegend seitwärts. Damit blieb sie trotz des leichten Anstiegs zum Jahresende unter ihrem historischen Durchschnitt. In Kasten 2 werden die Beziehung zwischen der zugrunde liegenden Inflation und der Konjunktur sowie die allgemeineren wirtschaftlichen Entwicklungen seit der globalen Finanzkrise untersucht. Der gedämpfte Preisauftrieb bei Industrieerzeugnissen ohne Energie und bei den Dienstleistungen trug zu der verhaltenen Entwicklung des HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel bei. Die Industrieerzeugnisse ohne Energie verteuerten sich 2019 im Schnitt um 0,3 % gegenüber dem Vorjahr, was der Preissteigerungsrate 2018 sowie dem seit 2015 verzeichneten Durchschnitt entspricht. Gemäß den Indikatoren des auf verschiedenen Stufen der Preissetzungskette auftretenden Preisdrucks blieb die Jahresänderungsrate der Erzeugerpreise für Konsumgüter ohne Nahrungsmittel im Jahresverlauf weitgehend stabil, lag aber deutlich über dem seit 2015 gemessenen Durchschnitt. Dies lässt darauf schließen, dass die gestiegenen Kosten teilweise vom Einzelhandel aufgefangen wurden. Des Weiteren fiel die durchschnittliche jährliche Änderungsrate der Einfuhrpreise für Konsumgüter ohne Nahrungsmittel 2019 – anders als im Vorjahr – positiv aus, was u. a. auf die Abwertung des Euro zurückzuführen war. Die Teuerungsrate der Dienstleistungen wies aufgrund statistisch bedingter Preisänderungen im Reiseverkehr gewisse Schwankungen auf.[15] Bei Nichtberücksichtigung dieser monatlichen Volatilität entwickelte sich die Teuerungsrate bei den Dienstleistungen seitwärts. Im Schnitt belief sie sich 2019 auf 1,5 % und blieb damit gegenüber dem Vorjahr unverändert. Im Vergleich zum Durchschnittswert seit 2015 war sie lediglich geringfügig höher. Insgesamt folgten die Erhöhungen der Dienstleistungspreise – die überwiegend einen hohen Arbeitskostenanteil aufweisen – dem Lohnwachstum weiterhin mit zeitlicher Verzögerung.

Kasten 2
Erläuterung der aktuellen Inflationsentwicklung anhand der Euroraum-Phillips-Kurve

Seit 2013 liegt die am HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel gemessene Teuerungsrate durchgehend unter ihrem historischen Durchschnitt. Anfänglich ließ sich dies durch die erhebliche Unterauslastung der Wirtschaft und andere inflationsdämpfende Faktoren erklären. Für die jüngere Vergangenheit ergeben sich aus einer Standard-Phillips-Kurve jedoch keine eindeutigen Bestimmungsfaktoren der schwachen Inflationsentwicklung mehr, wie anhand der unerklärten Komponente der aufgeschlüsselten Inflation in Abbildung A ersichtlich wird. Dies gab Anlass zu einer neuerlichen Analyse dieses fundamentalen ökonomischen Zusammenhangs.[16]

Abbildung A

Aufgliederung der zugrunde liegenden Inflation auf Basis der Phillips-Kurve

(Veränderung gegen Vorjahr in % und Beiträge in Prozentpunkten; alle Werte als Abweichung von ihren Durchschnittswerten seit 1999)

Quelle: EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Balken zeigen die durchschnittlichen Beiträge vieler Modellspezifikationen an (siehe E. Bobeica und A. Sokol, Bestimmungsfaktoren der zugrunde liegenden Inflation im Euro-Währungsgebiet im Zeitverlauf: Erklärungsversuche anhand der Phillips-Kurve, Wirtschaftsbericht 4/2019, EZB, Juni 2019. Abgeleitet wurden die Beiträge nach dem Ansatz bei J. L. Yellen, Inflation Dynamics and Monetary Policy, Rede anlässlich der Philip Gamble Memorial Lecture, University of Massachusetts, Amherst, Massachusetts, am 24. September 2015.

Bestimmungsgrößen der Inflation im Phillips-Kurven-Modell

Im Wesentlichen beruht die Philipps-Kurve auf dem Ansatz, dass die Konjunktur und die damit einhergehende Auslastung der Güter- und Arbeitsmärkte die Teuerung beeinflussen sollten. So wirkte sich die hohe Unterauslastung der Wirtschaft im Gefolge der globalen Finanzkrise inflationsdämpfend aus. Auch die zweite Rezessionsphase des Eurogebiets von 2011 bis 2013 liefert eine eindeutige Erklärung für die schwache Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation ab Jahresbeginn 2013. Und obwohl viele Maße der Wirtschaftstätigkeit und der gesamtwirtschaftlichen Auslastung 2018 wieder ihren durchschnittlichen Stand erreichten und einige sogar auf einen Nachfrageüberschuss hinzudeuten begannen, verharrte die zugrunde liegende Inflation unter dem seit 1999 verzeichneten Durchschnitt (1,3 %).

Zusätzlich zur Wirtschaftstätigkeit sind auch Faktoren wie die Inflationserwartungen und die Außenhandelspreise für das Verständnis der Teuerungsentwicklung von entscheidender Bedeutung. Die Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure unterliegen vielerlei Einflüssen. So sind jüngere Entwicklungen der Teuerungsrate (insbesondere bei Energie) maßgeblich für die Bildung kurzfristiger Inflationserwartungen. Ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und Erreichbarkeit des Inflationsziels einer Zentralbank können dagegen die längerfristigen Inflationserwartungen beeinträchtigen, auch wenn sich diese Faktoren empirisch nur schwer isolieren lassen.[17] Sowohl markt- als auch umfragebasierte Maße der Inflationserwartungen gaben von 2014 bis 2017 nach, was sich in ihrem negativen Beitrag zur zugrunde liegenden Preisentwicklung in diesem Zeitraum niederschlug.[18] In jüngerer Zeit ließen die umfragebasierten Messgrößen der längerfristigen Inflationserwartungen für den Euroraum, insbesondere die Ergebnisse des Survey of Professional Forecasters der EZB, Zeichen einer Verlangsamung erkennen. Allerdings lässt sich nur ein geringer Teil der gedämpften Inflationsentwicklung durch diese Maße erklären.

Neben der gesamtwirtschaftlichen Auslastung und den Inflationserwartungen liefern auch Messgrößen der Außenhandelspreise wie z. B. Preisindizes für Rohöl und weit gefasste Importpreisindizes wichtige zusätzliche Anhaltspunkte in Bezug auf die Preisgestaltung der Unternehmen und damit die Inflationsentwicklung. Die Außenhandelspreise und hier insbesondere die Energiepreise schlagen sich üblicherweise rasch in der Gesamtinflation nieder, hatten in den letzten Jahren aber offenbar nur einen begrenzten indirekten Effekt auf die Kerninflationsrate.[19] Insgesamt scheint sich die Entwicklung des zugrunde liegenden Preisdrucks bis 2017 recht gut durch Standardfaktoren erklären zu lassen. Die Schwäche der jüngeren Zeit ist mit diesem Ansatz jedoch nur schwerlich ergründbar.

Dies könnte unter anderem daran liegen, dass die Standardmaße der gesamtwirtschaftlichen Auslastung nicht alle inflationsrelevanten konjunkturellen Entwicklungen abbilden. Vor diesem Hintergrund leiten Jarociński und Lenza (2018)[20] ein speziell auf die Inflationsprognose ausgerichtetes Maß der gesamtwirtschaftlichen Auslastung ab, welches einen deutlich höheren Grad an wirtschaftlicher Unterauslastung anzeigt als eine herkömmlichere Messung der Produktionslücke.

Insgesamt bleibt die Phillips-Kurve ein zentrales Element zur Analyse und Erklärung der Inflationsentwicklung. Vor allem mit Blick auf die jüngere Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation muss sie jedoch durch Erkenntnisse aus anderen Instrumenten und Ansätzen ergänzt werden.

Der anhand des Anstiegs des BIP-Deflators gemessene inländische Kostendruck erhöhte sich im Schnitt des Jahres 2019. Die Steigerungsrate lag über dem Durchschnittswert 2018 und dem Mittel ab 2015 (siehe Abbildung 11). Das Jahreswachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer blieb auch 2019 robust. Mit durchschnittlich 2,0 % lag es leicht unter dem 2018 beobachteten Mittel, aber über dem seit 2015 verzeichneten Schnitt. Von der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ging dabei ein wachstumshemmender Effekt aus.[21] Dagegen stiegen die Löhne und Gehälter 2019 stärker als im Vorjahr, was im Einklang mit dem erneuten Rückgang der Arbeitslosenquote stand – ungeachtet des schwächeren Wirtschaftswachstums im Euroraum (siehe Kapitel 1 Abschnitt 2). Wegen der 2019 stagnierenden Produktivität bedeutete die robuste durchschnittliche Zunahme des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer jedoch, dass der Anstieg der Lohnstückkosten angezogen hatte. Das beschleunigte Wachstum des BIP-Deflators spiegelte neben der stärkeren Zunahme der Lohnstückkosten auch eine Erholung der am Bruttobetriebsüberschuss gemessenen Gewinnentwicklung wider; diese hatte sich im Jahresverlauf 2018 deutlich abgeschwächt. Aufgrund der Seitwärtsbewegung der Produktivität im Berichtsjahr war die Erholung der Gewinne 2019 höchstwahrscheinlich auf verbesserte Terms of Trade und die Entwicklung in Sektoren zurückzuführen, die von der weltweiten Abkühlung der Konjunktur und des Welthandels weniger stark betroffen waren.[22] Hierbei handelte es sich beispielsweise um das Baugewerbe und den Immobiliensektor, deren Wertschöpfungsdeflatoren eine hohe Steigerungsrate aufwiesen. In der Bauwirtschaft erreichte diese 2019 im Schnitt einen Stand von 4,6 %.

Abbildung 11

Aufschlüsselung des BIP-Deflators

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.

Die längerfristigen Inflationserwartungen gingen im Lauf des Jahres 2019 zurück. In Bezug auf die Teuerung in fünf Jahren verringerte sich der laut Survey of Professional Forecasters (SPF) der EZB erwartete Wert von 1,9 % im Schlussquartal 2018 auf 1,7 % im Schlussquartal 2019. Auch marktbasierte Maße der längerfristigen Inflationserwartungen wie z. B. der fünfjährige inflationsindexierte Termin-Swapsatz in fünf Jahren waren rückläufig. Gegen Jahresende stabilisierten sie sich jedoch, wenngleich sie immer noch auf einem niedrigen Niveau lagen.

1.4 Günstige Finanzierungsbedingungen stützten weiterhin das Kredit- und Geldmengenwachstum

Die Lage an den Finanzmärkten im Euroraum wurde 2019 hauptsächlich von den Auswirkungen der konjunkturellen Eintrübung bestimmt. Hintergrund dieser Entwicklung waren dauerhaft niedrige Inflationsraten, politisch bedingte Unsicherheit mit der Folge einer phasenweise geringen Risikobereitschaft sowie eine erneute Lockerung des geldpolitischen Kurses. Sowohl die Geldmarktsätze als auch die längerfristigen Anleiherenditen gingen merklich zurück, während die Aktienkurse dank niedrigerer Diskontierungssätze insgesamt stiegen. Die Außenfinanzierungsströme der nichtfinanziellen Unternehmen stabilisierten sich im Berichtsjahr weitgehend auf einem Niveau, das deutlich unterhalb ihres jüngsten, 2017 verzeichneten Höchststandes lag. Dagegen zeigten sich die Kreditaufnahme bei Banken und die Emission von Schuldverschreibungen aufgrund der günstigen Finanzierungsbedingungen nach wie vor solide, und der Nettoabsatz nicht börsennotierter Aktien entwickelte sich dank vermehrter Fusions- und Übernahmeaktivitäten robust. Die anhaltende Zunahme der Bankkreditvergabe an den privaten Sektor und die niedrigen Opportunitätskosten für das Halten von M3-Beständen trugen dazu bei, das Wachstum der weit gefassten Geldmenge zu stützen. In den vorteilhaften Finanzierungsbedingungen kamen zwei Aspekte zum Ausdruck: der akkommodierende geldpolitische Kurs der EZB und die Fähigkeit des Bankensektors, die geldpolitischen Impulse in Form günstiger Kreditzinsen an Unternehmen und private Haushalte weiterzugeben. Die steigenden Bewertungen von Finanzanlagen- und Immobilienbeständen ließen das Vermögen der privaten Haushalte anwachsen, was wiederum die privaten Konsumausgaben beflügelte.

Staatsanleiherenditen im Euroraum 2019 stark gesunken – seit September Erholung in Sicht

Die Renditen der Staatsanleihen im Euroraum gingen 2019 deutlich zurück und sanken in den Sommermonaten im langfristigen Segment ins Minus. Dahinter standen zunehmende Bedenken in Bezug auf Umfang und Dauer der konjunkturellen Abkühlung im Eurogebiet sowie deren Auswirkungen auf die Inflationsentwicklung. Auch die risikofreien Zinssätze gaben im Euroraum nach, was verschiedenen Faktoren zuzuschreiben war. Hierzu zählten die geldpolitische Akkommodierung in den Vereinigten Staaten, eine weltweite Verschärfung der Risikostimmung ausgelöst durch die Handelsspannungen zwischen den USA und China, aber auch durch den Brexit, und die steigenden Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer hinsichtlich einer erneuten geldpolitischen Akkommodierung durch die EZB. Nach der Ankündigung des geldpolitischen Maßnahmenpakets der EZB im September trugen etwas positivere gesamtwirtschaftliche Daten für das Eurogebiet und eine leichte Stabilisierung der globalen Risikostimmung zu einer allmählichen Erholung der Staatsanleiherenditen im Euroraum bei. Dennoch lag die BIP-gewichtete Durchschnittsrendite zehnjähriger Staatsanleihen im Eurogebiet am 31. Dezember 2019 mit 0,28 % 74 Basispunkte unter ihrem Stand vom 1. Januar 2019. Dank geringerer finanzpolitischer Unsicherheit verengte sich der Renditeabstand zehnjähriger Staatsanleihen der Euro-Länder gegenüber deutschen Bundesanleihen, in einigen Ländern sogar deutlich.

Abbildung 12

Renditen zehnjähriger Staatsanleihen im Euroraum, in den Vereinigten Staaten und in Deutschland

(in % p. a.; Tageswerte)

Quellen: Bloomberg, Thomson Reuters Datastream und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Bei den Angaben für das Euro-Währungsgebiet handelt es sich um die BIP-gewichtete Durchschnittsrendite zehnjähriger Staatsanleihen. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2019.

Aktienkurse im Euroraum dank niedrigerer Diskontierungssätze gestiegen

Die Aktienkurse im Euroraum stiegen 2019 deutlich an. So erhöhte sich der Gesamtindex für die Notierungen nichtfinanzieller Unternehmen im Eurogebiet im Jahresverlauf um 20,7 %, während der Index für Bankaktien aus dem Euroraum um 9,7 % zulegte (siehe Abbildung 13). Für die positive Entwicklung der Aktienkurse waren in erster Linie niedrigere Diskontierungssätze verantwortlich. Dagegen blieben die Gewinnerwartungen schwach, und die Risikoprämien – die vor allem auf den Verlauf des Handelskonflikts zwischen den USA und China und der Brexit-Verhandlungen reagierten – belasteten die Preise.

Abbildung 13

Aktienmarktindizes im Euroraum und in den Vereinigten Staaten

(Index: 1. Januar 2018 = 100)

Quelle: Thomson Reuters Datastream.
Anmerkung: Für den Euroraum werden der EURO STOXX Banks und der Datastream Marktindex für nichtfinanzielle Unternehmen angezeigt, für die Vereinigten Staaten der S&P Banks und der Datastream Marktindex für nichtfinanzielle Unternehmen. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2019.

Bankkreditaufnahme und Wertpapieremission nichtfinanzieller Unternehmen solide

Die Außenfinanzierungsströme der nichtfinanziellen Unternehmen stabilisierten sich 2019 weitgehend und lagen deutlich unter ihrem jüngsten Rekordhoch von 2017 (siehe Abbildung 14). Gleichwohl zeigten sich das Wachstum der Kreditaufnahme bei Banken und die Emission von Schuldverschreibungen aufgrund der günstigen Finanzierungsbedingungen anhaltend solide, und auch der Nettoabsatz nicht börsennotierter Aktien entwickelte sich dank vermehrter Fusions- und Übernahmeaktivitäten robust. Im Gegensatz dazu schwächte sich die Entwicklung der anderen Finanzierungsquellen ab (darunter konzerninterne Darlehen und Handelskredite). Der Nettoabsatz börsennotierter Aktien ging ebenfalls zurück, weil die Kosten der Eigenfinanzierung über denen anderer Finanzierungsarten lagen. Die Kreditzinsen der Banken sanken – überwiegend im Einklang mit der Entwicklung der Marktsätze – weiter und erreichten im Lauf des Berichtsjahrs neue historische Tiefstände.

Die von der EZB 2019 vorgenommene zusätzliche Lockerung der Geldpolitik schlug sich in günstigeren Finanzierungsbedingungen nieder. Dies war unter anderem darauf zurückzuführen, dass einige der ergriffenen Maßnahmen – beispielsweise die dritte Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) und der Staffelzins auf Reserveguthaben – darauf ausgerichtet waren, die Intermediationsfähigkeit der Banken zu stärken (siehe Kapitel 2 Abschnitt 1). Gleichzeitig gelang es den Banken, weitere Fortschritte bei der Bereinigung ihrer Bilanzen zu erzielen, indem sie ihre Eigenkapitalpositionen erhöhten und die Qualität ihrer Aktiva verbesserten.

Abbildung 14

Außenfinanzierung nichtfinanzieller Unternehmen im Euroraum (netto)

(jährlicher Mittelzufluss; in Mrd €)

Quellen: Eurostat und EZB.
Anmerkung: „Sonstige Kredite“ umfassen Kredite von Nicht-MFIs (sonstigen Finanzinstituten, Versicherungsgesellschaften und Pensionseinrichtungen) und der übrigen Welt. Von MFIs (monetären Finanzinstituten) und Nicht-MFIs gewährte Kredite sind um Kreditverkäufe und ‑verbriefungen bereinigt. Bei „Sonstige“ handelt es sich um die Differenz zwischen dem Posten „Insgesamt“ und den in der Abbildung dargestellten Instrumenten. Darin enthalten sind konzerninterne Darlehen sowie Handelskredite. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das dritte Quartal 2019.

Privathaushalte profitierten von Wertsteigerungen beim Sach- und Finanzvermögen

Das Nettovermögen der privaten Haushalte nahm in den ersten drei Quartalen 2019 spürbar zu und verlieh dem privaten Konsum dadurch Auftrieb. Trotz einer nachlassenden Dynamik an den Wohnimmobilienmärkten kamen die weiter ansteigenden Wohnraumpreise dem Nettovermögen zugute. Dies führte zu erheblichen Bewertungsgewinnen aus dem Immobilienbestand der Privathaushalte. Auch aus den Finanzanlagen ergaben sich beachtliche Bewertungsgewinne. Die steigenden Wohnimmobilienpreise und günstigen Finanzierungsbedingungen trugen ferner dazu bei, dass die Jahreswachstumsrate der Wohnungsbaukredite an private Haushalte ihren allmählichen Aufwärtstrend fortsetzte. Die Bruttoverschuldung der privaten Haushalte – gemessen als prozentualer Anteil am nominal verfügbaren Bruttoeinkommen – lag weiterhin deutlich über dem durchschnittlichen Vorkrisenniveau.

M3- und Kreditwachstum im Jahr 2019 erholt

Die Kreditvergabe der Banken an den privaten Sektor entwickelte sich insgesamt solide. Dabei beschleunigte sich das jährliche Wachstum (bereinigt um Kreditverkäufe und ‑verbriefungen sowie um fiktives Cash-Pooling) von 3,4 % im Dezember 2018 auf 3,7 % im Dezember 2019. Von den Krediten ging nach wie vor der größte Beitrag zum Wachstum der weit gefassten Geldmenge aus (siehe die blauen Balkenabschnitte in Abbildung 16). Gleichzeitig schlugen sich die monetären Zuflüsse von außerhalb des Euroraums verstärkt in der M3-Dynamik nieder (siehe die gelben Balkenabschnitte in Abbildung 16). Dementsprechend kam es 2019 zu einer Erholung des M3-Wachstums (siehe Abbildung 15). Ende 2018 wirkte sich die Einstellung der Nettokäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten dämpfend auf das M3-Wachstum aus (siehe die roten Balkenabschnitte in Abbildung 16). Indessen hatte die Wiedereinführung der Wertpapierkäufe im November 2019 lediglich begrenzten Einfluss auf das Wachstum des weit gefassten Geldmengenaggregats im Berichtsjahr.

Abbildung 15

M3 und Kreditvergabe an den privaten Sektor

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die Kredite sind um Verkäufe und Verbriefungen sowie um fiktives Cash-Pooling bereinigt. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2019.

Abbildung 16

M3 und Gegenposten

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten; saison- und kalenderbereinigt)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die Kreditvergabe an den privaten Sektor umfasst sowohl die MFI-Kredite an den privaten Sektor als auch die MFI-Bestände an Schuldverschreibungen des privaten Sektors (ohne MFIs) im Euroraum. Somit schlägt sich darin auch der Erwerb von Schuldverschreibungen von Nicht-MFIs durch das Eurosystem im Rahmen des Programms zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP) nieder. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2019.

M3-Wachstum größtenteils auf höheren Bestand an täglich fälligen Einlagen zurückzuführen

Eine nähere Betrachtung der in M3 enthaltenen Instrumente zeigt, dass das Wachstum der weit gefassten Geldmenge nach wie vor am stärksten von den täglich fälligen Einlagen geprägt wurde, da die Opportunitätskosten für das Halten liquider Einlagen angesichts der sehr niedrigen Zinsen und einer flachen Zinsstrukturkurve gering waren. Der Anstieg der täglich fälligen Einlagen war durch die starke Ausweitung der Bestände privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen begründet. Infolgedessen wuchs das eng gefasste Geldmengenaggregat M1, das den Bargeldumlauf und täglich fällige Einlagen umfasst, weiterhin kräftig.

2 Geldpolitik – zu angemessenem Handeln entschlossen

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abschwächung im Euro-Währungsgebiet, länger anhaltender Abwärtsrisiken und eines Inflationsausblicks, der nach wie vor hinter dem mittelfristigen Inflationsziel des EZB-Rats zurückblieb, lockerte der EZB-Rat den geldpolitischen Kurs über das Jahr 2019 hinweg in drei aufeinander folgenden Schritten. Diese nacheinander durchgeführten Maßnahmen zeugten von der Entschlossenheit des EZB-Rats, in angemessener Weise zu handeln, um die Inflation wieder in Richtung einer nachhaltigen Annäherung an das mittelfristige Inflationsziel des EZB-Rats zu lenken. Angesichts der Zeit, die diese Maßnahmen benötigten, um ihre volle Wirkung auf die Wirtschaft im Euroraum zu erzielen, beobachtete der EZB-Rat die Inflationsentwicklung und die Transmission der sich entfaltenden geldpolitischen Maßnahmen weiterhin genau. Gleichzeitig hielt sich der EZB-Rat nach wie vor bereit, alle seine Instrumente gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Inflationsrate – im Einklang mit seiner Verpflichtung zur Symmetrie rund um unter, aber nahe 2 % – nachhaltig dem Preisstabilitätsziel annähert. Ende 2019 waren 70 % der Bilanzsumme des Eurosystems auf geldpolitische Operationen zurückzuführen. Die Bilanzsumme stabilisierte sich 2019 bei 4,7 Billionen € und entsprach damit dem Ende 2018 ausgewiesenen Wert. Die mit der großen Bilanzsumme zusammenhängenden Risiken entschärfte die EZB wie schon bisher mit risikosteuernden Maßnahmen.

2.1 Erstes Paket geldpolitischer Maßnahmen zur Aufrechterhaltung einer umfangreichen geldpolitischen Akkommodierung bei zunehmend negativen außenwirtschaftlichen Einflüssen

Nachdem sich die wirtschaftlichen Aussichten Ende 2018 eingetrübt hatten, blieben die eingehenden Daten auch Anfang 2019 hinter den Erwartungen zurück. Grund hierfür waren eine schwächere Auslandsnachfrage und eine Reihe länder- und sektorspezifischer Faktoren, was darauf hindeutete, dass die kurzfristige Wachstumsentwicklung weniger dynamisch ausfallen könnte als zuvor angenommen. Gleichzeitig bestand erhebliche Unsicherheit darüber, ob die wachstumshemmenden Faktoren im Euroraum vorübergehender oder längerfristiger Natur sein würden. Daraus resultierte die Frage, inwieweit das geringere kurzfristige Wachstum die mittelfristigen Aussichten beeinträchtigen würde. Vor diesem Hintergrund bestätigte der EZB-Rat, dass der Wachstumsausblick des Eurogebiets nunmehr mit Abwärtsrisiken behaftet sei. Für diese Entwicklung seien die anhaltenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit geopolitischen Faktoren und drohenden protektionistischen Maßnahmen, Anfälligkeiten in den Schwellenländern und die Volatilität an den Finanzmärkten verantwortlich. Der EZB-Rat betonte, dass die Geldpolitik weiterhin von Umsicht, Geduld und Beharrlichkeit geprägt sein müsse. Zwar würden das Wachstum im Euroraum und der allmählich zunehmende Inflationsdruck weiterhin durch die günstigen Finanzierungsbedingungen, die positive Dynamik am Arbeitsmarkt und das höhere Lohnwachstum gestützt, dennoch bekräftigte der EZB-Rat erneut die Notwendigkeit erheblicher geldpolitischer Impulse. Nur so könne eine fortgesetzte nachhaltige Annäherung der Inflation an ein Niveau von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht gewährleistet werden.

Schwächere Konjunktur bremste Annäherung der Inflation an das mittelfristige Inflationsziel und zog Einführung des ersten Maßnahmenpakets nach sich

Die aktuellen Wirtschaftsdaten blieben auch im Frühjahr schwach und ließen eine beträchtliche Verringerung des Wachstumstempos erwarten, die sich auch weiter ins Jahr 2019 hinein erstrecken würde. Besonders deutlich verlangsamte sich die Konjunktur im verarbeitenden Gewerbe. Dies war vor allem negativen außenwirtschaftlichen Faktoren zuzuschreiben, da die globale Wachstums- und Handelsdynamik anhaltend schwach ausgeprägt war. Die Annäherung der Inflationsentwicklung an das mittelfristige Inflationsziel des EZB-Rats wurde durch die geringere Konjunkturdynamik gebremst.

Als Reaktion auf die deutliche Abschwächung der Wachstums- und Inflationsaussichten verabschiedete der EZB-Rat deshalb auf seiner Sitzung im März ein Maßnahmenpaket, um zusätzliche akkommodierende geldpolitische Impulse zu setzen. Dies sollte den weiteren Aufbau eines binnenwirtschaftlichen Preisdrucks und die Entwicklung der Gesamtinflation auf mittlere Sicht stützen und die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft im Euroraum in einem Umfeld weltweiter Unsicherheiten erhöhen. Der EZB-Rat verabschiedete im Einzelnen folgende Maßnahmen: Erstens beschloss er, die kalenderbasierte Komponente der Forward Guidance zu den Leitzinsen weiter in die Zukunft zu verlagern. Diesem Beschluss legte er seine Erwartung zugrunde, dass die Leitzinsen der EZB mindestens über das Jahresende 2019 hinaus und in jedem Fall so lange wie erforderlich auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden, um eine fortgesetzte nachhaltige Annäherung der Teuerungsrate an ein mit dem mittelfristigen Ziel vereinbares Niveau sicherzustellen. Zweitens bekräftigte der EZB-Rat seine Absicht, die Tilgungsbeträge fällig werdender Wertpapiere, die im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) erworben wurden, für längere Zeit über den Zeitpunkt hinaus, zu dem er mit der Erhöhung der Leitzinsen beginnt, und in jedem Fall so lange wie erforderlich weiterhin vollumfänglich zu reinvestieren, um günstige Liquiditätsbedingungen und einen hohen Grad an geldpolitischer Akkommodierung aufrechtzuerhalten. Angesichts des Zusammenhangs zwischen der Forward Guidance zu den Leitzinsen und den Reinvestitionen wurde der erwartete Zeithorizont für die Reinvestitionen automatisch verlängert. Dadurch wurde die Forward Guidance zu den Leitzinsen verstärkt und die Entschlossenheit des EZB-Rats zu angemessenem Handeln bekräftigt. Drittens wurde neben der Anpassung der Forward Guidance zu den Leitzinsen eine neue Serie vierteljährlicher gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) angekündigt. Diese sollten im September 2019 beginnen und im März 2021 enden und jeweils eine Laufzeit von zwei Jahren haben. Ziel der neuen GLRG-Serie ist, die günstigen Kreditvergabebedingungen der Banken und damit die Versorgung der Bankkunden mit Krediten zu erschwinglichen Konditionen aufrechtzuerhalten. Eine solide Kreditvergabe an den privaten Sektor fördert die Umsetzung von Konsum- und Investitionsvorhaben der privaten Haushalte und Unternehmen und trägt damit zum Wirtschaftswachstum und zur Anpassung der Inflation an das mittelfristige Ziel des EZB-Rats bei. Viertens kam der EZB-Rat überein, die Kreditgeschäfte des Eurosystems so lange wie erforderlich und mindestens bis zum Ende der im März 2021 beginnenden Mindestreserve-Erfüllungsperiode weiterhin als Mengentender mit Vollzuteilung durchzuführen.

Nach der Ankündigung der neuen GLRG-Serie teilte der EZB-Rat auf seiner nächsten geldpolitischen Sitzung mit, dass die genauen Bedingungen dieser Refinanzierungsgeschäfte bei einer der kommenden Sitzungen bekannt gegeben würden. In die Preisgestaltung der GLRG-III-Geschäfte würden insbesondere eine sorgfältige Beurteilung des bankbasierten Transmissionskanals der Geldpolitik sowie die weitere Entwicklung der Konjunkturaussichten einfließen. Angesichts der Tatsache, dass das negative Zinsumfeld länger als ursprünglich erwartet andauern werde, wies der EZB-Rat zudem darauf hin, dass er bei seiner regelmäßigen Einschätzung auch prüfen werde, ob zur Erhaltung der positiven Wirkung negativer Zinssätze auf die Wirtschaft etwaige Nebenwirkungen für die Bankenintermediation gegebenenfalls abgemildert werden müssten.

Zweite Runde zusätzlicher geldpolitischer Akkommodierung und sinkendes Vertrauen in die Inflationsaussichten

Aussichten für das Eurogebiet auch zur Jahresmitte weiterhin durch negative weltwirtschaftliche Faktoren belastet

Auch zur Jahresmitte deuteten die aktuellen Informationen darauf hin, dass negative weltwirtschaftliche Faktoren – vor allem in Verbindung mit der anhaltenden Schwäche des Welthandels sowie mit weiter verbreiteten und länger anhaltenden Unsicherheiten im außenwirtschaftlichen Umfeld – die Aussichten für das Eurogebiet weiterhin belasteten. Von diesen Faktoren war insbesondere das verarbeitende Gewerbe im Euroraum betroffen. Darüber hinaus verlangsamte sich die am HVPI gemessene Teuerungsrate weiter, was in erster Linie temporären Faktoren geschuldet war. Die zugrunde liegende Inflation bewegte sich indessen kontinuierlich seitwärts.

In Anbetracht der noch länger bestehenden Unsicherheiten und deren Auswirkungen auf den Inflationsausblick konstatierte der EZB-Rat die Notwendigkeit, den geldpolitischen Kurs zum zweiten Mal im Jahr 2019 anzupassen und weitere geldpolitische Impulse zu setzen, damit sich die Inflation weiter nachhaltig auf ihr mittelfristiges Ziel zubewegt. Daher beschloss der EZB-Rat auf seiner Sitzung im Juni, die Forward Guidance zu den Leitzinsen zu stärken, indem er deren kalenderbasierte Komponente weiter in die Zukunft verschob. Dabei äußerte der EZB-Rat konkret seine Erwartung, dass die Leitzinsen mindestens über das erste Halbjahr 2020 hinaus und in jedem Fall so lange wie erforderlich auf ihrem aktuellen Niveau bleiben werden, um eine fortgesetzte nachhaltige Annäherung der Inflation an das mittelfristige Ziel sicherzustellen. Der EZB-Rat bekräftigte außerdem seine Forward Guidance zu den Reinvestitionen. Im Zusammenhang mit der Bepreisung der Refinanzierungsgeschäfte im Rahmen der GLRG-III-Serie beschloss der EZB-Rat, den Zinssatz für die einzelnen Geschäfte auf einen Wert von 10 Basispunkten über dem durchschnittlichen Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems festzusetzen. Für Banken, deren anrechenbare Nettokreditvergabe eine Referenzgröße überschritt, würde allerdings ein niedrigerer Zinssatz für die GLRG III zur Anwendung kommen. Dieser könnte bis auf den durchschnittlichen Zinssatz für die Einlagefazilität zuzüglich 10 Basispunkten gesenkt werden. Mit dieser Preisgestaltung sei ein ausgeglichenes Paket erzielt worden, das sowohl der soliden Entwicklung der Bankkreditvergabe als auch der Bedeutung der Beibehaltung eines akkommodierenden geldpolitischen Kurses Rechnung trage.

Die Aussichten für den Euroraum wurden auch in den Sommermonaten durch die nachlassende globale Wachstumsdynamik und den schwachen Welthandel belastet. Darüber hinaus dämpfte der Fortbestand von Unsicherheiten weiterhin das Geschäftsklima, was insbesondere im verarbeitenden Gewerbe zu beobachten war. Die Preise entwickelten sich unterdessen weiter verhalten, und die zugrunde liegende Inflation bewegte sich weiter seitwärts. Die marktbasierten Messgrößen der längerfristigen Inflationserwartungen stagnierten auf den nach der Juni-Sitzung erreichten historischen Tiefständen. Gleichzeitig deuteten die Umfragen auf einen starken Rückgang der längerfristigen Inflationserwartungen hin.

EZB-Rat stellte fest, dass tatsächliche und projizierte Inflationsraten beständig hinter seinem Inflationsziel zurückblieben

Vor diesem Hintergrund stellte der EZB-Rat auf seiner Sitzung im Juli fest, dass sowohl die tatsächlichen als auch die projizierten Inflationsraten beständig unter einem mit seinem Ziel vereinbaren Niveau lagen. Des Weiteren gab er zu verstehen, dass er die Symmetrie seines mittelfristigen Inflationsziels als bedeutsames Element zur Förderung einer nachhaltigen Annäherung der Teuerungsrate an das Inflationsziel betrachte. Daher wurde es als wichtig erachtet, dass der EZB-Rat seine Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit demonstrierte und seine Bereitschaft zeigte, den geldpolitischen Kurs durch eine Anpassung all seiner Instrumente gegebenenfalls weiter zu lockern, um das Preisstabilitätsziel zu erreichen. Gleichzeitig stellte der EZB-Rat klar, dass er entschlossen sei, entsprechend seiner Verpflichtung zur Symmetrie des Inflationsziels zu handeln, sollten die mittelfristigen Inflationsaussichten weiter hinter ihrem Ziel zurückbleiben. In dieser Situation beschloss der EZB-Rat daher, in seine Forward Guidance zu den Leitzinsen wieder eine „Lockerungstendenz“ (Easing Bias) aufzunehmen, indem er seiner Erwartung Ausdruck verlieh, die Leitzinsen auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau zu belassen. Des Weiteren beauftragte der EZB-Rat die entsprechenden Ausschüsse des Eurosystems mit der Überprüfung bestimmter Optionen, darunter Möglichkeiten zur Stärkung der Forward Guidance zu den Leitzinsen, Ausgleichsmaßnahmen wie die Entwicklung eines gestaffelten Systems für die Verzinsung der Reserveguthaben und Optionen hinsichtlich des Umfangs und der Zusammensetzung möglicher neuer Nettoankäufe von Wertpapieren. Diese Ankündigungen bildeten die Grundlage für ein umfassendes Maßnahmenpaket, das bei der nächsten geldpolitischen Sitzung beschlossen werden könnte, sollten sich die Inflationsaussichten nicht im Einklang mit dem Ziel verbessern.

Dritte Runde geldpolitischer Akkommodierung mit umfangreichem Maßnahmenpaket als Reaktion auf anhaltend niedrige Inflationsraten

Aus den gesamtwirtschaftlichen Projektionen der EZB vom September 2019 ging eine weitere Eintrübung des Inflationsausblicks hervor. Insgesamt sah sich der EZB-Rat mit einer länger als erwartet andauernden Konjunkturschwäche im Euroraum, hartnäckigen Abwärtsrisiken sowie weiterhin hinter dem mittelfristigen Ziel zurückbleibenden Inflationsaussichten konfrontiert. So wurden die Inflationsaussichten sukzessive deutlich nach unten revidiert und die Teuerung für das Jahr 2021 von 1,8 % in den Projektionen vom Dezember 2018 auf 1,5 % in den Projektionen vom September 2019 gesenkt. Zu dieser weiteren Eintrübung des Inflationsausblicks kam es trotz der Tatsache, dass die in den Projektionen zugrunde gelegten finanziellen Bedingungen bereits hohe Erwartungen hinsichtlich einer zusätzlichen Lockerung der Geldpolitik widerspiegelten. Die weitere Eintrübung bedeutete, dass sich die projizierte Inflation weiter von dem Niveau entfernen würde, das mit dem Ziel des EZB-Rats vereinbar wäre. Die zugrunde liegende Inflation entwickelte sich weiterhin verhalten, und die Indikatoren der Inflationserwartungen lagen auf anhaltend niedrigem Niveau. In dieser Situation kam der EZB-Rat überein, dass eine dritte Runde geldpolitischer Stützungsmaßnahmen notwendig sei, um die Inflation wieder in Richtung einer nachhaltigen Annäherung an das Preisstabilitätsziel des EZB-Rats zu lenken. Dementsprechend fasste der EZB-Rat im September die nachstehend dargelegten Beschlüsse.

EZB-Rat erachtete umfassende geldpolitische Reaktion als notwendig, um die Inflation wieder in Richtung einer nachhaltigen Annäherung an das mittelfristige Ziel zu lenken

Erstens beschloss der EZB-Rat, den Zinssatz für die Einlagefazilität um 10 Basispunkte auf −0,50 % zu senken (siehe Abbildung 17). Diese Maßnahme ging mit einer Neuformulierung der Forward Guidance zur erwarteten Leitzinsentwicklung einher. Dementsprechend erwartet der EZB-Rat nunmehr, dass die Leitzinsen der EZB so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben, bis der EZB-Rat feststellt, dass sich die Inflationsaussichten innerhalb des Projektionszeitraums deutlich an ein Niveau von hinreichend nahe, aber unter 2 % annähern, und dass sich diese Annäherung durchgängig in der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation widerspiegelt.

Abbildung 17

Leitzinsen der EZB

(in % p. a.)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2019.

Zweitens beschloss der EZB-Rat, den Nettoerwerb von Vermögenswerten im Rahmen des APP in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd € ab dem 1. November wieder aufzunehmen (siehe Abbildung 18). Dabei geht er davon aus, dass die Nettoankäufe beendet werden, kurz bevor der EZB-Rat mit der Erhöhung der Leitzinsen beginnt. Der EZB-Rat bekräftigte ferner, dass er die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere für längere Zeit über den Zeitpunkt hinaus, zu dem er mit der Erhöhung der Leitzinsen beginnt, weiterhin bei Fälligkeit vollumfänglich wieder anlegen werde, und zwar in jedem Fall so lange wie erforderlich, um günstige Liquiditätsbedingungen und eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung aufrechtzuerhalten.

Abbildung 18

Monatliche Nettoankäufe und gesamte Tilgungen im Rahmen des APP (2019)

(in Mrd €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Buchwert der monatlichen Nettoankäufe; Tilgungsbeträge je Monat. Das Eurosystem folgt dem Prinzip der Marktneutralität während der Reinvestitionsphase durch eine reibungslose und flexible Umsetzung. Zu diesem Zweck erfolgt die Wiederanlage der Tilgungsbeträge über das Jahr verteilt, um eine regelmäßige und ausgewogene Marktpräsenz zu ermöglichen. Damit der erwartbaren geringeren Marktaktivität in bestimmten Monaten (z. B. Dezember) Rechnung getragen wird, können ferner zusätzliche Nettoankäufe auf vorhergehende oder nachfolgende Monate verteilt werden. Aus diesem Grund decken sich die monatlichen Nettoankäufe nicht exakt mit den entsprechenden monatlichen Richtwerten. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2019.

Drittens kam der EZB-Rat überein, die dritte GLRG-Serie zu rekalibrieren. Dabei wurde den teilnehmenden Banken einerseits ein attraktiverer Zinssatz eingeräumt (bei Überschreiten einer Referenzgröße für die Mindestkreditvergabe kann dieser bis auf den während der Laufzeit des Geschäfts geltenden durchschnittlichen Zinssatz für die Einlagefazilität gesenkt werden), andererseits wurde die Laufzeit der Operationen verlängert (von zwei Jahren auf drei Jahre). Die attraktiveren GLRG-Bedingungen zielten darauf ab, die günstigen Kreditvergabebedingungen der Banken aufrechtzuerhalten, die reibungslose Transmission der Geldpolitik zu gewährleisten und den akkommodierenden geldpolitischen Kurs weiter zu unterstützen.

Um die bankbasierte Transmission der Geldpolitik sicherzustellen, wurde ein zweistufiges System für die Verzinsung der Mindestreserveguthaben eingeführt, bei dem ein Teil der Überschussliquidität der Banken vom negativen Einlagesatz befreit wird.

Alle Elemente des auf der September-Sitzung verabschiedeten Maßnahmenpakets wurden so ausgelegt, dass sie einander in ihrer geldpolitischen Wirkung ergänzen und die Annäherung der Inflation an das Inflationsziel des EZB-Rats fördern. Die Verringerung des Einlagesatzes und die Stärkung der zustandsabhängigen Komponente der Forward Guidance dienten dazu, die kurz- bis mittelfristigen Zinssätze zu verankern; diese sind für die Bepreisung der Unternehmenskredite im Euroraum entscheidend. Die wieder aufgenommenen Nettoankäufe von Vermögenswerten und der erwartete Zeithorizont für die Wiederveranlagungen führten zu einer Verankerung der mittel- bis längerfristigen Zinsen, die ihrerseits für die Bepreisung von Hypothekardarlehen an private Haushalte bedeutsam sind. Die GLRG III wurden mit dem Ziel angepasst, die günstigen Kreditvergabebedingungen der Banken aufrechtzuerhalten, eine reibungslose Transmission der Geldpolitik zu gewährleisten und den Banken Anreize für eine weitere rege Kreditvergabe an ihre Kunden zu bieten. Mit dem zweistufigen System für die Verzinsung der Mindestreserveguthaben sollten die den Banken entstehenden direkten Kosten der negativen Zinsen verringert werden, um die bankbasierte Transmission der Geldpolitik zu unterstützen. Im Ergebnis schlugen die verbesserten Bedingungen der Marktfinanzierung auch weiterhin auf die Kreditvergabebedingungen für Unternehmen und private Haushalte durch.

Beobachtung der Inflationsentwicklung angesichts einer leichten Stabilisierung des Wachstumsausblicks bei gleichzeitiger Handlungsbereitschaft

Nachdem der geldpolitische Kurs in drei Schritten über das Jahr hinweg gelockert wurde, blieb die zugrunde liegende Inflation am Jahresende insgesamt verhalten und die Wachstumsdynamik im Euroraum schwach. Allerdings zeichnete sich im Einklang mit früheren Projektionen eine gewisse Stabilisierung der Wachstumsverlangsamung und eine leichte Zunahme der zugrunde liegenden Inflation ab. In Anbetracht dieser Entwicklungen und der Tatsache, dass alle Maßnahmen erst nach einiger Zeit ihre volle Wirkung erzielen würden, kündigte der EZB-Rat auf seiner Sitzung im Dezember an, dass er die Inflationsentwicklung und die Frage, inwieweit die sich entfaltenden geldpolitischen Maßnahmen vom September auf die Wirtschaft durchwirken, genau beobachten werde. In jedem Fall betonte der EZB-Rat, dass er nach wie vor bereit sei, alle seine Instrumente gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Teuerungsrate – im Einklang mit der Verpflichtung zur Symmetrie – nachhaltig ihrem Ziel annähere.

Angesichts der beständigen Unsicherheiten und der Abwärtsrisiken wurde die Geldpolitik 2019 in erheblichem Umfang weiter gelockert. Wie schon zuvor wirkten dabei alle Elemente der beschlossenen Maßnahmen zusammen und trugen zu einem erneuten Rückgang der Refinanzierungskosten der Banken bei (siehe Abbildung 19). Mit der Weitergabe der sehr günstigen Refinanzierungsbedingungen der Banken an die Wirtschaft erreichten die Kreditkonditionen für Unternehmen und private Haushalte (annähernd) historische Tiefstände (siehe Abbildung 20). Alle 2019 gefassten Beschlüsse trugen zu der umfangreichen geldpolitischen Akkommodierung seit 2014 bei und unterstützten weiterhin die Verbesserung der Wirtschaftsleistung des Euroraums.

Abbildung 19

Fremdfinanzierungskosten der Banken (gewichtet)

(Kosten der Finanzierung über Bankeinlagen und unbesicherte Kapitalmarktgeschäfte; in % p. a.)

Quellen: EZB, Markit iBoxx und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Der in den Indikator eingehende gewichtete Zinssatz für die einlagenbasierte Finanzierung entspricht dem Durchschnitt aus den Neugeschäftszinssätzen für täglich fällige Einlagen, Einlagen mit vereinbarter Laufzeit und Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist (gewichtet mit den jeweiligen Beständen). Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2019.

Abbildung 20

Bankkreditzinsen für nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte (gewichtet)

(in % p. a.)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die gewichteten Zinsen für Bankkredite errechnen sich durch Aggregation der kurz- und langfristigen Kreditzinsen auf Basis des gleitenden 24-Monatsdurchschnitts des Neugeschäftsvolumens. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2019.

2.2 Entwicklung der Bilanz des Eurosystems nach Wiederaufnahme des Nettoerwerbs von Vermögenswerten

Bilanzsumme des Eurosystems im Jahr 2019 unverändert

Umfang und Zusammensetzung der Bilanz des Eurosystems haben sich infolge der diversen geldpolitischen Standard- und Sondermaßnahmen des Eurosystems seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007‑2008 kontinuierlich verändert. So erweiterte das Eurosystem im Rahmen der Sondermaßnahmen sein Liquiditätsangebot um Refinanzierungsgeschäfte mit einer Laufzeit von bis zu vier Jahren und kaufte über das APP Wertpapiere privater und öffentlich-rechtlicher Emittenten. Im Dezember 2018 stellte das Eurosystem den Nettoerwerb von Vermögenswerten im Rahmen des APP ein und legte 2019 die Tilgungsbeträge der Wertpapiere bei Fälligkeit vollumfänglich wieder an. Mit Wirkung vom 1. November 2019 nahm das Eurosystem den Nettoankauf von Wertpapieren in einem monatlichen Umfang von durchschnittlich 20 Mrd € wieder auf. Am Ende des Berichtsjahrs betrug die Bilanzsumme des Eurosystems 4,7 Billionen € und entsprach damit dem Ende 2018 ausgewiesenen Wert.

Mit der Geldpolitik in Zusammenhang stehende Wertpapierbestände beliefen sich Ende 2019 auf 3,3 Billionen € bzw. 70 % der Bilanzsumme des Eurosystems (nach 72 % Ende 2018). Dabei machten Forderungen an Kreditinstitute im Euroraum 13 % der Bilanzsumme aus (nach 16 % Ende 2018) und zu geldpolitischen Zwecken gehaltene Wertpapiere – wie bereits Ende 2018 – rund 56 % (siehe Abbildung 21). Die sonstigen Finanzanlagen verteilten sich hauptsächlich auf Fremdwährungs- und Goldbestände des Eurosystems sowie auf nicht geldpolitisch begründete Anlageportfolios in Euro.

Auf der Passivseite wurden die Reserveguthaben der Geschäftspartner des Eurosystems und die Inanspruchnahme der Einlagefazilität weitgehend unverändert mit einem Gesamtwert von 2 Billionen € ausgewiesen. Dies entsprach Ende 2019 (wie auch schon Ende 2018) einem Anteil von 39 % aller Verbindlichkeiten. Nach der Ankündigung des zweistufigen Systems für die Verzinsung der Reserveguthaben, das am 30. Oktober 2019 in Kraft trat, verlagerten die Geschäftspartner ihre beim Eurosystem gehaltene Liquidität deutlich zugunsten der Reserveguthaben und zulasten der Einlagefazilität. Ende 2019 entfielen 15 % aller Guthaben der Geschäftspartner beim Eurosystem auf die Inanspruchnahme der Einlagefazilität, während sich der Wert am Ende des Vorjahres noch auf 34 % belaufen hatte. Der Banknotenumlauf erhöhte sich im Einklang mit dem historischen Wachstumstrend und lag Ende 2019 bei einem Anteil von 28 % der Verbindlichkeiten, verglichen mit einem Vorjahresendstand von 26 %. Die sonstigen Passiva, d. h. das Kapital der EZB und die Neubewertungskonten, kamen auf einen gegenüber Ende 2018 unveränderten Anteil von 34 % (siehe Abbildung 21).

Abbildung 21

Entwicklung der konsolidierten Bilanz des Eurosystems

(in Mrd €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Positive Zahlen kennzeichnen Aktiva, negative Zahlen Passiva. Die Überschussliquidität ist im positiven Bereich dargestellt, obwohl sie bestimmten Passivpositionen entspricht, nämlich der Summe aus den Einlagen auf Girokonten, die über das Mindestreserve-Soll hinausgehen, und den Guthaben aus der Inanspruchnahme der Einlagefazilität.

Eckdaten zum APP-Portfolio: Durchschnittslaufzeit, Anlagestruktur, Länderanteile

Das APP besteht aus vier aktiven Teilprogrammen: dem dritten Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3), dem Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP), dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP) und dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP). Nach entsprechenden Beschlüssen des EZB-Rats veränderte sich der Zielwert für die monatlichen Nettoankäufe im Rahmen des APP mit der Zeit.

APP-Bestände lagen Ende 2019 bei 2,6 Billionen €

Ende 2019 beliefen sich die APP-Bestände auf 2,6 Billionen € (zu fortgeführten Anschaffungskosten). Davon entfielen zum Jahresende 1 % (28 Mrd €) auf das ABSPP, 10 % (264 Mrd €) auf das CBPP3 und 7 % (185 Mrd €) auf das CSPP. Mit einem Kaufvolumen von netto 7,7 Mrd € in den beiden letzten Monaten des Berichtsjahrs sorgte das CSPP für den größten Zuwachs beim Erwerb von Wertpapieren des privaten Sektors. Die CSPP-Ankäufe basieren auf einer Benchmark, die die Marktkapitalisierung aller ankauffähigen ausstehenden Anleihen widerspiegelt.

PSPP-Anteil am gesamten APP-Portfolio bei 82 %

Die PSPP-Bestände machten Ende 2019 – wie schon Ende 2018 – mit 2,1 Billionen € bzw. 82 % das Gros des APP-Portfolios aus. Dabei wurde die Länderaufteilung der Ankäufe so gestaltet, dass der Gesamtbestand den Kapitalschlüssel der EZB widerspiegelt. Im Rahmen der jeweiligen Ankaufquoten der nationalen Zentralbanken (NZBen) des Euroraums konnten die NZBen wahlweise Wertpapiere des öffentlichen Sektors (Bund, Länder oder Gemeinden) oder bestimmter staatsnaher Emittenten erwerben. Einige Zentralbanken kauften auch Wertpapiere supranationaler Institutionen der EU an. Die EZB tätigte hingegen keine Ankäufe von Schuldverschreibungen supranationaler EU-Institutionen oder von Anleihen regionaler Gebietskörperschaften. Die gewichtete durchschnittliche Restlaufzeit der PSPP-Bestände lag Ende 2019 bei 7,12 Jahren, also etwas unter dem Jahresendstand von 2018 (7,37 Jahre), wobei dieser Wert innerhalb des Euroraums etwas variierte.[23]

Das Eurosystem legte die Tilgungsbeträge der in den APP-Portfolios enthaltenen Wertpapiere nach deren Fälligkeit wieder an. So wurden 2019 Tilgungsbeträge in Höhe von 37,2 Mrd € aus dem Ankauf von Wertpapieren des privaten Sektors und in Höhe von 167,3 Mrd € aus Ankäufen im Rahmen des PSPP reinvestiert.[24] Im Zuge des PSPP, des CSPP und des CBPP3 erworbene Wertpapiere wurden wie bisher für Wertpapierleihgeschäfte[25] zur Verbesserung der Marktliquidität am Anleihe- und Repomarkt zur Verfügung gestellt.[26]

Entwicklung der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems

Das Volumen der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems verringerte sich im Jahresverlauf 2019 um 109,3 Mrd € auf 624,1 Mrd €. Dies ist überwiegend den freiwilligen Rückzahlungen im Umfang von 208 Mrd € im Rahmen der zweiten GLRG-Serie zuzuschreiben. In den ersten beiden Geschäften der dritten GLRG-Serie wurde ein Volumen von 101,1 Mrd € zugeteilt. Dies konnte jedoch den – durch die GLRG-Tilgungen bedingten – Rückgang bei den ausstehenden Refinanzierungsgeschäften nur teilweise ausgleichen. Die gewichtete Durchschnittsrestlaufzeit der laufenden Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems sank von rund 1,8 Jahren Ende 2018 auf rund 1,2 Jahre Ende 2019.

2.3 Finanzrisiken aus dem APP durch geeignete Maßnahmen begrenzt

Risikoeffizienz als zentrales Element der Risikosteuerung im Eurosystem

Die wieder aufgenommenen Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP zielen in erster Linie darauf ab, eine deutliche Annäherung der Inflation an das mittelfristige Ziel des EZB-Rats zu fördern. Gleichzeitig sollen die Wertpapierkäufe zum einen notwendig und zum anderen verhältnismäßig sein, um das Mandat der EZB zu erfüllen und Preisstabilität zu gewährleisten. Lassen sich die geldpolitischen Ziele auf unterschiedliche Weise erreichen, so ist diejenige Option zu wählen, die sowohl in operativer als auch in risikotechnischer Hinsicht effizient ist. Damit ist auch der Zweck der Risikosteuerung im Eurosystem definiert, nämlich die geldpolitischen Ziele mit möglichst geringem Risiko für das Eurosystem zu erfüllen – also für Risikoeffizienz zu sorgen.[27]

Direkte Wertpapierkäufe erfordern spezielle Risikokontrollmaßnahmen

Der Einsatz des geldpolitischen Instrumentariums, also auch der direkte Ankauf von Vermögenswerten, birgt naturgemäß Finanzrisiken, die das Eurosystem entsprechend steuert und kontrolliert. Die direkten Wertpapierkäufe erfordern spezielle Kontrollmaßnahmen zur Steuerung der Finanzrisiken. Diese Maßnahmen richten sich nach den jeweiligen geldpolitischen Zielen bzw. den Eigenschaften und Risikoprofilen des betreffenden Anlagetyps. Jeder Steuerungsrahmen beinhaltet Zulassungskriterien, Verfahren zur Bonitätsbeurteilung und Due-Diligence-Prüfungen, Preisvorgaben, Benchmarks und Limite. Die Vorgaben beziehen sich auf den Erwerb von Wertpapieren, die Wiederveranlagung der Tilgungsbeträge aus fällig gewordenen APP-Beständen und das APP-Portfolio insgesamt, solange es in der Bilanz des Eurosystems ausgewiesen wird.

Die Risikokontrolle dient nicht nur dazu, die Finanzrisiken möglichst gering zu halten. Über eine differenzierte marktneutrale Anlagestrategie trägt sie auch zum Erreichen der geldpolitischen Ziele bei. Darüber hinaus sind die Kontrollmaßnahmen so ausgestaltet, dass auch nichtfinanzielle Risiken einbezogen werden, so etwa rechtliche und operationelle Risiken sowie Reputationsrisiken.

Im Folgenden werden die aktuellen Kontrollrahmen für die aus dem APP erwachsenden Finanzrisiken dargestellt.[28] Tabelle 1 bietet einen Überblick über die wesentlichen Elemente der jeweils anzuwendenden Rahmenwerke.

Tabelle 1

Eckpunkte der Risikokontrolle im Rahmen des APP

Quelle: EZB.
Anmerkung: Bonitätsstufe laut harmonisierter Ratingskala des Eurosystems (siehe Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem – ECAF).
1) Für Asset-Backed Securities, die die Bonitätsstufe 2 nicht erreichen, gelten die folgenden zusätzlichen Auflagen: a) Notleidende Kreditforderungen dürfen weder bei der Emission noch nachträglich als Basiswert herangezogen werden; b) ebenso dürfen weder strukturierte Kredite noch Konsortialkredite noch Kredite an bereits hoch verschuldete Kreditnehmer verbrieft werden; und c) die Bedienung der verbrieften Forderungen muss dauerhaft gesichert sein.

2) Siehe den Bereich Umsetzungsaspekte des Programms zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP) auf der Website der EZB.

Zulassungskriterien für direkte Wertpapierkäufe

Zulassungskriterien gelten für alle Anlageklassen

Für direkte Wertpapierkäufe kommen nur marktfähige Wertpapiere infrage, die zur Besicherung von Kreditgeschäften des Eurosystems zugelassen sind. Die Zulassungskriterien für die Besicherung dieser Kreditgeschäfte wurden im geldpolitischen Handlungsrahmen festgelegt. Notenbankfähige Sicherheiten müssen u. a. hohe Bonitätsanforderungen erfüllen und mindestens ein Kreditrating[29] einer externen Ratingagentur aufweisen, das gemäß dem Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem mindestens der Bonitätsstufe 3 laut harmonisierter Ratingskala des Eurosystems entspricht. Außerdem müssen die Emission und das Settlement im Euroraum erfolgen und die Wertpapiere auf Euro lauten. Im Fall von Asset-Backed Securities müssen die jeweiligen Forderungsschuldner ihren Sitz überwiegend im Euroraum haben.

Zusätzlich zu den genannten Zulassungskriterien sind weitere programmspezifische Kriterien zu erfüllen. So gelten für Ankäufe im Rahmen des PSPP und des CSPP Mindest- und Maximallaufzeiten. Nicht CSPP-konform ist etwa der Ankauf von Wertpapieren, die von Kreditinstituten begeben wurden, oder von Emittenten, deren Konzernmutter ein Kreditinstitut ist. Ferner dürfen im Rahmen des CSPP und des CBPP3 keine Wertpapiere erworben werden, die von Abwicklungsgesellschaften oder Zweckgesellschaften für die Vermögensverwaltung begeben wurden. Bei Ankäufen im Rahmen des CBPP3 müssen die Auflagen für die Zulassung von Eigenemissionen der Kreditinstitute zur Besicherung von Kreditgeschäften des Eurosystems erfüllt werden.[30] Gedeckte Schuldverschreibungen mit einer Conditional-Pass-Through-Struktur sind seit dem 1. Januar 2019 nicht mehr ankauffähig. Des Weiteren dürfen mit dem Erwerb von Wertpapieren die Verbotsbestimmungen für die monetäre Finanzierung öffentlicher Stellen gemäß Artikel 123 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht umgangen werden.

Bonitätsbeurteilung und Due-Diligence-Prüfung

Fortlaufende Bonitätsbeurteilungen und Due-Diligence-Prüfungen

Im Rahmen der Programme zum Ankauf von Wertpapieren des privaten Sektors prüft das Eurosystem infrage kommende Wertpapiere laufend auf ihre Konformität mit den entsprechenden Bestimmungen zur Bonität und Due Diligence. Zu diesem Zweck werden bestimmte Risikoindikatoren herangezogen. Die jeweiligen Beurteilungen und Verfahren beruhen auf dem Proportionalitätsprinzip, d. h., riskantere Anlagen werden eingehender analysiert. Bei Bedarf werden weitere risikosteuernde Maßnahmen hinzugezogen, die dann ebenfalls dem Proportionalitätsprinzip folgen. Hierzu gehören insbesondere die Festlegung von Ankaufobergrenzen oder das Aussetzen von Ankäufen bzw. im Extremfall auch die Veräußerung von Anlagen, die jedoch einer Einzelfallbeurteilung durch den EZB-Rat unterliegt.

Preisvorgaben

Preisvorgaben garantieren Anlagen zu marktkonformen Preisen

Mit Preisvorgaben im Rahmen des APP wird sichergestellt, dass die Ankäufe zu Marktpreisen erfolgen, damit Marktverzerrungen möglichst vermieden werden und eine hohe Risikoeffizienz erzielt wird. Entscheidungsgrundlage im Rahmen dieser Vorgaben sind jeweils die verfügbaren Marktpreise, die Preisqualität und der beizulegende Zeitwert. Außerdem wird im Nachhinein geprüft, ob die Transaktionspreise den Marktpreisen zum Transaktionszeitpunkt entsprachen.

Der Erwerb zulässiger Schuldverschreibungen mit negativer Rendite bis Fälligkeit ist bei allen Ankaufprogrammen möglich. Dies gilt im erforderlichen Umfang auch für Schuldverschreibungen, deren Rendite bis zur Fälligkeit unter dem Zinssatz für die Einlagefazilität liegt.[31]

Benchmarks

Diversifizierung durch Benchmarks

Benchmarks werden eingesetzt, um eine entsprechende Portfoliodiversifizierung sicherzustellen und zur Risikobegrenzung beizutragen. Die Benchmarks für den Ankauf von Wertpapieren des privaten Sektors richten sich nach der Marktkapitalisierung des Pools an ankauffähigen Wertpapieren, d. h. nach dem nominalen Umlaufwert jener Wertpapiere, die auf Basis von Risikoüberlegungen prinzipiell infrage kämen. Im Fall des PSPP ist der Kapitalschlüssel der EZB für die Aufteilung der Käufe auf die einzelnen Länder, gemessen am Gesamtbestand, maßgeblich.

Limitwesen

Obergrenzen für den Ankauf je Wertpapier und Emittent zur Vermeidung von Risikokonzentrationen

Für die Ankäufe im Rahmen des APP wurde auch ein Limitwesen eingerichtet. Die Festsetzung der Ankaufobergrenzen je Wertpapier und Emittent[32] erfolgt nach strategischen, operationellen, gesetzlichen sowie risikotechnischen Überlegungen. Die Limite werden auf die jeweilige Anlageklasse abgestimmt, wobei zwischen Wertpapieren des öffentlichen und des privaten Sektors unterschieden wird.

Im Rahmen der PSPP-Ankäufe sollen die Obergrenzen je Wertpapier und Emittent die Funktionsfähigkeit der Märkte und eine adäquate Preisfindung sicherstellen, die Risikokonzentration begrenzen und dafür sorgen, dass das Eurosystem kein dominanter Gläubiger am Staatsanleihemarkt des Euroraums wird. In diesem Sinne wurde die Obergrenze je Wertpapier für ankauffähige supranationale Anleihen auf 50 % des jeweiligen Umlaufvolumens festgelegt. Bei allen anderen zum PSPP zugelassenen Anleihen liegt die Obergrenze je Wertpapier bei 33 % des jeweiligen Umlaufvolumens. Dies gilt allerdings nur, wenn das Eurosystem keine Sperrminorität im Sinne vertraglicher Umschuldungsklauseln erreicht, was auf Einzelfallbasis zu überprüfen ist. In diesem Fall kommt eine Obergrenze von 25 % je Wertpapier zum Tragen. Die Obergrenze pro Emittent beläuft sich im Falle supranationaler Institutionen auf 50 % des Umlaufvolumens der ankauffähigen Wertpapiere der jeweiligen Institution, im Fall der anderen zugelassenen Emittenten auf 33 %.

Für Ankäufe von Wertpapieren des privaten Sektors gilt eine Obergrenze von 70 % je Wertpapier. Im Rahmen des CSPP sind in besonderen Fällen niedrigere Obergrenzen anzuwenden, etwa bei Papieren, die von öffentlich-rechtlichen Emittenten begeben wurden. Es gelten dann analog die entsprechenden PSPP-Bestimmungen. Neben den Obergrenzen je Wertpapier gelten für das CBPP3 und das CSPP auch Obergrenzen je Emittent. Beim CSPP werden diese Grenzwerte auf Basis einer Benchmark-Allokation im Sinne der Marktkapitalisierung der Emittentengruppe definiert, um eine diversifizierte Anlagestruktur zu gewährleisten. Es können auch niedrigere Höchstgrenzen festgesetzt werden, wenn die Bonitätsbeurteilung und die Due-Diligence-Prüfung (wie oben dargestellt) dies nahelegen.

3 Der Finanzsektor im Euroraum: Widerstandsfähigkeit der Banken gestärkt, Risiken weiterhin gegeben

Der Finanzsektor des Euroraums sah sich auch 2019 mit einem herausfordernden Risikoumfeld konfrontiert. Einerseits hatten mehrere Faktoren, wie etwa das Wirtschaftswachstum und die solide Kapitalausstattung der Banken im Euro-Währungsgebiet, eine positive Wirkung auf die Finanzstabilität; andererseits belasteten zunehmende Abwärtsrisiken für das künftige Wachstum das Umfeld. Wie schon zuvor begünstigte die hohe Risikobereitschaft an den Finanz- und Immobilienmärkten den Aufbau von Anfälligkeiten gegenüber Preisrückgängen. Gleichzeitig nahmen die Risiken im wachsenden Nichtbankenfinanzsektor weiter zu. Vor diesem Hintergrund ergriffen Länder des Euroraums in Abstimmung mit der EZB eine Reihe makroprudenzieller Maßnahmen zur Begrenzung der Systemrisiken und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit. Zusätzlich dazu trugen die mikroprudenziellen Maßnahmen der EZB-Bankenaufsicht zur Stabilität des europäischen Bankensektors bei. Ferner beteiligte sich die EZB auch 2019 an den Diskussionen über die Vollendung der Bankenunion und das Vorantreiben der Kapitalmarktunion und betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung, die der Entwicklung eines Instrumentariums zur Begrenzung der Risiken im Nichtbankenfinanzsektor zukommt.

3.1 Rahmenbedingungen für die Finanzstabilität im Jahr 2019

Die Rahmenbedingungen für die Finanzstabilität blieben auch 2019 herausfordernd. Die weltweiten Konjunkturaussichten verschlechterten sich im Lauf des Jahres, und Unsicherheiten in Bezug auf das politische Umfeld und politische Maßnahmen sorgten für erhebliche Abwärtsrisiken. Die Märkte waren in dieser Situation zunehmend von der Erwartung einer weiteren Lockerung der Geldpolitik und der Flucht in sichere Anlagen geprägt. Dadurch kam es zu einer deutlichen Verringerung der Renditen auf Staats- und Unternehmensanleihen mit höherem Rating. Das von niedrigen (oder negativen) Zinsen und geringen Renditen auf sichere Anlagen gekennzeichnete Umfeld brachte die Profitabilität der Finanzinstitute unter Druck. Investmentfonds und Versicherungen reagierten, indem sie größere Risiken eingingen. Durch den sich eintrübenden Konjunkturausblick und die damit einhergehende Erwartung, dass die Zinsen noch für längere Zeit niedrig bleiben würden, verschlechterten sich die Ertragsaussichten der Banken weiter. Unterstützung erfuhr der Bankensektor jedoch durch abnehmende Herausforderungen bei der Refinanzierung dank geringerer Finanzierungskosten und durch einen verbesserten Zugang zum Anleihemarkt. Die Banken wiesen eine harte Kernkapitalquote (CET1-Quote) von 14,2 % und somit eine nach wie vor angemessene Kapitalausstattung auf.

EZB ermittelt vier wesentliche Schwachstellen in Bezug auf die Finanzstabilität

Die EZB ermittelte 2019 vier Faktoren, die über einen Horizont von zwei Jahren als die größten Schwachstellen in Bezug auf die Finanzstabilität gesehen werden, und erörterte diese in ihrem halbjährlichen Financial Stability Review (siehe Schaubild 1):

Schaubild 1

Wesentliche Schwachstellen in Bezug auf die Finanzstabilität im Euroraum

Quelle: EZB.
Anmerkung: Einschätzung der Finanzstabilität per 20. November 2019.

  • Erstens blieben die Anfälligkeiten bei den Vermögenspreisen 2019 deutlich erkennbar; die EZB verwies in diesem Zusammenhang auf das Risiko disruptiver Kurskorrekturen an den globalen Finanzmärkten. Die Suche nach Rendite intensivierte sich im Berichtsjahr: Während bei weniger als 10 % der weltweit ausstehenden Anleihen die Rendite 3 % oder mehr betrug, zogen die Aktienkurse im Euroraum trotz geringerer Unternehmensgewinne und der sich eintrübenden Konjunktur um rund 20 % an. Abrupte Kurskorrekturen an den Aktienmärkten und den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere mit niedrigerem Rating stellten daher – vor allem angesichts hoher wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit – nach wie vor ein Risiko dar. Das Niedrigzinsumfeld begünstigte außerdem den weiteren Anstieg der Immobilienpreise im Euroraum im Jahr 2019. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) wies in seinen Warnungen und Empfehlungen in Bezug auf Anfälligkeiten am Markt für Wohnimmobilien darauf hin, dass in einer Reihe von Ländern das anhaltend hohe Preiswachstum in Kombination mit der relativ starken Zunahme der Hypothekarkreditvergabe und dem hohen Verschuldungsgrad der privaten Haushalte wesentliche Schwachstellen darstellten (siehe Kapitel 3 Abschnitt 2).
  • Zweitens bestanden in mehreren Ländern weiterhin Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen und privaten Verschuldung. Vielerorts erreichte der Schuldenstand im öffentlichen bzw. nichtfinanziellen privaten Sektor ein im historischen und internationalen Vergleich hohes Niveau. Auch wenn die niedrigen Finanzierungskosten kurzfristig den von der Schuldentragfähigkeit ausgehenden Druck minderten, blieb die finanzielle Lage des öffentlichen und privaten Sektors dennoch dem Risiko eines plötzlichen Stimmungsumschwungs an den Märkten oder einer Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage ausgesetzt. Vor allem in Ländern, in denen hauptsächlich variabel verzinste Kredite vergeben werden, könnte ein plötzlicher Anstieg der Zinsen von ihrem derzeit sehr niedrigen Niveau besonders folgenschwer für private Haushalte und nichtfinanzielle Unternehmen sein.
  • Drittens mehrten sich die Anfälligkeiten im Bankensektor des Euroraums: Die Ertragslage blieb 2019 schwach, und auch die Ertragsaussichten verschlechterten sich vor dem Hintergrund der sich eintrübenden Wachstumsaussichten und des anhaltenden Niedrigzinsumfelds. Die Bestände an notleidenden Krediten gingen zwar weiter langsam zurück, doch waren in Teilen des Bankensektors weitere Anstrengungen vonnöten. In vielen Fällen belasteten auch noch immer Überkapazitäten und Kostenineffizienzen die Ertragsaussichten.
  • Viertens verstärkten sich die Anfälligkeiten im Nichtbankenfinanzsektor infolge der gestiegenen Risikobereitschaft. Angesichts sinkender Renditen auf Vermögenswerte mit höherem Rating gingen Investmentfonds und Versicherungen weiterhin Risiken ein. Gleichzeitig entstanden aufgrund des Rückgangs hochliquider Vermögenswerte und des teils hohen Fremdkapitalanteils im Investmentfondssektor Bedenken im Hinblick auf die Gefahr plötzlicher Tilgungen in großem Ausmaß sowie eines Anlageverhaltens, das Marktvolatilitäten verstärken könnte.

Die EZB widmete sich 2019 auch Risikofaktoren, die über den kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont hinausgehend negative Folgen für den Finanzsektor haben könnten. So wurden insbesondere die Arbeiten zur Beurteilung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzstabilität, und damit einhergehend die Kommunikation dieses Themas, intensiviert. Die EZB ist bestrebt, im Rahmen ihres Mandats einen Beitrag zu den allgemeinen Anstrengungen zur Minimierung der potenziellen negativen Auswirkungen des Klimawandels zu leisten. Dabei konzentriert sie sich auf bestimmte Schlüsselbereiche (siehe Kasten 3). Im eigenen Haus ist es der EZB gelungen, zwischen 2008 und 2018 den CO2-Ausstoß pro Arbeitsplatz um 74 % zu verringern und somit ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern (siehe ebenfalls Kasten 3). Darüber hinaus befasste sich die EZB 2019 mit den Folgen der Entwicklungen im Bereich der Finanztechnologien auf mikro- und makroprudenzieller Ebene (siehe Kasten 4).

Kasten 3
Die EZB und der Klimawandel

Klimabezogene Risiken (also Risiken, die mit der Erderwärmung im Zusammenhang stehen) betreffen vor allem in zwei Ausprägungen zunehmend das Finanzsystem und die Wirtschaft insgesamt: als physische Risiken und als Übergangsrisiken. Physische Risiken ergeben sich u. a. aus der gestiegenen Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse. Werden diese Risiken schlagend, kommt es zu negativen Folgewirkungen auf Vermögenswerte und die Preise von Gütern und Sicherheiten in den betroffenen Gebieten sowie in weiterer Folge zu Verlusten für viele Wirtschaftsakteure wie Versicherungen, Banken und andere Finanzinstitute. Schon jetzt werden diese physischen Risiken weltweit vermehrt schlagend.[33] Übergangsrisiken können u. a. aus den potenziellen Nebeneffekten und Kosten von Maßnahmen zur Minderung von klimabezogenen Risiken erwachsen. Der Übergang zu einem kohlenstoffarmen Wirtschaftssystem kann geordnet oder ungeordnet ablaufen. Beispielsweise könnten sich durch die unvorbereitete Umsetzung von Maßnahmen oder die Auswirkungen neuer Technologien für Banken und andere Investoren Marktrisiken ergeben, wenn es dadurch zu einem unerwarteten Rückgang der Vermögenspreise oder zu Panikverkäufen kohlenstoffintensiver Vermögenswerte kommt. Darüber hinaus können der Übergang bzw. damit zusammenhängende Maßnahmen die Ertragslage von Unternehmen mit einem hohen CO2-Ausstoß schwächen und in weiterer Folge die Kreditrisiken von Banken erhöhen, die in diesen Sektoren engagiert sind. Auch dies kann zu Produktionsverlusten und relativen Preisänderungen führen.

Die Politik muss daher folgende Entscheidung treffen: Entweder werden jetzt potenziell teure Maßnahmen zur Minimierung der Klimarisiken ergriffen, um rechtzeitig einen geordneten Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu schaffen. Oder man bleibt untätig und riskiert, dass das Szenario der „Tragödie des Kurzfristhorizonts“ Wirklichkeit wird, d. h. die zur Reduktion der klimawandelbedingten Risiken notwendigen Maßnahmen werden zu spät ergriffen und gleichzeitig werden erhebliche Übergangs- und physische Risiken schlagend.[34] Es ist mittlerweile unbestritten, dass ökologische Externalitäten primär mit den am besten geeigneten Maßnahmen, z. B. Steuern, korrigiert werden sollten; dessen ungeachtet müssen aber sämtliche öffentliche Entscheidungsträger in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich angemessene Antworten auf den Klimawandel und damit verbundene Risiken finden.[35] Im Rahmen der Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie wird die EZB die mögliche Rolle des Eurosystems bei der Bekämpfung der klimawandelbedingten Risiken analysieren und erörtern, ob bzw. wie die EZB selbst im Einklang mit ihrem Mandat ihren Beitrag leisten kann.

Die EZB könnte also im Rahmen ihres Mandats in jenen Bereichen zur Minimierung der potenziellen negativen Auswirkungen des Klimawandels beitragen, wo dies für sie am effektivsten möglich und praktisch durchführbar ist. Konkret konzentriert sich die EZB auf folgende Schlüsselbereiche: 1) Verbesserung der wirtschaftlichen Analyse, der Prognosemodelle und der Risikobeurteilung; 2) Weiterentwicklung der Überwachung und Bewertung von Finanzstabilitätsrisiken, einschließlich Stresstests im Hinblick auf klimabezogene Risiken; 3) Bankenaufsicht; 4) Einbeziehung von Klimarisiko-Überlegungen in eigene Veranlagungen und den Geschäftsbetrieb der EZB; 5) Einschätzung der Auswirkungen des Klimawandels auf den geldpolitischen Kurs; 6) Unterstützung von EU- und internationalen Foren, Gesetzgebern und standardsetzenden Gremien bei ihrer Arbeit zur Bewältigung der Risiken des Klimawandels und Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in finanzielle Entscheidungsprozesse; und 7) Umweltschutz im Rahmen des EZB-Umweltmanagementsystems.

1. Wirtschaftliche Analyse, Prognosemodelle und Risikobewertung

Bei der Beurteilung der Aussichten für die Preisstabilität im Rahmen der Geldpolitik ist es für die EZB (zunehmend) wichtig, die Auswirkungen des Klimawandels und der Klimapolitik zu berücksichtigen. So wird der Klimawandel auch ein Thema bei der anstehenden Überprüfung der geldpolitischen Strategie sein. Schon bisher war die EZB in der Lage, bei ihrer zentralen wirtschaftlichen Analyse die Auswirkungen von klimabedingten Schocks und damit zusammenhängenden Maßnahmen zu berücksichtigen. Technologiepolitik und fiskalische Maßnahmen zum Klimaschutz, etwa die Besteuerung von CO2, bzw. zur Anpassung an geänderte klimatische Bedingungen haben typischerweise direkte Auswirkungen auf die Preisentwicklung. Über die Angebots- und Nachfragebedingungen, die wiederum die Investitions- und Produktivitätsentwicklung beeinflussen, können sich auch indirekte Effekte auf die Inflation ergeben. Die notwendige klimafreundliche Politik hat also auch Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte und die Betriebskosten der Unternehmen in besonders betroffenen Sektoren, was letztendlich auch in das Preissetzungsverhalten einfließt. Der Klimawandel kann auch eine allmähliche Veränderung der Verhaltens- und Konsumgewohnheiten der privaten Haushalte auslösen, die sich insofern in der Wachstumsdynamik niederschlagen würde, als sie Folgen für das durchschnittliche Produktionswachstum und dessen Volatilität hätte. Solche Effekte wirken sich letztlich auf das Vermögen und das Potenzialwachstum aus. Die EZB widmet sich in ihren Analysen zunehmend den makroökonomischen Auswirkungen des Klimawandels und der damit im Zusammenhang stehenden Politik. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sollen der EZB helfen, die genannten Aspekte besser in ihrer regelmäßigen wirtschaftlichen Analyse, ihren Prognosemodellen und in der Risikobewertung abzubilden. Darüber hinaus werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die geldpolitischen Transmissionskanäle und die monetäre Analyse, insbesondere die Kreditvergabe, berücksichtigt.

2. Überwachung und Bewertung von Finanzstabilitätsrisiken

Die aktive Überwachung der physischen Risiken und der Übergangsrisiken, denen Banken und sonstige Finanzinstitute ausgesetzt sind, gehört ebenfalls zu den Maßnahmen, die die EZB als Reaktion auf den Klimawandel setzt. Dies erforderte die Erarbeitung ausreichend granularer Informationen über den CO2-Fußabdruck der Portfolios von Banken auf Unternehmensebene und deren Überwachung auf Grundlage des Engagements der Banken gegenüber nichtfinanziellen Unternehmen und CO2-Emissionen.[36] Parallel dazu wird ein Rahmen für eine erste makroprudenzielle Stresstestanalyse des Bankensektors im Euroraum im Hinblick auf klimabezogene Risiken entwickelt.[37] Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang, dass dabei alle Länder des Europäischen Wirtschaftsraums eingebunden sind, und zwar unter der Schirmherrschaft eines gemeinsamen Projektteams für die Überwachung von Klimarisiken, das dem Beratenden Fachausschuss des ESRB und dem Ausschuss für Finanzstabilität des ESZB untersteht. Die Arbeit des Projektteams zielt darauf ab, erstens einen Überwachungsrahmen für klimabedingte Systemrisiken umzusetzen und zweitens zukunftsbezogene Szenarien für die Beurteilung von Klimarisiken und Übertragungskanälen im Rahmen eines Stresstests zu entwickeln. Angesichts der weltweiten Dimension der Klimawandelproblematik ist es unerlässlich, einen gemeinsamen Kenntnisstand über die damit im Zusammenhang stehenden finanziellen Risiken zu erlangen. Die EZB und mehrere nationale Zentralbanken des Eurosystems sind daher Mitglied des Network for Greening the Financial System (NGFS) und spielen neben dem Finanzstabilitätsrat (FSB) und dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht auch bei der Entwicklung von Möglichkeiten zur Messung klimawandelbedingter Finanzstabilitätsrisiken eine wichtige Rolle.

3. Bankenaufsicht

Klimabezogene Risiken sind ein bedeutender Risikofaktor für das Bankensystem des Euroraums.[38] Laut im Berichtsjahr durchgeführten Umfragen unter Banken (die gemeinsam ca. 44 % der Bankaktiva im Euroraum stellen) beteiligen sich die Finanzinstitute im Euroraum zunehmend an Brancheninitiativen zur Verbesserung ihrer eigenen Messmethoden für klimabezogene Risiken und tragen zur Offenlegung umfassenderer und besser vergleichbarer Informationen bei. Nach Ansicht der EZB sollten die Banken dabei zeitnah und strategisch agieren; dies steht auch im Einklang mit den im Dezember 2019 veröffentlichten richtungsweisenden Empfehlungen und Erwartungen des EBA Action Plan on Sustainable Finance. Die EZB arbeitet aktiv mit den nationalen zuständigen Behörden, Regulierungsgremien (wie z. B. der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht) sowie anderen Zentralbanken und Aufsichtsinstanzen zusammen (vor allem über das NGFS), um ihren Aufsichtsansatz in Bezug auf klimawandelbedingte Risiken weiterzuentwickeln.[39]

4. Anlagegeschäfte

Die EZB trägt auch durch ihre Investitionsentscheidungen zum Kampf gegen den Klimawandel bei. So wird im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge auf eine nachhaltige Veranlagung zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks der EZB geachtet. Das breite Anlagespektrum und der längerfristige Investitionshorizont des Pensionsfonds für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB ermöglichen eine nachhaltige und verantwortungsvolle Veranlagung (sustainable and responsible investment – SRI), die auf selektivem Ausschluss und entsprechenden Richtlinien zur Ausübung der Stimmrechte basiert. Die EZB hat Vollmachten zur Stimmrechtsausübung in Bezug auf Kapitalbeteiligungen auf externe Anlageverwalter übertragen, die den von den Vereinten Nationen unterstützten Principles for Responsible Investment beigetreten sind. Sie haben sich somit verpflichtet, bei der Ausübung ihres Stimmrechts Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards (environmental, social and governance standards – ESG) zu berücksichtigen. Ferner hat die EZB beschlossen, die aktuell weit gefassten Benchmarks für die Anlageportfolios ihres Pensionsfonds mit Referenzwerten für CO2-arme Investitionen zu ersetzen. Als Teil ihres Engagements beim NGFS und im Einklang mit dem vom NGFS jüngst veröffentlichten SRI-Leitfaden für das Portfoliomanagement von Zentralbanken arbeitet die EZB auch an der praktischen Umsetzung der SRI-Prinzipien im Rahmen der Veranlagung ihres Eigenkapitalportfolios, das aus dem eingezahlten Kapital und dem allgemeinen Reservefonds besteht.

5. Geldpolitische Geschäfte

Im Rahmen ihrer vier Programme zum Ankauf von Vermögenswerten (Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities, Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors, Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors und drittes Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen) hat das Eurosystem im Einklang mit dem Prinzip der Marktneutralität „grüne Anleihen“ (Green Bonds) erworben und so zu den Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels beigetragen. Die EZB unterstützt Initiativen, die auf eine verbesserte Bepreisung von klimawandelbedingten Risiken und die Bewertung damit verbundener Übergangsrisiken durch private Akteure abzielen. Dazu zählen etwa die Entwicklung und Verbesserung von Methoden und Standards für die Einbeziehung von ESG-Kriterien in die Bonitätsbeurteilung oder auch die Ausarbeitung anderer, spezifischerer ESG-Scores durch externe Ratingagenturen, die gemäß dem Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem zugelassen sind.

Die EZB hat auch das Ausmaß, inwieweit klimabedingte Risiken bepreist und in weiterer Folge in die Kreditvergabebedingungen einfließen, unter kritischer Beobachtung. Es bleibt zu beurteilen, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sind, um bei den für die Kreditgeschäfte des Eurosystems als Sicherheit zugelassenen marktfähigen Vermögenswerten den Klimarisiken Rechnung zu tragen. Ganz allgemein dürften die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf die geldpolitischen Geschäfte der EZB auch in die Überprüfung der geldpolitischen Strategie einfließen.

6. Die EU und internationale Initiativen für nachhaltige Finanzierung

Die EZB beteiligte sich an einer Reihe europäischer und internationaler Initiativen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, durch die Förderung nachhaltiger und ökologischer Finanzierungsformen die gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Auf EU-Ebene begrüßte die EZB den Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ der Europäischen Kommission als wichtigen Schritt zur Einbindung von Nachhaltigkeitsüberlegungen in finanzielle Entscheidungsprozesse und unterstützte aktiv den Vorschlag einer gemeinsamen EU-weiten Klassifizierung („Taxonomie“) nachhaltiger Vermögenswerte; diese würde wesentlich dazu beitragen, ökologischen Finanzierungsformen zu größerer Bedeutung zu verhelfen. Als Mitglied der Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen, die zur Unterstützung der Initiativen der Europäischen Kommission im Gefolge des Aktionsplans gegründet wurde, arbeitete die EZB an der Erstellung eines im Juni 2019 veröffentlichten technischen Berichts mit, wobei sie vor allem analytischen Input und technische Unterstützung für die Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Klassifizierung leistete. In Zusammenarbeit mit einer größeren Gruppe von Zentralbanken und Finanzmarktregulierungsbehörden setzt sich die EZB auf globaler Ebene – vor allem im Rahmen des NGFS und internationaler Foren wie der G-7-Gruppe – für die Etablierung und Akzeptanz ökologischer Finanzierungsformen und für mehr Engagement des Finanzsektors bei der Finanzierung des Übergangs zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft ein.

7. Eine grüne EZB

Als Teil der Bemühungen, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, ließ sich die EZB 2019 neuerlich nach dem EU-Öko-Audit EMAS zertifizieren. Sie formulierte neue Umweltziele und ergriff Maßnahmen zur Verstärkung ihrer Umweltschutzmaßnahmen und stetigen Verbesserung ihrer Umweltbilanz. Im Lauf des Jahres wurde eine Reihe von Maßnahmen zur Reduktion der ökologischen Effekte des täglichen Geschäftsbetriebs, wie etwa die elektronische Angebotsabgabe bei öffentlichen Ausschreibungen, umgesetzt. Mit dem europäischen Parlament ging die EZB eine interinstitutionelle Kooperation mit dem Ziel ein, den verbliebenen CO2-Ausstoß gemeinsam zu kompensieren, ohne dabei die Vermeidung und Verringerung von Emissionen als strategische Priorität zu vernachlässigen. Ein zentraler Bestandteil des EZB-Umweltmanagements blieb die Bewusstseinsbildung in Bezug auf die drängenden Herausforderungen des Klimawandels und die Notwendigkeit wirkungsvoller Maßnahmen. Die EZB nahm auch an der EU-Mobilitätswoche sowie der Europäischen Woche der Abfallvermeidung teil und bot der Belegschaft Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema Klimawandel an. Dank ihrer Umweltschutzmaßnahmen ist es der EZB gelungen, den CO2-Ausstoß und den Energieverbrauch je Arbeitsplatz von 2008 bis 2018 um 74 % bzw. 54 % zu senken. Weitere Informationen zur Umweltbilanz der EZB finden sich in der Umwelterklärung.

3.2 Makroprudenzielle Politik zur Stärkung der sektorweiten Widerstandsfähigkeit

Makroprudenzielle Maßnahmen als Schlüsselinstrument zur Bekämpfung von Finanzstabilitätsrisiken

Dem Entstehen systemischer Risiken im Finanzsystem kann mit makroprudenziellen Maßnahmen begegnet werden. Gemäß der SSM-Verordnung nimmt die EZB dabei eine wichtige Rolle mit spezifischen Befugnissen ein. So ist es die Aufgabe der EZB, die in der EU-Gesetzgebung vorgesehenen und von den nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) verabschiedeten makroprudenziellen Maßnahmen für Banken zu bewerten und nötigenfalls zu verschärfen. Die nationalen Behörden im Euroraum ergriffen 2019 in Abstimmung mit der EZB deutlich mehr makroprudenzielle Maßnahmen als im Jahr davor, um die vordringlichsten Risiken zu bekämpfen. Ziel war es, die Systemrisiken zu minimieren und die Widerstandsfähigkeit gegenüber diesen Risiken zu stärken.

Laufende makroprudenzielle Initiativen zum Erhalt der Finanzstabilität

EZB bewertet makroprudenzielle Maßnahmen in den Euro-Ländern

Die EZB setzte ihre intensiven Bemühungen im Bereich der makroprudenziellen Politik fort und leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Wahrung der Finanzstabilität. Zusätzlich zu ihrer Analysearbeit bot die EZB eine Plattform für regelmäßige gemeinsame Risikobeurteilungen und die Koordinierung von Maßnahmen zwischen der EZB und den nationalen Behörden des Euroraums. Darüber hinaus blieben die EZB und die nationalen Behörden im ausführlichen, offenen Dialog über den Einsatz makroprudenzieller Instrumente und die Weiterentwicklung des Analyseinstrumentariums für die makroprudenzielle Politik. Im Zuge dieser Bemühungen konnten die Methoden und Verfahren zur Beurteilung von systemischen Risiken und der Angemessenheit makroprudenzieller Maßnahmen im Euroraum verbessert werden.

Freisetzbare makroprudenzielle Puffer können wichtige antizyklische Funktion haben

Die makroprudenzielle Debatte drehte sich 2019 vor allem darum, dass es gilt, die Widerstandskraft der Banken und ihre Resilienz gegenüber negativen Schocks im makrofinanziellen Umfeld zu erhalten. Nur die Verfügbarkeit von freisetzbaren Puffern stellt sicher, dass makroprudenzielle Maßnahmen ihre antizyklische Wirkung entfalten können. In diesem Zusammenhang ist der antizyklische Kapitalpuffer das Schlüsselinstrument, das freigesetzt werden kann, sollten konjunkturelle Risiken schlagend werden. Eine größere Verfügbarkeit von freisetzbaren Puffern in Form von antizyklischen Kapitalpuffern würde also dazu beitragen, einen zeitgleichen Abbau von Fremdkapital im gesamten Bankensystem zu verhindern, der eine Kreditverknappung und eine Verschärfung des Abschwungs herbeiführen könnte. Dies unterstreicht nicht nur die Bedeutung der Höhe der Kapitalpuffer, sondern auch der Möglichkeit, sie in Stressphasen freizusetzen. Die derzeit im Euroraum aktivierten antizyklischen Kapitalpuffer betragen 0,1 % der risikogewichteten Aktiva und sind im Vergleich zu den anderen Pufferanforderungen nach wie vor gering (siehe Abbildung 22).

Abbildung 22

Zusammensetzung der Kapitalpuffer von Banken

(in %)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die Mindestanforderungen umfassen das harte Kernkapital (CET1) in Säule 1, die Kapitalanforderungen in Säule 2 und CET1-Kapital zur Deckung etwaiger Lücken bei Tier-1- und Tier-2-Kapital. Strukturelle Kapitalpuffer umfassen Kapitalerhaltungspuffer, Systemrisikopuffer sowie die Puffer für global systemrelevante Institute (G‑SRI) und für andere systemrelevante Institute (A‑SRI). Management-Puffer bezeichnen Kapital, das die Banken zusätzlich zu den gesetzlichen Mindestanforderungen halten. Der rechte Balken stellt die zum März 2020 angekündigten Quoten für den antizyklischen Kapitalpuffer dar.

Überprüfung des A‑SRI-Puffer-Regimes abgeschlossen

Die EZB schloss im Berichtsjahr die erste Überprüfung ihrer Methodik zur Festlegung der Untergrenze des Kapitalpuffers für andere systemrelevante Institute (A‑SRI-Puffer) im SSM ab. Der A‑SRI-Puffer soll die negativen Externalitäten, die der Ausfall von systemrelevanten Instituten für das heimische Finanzsystem und die Wirtschaft im weiteren Sinn zur Folge haben kann, begrenzen. Die überarbeitete Methodik zur A‑SRI-Pufferuntergrenze weist eine stärkere Granularität auf und sieht für die systemrelevantesten Banken höhere Mindestpufferquoten vor (weitere Details finden sich im Macroprudential Bulletin vom März 2020). Das neue Regime wird dazu beitragen, dass in bestimmten Ländern einer größeren Zahl systemrelevanter Banken höhere Pufferanforderungen auferlegt werden können, wodurch die Risiken für die Finanzstabilität vermindert werden. Das neue Regime wird ab dem 1. Januar 2022 schrittweise eingeführt.

Die EZB intensivierte im Berichtsjahr ihre Kommunikation zur makroprudenziellen Politik weiter. Sie sorgte für größere Transparenz bei ihren laufenden Initiativen und Denkansätzen in diesem Bereich und erhöhte damit das Bewusstsein für dieses Thema in der Öffentlichkeit. Der im November 2019 veröffentlichte Financial Stability Review widmete einen Abschnitt der Frage, wie makroprudenzielle Maßnahmen Anfälligkeiten im Finanzsystem beheben können. Zusätzlich zu Reden, Pressemitteilungen und weiteren Publikationen wie Occasional Papers veröffentlichte die EZB das zweimal jährlich erscheinende Macroprudential Bulletin, ein wichtiges Kommunikationsinstrument zur Erläuterung des makroprudenziellen Rahmens der EZB und zur Erklärung ihrer Entscheidungsprozesse sowie der analytischen Fortschritte und Beurteilungen in diesem Zusammenhang. Wie bisher veröffentlichte die EZB außerdem auf ihrer Website einen Überblick über die aktuell in den am SSM teilnehmenden Ländern geltenden makroprudenziellen Maßnahmen.

Makroprudenzielle Beschlüsse im Jahr 2019

EZB gab im Jahr 2019 zu 106 makroprudenziellen Beschlüssen eine Beurteilung ab

Im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags prüfte die EZB im Berichtsjahr 106 von den nationalen Behörden im Euroraum gemeldete makroprudenzielle Beschlüsse über Instrumente zur Begrenzung von zyklischen und strukturellen Systemrisiken sowie weitere Instrumente gemäß Artikel 458 der Eigenkapitalverordnung (CRR). Die gemeldeten Beschlüsse betrafen zumeist entweder die Festlegung von antizyklischen Kapitalpuffern oder die Ermittlung global systemrelevanter Institute (G‑SRI) bzw. anderer systemrelevanter Institute (A‑SRI), einschließlich der Kalibrierung der jeweils geltenden Kapitalpuffer. Der EZB-Rat hatte keinen einzigen Einwand gegen die 2019 von den nationalen Behörden gemeldeten makroprudenziellen Beschlüsse.

Bis zum Jahresende 2019 kündigten die nationalen zuständigen Behörden von sieben Euro-Ländern die Aktivierung einer Quote für den antizyklischen Kapitalpuffer von über 0 % an; ein Jahr davor waren es vier Länder gewesen. In zwölf Ländern des Euroraums wurde der Puffer bis Ende 2019 nicht aktiviert. Die Kalibrierung der genannten Kapitalpufferquoten erfolgte nach dem Prinzip des „gelenkten Ermessens“, d. h., es wurden sowohl eine Reihe wichtiger Risikoindikatoren als auch diskretionäre, die jeweils spezifischen wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen widerspiegelnde Elemente herangezogen.

Mehrere Länder kündigten 2019 eine Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers an. In Frankreich beschloss der Haut Conseil de Stabilité Financière im März angesichts der steigenden Verschuldung des privaten Sektors, die Quote präventiv von 0,25 % auf 0,5 % anzuheben. Die belgische Notenbank erhöhte die Quote im Juni von 0 % auf 0,5 %, in erster Linie um die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber zyklischen Risiken zu stärken. Akut ging zwar von den zyklischen Risiken keine Gefahr für die Finanzstabilität aus, doch schien es aus aufsichtlicher Perspektive angebracht, diese Anhebung präventiv vorzunehmen. Die Maßnahme sollte dazu dienen, Kontinuität bei der Kreditvergabe über den Konjunkturzyklus sicherzustellen. In Deutschland beschloss die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ebenfalls im Juni eine Quote von 0,25 % als antizyklischen Kapitalpuffer einzuführen. Sie war zu dem Schluss gekommen, dass von der Zunahme zyklischer Systemrisiken eine potenzielle Gefahr für die Finanzstabilität ausgehe. Die Risiken ergäben sich insbesondere aus einer Unterschätzung der Kreditrisiken, einer Überbewertung von Sicherheiten und dem Zinsrisiko. Die slowakische Zentralbank beschloss im Juli, die Quote erneut anzuheben, und zwar von 1,5 % auf 2 %. Die Banken und ihre Ertragslage seien verstärkt zyklischen Risiken ausgesetzt, so die Einschätzung, und es gebe Zeichen eines Überschwangs an den Finanzmärkten. In Luxemburg beschloss die Finanzaufsichtsbehörde im Dezember, angesichts des starken Kredit- und Immobilienpreiswachstums die antizyklische Kapitalpufferquote von 0,25 % auf 0,5 % zu erhöhen.

Maßnahmen auf Kreditnehmerseite können zur Aufrechterhaltung solider Kreditvergabestandards beitragen

Das Niedrigzinsumfeld könnte höhere Risikobereitschaft und eine Lockerung der Kreditvergabestandards begünstigen, vor allem wenn die Ertragslage der Banken unter Druck gerät. In einer Reihe von Euro-Ländern gingen 2019 angesichts anziehender Wohnimmobilienpreise im Zusammenspiel mit der Entwicklung der Hypothekarkreditvergabe und Schwächen im Haushaltssektor zunehmend Gefahren vom Immobilienmarkt aus. In einer solchen Situation könnten Vorgaben bezüglich solider Kreditvergabestandards sowie die vorbeugende Verschärfung von Maßnahmen auf Kreditnehmerseite (mit adäquaten Ausnahmeregelungen) den potenziellen Aufbau von Risiken begrenzen. Zu Jahresende hatten bereits 13 Länder im Euroraum derartige unter die alleinige Zuständigkeit der nationalen Behörden fallende Maßnahmen ergriffen.

Im Zusammenhang mit makroprudenziellen Maßnahmen zur Bekämpfung anderer Risiken beurteilte die EZB die Beschlüsse nationaler Behörden im Hinblick auf A‑SRI-Puffer, Systemrisikopuffer sowie makroprudenzielle Maßnahmen nach Artikel 458 der CRR. Zu letzteren im Jahr 2019 verabschiedeten Maßnahmen zählt auch jene der Eesti Pank zur Gewährleistung der Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber systemischen Risiken aus Wohnungsbaukrediten. Kreditinstitute, die den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRB-Ansatz) verwenden, müssen auf mit Immobilien besicherte Risikopositionen aus dem Retail-Geschäft gegenüber Gebietsansässigen in Estland ein forderungsgewichtetes durchschnittliches Risikogewicht von mindestens 15 % anwenden. Diese Maßnahme trat am 30. September 2019 in Kraft. Die finnische Aufsichtsbehörde beschloss im Juni 2019, die Anwendungsperiode für das institutsspezifische Minimum von 15 % für das durchschnittliche Risikogewicht für Wohnungsbaukredite auszudehnen; auch diese Maßnahme gilt für Kreditinstitute, die den IRB-Ansatz verwenden. Die Verlängerung dieser Mindestanforderung trat am 1. Januar 2020 in Kraft und gilt für ein Jahr.

Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB)

Laufende Unterstützung des ESRB und enge Zusammenarbeit

Die EZB leistete dem ESRB-Sekretariat, das für das Tagesgeschäft des ESRB zuständig ist, auch im Berichtsjahr analytische, statistische, logistische und administrative Unterstützung. Der ESRB ist für die makroprudenzielle Aufsicht über das Finanzsystem in der EU sowie für die Prävention und Begrenzung systemischer Risiken verantwortlich.

Die EZB unterstützte den ESRB regelmäßig sowohl bei der laufenden Identifizierung und Beobachtung potenzieller Systemrisiken als auch ganz allgemein bei seiner Tätigkeit. So war sie etwa in die Arbeiten zur Schließung von Datenlücken im Immobilienbereich eingebunden, die in der Billigung einer ESRB-Empfehlung mündeten, und trug zur Entwicklung eines verbesserten Überwachungsrahmens für wesentliche Drittländer bei. Darüber hinaus unterstützte die EZB den ESRB bei Analysen zu mittelfristigen Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor, woraufhin der ESRB fünf Warnungen und sechs Empfehlungen an die jeweils betroffenen EU-Länder richtete.

Die EZB leistete auch einen wesentlichen Beitrag zu ersten Überlegungen des ESRB zur Entwicklung eines gemeinsamen Rahmens für die Ausrichtung der makroprudenziellen Politik. Im April 2019 wurde in einem ersten Schritt ein entsprechender Bericht veröffentlicht. Darin wurde die Verbindung zwischen makroprudenzieller Politik und dem Ziel der Finanzstabilität herausgearbeitet und festgeschrieben. Die EZB setzte ihre Mitarbeit auch in der zweiten Phase dieses Vorhabens fort, indem sie in der mit der Entwicklung operativer Methoden für die Bewertung, Diskussion und Kommunikation des makroprudenziellen Kurses beauftragten Expertengruppe des ESRB den Ko-Vorsitz übernahm.

Den gemeinsamen Vorsitz führt die EZB auch in einer Expertengruppe, die beauftragt wurde, die Wesentlichkeit der potenziellen Überschneidungen zwischen makroprudenziellen Kapitalpuffern, der Höchstverschuldungsquote und der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) zu analysieren und zu bewerten. Konkret geht es darum, die Wechselwirkungen zwischen den Anforderungen und ihren Einfluss auf die Wirksamkeit der makroprudenziellen Puffer aufzuzeigen.

Außerdem führte die EZB das gesamte Berichtsjahr hindurch den Vorsitz bei den Arbeiten zur Erstellung einer ESRB-Empfehlung über den Austausch und die Erhebung von Informationen über Zweigstellen von Kreditinstituten mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland für makroprudenzielle Zwecke.

Weitere Arbeiten zur Anwendung makroprudenzieller Instrumente auch außerhalb des Bankensektors

Die EZB unterstützte den ESRB weiterhin bei seinen Arbeiten zur Anwendung makroprudenzieller Instrumente auch außerhalb des Bankensektors. Sie leistete einen Beitrag zur Analyse von Daten und Risiken, insbesondere der Auswirkungen von Margining auf Versicherungsunternehmen, sowie zur Ausgestaltung neuer makroprudenzieller Instrumente für den Versicherungssektor. Dabei lag der Schwerpunkt auf einigen bereits im Bericht von 2018 über makroprudenzielle Bestimmungen, Messgrößen und Instrumente für den Versicherungssektor aufgelisteten Optionen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden direkt in die laufenden Beratungen über die Überprüfung von Solvency II einfließen; Ziel wird dabei ein aus makroprudenzieller Sicht gestärkter Regulierungsrahmen für Versicherer und Rückversicherer sein.

Die EZB setzte ferner ihre Mitarbeit an der laufenden Entwicklung von Risikokennzahlen für Nichtbanken und an der Erstellung der vierten Ausgabe des EU Non-bank Financial Intermediation Risk Monitor fort. Der Bericht bietet einen Überblick über die Entwicklungen in diesem Sektor, wobei der Schwerpunkt auf der Bewertung potenzieller Finanzstabilitätsrisiken liegt. Zusätzlich dazu leistete die EZB einen wesentlichen Beitrag zum Zwischenbericht über die Eindämmung der Prozyklizität von Einschusszahlungen und Risikoabschlägen auf Derivatemärkten und bei Wertpapierfinanzierungsgeschäften. Sie brachte sich dabei sowohl konzeptionell als auch im Rahmen der zugrunde liegenden analytischen Überlegungen ein.

Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf den Finanzsektor gewann an Bedeutung

Gemeinsam mit dem ESRB arbeitete die EZB an der Entwicklung und Anwendung von Methoden zur Durchführung einer Studie hinsichtlich der potenziellen Auswirkungen verschiedener Klimawandelszenarien auf den EU-Finanzsektor. Darüber hinaus erstellte die EZB ein Mapping verschiedener Methoden, eine Bewertung der Datenverfügbarkeit und einen Überblick über Forderungen von Finanzinstituten, die bei der Durchführung klimabezogener Risikoanalysen betrachtet werden müssen.

Die EZB führte den Vorsitz in der Arbeitsgruppe des ESRB für Stresstests, die die adversen Szenarien für den Stresstest für Pensionseinrichtungen der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und für die von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) durchgeführten Stresstests für Geldmarktfonds und zentrale Gegenparteien entwickelte. Mehrere Generaldirektionen der EZB leisteten der ESRB-Arbeitsgruppe bei der Modellierung und in technischer Hinsicht wesentliche Unterstützung.

Im Zuge der Mitarbeit in der European Systemic Cyber Group des ESRB beteiligte sich die EZB aktiv an der Entwicklung eines Analyserahmens für Cyberrisiken.

Nähere Informationen zum ESRB finden sich auf dessen Website sowie in den ESRB-Jahresberichten.

3.3 Mikroprudenzielle Aufsichtsaktivitäten zur Gewährleistung stabiler Finanzinstitute

Die Errichtung der EZB-Bankenaufsicht jährte sich 2019 zum fünften Mal. Mit ihrer mikroprudenziellen Tätigkeit – also der Aufsicht auf Einzelbankebene – trägt die EZB zur Förderung der Stabilität des europäischen Bankensektors sowie zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Banken im Euroraum bei. Dank der seit 2014 erzielten Fortschritte reift die europäische Bankenaufsicht nunmehr zu einer vollständig entwickelten Institution heran.

Kontinuität und Flexibilität der Aufsichtsprioritäten

Die Sanierung der Bankbilanzen schritt zwar nach der Krise gut voran, dennoch gehörte dieses Thema auch 2019 zu den wichtigsten Aufsichtsprioritäten. Weitere Schwerpunktthemen waren die Ursachen der schwachen Ertragslage der europäischen Banken und Fragen der Governance, u. a. die konventionellen Risikomanagementkapazitäten der Banken und neu auftretende Risiken, vor allem im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung von Finanzdienstleistungen und deren Anfälligkeit für IT- und Cyberrisiken.

Weitere Verbesserung der Aufsichtsinstrumente und ‑methoden

Die EZB-Bankenaufsicht arbeitete im gesamten Berichtsjahr an der Verbesserung ihrer Instrumente und Methoden. Im August überarbeitete die EZB vereinbarungsgemäß die in der Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten formulierten aufsichtlichen Erwartungen an die Risikovorsorge für neue notleidende Kredite, um den neuen Anforderungen der Säule 1 Rechnung zu tragen.[40] Nach einem öffentlichen Konsultationsverfahren und der Veröffentlichung des Leitfadens zu allgemeinen Themen im November 2018 gab die EZB im Juli 2019 die endgültigen risikospezifischen Kapitel – zum Kredit-, Markt- und Gegenparteiausfallrisiko – des Leitfadens zu internen Modellen heraus. Im Februar 2019 veröffentlichte die EZB die Gesamtergebnisse des EU-weiten Stresstests 2018 für alle von ihr beaufsichtigten teilnehmenden Institute. Im Oktober 2019 wurden die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse zum Liquiditätsrisiko veröffentlicht, die als jährlicher Stresstest 2019 durchgeführt wurde. Die Resultate dieser beiden Tests fließen jeweils in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) für 2018 (erschienen im April 2019) und 2019 ein.

Vorbereitungen für den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs

Die Anzahl der direkt von der EZB beaufsichtigten Banken blieb 2019 annähernd stabil, allerdings gab es im Rahmen von Konsolidierungen oder Standortverlegungen vom Vereinigten Königreich in den Euroraum bei einer Reihe von Instituten erhebliche Veränderungen in der Gruppenstruktur und der Geschäftstätigkeit. Banken, die infolgedessen als bedeutend eingestuft wurden, unterstehen nunmehr der direkten Aufsicht durch die EZB; für einige wurde in der zweiten Jahreshälfte 2019 bereits die vorgeschriebene umfassende Bewertung (Comprehensive Assessment) in Angriff genommen. In dem von Unsicherheit geprägten Zeitraum vor dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs konzentrierte sich die EZB-Bankenaufsicht darauf, bei Banken und Aufsichtsbehörden deren Vorbereitung auf alle möglichen Eventualitäten und insbesondere die Umsetzung der zwischen Banken und Aufsehern vereinbarten Brexit-Pläne der Banken zu überwachen. Zwar verzeichneten die Banken 2019 Fortschritte hinsichtlich der Umsetzung ihrer angepeilten operativen Modelle, dennoch warnte die EZB wiederholt vor weiteren Verzögerungen und kommunizierte ihre aufsichtliche Erwartungshaltung in den aktualisierten Antworten zu häufig gestellten Fragen (FAQs) auf der Website der EZB-Bankenaufsicht, in einer Reihe von Artikeln im Supervision Newsletter und auch in bilateralen Gesprächen mit Vertretern der beaufsichtigten Institute.

Fortschritte bei der Etablierung einer engen Zusammenarbeit mit Bulgarien und Kroatien

Im Berichtsjahr wurden auch Fortschritte bei der Ausweitung des SSM auf Länder außerhalb des Euroraums erzielt. Bulgarien und Kroatien ersuchten um Aufbau einer engen Zusammenarbeit zwischen der EZB und ihren nationalen zuständigen Behörden (NCAs). Die EZB-Bankenaufsicht schloss im Juli 2019 ihr Comprehensive Assessment von sechs bulgarischen Banken ab und vereinbarte im August 2019 die Durchführung eines Comprehensive Assessment von fünf kroatischen Banken; dies ist eine der Voraussetzungen für eine enge Zusammenarbeit mit EU-Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist. Gleichzeitig arbeitet die EZB bereits eng mit der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) und der Hrvatska narodna banka im Hinblick auf ihre mögliche künftige Rolle als NCAs im SSM zusammen.

Weitere Erläuterungen zur EZB-Bankenaufsicht finden sich auf der Website sowie im EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019.

Kasten 4
FinTech

Finanztechnologien (FinTech) sind für Banken, ihre Kunden, das Finanzsystem und die Wirtschaft insgesamt von großem Nutzen, bringen aber auch Herausforderungen und Risiken mit sich. Den Finanzinstituten steht es frei, Innovationen auf verantwortungsvolle Art und Weise einzusetzen. Allerdings braucht es einen wirksamen Risikomanagement- und Aufsichtsrahmen, um die mit FinTech einhergehenden Risiken zu minimieren.

Das Aufkommen von FinTech und spezialisierten FinTech-Unternehmen hat die bestehenden Bankengeschäftsmodelle verändert. In der EU sind FinTech-Unternehmen bisher vor allem als Partner von Banken in Erscheinung getreten. Mit ihrer Hilfe können Finanzinstitute ihr Leistungs- und Produktportfolio im Sinne höherer Kundenzufriedenheit ausbauen und dabei auch kostensparend und effizient agieren. Angesichts der wachsenden Verfügbarkeit von Daten und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und großer Rechnerleistung zur Nutzung dieser Daten verwenden die Banken FinTech auch zunehmend zur Verbesserung des internen Betriebs.

Vor diesem Hintergrund kommt es zu einer immer stärkeren Verflechtung zwischen FinTech-Unternehmen und Banken – insbesondere in Form von ausgelagerten Dienstleistungen – und einem Anstieg der operationellen Risiken sowohl auf Instituts- als auch auf Systemebene. Für die Banken erhöht sich der Druck dadurch, dass manche FinTech-Unternehmen auch neue Finanzdienstleistungen (hauptsächlich im Zahlungsverkehr) anbieten. Vor allem sogenannte Big-Tech-Unternehmen mit ihrem großen Kundenstock und vielgenutzten Plattformen etablieren sich zunehmend erfolgreich am Finanzdienstleistungsmarkt. Bereits jetzt zählen sie zu den dominierenden Anbietern von Cloud-Diensten.

Die EZB reagiert auf die neuen Herausforderungen und Risiken, die sich aus Finanzinnovationen ergeben, in mehrfacher Hinsicht. Auf makroprudenzieller Ebene überwacht und bewertet sie die Auswirkungen von FinTech auf die Finanzstabilität. Die Ertragslage der Banken gerät nicht nur durch den Wettbewerb mit den FinTech-Unternehmen unter Druck, sondern auch durch die Notwendigkeit, in die Digitalisierung zu investieren, die jedoch erst nach gewisser Zeit messbare Erträge bringt. Die wachsende Verflechtung von Banken und FinTech-Unternehmen impliziert, dass Probleme bei Letzteren Auswirkungen auf das gesamte Finanzsystem haben könnten, wenn angemessene Sicherungsmechanismen fehlen.

Die EZB beteiligt sich außerdem an den Arbeiten zum Thema FinTech und Finanzstabilität im Rahmen verschiedener europäischer und internationaler Foren, wie etwa der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, des Finanzstabilitätsrats, des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht und des Ausschusses für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen. Darüber hinaus treibt die EZB auch selbst Innovationen voran, z. B. mit der Inbetriebnahme von TARGET Instant Payment Settlement und der kontinuierlichen Sondierung von Anwendungsmöglichkeiten neuer Technologien im Bereich der Marktinfrastrukturen.[41]

Auf mikroprudenzieller Ebene arbeitet die EZB-Bankenaufsicht weiter am Aufbau gemeinsamer Expertise über FinTech-bezogene Risiken und an der Sicherstellung einer konsistenten aufsichtlichen Herangehensweise an diese Risiken innerhalb des SSM. Im Zuge dessen werden auch die Auswirkungen von FinTech auf die Geschäftsmodelle der Banken und die wichtigsten damit zusammenhängenden Risiken bewertet. In ihren Bemühungen, den aufsichtlichen Ansatz in Bezug auf FinTech-Risiken zu schärfen, arbeitet die EZB-Bankenaufsicht mit SSM-Banken zusammen, um Kenntnisse über die Art und Weise, wie innovative Technologien und Lösungen eingesetzt werden, sowie deren Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Banken zu gewinnen. Vor allem kann im direkten Austausch auch in Erfahrung gebracht werden, wie mit Risikomanagementverfahren die größten Risiken bekämpft werden könnten.

Am 21. und 22. Mai fand der erste ECB Fintech Industry Dialogue statt, bei dem Vertreter von Banken und Aufsichtsbehörden im Euroraum, von Aufsehern aus Drittländern sowie von Regulierungsbehörden wie der Europäischen Kommission, der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde zusammenkamen. Folgende Themen standen dabei im Mittelpunkt: a) Kreditscoring auf Basis von künstlicher Intelligenz und Big Data, b) automatisierte Online-Anlageberatung („Robo-Advice“) und c) Cloud-Computing. Die Veranstaltung bildete den Auftakt zu einem neuen Dialogformat, bei dem Banken die Möglichkeit haben, den Aufsichtsbehörden ihre Sicht in Bezug auf die empfohlenen aufsichtlichen Schwerpunktthemen mitzuteilen. Die so gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung des Aufsichtsansatzes für Banken, die innovative Technologien verwenden, ein.

Die EZB-Bankenaufsicht pflegte ihre Zusammenarbeit im Hinblick auf FinTech-Themen sowohl innerhalb als auch außerhalb des SSM. So wurden Initiativen zum FinTech-Wissensaustausch zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden ins Leben gerufen, um einen zeitnahen Informationsfluss zwischen diesen Stellen zu ermöglichen.

3.4 EZB-Beitrag zu europäischen Initiativen

Nach der globalen Finanzkrise geschaffener Regulierungs- und Aufsichtsrahmen kann noch verbessert werden

Die ehrgeizigen Initiativen für institutionelle und regulatorische Reformen, die als Reaktion auf die globale Finanzkrise auf den Weg gebracht worden waren, mündeten zunächst in der Schaffung der ersten Säule der Bankenunion, des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), der vor gut fünf Jahren seine Arbeit aufnahm. Mit diesem konkreten Schritt unterstützten die EU-Mitgliedstaaten und ‑Institutionen die Finanzmarktintegration und ‑stabilität und stärkten die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaft.

Die Integration des europäischen Bankenmarktes kann aber aus heutiger Sicht noch weiter vorangetrieben werden. Dadurch könnte die einheitliche Transmission der Geldpolitik verbessert und die destabilisierende Beziehung zwischen Banken und Staaten, die ein zentrales Element der Staatsschuldenkrise im Euroraum war, weiter entflochten werden. Außerdem braucht es die Weiterentwicklung und Integration der Kapitalmärkte, um die Fähigkeit des Finanzsystems zur Risikodiversifizierung auszubauen und die Bankenunion zu ergänzen. Zusätzlich dazu sollten Risiken im Nichtbankenfinanzsektor mithilfe angemessener makroprudenzieller Instrumente gemindert werden.

Vollendung der Bankenunion

Substanzielle Arbeiten zur Vollendung der Bankenunion

Die EZB war im Berichtsjahr intensiv an den Arbeiten diverser EU-Gremien zur Stärkung der Bankenunion beteiligt. Der Euro-Gipfel im Juni 2019 würdigte in seiner Erklärung die erzielten Fortschritte hinsichtlich der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und bekundete sein Interesse an der Fortsetzung der fachlichen Arbeiten zur Stärkung der Bankenunion. Auf der Agenda der hochrangigen Arbeitsgruppe zur Errichtung eines europäisches Einlagensicherungssystems (EDIS) standen in der zweiten Jahreshälfte 2019 die kurz- und langfristigen Perspektiven hinsichtlich der Schaffung von EDIS, die Optionen für die regulatorische Behandlung von Forderungen gegenüber Staaten und Wege zur Stärkung der Finanzstabilität, zur Verbesserung des Krisenmanagements und zur Förderung der Integration. Ferner beschloss die Euro-Gruppe, nicht zuletzt angesichts der Notwendigkeit, eine gemeinsame Lösung zur Absicherung des Einheitlichen Abwicklungsfonds („Backstop“) zu schaffen, ihre Anstrengungen zur Finalisierung der Vertragsreform des Europäischen Stabilitätsmechanismus fortzusetzen.[42]

Die EZB leistete durch ihren Input in verschiedenen Arbeitsbereichen einen umfassenden Beitrag zu den fachlichen Diskussionen in den EU-Gremien. Im Hinblick auf den Rahmen für das Krisenmanagement bestand die EZB darauf, die derzeit existierenden Überschneidungen bei den Regelungen für Frühinterventionsmaßnahmen zu thematisieren.[43] Darüber hinaus setzte sich die EZB dafür ein, die Analyse der Hemmnisse für die grenzüberschreitende Integration – vor allem im Hinblick auf Kapital- und Liquiditätsströme innerhalb der Bankenunion – voranzutreiben. Grundsätzlich sprach sich die EZB für ein Kompromisspaket aus, das die erste Stufe von EDIS in Form einer Liquiditätshilfe vorsieht und gleichzeitig eine Perspektive für den Endausbau der Einlagensicherung in Form einer vollständigen Verlustdeckung bietet. Mit solch einem umfassenden Abkommen würden die europäischen Bürgerinnen und Bürger vom Nutzen der Bankenunion, einschließlich der Marktintegration und einem einheitlichen Einlegerschutz für alle, voll profitieren können. Mit der Zusammenlegung der benötigten Ressourcen auf europäischer Ebene würde man das Vertrauen der Anleger viel eher bewahren können als mit nationalen Einlagensicherungssystemen; für Letztere sind die potenziellen Auswirkungen länderspezifischer Schocks viel gravierender, was wiederum ihrer Glaubwürdigkeit und in weiterer Folge dem Anlegervertrauen schaden könnte.

Dem Ansatz folgend, wonach Risikoteilung und Risikominderung zwei einander verstärkende Prozesse sind, trug die EZB zu einer weiteren Verringerung der Risiken im Bankensektor bei. Konkret setzte die EZB-Bankenaufsicht in Anknüpfung an ihren Leitfaden zu notleidenden Krediten ihre Arbeit zur Bereinigung der Bankbilanzen fort und bewertete die Qualität der Kreditvergabekriterien der Banken insbesondere mit Blick auf das Neugeschäft. Darüber hinaus lieferte die EZB 2019 erneut Beiträge zu dem gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss erstellten Monitoring Report on Risk Reduction Indicators (siehe Mai- und November-Ausgabe), in dem weitere Fortschritte bei der Risikominderung konstatiert wurden.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt war im Berichtsjahr die zweite Säule der Bankenunion. Im Dezember 2018 war man zu der Einigung gelangt, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus den gemeinsamen Backstop für den Einheitlichen Abwicklungsfonds bereitstellen würde. Allerdings weist der Abwicklungsrahmen nach wie vor eine große Lücke auf, da euroraumweite Vereinbarungen zur Bereitstellung von Liquidität für aus der Abwicklung hervorgehende „lebensfähige“ Banken noch fehlen. Während in anderen großen Ländern die Regelung gilt, dass in solchen Fällen die Zentralbank auf Basis staatlicher Garantien als Liquiditätsgeberin auftritt, konnte im Euroraum bis dato noch keine gleichwertige Lösung gefunden werden.

Die Kapitalmarktunion voranbringen

Kapitalmarktunion kann Transmission der Geldpolitik verbessern

Die EZB setzte sich auch 2019 für die Vollendung der Kapitalmarktunion ein. Eine wirksam umgesetzte „echte“ Kapitalmarktunion würde die Finanzmarktintegration deutlich vertiefen und die Wirtschafts- und Währungsunion – und somit auch die internationale Rolle des Euro – stärken. Dies würde zu einer reibungsloseren und gleichmäßigeren Transmission der Geldpolitik beitragen.

Eine tiefe Integration der Kapitalmärkte würde die Resilienz des Finanzsystems insofern stärken, als Finanzierungen weniger stark über Banken erfolgen und alternative marktbasierte Finanzierungsquellen gefördert würden. In ihrem Financial Stability Review betonte die EZB 2019, dass die Kapitalmarktunion Grundvoraussetzung für eine Verbesserung der Risikoteilung und der Widerstandsfähigkeit des Euroraums gegenüber wirtschaftlichen Schocks sei. Geopolitische und wirtschaftliche Entwicklungen seit 2015, wie der Brexit, aber auch die Digitalisierung und der Klimawandel hätten die Notwendigkeit integrierter europäischer Kapitalmärkte noch verdeutlicht.

Im Rahmen ihres bereits abgeschlossenen Aktionsplans zur Schaffung einer Kapitalmarktunion aus dem Jahr 2015 finalisierte die Europäische Kommission in der Legislaturperiode 2014‑2019 eine beträchtliche Anzahl legislativer und nichtlegislativer Initiativen. Ungeachtet der großen Fortschritte im Bereich der Gesetzgebung bedarf es verstärkter Anstrengungen, um einige der wichtigsten Vorhaben in diesem Zusammenhang auf den Weg zu bringen.

Weitere Harmonisierung als Voraussetzung für Fortschritte bei Kapitalmarktunion

Die EZB nutzte 2019 verschiedene EU-Foren, um darzulegen, welche Schritte vorrangig unternommen werden müssen, um die Kapitalmarktunion voranzutreiben. Dazu gehörten u. a. die weitere Harmonisierung nationaler Steuer- und Insolvenzregelungen, die für das gute Funktionieren grenzüberschreitender Kapitalmarkttransaktionen unabdingbar ist, und weitere Konvergenz im Aufsichtsbereich bis hin zur Schaffung eines einheitlichen Regelwerks, vor allem für Nichtbanken.[44] Längerfristig würden zusätzliche Aufsichtskompetenzen für die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde eine echte Kapitalmarktunion, in der das einheitliche Regelwerk EU-weit konsistent angewendet wird, voranbringen.

Makroprudenzielle Maßnahmen im Nichtbankenfinanzsektor

Anhaltendes Wachstum im Nichtbankensektor potenziell bedenklich für Finanzstabilität

Auch wenn die EZB die vermehrte Nutzung marktbasierter Finanzierungsformen in der Wirtschaft des Euroraums uneingeschränkt begrüßt, sieht sie im starken Wachstum des Nichtbankenfinanzsektors und in seinen möglichen Auswirkungen auf die Finanzstabilität durchaus Grund zur Sorge. Es ist zwar ein erklärtes Ziel der Kapitalmarktunion, dem Nichtbankensektor zu einer größeren Rolle bei der Finanzierung der Wirtschaft zu verhelfen, die wirksame Überwachung dieses Sektors ist aber weiterhin von entscheidender Bedeutung.

Angesichts dieser Entwicklungen ist die Gewährleistung eines soliden Aufsichtsrahmens für Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors für die adäquate Bekämpfung der potenziellen Risiken in diesem Bereich unerlässlich. Die EZB trat daher 2019 weiterhin für eine Ausweitung des makroprudenziellen Rahmens auf Bereiche außerhalb des Bankensystems ein und leistete einen umfassenden Beitrag zu den entsprechenden fachlichen Diskussionen in diversen Foren in der EU und auf internationaler Ebene.

4 Reibungsloser Betrieb der Marktinfrastrukturen und des Zahlungsverkehrs

Eine grundlegende Aufgabe des Eurosystems ist es, das reibungslose Funktionieren von Zahlungsverkehrssystemen zu gewährleisten. Diese Aufgabe ist eng mit den Zuständigkeiten des Eurosystems in den Bereichen Geldpolitik und Finanzstabilität verknüpft. Das Eurosystem spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung, beim Betrieb und bei der Überwachung der Marktinfrastrukturen und der Regelungen, die einen sicheren und effizienten Zahlungsverkehr sowie Wertpapier- und Sicherheitentransaktionen im Euroraum ermöglichen.

4.1 TARGET-Services

Die TARGET-Services des Eurosystems umfassen derzeit die folgenden drei Komponenten: a) TARGET2, ein Bruttozahlungsverkehrssystem für die Echtzeitabwicklung von auf Euro lautenden Zahlungen im Zusammenhang mit den geldpolitischen Geschäften des Eurosystems sowie von Interbank- und Kundenzahlungen, b) TARGET2-Securities (T2S), eine einheitliche Plattform für die europaweite Wertpapierabwicklung, und c) TARGET Instant Payment Settlement (TIPS), ein System, das es Zahlungsdienstleistern ermöglicht, ihren Kunden rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr Überweisungen in Echtzeit anzubieten.

TARGET2 wird von mehr als 1 000 Banken genutzt, um Transaktionen in Euro – entweder im eigenen Namen oder im Auftrag ihrer Kunden – zu veranlassen. Insgesamt sind weltweit mehr als 45 000 Banken (einschließlich Zweigstellen und Tochterbanken) über TARGET2 erreichbar. 2019 wurden in TARGET2 im Tagesdurchschnitt 344 120 Zahlungen mit einem Durchschnittswert von 1,7 Billionen € durchgeführt.

Als systemrelevantes Zahlungsverkehrssystem ist TARGET2 nicht nur für die Stabilität und Effizienz des Finanzsektors und der Wirtschaft im Euroraum, sondern auch für die reibungslose Durchführung der einheitlichen Geldpolitik und die Stabilität der gemeinsamen Währung von besonderer Bedeutung. TARGET2 unterliegt, wie andere systemrelevante Zahlungsverkehrssysteme, einer laufenden Überwachung durch das Eurosystem, das hierfür einen risikoorientierten Ansatz, einschließlich der Überwachung von Endpoint-Sicherheit und Cyberresilienz, verfolgt.

Im Jahr 2019 führte das Eurosystem ein neues Notfallinstrument für TARGET2 ein. Diese Funktionalität ermöglicht es dem Eurosystem, die Abwicklung von als „kritisch“ und „sehr kritisch“ eingestuften Zahlungen im Falle eines Ausfalls von TARGET2 fortzuführen (selbst wenn dieser über 24 Stunden andauert). Das neue Tool ist Teil einer umfassenden Strategie, um die betriebliche Systemstabilität und die Widerstandsfähigkeit der Marktinfrastrukturen des Eurosystems gegenüber Cyberattacken zu stärken.

TARGET2 soll 2021 durch ein neues Echtzeit-Bruttozahlungssystem ersetzt werden

TARGET2 funktioniert seit über einem Jahrzehnt reibungslos. Da sich jedoch die Zahlungsverkehrslandschaft seither aufgrund technologischer Entwicklungen, neuer regulatorischer Vorgaben und veränderter Nutzeranforderungen maßgeblich gewandelt hat, plant das Eurosystem, TARGET2 im November 2021 durch ein neues Echtzeit-Bruttozahlungssystem (Real-Time Gross Settlement/RTGS-System) zu ersetzen. Gleichzeitig soll das Liquiditätsmanagement sämtlicher TARGET-Dienste effizienter gestaltet werden. Das neue RTGS-System wird den Nachrichtenstandard ISO 20022 verwenden und Zahlungen in unterschiedlichen Währungen ermöglichen. Basierend auf den im Rahmen eines öffentlichen Konsultationsverfahrens eingelangten Rückmeldungen wurde Ende 2019 eine erweiterte Fassung der Nutzerfeinspezifikationen für die zukünftigen RTGS-Dienste veröffentlicht. Mit der Vertragsunterzeichnung zwischen zwei Netzwerkbetreibern und dem Eurosystem steht Nutzern künftig zudem mit dem Portal zur Finanzmarktinfrastruktur des Eurosystems (Eurosystem Single Market Infrastructure Gateway – ESMIG) ein einheitlicher und netzwerkagnostischer Zugang zu sämtlichen Marktinfrastrukturen des Eurosystems zur Verfügung.

Bei T2S wurden vor mehr als zwei Jahren die Migrationswellen der an T2S teilnehmenden Wertpapier-Zentralverwahrer auf die gemeinsame Plattform abgeschlossen. T2S wird derzeit von 21 Wertpapier-Zentralverwahrern genutzt, die 20 Märkte in ganz Europa bedienen. 2019 wurden von T2S im Tagesdurchschnitt 606 938 Transaktionen mit einem Durchschnittswert von 1 106,13 Mrd € durchgeführt.

Die T2S-Dienste wurden 2019 erstmals technischen und operativen Prüfungen durch einen vom EZB-Rat bestellten unabhängigen externen Prüfer unterzogen. Die Prüfungsergebnisse wurden dem Eurosystem und den Wertpapier-Zentralverwahrern sowie den an T2S teilnehmenden Zentralbanken außerhalb des Euroraums mitgeteilt. In Zukunft sollen derartige Prüfungen jedes Jahr durchgeführt werden.

Ferner wurde im Berichtsjahr die 2018 gestartete erste umfassende Prüfung von T2S durch die Aufsicht seit dessen Inbetriebnahme abgeschlossen; dieser Prüfung war 2015 eine Vorab-Evaluierung vorausgegangen. Die Prüfung ergab, dass T2S die von CPMI/IOSCO formulierten Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen weitgehend erfüllt und somit als sicher und effizient angesehen werden kann. Zwar wurden im Rahmen der Prüfung in bestimmten Bereichen Mängel festgestellt, doch auch wenn diese nicht zeitnah behoben werden, geht von ihnen laut Prüfungsergebnis kein ernstes Risiko aus.

Im November 2018 startete das Eurosystem den Betrieb von TIPS, das in seinem ersten Jahr von sieben Euroraum-Märkten genutzt wurde und über das nun mehr als 1 000 Zahlungsdienstleister erreichbar sind. Weitere Märkte des Euroraums bereiten sich bereits auf den Beitritt zu TIPS im Jahr 2020 vor. Da TIPS unterschiedliche Währungen unterstützt, bekundete auch die Sveriges riksbank ihre Absicht, 2022 mit der schwedischen Krone an TIPS teilzunehmen.

Darüber hinaus arbeitet das Eurosystem derzeit an der Entwicklung einer neuen TARGET-Services-Komponente, dem „Eurosystem Collateral Management System“ (ECMS). Mithilfe dieses Sicherheitenverwaltungssystems soll die einheitliche Verwaltung von Vermögenswerten, die als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems hinterlegt werden, ermöglicht werden. 2019 endete planmäßig die Spezifikationsphase des Projekts; im November 2022 soll das ECMS den Betrieb aufnehmen.

4.2 Innovation und Integration prägen Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr

Der Finanzsektor ist tiefgreifenden, von Innovation und Digitalisierung getriebenen Veränderungen unterworfen. Im Bereich des Massenzahlungsverkehrs etwa führten neue EU-Rechtsvorschriften, die Drittanbietern Zugang zu Zahlungskonten ermöglichen, die Abwicklung von Sofortzahlungen und technische Innovationen im Allgemeinen dazu, dass sich neue Marktakteure, neue Zugangskanäle zu Zahlungsdiensten sowie neue Möglichkeiten zur Zahlungsauslösung etablieren (siehe Kasten 5 für Informationen zu Krypto-Assets, Stablecoins und digitalem Zentralbankgeld). Im Hinblick auf diese Entwicklungen hat sich das Eurosystem einer doppelten Herausforderung zu stellen: Einerseits fördert es als Katalysator Innovationen und Integration, andererseits hat es im Rahmen seiner Aufsichtsfunktion zur Sicherheit und Effizienz der Finanzmarktinfrastrukturen und Zahlungssysteme beizutragen.

Kasten 5
Krypto-Assets, Stablecoins und digitales Zentralbankgeld

In den vergangenen Jahren haben Bitcoins und andere Krypto-Assets sowie deren potenzielle Eignung als Geldersatz für reichlich Schlagzeilen gesorgt. Krypto-Assets bieten Einzelpersonen und Unternehmen die Möglichkeit, Transaktionen direkt untereinander ohne Zuhilfenahme einer vertrauenswürdigen dritten Partei abzuwickeln. Dass Krypto-Assets missverständlicherweise auch als „Krypto-Währungen“, „digitale Währungen“ oder „virtuelle Währungen“ bezeichnet werden, könnte jedoch falsche Erwartungen hinsichtlich ihrer Merkmale und Funktionalitäten geweckt haben. Krypto-Assets sind im weitesten Sinne digital definierte Werteinheiten, die von ihren Nutzerinnen und Nutzern als Finanzanlage bzw. Tauschmittel verwendet werden. Diese Werteinheiten stellen jedoch weder eine finanzielle Forderung noch eine Verbindlichkeit gegenüber einer natürlichen oder juristischen Person dar.

Ein wesentlicher Nachteil von Krypto-Assets ist, dass ihr Wert verhältnismäßig stark schwankt. So verzeichneten Krypto-Assets beispielsweise im Vergleich zu verschiedenen Rohstoffen in den vergangenen Jahren stärkere Preisvolatilität. Damit wird auch das Ausmaß des Marktrisikos, dem Investitionen in Krypto-Assets unterliegen, deutlich. Darüber hinaus erfüllen Krypto-Assets aufgrund ihrer hohen Volatilität die drei Funktionen von Geld – nämlich als Wertaufbewahrungsmittel, Zahlungsmittel und Recheneinheit zu fungieren – nur in sehr begrenztem Umfang.

Um dem Problem der mangelnden Wertstabilität Abhilfe zu schaffen, entwickelten Finanzdienstleister und Technologieunternehmen eine neue Kategorie von Krypto-Assets, die sogenannten „Stablecoins“, deren Wertschwankungen mithilfe von Stabilisierungsmechanismen verringert werden sollen. Je nach verwendetem Mechanismus kann der Wert von Stablecoins gedeckt werden durch a) Geldguthaben (in einer Währung oder einem Währungskorb), b) Wertpapiere und Rohstoffe, wie etwa Gold, oder c) Krypto-Assets. Zudem kann die Wertstabilisierung auch durch Zugrundelegung eines Mechanismus angestrebt werden, der d) kontinuierlich Angebot und Nachfrage der sich im Umlauf befindlichen Einheiten abgleicht (algorithmische Stablecoins). Besonders große Aufmerksamkeit haben Stablecoins 2019 aufgrund von Initiativen wie Libra erfahren, die darauf abzielen, ein eigenes globales Zahlungssystem mit Stablecoins aufzubauen, durch das die Abwicklung von Transaktionen schneller und potenziell kostengünstiger werden soll. Allerdings wurde die Nutzung von Stablecoins noch nicht ausreichend getestet. Außerdem ist diese mit einer Reihe rechtlicher, regulatorischer und aufsichtsrechtlicher Risiken behaftet. Bevor derartige Initiativen also Realität werden, gilt es, sämtliche Risiken durch entsprechende Systemausgestaltung und Governance-Strukturen sowie durch angemessene Überwachungskriterien und ‑vorschriften zu begrenzen.

Mit dem Aufkommen von Krypto-Assets und Stablecoins sind zahlreiche Debatten über Innovationen im Zahlungsverkehr angestoßen worden. Diskutiert wird hierbei auch die Rolle des privaten und öffentlichen Sektors bei der Entwicklung neuer Lösungen, die eine kostengünstigere, effizientere und inklusivere Abwicklung von Zahlungen ermöglichen. Die Ausgabe von digitalem Zentralbankgeld wäre vielleicht eine Möglichkeit, der Nachfrage vonseiten der Öffentlichkeit nach innovativen, effizienten und krisenfesten Zahlungsinstrumenten nachzukommen. Jedoch könnten unterschiedliche Aspekte digitalen Zentralbankgelds weitreichende Implikationen für das Finanzsystem mit sich bringen, die einer sorgfältigen Prüfung bedürfen. Im Massenzahlungsbereich sollten bei der konkreten Ausgestaltung von digitalem Zentralbankgeld weder etwaige Kooperationen mit dem privaten Sektor ausgeschlossen noch private marktbasierte Lösungen für die rasche und effiziente Abwicklung von Massenzahlungen verdrängt werden.

Im Jahr 2019 veröffentlichte die EZB einen Bericht über die Auswirkungsstudie zur Umstellung des Überweisungs- und Lastschriftverkehrs, aus dem hervorgeht, dass mit der Schaffung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area – SEPA) und der Umstellung auf gesamteuropäische Zahlungsverkehrsinstrumente für Überweisungen und Lastschriften bedeutende Fortschritte hin zu einem sicheren, effizienten und integrierten Zahlungsverkehrsmarkt in Europa erzielt wurden. Die Schaffung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums für Karten wurde bislang jedoch noch nicht realisiert, und auch bei Zahlungsauslösediensten für Endkunden ist in Europa nach wie vor ein hoher Fragmentierungsgrad zu beobachten. Ebenso besteht noch Handlungsbedarf im Hinblick auf die Entwicklung einer gesamteuropäischen Lösung für Zahlungen am Point of Interaction (POI) (d. h. Zahlungen an physischen Verkaufsstellen und E‑Commerce-Zahlungen), die den Bedürfnissen europäischer Nutzer gerecht wird.

Neue Strategie für den Massenzahlungsverkehr, neuer Rahmen für die Überwachung von Zahlungsinstrumenten und neue Standards für das Sicherheitenmanagement

Um diesbezüglich Abhilfe zu schaffen, entwickelte das Eurosystem 2019 eine neue Strategie für den Massenzahlungsverkehr. Mit dieser Strategie sollen die Entwicklung einer marktgesteuerten europaweiten Lösung für POI-Zahlungen gefördert und die wichtigsten Ziele für eine solche Lösung definiert werden.

Im Aufsichtsbereich hat das Eurosystem Schritte zur Überarbeitung seiner Strategie und zur Entwicklung eines neuen Rahmenwerks für die Überwachung von Zahlungsinstrumenten, ‑systemen und ‑vereinbarungen (PISA-Überwachungsrahmen) unternommen. Dabei folgt man dem Ansatz, dass Unternehmen, die den gleichen Geschäften nachgehen, auch den gleichen Auflagen der Aufsicht unterliegen sollen („gleiches Risiko, gleiche Regeln“). Das neue gesamtheitliche, flexible und zukunftsorientierte Rahmenwerk soll sowohl für etablierte als auch für neue Zahlungsprodukte, ‑anbieter und ‑technologien gelten und zur Sicherheit und Effizienz des gesamten Zahlungssystems beitragen.

Das Eurosystem fördert die marktweite Harmonisierung im Nachhandel, um die Finanzmarktintegration in Europa weiter voranzutreiben. Mit Blick auf die Harmonisierung des Sicherheitenmanagements besteht das Hauptziel darin, ein einheitliches Regelwerk für Europa zu schaffen, das Standards für die Verwaltung von Sicherheiten beinhaltet. Im Berichtsjahr verabschiedete die EZB-Beratungsgruppe zu Marktinfrastrukturen für Wertpapiere und Sicherheiten eine erste Reihe solcher Standards, die die Bereiche Sicherheitenmanagement durch Dritte, Kapitalmaßnahmen für Schuldtitel und entsprechende Verrechnungsprozesse abdecken. Die neuen Standards sollen bis November 2022 umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang wurden die nationalen Akteure aufgefordert, entsprechende Anpassungspläne zur Erfüllung dieser Standards auszuarbeiten.

Ferner setzte das Eurosystem auf dem Gebiet der Wertpapierabwicklung sein Engagement für die Harmonisierung im Nachhandel fort, indem es insbesondere die Fortschritte und Mängel bei der Umsetzung von Standards genau verfolgte. Ende 2019 erfüllten 90 % der an T2S teilnehmenden Märkte die grundlegenden Harmonisierungsstandards (gegenüber 85 % im Jahr 2018).

Eurosystem in Zulassungsprozess für Wertpapier-Zentralverwahrer innerhalb des Euroraums eingebunden

Im Bereich der Wertpapierinfrastrukturen ist das Eurosystem gemäß Zentralverwahrerverordnung in seiner Funktion als die den Euro ausgebende Zentralbank in den Zulassungsprozess für Wertpapier-Zentralverwahrer sowie in deren regelmäßige Überprüfung und Überwachung eingebunden. Derzeit ist das Eurosystem sogar die einzige Behörde, die in den Zulassungsprozess und die Überprüfung aller Wertpapier-Zentralverwahrer des Euroraums involviert ist. In dieser Rolle trägt es zu einer einheitlichen Vorgehensweise in diesem Bereich bei und ist somit maßgeblich an der Gewährleistung der Sicherheit und Effizienz der Wertpapierabwicklung beteiligt.

Als die den Euro ausgebende Zentralbank wirkt das Eurosystem außerdem weiter aktiv an der Arbeit der gemäß der Europäischen Marktinfrastrukturverordnung (EMIR) eingerichteten Aufsichtskollegien für zentrale Gegenparteien mit. Dies schließt die Bewertung der von zentralen Gegenparteien gestellten Anträge auf Ausweitung ihrer Dienstleistungen oder Änderung ihrer Risikomodelle ein. Darüber hinaus ist das Eurosystem in Krisenmanagement-Gruppen vertreten, die weltweit für zentrale Gegenparteien, die in mehr als einem Land als systemrelevant gelten, eingesetzt und tätig werden.

Im Jahr 2019 brachte sich das Eurosystem in die Diskussionen über die Überarbeitung der EMIR ein, deren Zweck die Verbesserung des Aufsichtsrahmens für zentrale Gegenparteien (insbesondere aus Nicht-EU-Staaten) war. Die überarbeitete Verordnung trat am 1. Januar 2020 in Kraft. Nicht zuletzt trug das Eurosystem zur Ausarbeitung einer EU-Verordnung über die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien bei und war an EU-weiten Stresstests, insbesondere zur Beurteilung des Liquiditätsrisikos zentraler Gegenparteien, beteiligt.

5 Maßnahmen zur Unterstützung der Marktfunktionsfähigkeit und für andere Institutionen erbrachte Finanzdienstleistungen

Im Oktober 2019 veröffentlichte die EZB erstmals den Euro Short-Term Rate (€STR), einen neuen Referenzzinssatz, der zur Gänze auf Meldungen im Rahmen der Geldmarktstatistik basiert. Der €STR wird den EONIA schrittweise ersetzen und dürfte zu einem der wichtigsten Referenzzinssätze für die Euroraum-Märkte werden. Der Finanzsektor war auf die Einführung des neuen Referenzzinssatzes gut vorbereitet, sodass es zu keinen nennenswerten Störungen kam. Bislang hat die tägliche Berechnung des €STR reibungslos funktioniert; überdies hat sich die Methodik als verlässlich erwiesen. Die EZB war auch 2019 für die Verwaltung verschiedener Finanzgeschäfte im Auftrag der EU zuständig und hatte im Rahmen der Eurosystem Reserve Management Services weiterhin eine allgemeine Koordinierungsfunktion inne. Darüber hinaus beschloss die EZB, ab April 2020 zusätzliche Daten zu ihren Devisenmarktinterventionen zu veröffentlichen mit dem Ziel, die Kommunikation und Transparenz in diesem Bereich zu verbessern und damit ihre Rechenschaftspflicht wahrzunehmen, wie sie dies auch in anderen geldpolitischen Bereichen tut (siehe Kasten 6).

5.1 €STR, der neue Referenzzinssatz für Tagesgeld an den Geldmärkten des Euroraums

Am 2. Oktober 2019 veröffentlichte die EZB erstmals einen neuen Tagesgeld-Referenzzinssatz für das Euro-Währungsgebiet, den Euro Short-Term Rate, kurz €STR. Der €STR bildet die Kosten der Banken im Euroraum für die unbesicherte Aufnahme von Geldern in Euro im Großkundengeschäft ab. Dieser robuste und zuverlässige Referenzzinssatz, der den EONIA schrittweise ablösen soll, wird derzeit täglich auf Basis von relevanten Transaktionen im Wert von insgesamt mehr als 30 Mrd €, die von 50 verschiedenen berichtspflichtigen Banken gemeldet werden, berechnet.

Die Methodik zur Berechnung des €STR ist derart gestaltet, dass sie die dem Geldmarkt zugrunde liegende Dynamik umfassend abbildet. So beruht der Satz auf einem breiten Spektrum an von berichtspflichtigen Banken gemeldeten Transaktionen mit finanziellen Gegenparteien (Banken sowie Nichtbanken). Diese breite Datenbasis sorgt für die Robustheit des €STR gegenüber strukturellen Veränderungen am unbesicherten Geldmarkt. 2019 lag das der Berechnung des €STR zugrunde liegende Transaktionsvolumen im Tagesdurchschnitt bei 31,1 Mrd €. Regeln zur Sicherstellung einer ausreichenden Datenbasis gewährleisten, dass der Satz repräsentativ ist. Demnach müssen a) mindestens 20 Banken, die aktuell nach der Verordnung über Geldmarktstatistiken meldepflichtig sind, entsprechende Meldungen abgeben und dürfen b) die fünf größten meldepflichtigen Institute höchstens 75 % des gesamten Transaktionsvolumens am jeweiligen Tag melden. Ist eines der zuvor genannten Kriterien nicht erfüllt, wird ein kurzfristiges Notfallverfahren, das die Verfügbarkeit des Satzes gewährleistet, ausgelöst. Der €STR wird als volumengewichteter getrimmter Mittelwert berechnet, wobei die oberen und unteren 25 % des Volumens, ermittelt anhand der Transaktionen mit den niedrigsten bzw. höchsten Zinssätzen, entfernt (getrimmt) werden, um den Einfluss von Ausreißern zu minimieren (weitere Einzelheiten zur Ermittlung des €STR finden sich in Kasten 7 in Kapitel 7).

Der €STR, ein robuster und zuverlässiger Referenzzinssatz, der sich auf ein breites Spektrum an relevanten Transaktionen stützt, wird den EONIA ablösen

Der EONIA, dessen Veröffentlichung am 3. Januar 2022 eingestellt wird, wird derzeit schrittweise durch den €STR ersetzt. Infolge von Empfehlungen der vom Privatsektor eingerichteten Arbeitsgruppe zu risikofreien Zinssätzen im Euroraum und nach einem öffentlichen Konsultationsverfahren hat das European Money Market Institute in seiner Funktion als Administrator des EONIA die EONIA-Methodik am 2. Oktober 2019 dahingehend geändert, dass der EONIA bis zu seiner Einstellung am 3. Januar 2022 auf Basis des €STR zuzüglich eines festen Spreads von 8,5 Basispunkten gebildet wird. Die Arbeitsgruppe zu risikofreien Zinssätzen im Euroraum wurde 2017 mit dem Ziel gegründet, risikofreie Zinssätze, die als Alternative zu den bereits bestehenden Referenzzinssätzen dienen können, zu ermitteln und zu empfehlen. In diesem Zusammenhang erarbeitete die Arbeitsgruppe Orientierungshilfen für den Übergang vom EONIA auf den €STR, darunter Empfehlungen zum Umgang mit an den EONIA gekoppelten Kontrakten und Studien zu den Auswirkungen der Abkehr vom EONIA auf Produkte, Prozesse und Modelle sowie auf die Rechnungslegung und das Risikomanagement.

Neben den Orientierungshilfen und Empfehlungen der Arbeitsgruppe zu risikofreien Zinssätzen im Euroraum trugen auch die kundenorientierten Kommunikationsmaßnahmen der EZB in Vorbereitung auf den neuen Referenzzinssatz zu einem reibungslosen Start des €STR bei. Der Finanzsektor war auf die Einführung des neuen Referenzzinssatzes und die Änderung der EONIA-Methodik gut vorbereitet, sodass es zu keinen nennenswerten Störungen kam. So wurden beispielsweise interne Systeme entsprechend angepasst, um der neuen Veröffentlichungszeit des Referenzzinses (am Morgen des auf den Geschäftstag folgenden Tages) Rechnung zu tragen. Außerdem haben die ersten auf den €STR indexierten Transaktionen sowie entsprechende Wertpapieremissionen erfolgreich stattgefunden. Am Derivatemarkt wurden mit der Einführung des €STR die ersten OTC-Swapgeschäfte abgewickelt; wenig später begannen einige zentrale Gegenparteien im Oktober und November, Clearingdienstleistungen für €STR-basierte Produkte anzubieten.

Tägliche Berechnung des €STR funktioniert reibungslos und Methodik erweist sich als verlässlich

Bislang hat die tägliche Berechnung des €STR reibungslos funktioniert; überdies hat sich die Methodik als verlässlich erwiesen, wie an zwei Beispielen deutlich wird: Zum einen wurde – wie aus den Pre-€STR-Daten hervorgeht – die Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität der EZB am 18. September 2019 vollständig und unverzüglich weitergegeben; außerdem sind der Zinssatz und die Verteilung der zugrunde liegenden Transaktionen zwischen dem 25. und 75. Perzentil seit der Veröffentlichung des €STR recht stabil geblieben. Zum anderen hatte der Feiertag in Deutschland am 3. Oktober 2019 kaum Einfluss auf den Zinssatz und seine verschiedenen Metriken. Zwar nahm der Wert der gemeldeten Transaktionen an diesem Tag um 4,3 Mrd € gegenüber dem Vortag ab, dennoch blieb die Anzahl der berichtspflichtigen Banken bzw. die Konzentration des von den fünf größten Banken gemeldeten Transaktionsvolumens in einem Bereich, in dem die Robustheitsschwellen – die wie oben erläutert eine ausreichende Datenbasis sicherstellen – gut eingehalten werden konnten. Darüber hinaus hielt sich die Volatilität des €STR in Grenzen, was die Robustheit der angewendeten Methodik gegenüber derartigen Ereignissen veranschaulicht.

Abbildung 23

€STR seit dem 9. September 2019

(linke Skala: in Mrd €; rechte Skala: in Basispunkten)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Pre-€STR bis zum 30. September 2019, €STR seit dem 1. Oktober 2019.

Abbildung 24

€STR-Robustheitsmetriken seit dem 9. September 2019

(linke Skala: in %; rechte Skala: Anzahl der Banken)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Pre-€STR bis zum 30. September 2019, €STR seit dem 1. Oktober 2019.

Schaffung hinreichend liquider €STR-basierter Kassa- und Derivatemärkte erfordert mehr Anstrengungen vonseiten der Marktteilnehmer

Während der €STR zunehmend genutzt wird, sind vonseiten der Marktteilnehmer weitere Anstrengungen zur Schaffung hinreichend liquider €STR-basierter Kassa- und Derivatemärkte vonnöten. So soll der €STR nicht nur als Ersatz für den EONIA am Derivatemarkt gesehen werden; vielmehr soll die Verwendung des €STR über die verschiedenen Marktsegmente hinweg breit angelegt sein und auch in Fällen, in denen in der Regel andere Referenzzinssätze herangezogen werden, erfolgen. Beispiele für eine solche Verwendung des €STR auf beiden Seiten der Bilanz sind etwa die Begebung von Anleihen und die Vergabe von Krediten.

Der €STR könnte als Ersatzzinssatz für an den EURIBOR gekoppelte Kontrakte und als Alternative zum EURIBOR dienen

Mithilfe des €STR können darüber hinaus Risiken im Zusammenhang mit der weltweiten Reform der „Interbank Offered Rates“, kurz IBORs, begrenzt werden. Gemäß der Empfehlung des Finanzstabilitätsrats[45] soll die Verwendung von nahezu risikofreien Tagesgeldsätzen am weltweiten Zinsderivatemarkt gegebenenfalls gefördert und wirksame Ersatzbestimmungen für Kontrakte, deren Referenzzinssatz der IBOR ist, entwickelt werden. Mit der Zulassung des EURIBOR-Administrators vom 3. Juli 2019 ist die Verwendung des EURIBOR im Euro-Währungsgebiet auch weiterhin möglich; überdies soll dieser Referenzzinssatz im Gegensatz zum LIBOR („London Interbank Offered Rate“) nicht auslaufen. Dennoch kann das langfristige Bestehen des EURIBOR nicht als gegeben angesehen werden: Dieses hängt zunächst davon ab, ob die Melderbanken weiterhin stabil melden; zudem spielt die Entwicklung der Geldmarktaktivität, die mit dem EURIBOR gemessen werden soll, eine Rolle. Zwar können die zuständigen Behörden diese Problematik mit der EU-Referenzwerte-Verordnung vorübergehend in den Griff bekommen, indem sie die Meldungen der Banken zu den Referenzwerten verpflichtend gestalten oder die Pflichtverwaltung von Referenzwerten vorschreiben, jedoch sind diese Maßnahmen zeitlich sowie in ihrem Umfang begrenzt. Der €STR – und €STR-basierte Zinsstrukturkurven – können daher als Ersatzlösung für an den EURIBOR gekoppelte Kontrakte und als alternativer Referenzzinssatz zum EURIBOR verwendet werden. In anderen Ländern, wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz, lassen sich bereits gute Beispiele für dem €STR ähnliche Tagesgeldsätze finden, die verstärkt genutzt und gefördert werden, um Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem LIBOR zu beseitigen.

5.2 Verwaltung von Anleihe- und Darlehensgeschäften der EU

Die EZB ist für die Verwaltung der von der EU im Rahmen der Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands (MTFA)[46] und des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM)[47] abgeschlossenen Anleihe- und Darlehensgeschäfte zuständig. Im Berichtsjahr wickelte die EZB Zinszahlungen im Zusammenhang mit MTFA-Krediten ab. Zum 31. Dezember 2019 beliefen sich die gesamten Außenstände im Rahmen der MTFA auf 200 Mio €. Außerdem wickelte die EZB im Berichtsjahr diverse Zahlungen und Zinszahlungen im Zusammenhang mit EFSM-Krediten ab. Die Außenstände im Rahmen des EFSM betrugen zum 31. Dezember 2019 insgesamt 46,8 Mrd €.

EZB wickelt Zahlungen im Zusammenhang mit diversen Kreditprogrammen der EU ab

Die EZB ist ferner für die Abwicklung von Zahlungen im Zusammenhang mit Geschäften im Rahmen der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität (EFSF)[48] und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)[49] verantwortlich. Im Berichtsjahr führte sie mehrere Zins- und Gebührenzahlungen im Zusammenhang mit zwei EFSF-Krediten sowie Zahlungen im Zusammenhang mit der Zeichnung von Anteilen am genehmigten Stammkapital des ESM durch dessen Mitglieder durch.

Die EZB ist auch dafür zuständig, sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit der Kreditrahmenvereinbarung für Griechenland abzuwickeln.[50] Zum 31. Dezember 2019 beliefen sich die gesamten Außenstände im Rahmen dieser Vereinbarung auf 52,9 Mrd €.

5.3 Dienstleistungen des Eurosystems im Bereich der Währungsreservenverwaltung

Eine Reihe von Eurosystem-Zentralbanken leistet ERMS-Finanzdienstleistungen

Seit 2005 können Kunden des Eurosystems ihre auf Euro lautenden Währungsreserven vom Eurosystem verwalten lassen, wofür auch 2019 ein umfangreiches Spektrum an Finanzdienstleistungen im Rahmen der Eurosystem Reserve Management Services (ERMS) zur Verfügung stand. Eine Reihe nationaler Zentralbanken des Eurosystems (die sogenannten „Dienstleister des Eurosystems“) bieten außerhalb des Euroraums ansässigen Zentralbanken, Währungs- und Regierungsbehörden sowie internationalen Organisationen das gesamte Dienstleistungsspektrum zu harmonisierten Geschäftsbedingungen gemäß marktüblichen Standards an. Die EZB erfüllt allgemeine Koordinierungsaufgaben, überwacht den reibungslosen Betrieb der ERMS-Dienstleistungen, fördert Maßnahmen zur Verbesserung des rechtlichen Rahmens der ERMS und berichtet an den EZB-Rat.

2019 begann eine weitere Zentralbank, ERMS-Dienstleistungen anzubieten, wodurch sich die Gesamtanzahl der Dienstleister des Eurosystems auf insgesamt zehn erhöht hat. Die Anzahl der ERMS-Kundenkonten lag Ende 2019 bei 273 gegenüber 277 im Jahr davor. Der vom Eurosystem im Rahmen der ERMS verwaltete Vermögensbestand (darunter Barvermögen und Wertpapiere) verringerte sich im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um etwa 7,5 %.

Kasten 6
EZB erweitert Berichterstattung über Devisenmarktinterventionen

Am 26. September 2019 beschloss der EZB-Rat, ab April 2020 zusätzliche Daten zu den Devisenmarktinterventionen der EZB zu veröffentlichen. Mit diesen neuen Datenveröffentlichungen möchte die EZB, Kommunikation und Transparenz in diesem Bereich verbessern und damit ihre Rechenschaftspflicht wahrnehmen, wie sie dies auch in anderen geldpolitischen Bereichen tut. Gleichzeitig soll die Fähigkeit der EZB, effektiv am Devisenmarkt zu intervenieren, sichergestellt bleiben. Im Fall des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten wird der Rechenschaftspflicht beispielsweise insofern nachgekommen, als das Eurosystem regelmäßig Daten über das Volumen und die Verteilung von Wertpapierkäufen im Rahmen der einzelnen Programme und in den verschiedenen Ländern zur Verfügung stellt.

Die Wechselkursgestaltung ist kein geldpolitisches Ziel der EZB. Seit Einführung des Euro hat die EZB zweimal – 2000 und 2011 – an den Devisenmärkten interveniert (siehe Tabelle A). Im ersten Fall wurde die EZB aufgrund von Bedenken hinsichtlich der welt- und binnenwirtschaftlichen Auswirkungen des Euro-Wechselkurses, einschließlich seiner Folgen für die Preisstabilität, aktiv. So intervenierten die EZB und die Notenbanken der Vereinigten Staaten und Japans zunächst im Rahmen einer koordinierten Aktion am 22. September 2000; anschließend gab es im November eine unilaterale Intervention der EZB. Im zweiten Fall handelte es sich um eine koordinierte Intervention der EZB sowie der Notenbanken der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Kanadas am 18. März 2011 als Reaktion auf die Kursschwankungen des Yen nach dem Tsunami und der Nuklearkatastrophe in Japan.

Tabelle A

Bisherige Devisenmarktinterventionen der EZB

Quelle: EZB.

Bei ihrem neuen Veröffentlichungsregime für die Daten über Devisenmarktinterventionen setzt die EZB auf einen strukturierten und systematischen Ansatz in Bezug auf Berichtsfrequenz und Informationsgehalt. Schon in der Vergangenheit hat die EZB unterschiedliche Kanäle zur Offenlegung von Informationen über ihre Interventionen am Devisenmarkt genutzt, darunter den Wochenausweis, den Jahresabschluss und den Jahresbericht. Künftig wird die EZB diese Daten in Tabellenform auf ihrer Website und in ihrem Jahresbericht veröffentlichen. Die Tabelle auf der Website wird vierteljährlich, mit jeweils einem Quartal Verzögerung, aktualisiert und wird ab der ersten Veröffentlichung sämtliche historische Daten zu den seit 1999 durchgeführten Devisenmarktinterventionen darstellen. Der EZB-Jahresbericht wird ab sofort auch zusätzliche Hintergrundinformationen und gegebenenfalls Zusammenfassungen über neue Entwicklungen betreffend Devisenmarktinterventionen enthalten. Darüber hinaus wird aus dem Jahresabschluss der EZB hervorgehen, ob im jeweiligen Berichtsjahr Devisenmarktinterventionen durchgeführt wurden. Nicht zuletzt werden die Kommentare zum Wochenausweis allgemein auf jegliche Interventionen in der jeweils vorangegangenen Woche verweisen; dies wurde bereits in den Jahren 2000 und 2011 so gehandhabt.

Das neue Berichtsschema umfasst neben den Devisenmarktinterventionen, die die EZB unilateral oder in Abstimmung mit anderen Notenbanken tätigt, auch jene an den Interventionspunkten im Wechselkursmechanismus II (WKM II).[51] Im Detail werden der Gesamtbetrag (netto und brutto), die Geschäftsart (Kauf oder Verkauf), eine Aufgliederung nach Währungen und das Datum der jeweiligen Intervention veröffentlicht. Wenn keine Devisenmarktinterventionen (während des vierteljährlichen Betrachtungszeitraums) erfolgt sind, wird auch dies im Sinne der Transparenz in der Tabelle explizit festgehalten.

Mit dieser Vorgehensweise passt die EZB ihre Kommunikationspolitik in Bezug auf Devisenmarktinterventionen an den Anspruch an, den sie in den letzten Jahren im Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer Rechenschaftspflicht in anderen Bereichen entwickelt hat. Überdies werden dadurch die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union spezifizierten Vorgaben übererfüllt. Die EZB vermittelt damit der breiten Öffentlichkeit und den Finanzmärkten relevante Informationen über ihre Strategie, Bewertungen und geldpolitischen Beschlüsse. Diese Transparenz bei der Erfüllung ihrer Aufgaben stärkt die Glaubwürdigkeit der EZB. Die Zentralbanken der am WKM II teilnehmenden Länder unterliegen weiterhin der Verpflichtung, Informationen über Devisenmarktinterventionen entsprechend ihren jeweiligen gültigen Bestimmungen zu veröffentlichen.

6 Mehr Banknoten, wenig Fälschungen

Die EZB und die NZBen des Euroraums sind für die Ausgabe von Euro-Banknoten innerhalb des Eurogebiets, für die Gewährleistung der Verfügbarkeit von Euro-Bargeld und für die Wahrung des Vertrauens in die Gemeinschaftswährung verantwortlich. Seit der Einführung des Euro-Bargelds im Jahr 2002 ist der mengen- und wertmäßige Euro-Banknotenumlauf kontinuierlich gestiegen – im Allgemeinen sogar rascher als das Wirtschaftswachstum. Der Anteil der Fälschungen lag 2019 weiterhin auf niedrigem Niveau. Dies ist auf das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen, darunter die verbesserten Sicherheitsmerkmale der neuen Europa-Serie, die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden, regelmäßige Kommunikation mit der Öffentlichkeit und Schulungsmaßnahmen für professionelle Bargeldakteure. Im Mai 2019 wurde die Europa-Serie mit der Einführung der neuen 100‑€- und 200‑€-Banknoten mit ihren neuen, innovativen Sicherheitsmerkmalen vervollständigt.

6.1 Banknotenumlauf weiterhin steigend

Im Jahr 2019 erhöhte sich der Euro-Banknotenumlauf mengen- bzw. wertmäßig um etwa 6,4 % bzw. 5,0 %. Zum Jahresende waren 24,1 Milliarden Euro-Banknoten mit einem Gesamtwert von 1 293 Mrd € im Umlauf (siehe Abbildung 25 und 26). Gemessen an der Stückzahl bzw. am Wert entfiel nahezu die Hälfte aller im Umlauf befindlichen Euro-Banknoten auf den 50‑€-Schein. Mit 61,4 % verzeichnete die 200‑€-Banknote 2019 die bei weitem höchste Jahreszuwachsrate, da ein Teil der Nachfrage nach 500‑€-Banknoten, deren Ausgabe eingestellt wurde, durch den 200‑€-Schein abgedeckt wurde. Ende 2019 betrug der Gesamtwert der im Umlauf befindlichen 100‑€-Banknoten 305 Mrd € und entsprach somit dem Gesamtwert sämtlicher im Juli 2002 im Umlauf befindlichen Euro-Banknoten aller Stückelungen. Der jährliche Zuwachs bei den 100‑€- und 50‑€-Banknoten blieb mit 8,8 % bzw. 7,4 % dynamisch.

Abbildung 25

Mengen- und wertmäßiger Euro-Banknotenumlauf

(linke Skala: in Mrd €; rechte Skala: Milliarden Stück)

Quelle: EZB.

Abbildung 26

Wertmäßiger Euro-Banknotenumlauf nach Stückelung

(in Mrd €)

Quelle: EZB.

Ein Drittel der Euro-Banknoten (gemessen am Wert) wird außerhalb des Euroraums gehalten

Auf Länder außerhalb des Euroraums entfällt schätzungsweise rund ein Drittel des wertmäßigen Euro-Banknotenumlaufs. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Banknoten höherer Stückelungen, die in erster Linie in den Nachbarländern des Eurogebiets gehalten und zur Wertaufbewahrung sowie zur Abwicklung von Transaktionen an internationalen Märkten genutzt werden.

Für die Herstellung der Euro-Banknoten sind die NZBen des Euroraums gemeinsam zuständig; im Jahr 2019 wurden sie mit der Produktion von insgesamt etwa 3,7 Milliarden Banknoten betraut.

Der gesamte Euro-Münzumlauf erhöhte sich im Berichtsjahr um 3,3 % auf 135,1 Milliarden Stück (Jahresendstand). Der Gesamtwert des Münzumlaufs betrug 30 Mrd € und war somit um 3,4 % höher als Ende 2018.

Im Jahr 2019 prüften die NZBen des Euroraums rund 30 Milliarden Banknoten auf Echtheit und Umlauffähigkeit; etwa 5 Milliarden Stück wurden für nicht umlauffähig befunden und dementsprechend aus dem Verkehr gezogen. Zudem setzte das Eurosystem seine Bemühungen fort, gemeinsam mit den Herstellern von Banknotenbearbeitungsgeräten sicherzustellen, dass deren Produkte den Standards der EZB für die Überprüfung von Euro-Banknoten auf Echtheit und Umlauffähigkeit vor der Wiederausgabe entsprechen. Im Berichtsjahr wurden rund 38 Milliarden Euro-Banknoten von Kreditinstituten und anderen professionellen Bargeldakteuren auf Echtheit und Umlauffähigkeit geprüft.

Einführung der neuen 100‑€- und 200‑€-Banknoten, Einstellung der Ausgabe der 500‑€-Banknote

Am 28. Mai 2019 wurden die neuen 100‑€- und 200‑€-Banknoten in Umlauf gebracht. Die Einführung der neuen Banknoten vervollständigte die Europa-Serie, die im Jahr 2013 mit der Ausgabe der neuen 5‑€-Banknote gestartet wurde.

Die Ausgabe der 500‑€-Banknote wurde zwischen Januar und April 2019 von sämtlichen NZBen des Euroraums eingestellt. Wie die anderen Stückelungen der ersten Euro-Banknotenserie wird auch die 500‑€-Banknote gesetzliches Zahlungsmittel bleiben und kann daher auch weiterhin für Zahlungen und zur Wertaufbewahrung genutzt werden. Die Euro­Banknoten der ersten Serie (auch der Fünfhunderter) werden dauerhaft ihren Wert behalten, da sie auf unbefristete Zeit bei jeder NZB des Euroraums umgetauscht werden können.

6.2 Weiterhin niedriges Fälschungsaufkommen bei Euro-Banknoten im Jahr 2019

Die Anzahl der Euro-Banknotenfälschungen war im Jahr 2019 weiterhin niedrig: Rund 559 000 gefälschte Euro-Banknoten wurden aus dem Verkehr gezogen. Diese geringe Anzahl beruht auf dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, wie etwa den verbesserten Sicherheitsmerkmalen der neuen Europa-Serie, der Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden sowie Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene. Gemessen an der Anzahl der im Umlauf befindlichen echten Euro-Banknoten ist der Anteil der Fälschungen weiterhin rückläufig und sehr gering. Abbildung 27 zeigt die langfristige Entwicklung der Anzahl der aus dem Umlauf sichergestellten Banknotenfälschungen.

Abbildung 27

Anzahl der Euro-Banknotenfälschungen je Million im Umlauf befindlicher echter Euro-Banknoten

(Anzahl je Million)

Quelle: EZB.

Bevorzugtes Ziel der Fälscher sind die 20‑€- und die 50‑€-Banknote, auf die im Berichtsjahr in Summe über 70 % aller sichergestellten Fälschungen entfielen. Der Anteil der gefälschten 50‑€-Banknoten ging im Jahr 2019 zurück.

EZB rät Öffentlichkeit zur Wachsamkeit bei der Entgegennahme von Banknoten und empfiehlt FÜHLEN-SEHEN-KIPPEN

Obwohl die aus dem Umlauf sichergestellten Fälschungen die echten Euro-Banknoten immer weniger täuschend nachahmen, rät die EZB der Öffentlichkeit, bei der Entgegennahme von Banknoten auch weiterhin wachsam zu sein und empfiehlt, diese nach dem Prinzip FÜHLEN-SEHEN-KIPPEN zu prüfen und sich nicht nur auf ein einziges Sicherheitsmerkmal zu verlassen. Außerdem bietet die EZB innerhalb wie auch außerhalb Europas regelmäßig Schulungen für professionelle Bargeldakteure an und unterstützt den Kampf des Eurosystems gegen Geldfälschungen, indem sie der Öffentlichkeit aktuelle Informationsmaterialien zur Verfügung stellt. Auch in der Zusammenarbeit mit Europol, Interpol und der Europäischen Kommission verfolgt die EZB dieses Ziel.

6.3 Verringerung der Umweltauswirkungen von Banknoten

Im Jahr 2004 führte das Eurosystem auf Grundlage der ISO-Normenreihe 14040 eine Lebenszyklusanalyse von Euro-Banknoten durch und leistete damit Pionierarbeit zur Ermittlung der Umweltauswirkungen von Geldscheinen während deren Gesamtlebensdauer. Diese komplexe Analyse diente seither als Hauptinformationsquelle, um entsprechende Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkungen von Euro-Banknoten auf die Umwelt zu setzen. So wurde etwa ein Zulassungsverfahren für Hersteller von Euro-Banknoten und von deren Bestandteilen, einschließlich eines Umweltmanagementsystems, eingeführt. Auch verfolgt man im Eurosystem das Ziel, den Anteil der nachhaltig erzeugten Baumwolle im Papier für die Euro-Geldscheine sukzessive auf 100 % zu erhöhen.

Nicht zuletzt prüft das Eurosystem jährlich die Verbrauchskennzahlen und Emissionswerte aller zugelassenen Hersteller mit dem Ziel, die Umweltverträglichkeit der Euro-Banknotenproduktion zu verbessern.

7 Statistiken

Die EZB konzipiert, erhebt, erstellt und veröffentlicht mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken (NZBen) eine breite Palette von Statistiken und Daten, die eine wichtige Basis für die Geldpolitik des Euroraums, die Gewährleistung der Finanzstabilität und die Erfüllung verschiedener anderer Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) darstellen. Diese Statistiken werden auch von öffentlichen Stellen, Finanzmarktteilnehmern, den Medien und der Bevölkerung genutzt und tragen so zur Erreichung des Transparenzziels der EZB bei.

Dieses Kapitel befasst sich mit der Beschränkung des Meldeaufwands für Banken sowie mit der Erstellung von Statistiken über FinTech, einschließlich Krypto-Assets. Im Mittelpunkt zweier Kästen stehen zudem das unabhängige Verfahren zur Ermittlung des Euro Short-Term Rate (€STR) auf Grundlage der betreffenden Leitlinie (Kasten 7) und die mittelfristige Strategie für die Statistik zur Finanzierungsrechnung sowie die in der Strategie genannten Ziele, auf die in den kommenden Jahren hingearbeitet werden soll (Kasten 8).

7.1 Beschränkung des Meldeaufwands

Finanzkrise hat den Meldeaufwand erhöht

Im Zuge der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass sich aggregierte Statistiken nur in begrenztem Ausmaß dazu eignen, politische Entscheidungsträger in einer Situation erhöhter Fragmentierung zwischen Ländern, Sektoren und Märkten mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Im Lichte dieser Erfahrung hat die EZB eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die es ihr ermöglichen, zusätzliche granulare Daten zu erhalten, die ihren geldpolitischen, mikroprudenziellen und makroprudenziellen Anforderungen gerecht werden. Beispiele dafür sind etwa die AnaCredit-Datensätze, die Statistiken über Wertpapierbestände und die Geldmarktstatistiken. Damit erhöhte sich für die Banken der Meldeaufwand.

Eine weitere Herausforderung für den Bankensektor ist die mangelnde internationale Harmonisierung von Meldevorgaben. Diese ist auf den traditionellen ESZB-Ansatz zurückzuführen, dem zufolge die NZBen ihre Meldepflichten auf europäischer Ebene im Rahmen ihrer nationalen Meldesysteme erfüllen können.

Konzeptionell wurde im statistischen Meldewesen zwar schon ein hoher Harmonisierungsgrad im Euroraum erreicht, in der Praxis müssen jedoch viele separate statistische Meldungen an die NZBen übermittelt werden, wobei unterschiedliche Meldefrequenzen und Zeitpläne sowie verschiedene Aggregationsebenen zur Anwendung kommen.

Darüber hinaus decken sich die statistischen Meldungen zum Teil mit einer Vielzahl von Meldungen für die Bankenaufsicht. Das Ergebnis sind Redundanzen und Überschneidungen sowie komplexe Meldefristen und ‑abläufe.

Der Bankensektor hat verständlicherweise auf diese Situation hingewiesen und eine viel kosteneffizientere Ausgestaltung und Umsetzung der Meldepflichten[52] bei gleichzeitiger Wahrung der Wirksamkeit der Regulierung und einer weiteren Verbesserung der Datenqualität gefordert.

Konsolidierung bestehender ESZB-Meldepflichten der Banken in einem integrierten Meldewesen (IReF)

Vor diesem Hintergrund begann das ESZB 2016 mit der Entwicklung eines integrierten Meldewesens (Integrated Reporting Framework – IReF), um die bestehenden Meldepflichten der Banken zu konsolidieren. Der IReF ist als integrierte Lösung für Statistikmeldungen im gesamten ESZB und in allen Statistikbereichen konzipiert. Im Rahmen des IReF, der zwischen 2024 und 2027 umgesetzt werden soll, werden Daten mit höherer Granularität als in den derzeit bestehenden Datensätzen[53] erhoben. Damit werden innerhalb eines einzigen Melderahmens alle bestehenden Meldepflichten abgedeckt und Doppelgleisigkeiten so weit wie möglich vermieden. Während also das Datenvolumen beträchtlich anwachsen wird, werden die Banken die Daten weniger stark klassifizieren und aggregieren müssen – beides häufig ressourcenintensive Tätigkeiten. Die Klassifizierung und Aggregierung wird indessen vom ESZB vorgenommen, wovon man sich eine Verbesserung der Datenqualität insgesamt erwartet. Im Rahmen des IReF kommt ein singuläres Datenmodell und eine dazu passende Beschreibung zum Einsatz, womit eine vollständige Standardisierung von Definitionen und die Zuverlässigkeit der angewandten Methodik sichergestellt werden soll. Granulare Daten sind insofern inhärent flexibel, als sie auf unterschiedliche Art und Weise kombiniert werden und so neue Produkte und Dienstleistungen abbilden können. Man geht davon aus, dass dank dieser Eigenschaft es einerseits weniger oft notwendig sein wird, die gesetzlich vorgeschriebenen Meldepflichten anzupassen, und andererseits die Behörden weniger oft Daten auf Ad-hoc-Basis anfordern müssen.

BIRD als Ergänzung zu IReF

Die Gesamtstrategie des ESZB für die Erhebung von Bankdaten soll zudem die Meldepflichtigen dabei unterstützen, die in den internen Kernsystemen gespeicherten Informationen (z. B. in den Bereichen Rechnungswesen, Risikomanagement, Wertpapiere oder Einlagen) auf einer (einheitlichen) Erhebungsebene effizient zu organisieren. Diese könnte dann als Grundlage für die Erfüllung aller geltenden Meldepflichten auf Basis standardisierter Umwandlungsregeln dienen (siehe Schaubild 2). Dieses Ziel soll mit der Realisierung eines weiteren Elements der Strategie – dem Banks’ Integrated Reporting Dictionary (BIRD) – umgesetzt werden, an dem aktuell eine Gruppe aus Vertretern der EZB, einiger Euroraum-NZBen und des Bankensektors arbeiten. Der Anwendungsbereich von BIRD wird über die ESZB-Statistiken hinausgehen und auch das Aufsichts- und Abwicklungsmeldewesen umfassen.

Schaubild 2

ESZB-Strategie für die Erhebung von Bankdaten

Anmerkung: EBA: Europäische Bankenaufsichtsbehörde; SSM: Einheitlicher Aufsichtsmechanismus; SRM: Einheitlicher Abwicklungsmechanismus.

ESZB führt Kosten-Nutzen-Analyse des IReF durch

Im Jahr 2018 beschloss das ESZB, in enger Zusammenarbeit mit dem Bankensektor und anderen wesentlichen Interessenträgern eine Kosten-Nutzen-Analyse des IReF durchzuführen, um die Auswirkungen dieser Initiative auf die Angebots- und Nachfrageseite zu bewerten. In einem ersten Schritt fand mit Hilfe eines Fragebogens eine qualitative Bestandsaufnahme über den Status quo im statistischen Meldewesen in den verschiedenen Bereichen und Ländern statt. Damit wurden die wichtigsten Kostenfaktoren und der potenzielle Nutzen des IReF ermittelt. Der ESZB-Ausschuss für Statistik erstellte im Berichtsjahr eine Analyse der Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme und erarbeitete konkrete Szenarien für den IReF im Hinblick auf diverse Aspekte der Datenerhebung und der Erstellung von Statistiken. In einem nächsten Schritt werden 2020 im Zuge einer Befragung die Kosten und der Nutzen dieser Szenarien erhoben. Entwickelt wurden Letztere von Fokusgruppen bestehend aus Fachexperten des ESZB und – für bestimmte Themen – Vertretern des Bankensektors. Der neue Fragebogen wird auf einem Entwurf für ein IReF-Meldeschema basieren und den Befragten die Möglichkeit bieten, die Szenarien auf Grundlage von Vorschlägen für konkrete Meldepflichten zu bewerten. Sollte das ESZB aus den Umfrageergebnissen Unterstützung für den IReF ableiten, wird es jene Merkmale herausarbeiten, die sowohl den Ansprüchen des Bankensektors als auch jenen der Statistik-Nutzer bzw. ‑Ersteller auf Seiten des ESZB am besten gerecht werden.

Fällt die Kosten-Nutzen-Gesamtanalyse zufriedenstellend aus, ist davon auszugehen, dass der EZB-Rat grünes Licht für die Fortsetzung der IReF-Initiative geben wird. In dem Fall würde ein Entwurf für eine entsprechende EZB-Verordnung erarbeitet, die vor Verabschiedung und Umsetzung einem öffentlichen Konsultationsverfahren zu unterziehen wäre. Die IReF-Anforderungen wären für alle Banken im Euroraum bindend.

7.2 Neue und verbesserte Euroraum-Statistiken

FinTech und Krypto-Assets

EZB beobachtet Entwicklungen im Bereich FinTech und Krypto-Assets

Um die Anforderungen von Statistik-Nutzern in einer zunehmend digitalisierten Welt erfüllen zu können, wird an der Entwicklung und Verbesserung von Statistiken über FinTech, d. h. technologische Innovationen, die zur Unterstützung oder Erbringung von Finanzdienstleistungen genutzt werden, gearbeitet. Die Generaldirektion Statistik der EZB erstellte Anfang 2019 einen internen Datensatz über Krypto-Assets und eine Reihe von Indikatoren, die zunächst auf öffentlich zugänglichen aggregierten Daten basierten. Diese Daten- und Indikatorensätze wurden Qualitätsprüfungen unterzogen und mit Daten von kommerziellen Anbietern ergänzt[54] und sodann als Informationsgrundlage für die Überwachungstätigkeit der EZB im Bereich der Krypto-Assets verwendet.[55] Mithilfe von Big-Data-Technologien konnte die EZB automatisierte Abläufe für die Erhebung, Bearbeitung und Integration mehrerer Krypto-Asset-Datenerhebungen entwickeln. Überlegungen zur statistischen Klassifikation von Krypto-Assets sind ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeiten. In Bezug auf FinTech entwickelt die EZB im Einklang mit ähnlichen Initiativen bei einigen Euroraum-NZBen einen experimentellen internen Datensatz über in diesem Bereich aktive Unternehmen im Euroraum.[56] Parallel dazu werden auch internationale Foren[57] genutzt, um statistische Definitionen für FinTech und den damit verbundenen Bedarf an Daten zu erörtern. Ziel ist es, die Verflechtungen zwischen dem Finanzsektor und FinTech sowie das Potenzial und die Risiken, die FinTech birgt, zu ermitteln.

Kasten 7
Unabhängiges Verfahren zur Ermittlung des Euro Short-Term Rate (€STR)

Nach zwei Jahren intensiver Vorbereitungen durch das Eurosystem und die meldenden Banken veröffentlichte die EZB am 2. Oktober 2019 erstmals den Euro Short-Term Rate (€STR) (siehe Kapitel 5 Abschnitt 1). Der €STR bildet die Kosten für die unbesicherte Aufnahme von Euro-Tagesgeld im Großkundengeschäft von Banken im Euroraum ab und wird vom Bereich Statistik der EZB, und somit unabhängig von den geldpolitischen Funktionen, ermittelt und veröffentlicht. Im Einklang mit der €STR-Leitlinie wurde ein Kontrollrahmen geschaffen, um die Integrität und Unabhängigkeit des Ermittlungsprozesses sicherzustellen und bestehenden oder potenziellen Interessenkonflikten zu begegnen.

Die €STR-Leitlinie legt die Verantwortung der EZB für die Verwaltung des Zinssatzes und auch die Aufgaben und Pflichten der EZB und der NZBen im Hinblick auf ihren Beitrag zum €STR-Ermittlungsprozess und zu anderen Geschäftsprozessen fest. Zur Überprüfung, Hinterfragung und Berichterstattung in Bezug auf sämtliche das €STR-Ermittlungsverfahren betreffende Aspekte hat die EZB gemäß der €STR-Leitlinie einen internen Überwachungsausschuss eingerichtet. Außerdem wird die Berechnung des €STR im Zuge regelmäßiger interner und externer Prüfungen kontrolliert. Die Prinzipien der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) für finanzielle Referenzwerte wurden in weiten Teilen in die €STR-Leitlinie übernommen, um sicherzustellen, dass der €STR-Ermittlungsprozess internationalen Best Practices folgt.

Am 2. Oktober 2019 wurde der €STR zum ersten Mal von der EZB veröffentlicht, wobei die Daten die Handelstätigkeit vom 1. Oktober 2019 widerspiegelten. Der €STR wird auf der Website der EZB[58] an jedem TARGET2-Geschäftstag um 8:00 Uhr MEZ veröffentlicht. Er basiert auf den jeweils am vorhergehenden TARGET2-Geschäftstag durchgeführten und abgewickelten Transaktionen. Werden im Anschluss an die Veröffentlichung Fehler festgestellt, die eine Veränderung des €STR um mehr als 2 Basispunkte zur Folge haben, wird der €STR korrigiert und am selben Tag um 9:00 Uhr MEZ erneut veröffentlicht. Nach diesem Zeitpunkt wird der €STR nicht mehr geändert. Umgehend nach der Veröffentlichung durch die EZB wird der €STR von kommerziellen Datenanbietern über Marktdaten-Feeds in Echtzeit zur Verfügung gestellt. Im Sinne der Transparenz des €STR-Ermittlungsverfahrens publiziert die EZB regelmäßig Zusammenfassungen über Fehler, die Abweichungen von mehr als 0,1 Basispunkten gleichkommen und nach dem standardmäßigen Veröffentlichungszeitpunkt gefunden wurden bzw. die Kriterien für eine neuerliche Veröffentlichung des Zinssatzes nicht erfüllen.

Der €STR basiert zur Gänze auf relevanten Transaktionen in Euro, die von Banken im Einklang mit der Verordnung über Geldmarktstatistiken (MMSR) gemeldet werden; die MMSR wurde erst kürzlich geändert, um die Verfügbarkeit hochqualitativer Statistiken über den Geldmarkt des Euroraums zu verbessern.[59] Die im Rahmen der MMSR berichtspflichtigen Institute (zu Redaktionsschluss 50 an der Zahl) melden ihre Daten vor 7:00 Uhr MEZ entweder an die jeweilige NZB (Deutsche Bundesbank, Banco de España, Banque de France oder Banca d’Italia) oder direkt an die EZB (siehe Schaubild A). Anschließend durchlaufen die Daten einen Qualitätssicherungsprozess, der eine Reihe technischer Überprüfungen, eine große Zahl an Konsistenzchecks und eine Reihe gezielter Datenqualitätskontrollen umfasst, damit festgestellt werden kann, ob bzw. welche Transaktionen von der Berechnung des €STR ausgeschlossen werden sollten. Die Bestätigung der Transaktionen findet zwischen 7:15 und 7:45 Uhr MEZ statt. Im Zuge dieses Verfahrens ersucht die EZB in Zusammenarbeit mit den NZBen die meldenden Institute, die Korrektheit der identifizierten Transaktionen zu verifizieren.

Schaubild A

€STR-Ermittlungs- und Veröffentlichungsprozess

Quelle: EZB.

Kasten 8
Neue mittelfristige Strategie für die Statistik zur Finanzierungsrechnung

Der ESZB-Ausschuss für Statistik schloss 2019 die Entwicklung einer neuen mittelfristigen Strategie für die vierteljährliche Finanzierungsrechnung ab. Diese Initiative hatte einerseits zum Ziel festzulegen, wie die Finanzierungsrechnung unter Berücksichtigung neuer Analyseerfordernisse und laufender Verbesserungen der statistischen Ressourcen (z. B. Verfügbarkeit von Daten mit höherer Granularität) weiterentwickelt werden kann; andererseits zielte sie darauf ab, Wege zur Bewältigung der Herausforderungen, die die Globalisierung und wachsende wechselseitige Abhängigkeiten mit sich bringen, aufzuzeigen. Im Zuge der Erarbeitung der mittelfristigen Strategie wurden in enger Zusammenarbeit mit Datennutzern und Experten aus unterschiedlichen statistischen Bereichen (z. B. Erstellern von Zahlungsbilanzstatistiken oder MFI-Bilanzstatistiken) Fragen des Analysebedarfs, der Datenquellen und der Erhebungsmöglichkeiten einer eingehenden Untersuchung unterzogen.

In der Strategie werden nunmehr fünf Ziele genannt, auf die in den kommenden Jahren hingearbeitet werden soll. Erstens soll den durch die Globalisierung hervorgerufenen Herausforderungen für die Finanzierungsrechnung, die mit der Intensivierung internationaler wechselseitiger Abhängigkeiten und der wirtschaftlichen Integration in Zusammenhang stehen, begegnet werden, indem die Finanzierungsrechnung besser mit den Statistiken zur Zahlungsbilanz und zum Auslandsvermögensstatus abgestimmt, die Granularität der Daten über grenzüberschreitende Tätigkeiten erhöht und ein besonderer statistischer Schwerpunkt auf multinationale Unternehmen gelegt wird. Zweitens wird mit einer detaillierteren sektoralen Aufschlüsselung und einer höheren Granularität der Daten zu Finanzinstrumenten der Notwendigkeit, die Finanzintermediation durch Nichtbanken genauer zu beleuchten, Rechnung getragen werden. Drittens wird die Schuldner-Gläubiger-Darstellung in der Finanzierungsrechnung durch eine detailliertere sektorale bzw. geografische Aufschlüsselung verbessert, um dem gestiegenen Analysebedarf im Zusammenhang mit Verflechtungen auf der Makroebene, insbesondere mit Investitions- und Finanzierungsinterdependenzen, Transmissionskanälen und Ansteckungsketten, gerecht zu werden. Viertens soll die statistische Analyse des Haushaltssektors insofern weiterentwickelt werden, als Verteilungsmessgrößen für das Vermögen und die Verschuldung von privaten Haushalten eingeführt werden und ein Analyseinstrument zur Ermittlung des indirekten Exposure von privaten Haushalten gegenüber Wertpapieren, Aktien und anderen Vermögenswerten via Fondsanlagen („Look-Through-Ansatz“) entwickelt wird. Fünftens zielt die Strategie darauf ab, die Nutzbarkeit von Finanzierungsrechnungsdaten zu steigern, z. B. im Hinblick auf die Aktualität und Verfügbarkeit von historischen Daten.

In den zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Arbeitsbereichen werden die Anforderungen im Zusammenhang mit der zweiten Phase der G-20-Initiative zur Schließung von Datenlücken[60] berücksichtigt und auch laufende Initiativen zur Unterstützung statistischer Bereiche genutzt. Die 2019 begonnene Entwicklungsphase ist grundsätzlich für die nächsten drei bis fünf Jahre geplant und wird auch eine Überprüfung bestehender statistischer Verordnungen und Leitlinien der EZB beinhalten, soweit dies für die Umsetzung des neuen statistischen Outputs zur Finanzierungsrechnung relevant ist. In einem von raschen Veränderungen gekennzeichneten Umfeld sollte die Strategie von Anfang an als dynamischer und flexibler Prozess gesehen werden.

Die Umsetzung der mittelfristigen Strategie für die Finanzierungsrechnung erfordert gemeinsame Bemühungen, um den verschiedenen Herausforderungen mit einer koordinierten Vorgehensweise und klaren Zielvorgaben begegnen zu können. Dabei werden die Chancen, die sich aus Änderungen bei der Datenverfügbarkeit und den statistischen Ressourcen ergeben, genutzt, um die Relevanz und Zweckmäßigkeit der Daten zur Finanzierungsrechnung zu erhalten.

8 Forschung bei der EZB

Die ökonomische Forschung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen und der Transmission geldpolitischer Interventionen. Auf diese Weise unterstützt sie die Verwirklichung strategischer Ziele. Angesichts des wirtschaftlichen Umfelds im Jahr 2019 standen die Inflationsdynamik, die Finanzen der privaten Haushalte und das Wechselspiel von Geldpolitik, Finanzstabilität und Realwirtschaft im Berichtsjahr weiterhin im Mittelpunkt des volkswirtschaftlichen Forschungsinteresses.

8.1 Forschungsnetzwerke

Bei der Koordinierung der Forschungsaktivitäten innerhalb des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der Kontaktpflege mit dem universitären Bereich spielen drei Forschungscluster und verschiedene Forschungsnetzwerke eine wichtige Rolle. Die drei ESZB-Forschungscluster zu Geldpolitik, Finanzstabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder organisierten auch 2019 wieder Workshops zu ihren jeweiligen Themenbereichen. Neu ist ein im Rahmen des Centre for Economic Policy Research eingerichtetes Netzwerk zur Forschung und Abstimmung im Bereich der Zentralbankkommunikation, dessen Ko-Vorsitz die EZB übernommen hat (siehe Kapitel 11 Abschnitt 2).

Wie greifen die geldpolitische und die makroprudenzielle Strategie ineinander?

Einen besonderen Forschungsschwerpunkt der EZB bilden makroprudenzielle Maßnahmen und ihr Wechselspiel mit der Geldpolitik. Dieser Bereich wurde 2019 von einer Arbeitsgruppe untersucht. Dabei wurden diverse Übertragungseffekte zwischen den beiden Politikfeldern beleuchtet, darunter die Auswirkungen der Geldpolitik auf die Finanzstabilität und der Einfluss der makroprudenziellen Politik auf die Realwirtschaft. Im Jahr 2020 wird der Fokus auf der optimalen Abstimmung makroprudenzieller und geldpolitischer Maßnahmen liegen.[61]

Was verraten Mikrodaten zur Preissetzung über die Inflationsdynamik?

Das PRISMA-Forschungsnetzwerk untersucht anhand von Mikrodaten das Preissetzungsverhalten auf Firmenebene und im Einzelhandel. Dabei wird das Verhältnis zwischen der Preissetzung einzelner Unternehmen und der aggregierten Inflationsdynamik untersucht. Insbesondere soll erforscht werden, ob das Preissetzungsverhalten von der niedrigen Inflation, dem geldpolitischen Kurs oder der Konjunktur beeinflusst wird.

Wie wirkt sich die Heterogenität der Privathaushalte auf die geldpolitische Transmission aus?

Das Household Finance and Consumption Network (HFCN) hat seine Arbeit an der dritten Welle der Haushaltsbefragung zu Finanzen und Konsum (HFCS) abgeschlossen; die Ergebnisse werden 2020 veröffentlicht. Im Rahmen des HFCN wird u. a. erforscht, welche Implikationen die Heterogenität der privaten Haushalte für die geldpolitische Transmission hat, zum Beispiel in Relation zur Einkommensverteilung. Die HFCS-Erhebung wird auch bereits als wesentlicher Input für Mikrosimulationsmodelle genutzt, mit denen die Auswirkungen von Stresstest-Szenarien auf die Privathaushalte quantifiziert werden.

Das Competitiveness Research Network (CompNet), ein Forschungsnetzwerk zur Untersuchung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der EU-Länder, schloss eine neue Datenerhebungswelle ab. Auf dieser Grundlage konnte der Erfassungsgrad und die grenzüberschreitende Vergleichbarkeit von Firmendaten zu Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden. Der diese Daten enthaltende CompNet-Datensatz wurde 2019 z. B. in Studien verwendet, die die Bedeutung von Handels-, Fiskal- und Arbeitsmarktpolitik für die Umverteilung von Kapital und Arbeitskräften beleuchten.

Im Berichtsjahr initiierte die EZB eine regelmäßige Online-Umfrage zur Erfassung von Daten zu den Verbrauchererwartungen im Euroraum. Die Erhebung, die in Kooperation mit den nationalen Zentralbanken durchgeführt wird, erstreckt sich auf die Erwartungen zu Inflation, Arbeitsmarkt, Konsum- und Sparverhalten sowie zu den Finanzen der Konsumenten. Auf Grundlage der abgefragten Daten kann die EZB künftig untersuchen, inwieweit die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher ihre wirtschaftlichen und finanziellen Entscheidungen beeinflussen.

8.2 Konferenzen und Veröffentlichungen

EZB organisierte wieder mehrere Konferenzen, darunter das Forum in Sintra zum Thema 20 Jahre WWU

Die EZB organisierte im Berichtsjahr wieder einige hochrangig besuchte Forschungsveranstaltungen. So wurden beim Zentralbankforum der EZB in Sintra 2019 die Erkenntnisse aus 20 Jahren Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) diskutiert. Schwerpunktthemen waren dabei die unterschiedlichen Fortschritte im Bereich der wirtschaftlichen Konvergenz und die Bedeutung der Fiskal- und Geldpolitik für die makroökonomische Stabilisierung (siehe Kasten 12 in Kapitel 12). Die vierte jährliche Forschungskonferenz der EZB präsentierte innovative Forschungsarbeiten zu säkularer Stagnation, zu Finanzmarktstrukturen und zur Relevanz von Big Data für die Volkswirtschaft. Bei anderen wichtigen Konferenzen ging es um Strukturreformen im Euroraum, Inflation, den Welthandel, Arbeitsmärkte, Fiskalpolitik und Governance in der WWU, des Weiteren um Erhebungen zu Verbrauchererwartungen, gleiche Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten für Männer und Frauen sowie geldpolitische und makroprudenzielle Strategien.

Forschungsergebnisse werden in unterschiedlichen Publikationsreihen der EZB veröffentlicht

Forscherinnen und Forscher der EZB veröffentlichten im Berichtsjahr 129 Beiträge im Rahmen der Working Paper Series der EZB. Darüber hinaus erschienen 2019 eine Reihe stärker politikorientierter bzw. methodologischer Studien in der Occasional Paper Series, der Statistics Paper Series und der Discussion Paper Series. Die Ergebnisse vieler Forschungsaktivitäten der EZB wurden auch in externen wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert. Auch einem breiteren Publikum wurden Forschungsergebnisse nahegebracht, zum Beispiel über zwölf im Research Bulletin der EZB erschienene Artikel. In Kasten 9 und 10 dieses Jahresberichts werden die 2019 erzielten Forschungsergebnisse aus zwei ausgewählten Bereichen präsentiert.

Kasten 9
Marktkonzentration, Marktmacht und Beschäftigungsdynamik im Euroraum

Die Frage, ob manche Unternehmen in den letzten Jahrzehnten zu viel Marktmacht entwickelt haben, ist Gegenstand eines breiten öffentlichen Diskurses. Im Fall der Vereinigten Staaten belegen Studien, dass die Konzentrationsrate gestiegen ist, was bedeutet, dass höhere Marktanteile auf eine geringere Anzahl von Firmen entfallen. Im Verhältnis dazu ist die Wettbewerbsintensität gesunken, weshalb Unternehmen die Preisaufschläge auf ihre Grenzkosten erhöhen konnten, während die Beschäftigungsentwicklung gelitten hat.

In einer kürzlich durchgeführten Studie der EZB[62] wurde untersucht, ob in den vier größten Volkswirtschaften des Euroraums (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien) ähnliche Entwicklungen zu beobachten sind. Es fanden sich keine Hinweise darauf, dass sich die unternehmerische Marktmacht dort seit den 1990er-Jahren erhöht hat. Während sich das Niveau der Preisaufschläge auf Kosten in den USA seit den 1990er-Jahren von knapp 15 % auf über 20 % erhöht hat, ist es im Euroraum ein wenig zurückgegangen (siehe Abbildung A). Dies ist vor allem auf Entwicklungen im verarbeitenden Gewerbe zurückzuführen, die wiederum möglicherweise den Auswirkungen der vertieften Handels- und Währungsintegration im Euroraum geschuldet sind. Außerdem sind im klaren Gegensatz zu den Entwicklungen in den USA die Konzentrationsraten im Euroraum in den letzten Jahren weitgehend stabil geblieben, und zwar sowohl in aggregierter als auch in einzelstaatlicher Betrachtung.

Abbildung A

Entwicklung der Preisaufschläge im Euroraum und in den USA

(Preisaufschlag auf Produktionskosten)

Quelle: Cavalleri et al. (2019).
Anmerkung: Ein Preisaufschlag von 15 % entspricht einem Bruttoaufschlag von 1,15 wie in der Abbildung dargestellt.

Während Marktmacht im Allgemeinen als wohlfahrtsmindernd gilt (da sie Unternehmen Preiserhöhungen und Produktionssenkungen ermöglicht), kann sie in innovativen Sektoren auch positive Effekte entfalten, da die Aussicht auf Marktmacht für Firmen einen großen Innovationsanreiz darstellt. Tatsächlich ergab die Studie, dass in Hightech-Sektoren hohe Konzentrationsraten mit einem schnelleren Wachstum der totalen Faktorproduktivität einhergehen.

Die Arbeitsmarktdynamik, die auf Basis der Schaffung bzw. des Abbaus von Arbeitsplätzen gemessen wird, hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten in den USA stark abgeschwächt, während sie im Euroraum stabil geblieben ist. Dennoch ist der Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten nach wie vor um einiges dynamischer als jener im Euroraum. Insgesamt gibt es in den großen Volkswirtschaften des Euroraums keine Anzeichen für größere Verschiebungen bei der Marktmacht oder der Beschäftigungsdynamik.

Kasten 10
EZB-Analyse: Gleiche Aufstiegschancen für Frauen und Männer?

Den geschlechtsspezifischen Unterschieden am Arbeitsmarkt wird in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit gewidmet. Ein rezentes Working Paper der EZB[63] widmet sich der Geschlechterdifferenz im Zentralbankwesen, einem stereotyperweise männerdominierten Bereich. Auf Grundlage vertraulicher anonymisierter Belegschaftsdaten für Personen in Expertenpositionen wird in der Studie der Aufstieg von Männern und Frauen in der EZB zwischen 2003 und 2017 analysiert. Die Analyse konzentriert sich dabei auf Expertinnen und Experten in vier unterschiedlichen Gehaltsschemas in vergleichbaren Geschäftsbereichen, die alle mit wirtschaftlicher Analyse befasst sind; dadurch ist eine homogene Auswahl in Bezug auf Humankapital und Berufserfahrung sichergestellt.[64]

Die Studie ergab, dass Frauen vor 2011 weniger häufig in ein besseres Gehaltsschema aufstiegen als Männer. Dieser Unterschied war ab 2011 kaum noch zu beobachten; damals ergriff die EZB eine Reihe von Maßnahmen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Unternehmen voranzutreiben, und bekannte sich in einer öffentlichen Erklärung zu mehr Diversität. Abbildung A zeigt die Entwicklung der Geschlechterdifferenz anhand der Wahrscheinlichkeit eines Aufstiegs in ein besseres Gehaltsschema in den zehn Jahren nach Eintritt in das F/G-Gehaltsschema (das Basisgehaltsschema für Expertinnen und Experten bei der EZB). Vor 2011 lag die Differenz zehn Jahre nach Eintritt bei 36 %, danach nur mehr bei 8 %.

Abbildung A

Diskrepanz bei den Aufstiegschancen für Frauen und Männer bei der EZB vor und nach 2011

(in %; Anzahl der Jahre seit Eintritt)

Quelle: Hospido, Laeven and Lamo (2019).
Anmerkung: Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Geschlechterdifferenz vor und nach 2011 anhand der durchschnittlichen jährlichen Wahrscheinlichkeit eines Aufstiegs in ein besseres Gehaltsschema in den zehn Jahren nach Eintritt in das F/G-Schema. Diese Diskrepanz bei den Aufstiegschancen entspricht der Differenz zwischen den durchschnittlichen jährlichen Beförderungsquoten von Männern und Frauen in Relation zur Wahrscheinlichkeit einer Beförderung von Männern.

Die Daten ab 2011 ermöglichen eine genauere Untersuchung des Karriereverlaufs. Diese zeigt, dass – nach erfolgter Bewerbung – Frauen de facto öfter befördert wurden als Männer. Auch in Bezug auf das weitere Fortkommen im Gehaltsschema schnitten diese Frauen besser ab, was nahelegt, dass die höhere Aufstiegswahrscheinlichkeit auf Leistung beruhte, nicht auf positiver Diskriminierung.

Allerdings bewarb sich von vornherein ein geringerer Prozentsatz an Frauen um höher gestellte Positionen. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass ein solches geschlechtsspezifisches Gefälle bei den Bewerbungen die Zurückhaltung von Frauen widerspiegelt, sich zu bewerben, wenn sie viel Konkurrenz erwarten. Zum Beispiel bewarben sich Frauen weniger oft um Stellen, die auch extern ausgeschrieben wurden, bzw. wenn sie mit vielen unmittelbaren Kolleginnen oder Kollegen in relativ hohen Gehaltsstufen konkurrierten. In Summe betrachtet legen diese Ergebnisse nahe, dass institutionelle Bemühungen um mehr Chancengleichheit auch Maßnahmen umfassen sollten, die Frauen ermutigen, Aufstiegsmöglichkeiten zu suchen bzw. sich um höhere Positionen zu bewerben. (Weitere Informationen zu den 2019 von der EZB gesetzten Diversitätsinitiativen finden sich in Kapitel 12 Abschnitt 1.)

9 Rechtliche Aktivitäten und Verpflichtungen

Dieses Kapitel setzt sich mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen EZB auseinander und befasst sich mit Stellungnahmen der EZB und Verstößen gegen die Pflicht zur Konsultation der EZB zu Gesetzesvorhaben in ihrem Zuständigkeitsbereich. Ferner wird auf die von der EZB durchgeführte Überwachung der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung und des Verbots des bevorrechtigten Zugangs eingegangen.

9.1 Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen EZB

EuGH annulliert Entscheidung der lettischen Anti-Korruptionsbehörde zur Amtsenthebung von Ilmārs Rimšēvičs als Präsident der Latvijas Banka

Am 26. Februar 2019 erklärte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Entscheidung der lettischen Anti-Korruptionsbehörde vom 19. Februar 2018, Ilmārs Rimšēvičs von seinen Aufgaben als Präsident der Latvijas Banka zu entbinden, für nichtig. Die jeweils von Ilmārs Rimšēvičs (C-202/18) und der EZB (C-238/18) eingebrachten Nichtigkeitsklagen waren die ersten Fälle, mit denen der EuGH auf Grundlage seiner Zuständigkeit gemäß Artikel 14.2 Absatz 2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB-Satzung) befasst wurde. Der EuGH urteilte erstens, dass ein Verbot der Ausübung der mit dem Amt des Präsidenten einer nationalen Zentralbank verbundenen Funktionen, selbst wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um ein vorläufiges Verbot handelt, einer Entlassung aus dem Amt gleichkommt und daher vom EuGH auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen ist. Zweitens hielt der EuGH fest, dass eine gemäß Artikel 14.2 Absatz 2 eingebrachte Klage dem EuGH die Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines nationalen Rechtsakts aufgrund des besonderen institutionellen Kontexts des ESZB überträgt. Drittens kam der EuGH zu dem Schluss, dass von lettischer Seite nicht nachgewiesen werden konnte, dass sich die Amtsenthebung von Ilmārs Rimšēvičs auf hinreichende Anhaltspunkte für eine schwere Verfehlung seinerseits gemäß Artikel 14.2 Absatz 2 der ESZB-Satzung stützt.

Schadensersatzklage gegen die EZB betreffend ihre Stellungnahme zur Umschuldung Griechenlands im Jahr 2012 vom Gericht abgewiesen

Am 23. Mai 2019 wies das Gericht der Europäischen Union (in der Folge das „Gericht“) die von einigen Anleihegläubigern gegen die EZB eingebrachte Schadensersatzklage ab (Rechtssache T-107/17). Der geforderte Schadensersatz bezog sich auf den Abschlag auf bestimmte griechische Schuldtitel im Rahmen einer teilweisen Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden im Jahr 2012. Die Kläger hatten vorgebracht, dass es die EZB in ihrer Stellungnahme vom 17. Februar 2012 (CON/2012/12) verabsäumt hatte, auf die Rechtswidrigkeit der von der Hellenischen Republik beabsichtigten Umschuldung hinzuweisen. Die Stellungnahme der EZB hatte sich dabei auf den griechischen Gesetzesentwurf bezogen, auf dessen Grundlage nachträglich Umschuldungsklauseln in griechische Staatsanleihen aufgenommen werden sollten. Das Gericht urteilte, dass die Umschuldung keinen Verstoß gegen das gemäß Artikel 17 der EU-Grundrechtecharta geschützte Recht auf Eigentum der Kläger darstellt. Auch alle anderen von den Klägern vorgebrachten Behauptungen der Rechtswidrigkeit wurden abgewiesen. Entsprechend folgerte das Gericht, dass die EZB keine Schadensersatzpflicht aufgrund des mangelnden Hinweises auf die behauptete Rechtswidrigkeit des griechischen Gesetzesentwurfs in ihrer Stellungnahme trifft. Das Urteil wurde vor dem EuGH angefochten.

Laut Urteil des Gerichts ist eine EZB-seitige Einstufung einer Bank als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend eine vorbereitende Handlung und somit vor den EU-Gerichten unanfechtbar

Am 6. Mai 2019 urteilte das Gericht in zwei unterschiedlichen Rechtssachen (T‑283/18 Bernis u. a. gegen EZB und T‑281/18 ABLV Bank gegen EZB), dass eine Einstufung als „ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend“, die im Rahmen der Abwicklung eines Kreditinstituts getroffen wird, eine vorbereitende Handlung darstellt, die keiner gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden kann. In den vorgenannten Fällen wurden Klagen von einem Kreditinstitut und seinen direkten und indirekten Anteilseignern eingebracht, und zwar gegen eine von der EZB vorgenommene Bewertung der ABLV Luxembourg als „ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend“ im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds. Das Gericht gab der EZB recht, dass eine solche Einstufung eine rein faktische Bewertung ohne Rechtswirksamkeit darstellt und somit auch nicht vor den EU-Gerichten angefochten werden kann.

EuGH bestätigt die ausschließliche Zuständigkeit der EZB für die Aufsicht über alle Kreditinstitute innerhalb des SSM

Am 8. Mai 2019 hielt der EuGH im Fall C‑450/17 P (Landeskreditbank Baden-Württemberg gegen EZB) am Urteil des Gerichts fest, das eine Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses der EZB abgewiesen hatte. In diesem Beschluss hatte die EZB die Landeskreditbank davon in Kenntnis gesetzt, dass sie aufgrund ihrer Größe der alleinigen Aufsicht durch die EZB unterliegt, und nicht der geteilten Aufsicht innerhalb des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank. Die Klage der Landeskreditbank auf Aufhebung des streitigen Beschlusses wurde vom Gericht abgewiesen. Auch der EuGH bestätigte, dass die EZB gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 die alleinige Zuständigkeit für die Aufsicht über alle Kreditinstitute hat. Die nationalen zuständigen Behörden unterstützen die EZB bei der Erfüllung der ihr durch Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 übertragenen Aufgaben, indem sie einige dieser Aufgaben in Bezug auf weniger bedeutende Kreditinstitute gemäß Artikel 6 Absatz 4 Unterabsatz 1 dieser Verordnung dezentral umsetzen.

Teilannullierung durch EuGH: Das Gericht hatte Bankaktionären Befugnis erteilt, gegen Entzug einer Bankkonzession durch die EZB zu klagen

Am 5. November 2019 hob der EuGH ein Urteil des Gerichts teilweise auf. Dieses hatte Aktionären eines Kreditinstituts die Befugnis erteilt, einen Beschluss der EZB über den Entzug der Zulassung dieses Kreditinstituts vor einem EU-Gericht anzufechten (verbundene Rechtssachen C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, Trasta Komercbanka u. a. gegen EZB). Nachdem die EZB Berufung eingelegt hatte, musste der EuGH erstmals ein Urteil über die Zulässigkeit einer von Bankaktionären eingebrachten Klage zur Aufhebung eines sich auf die relevante Bank beziehenden Aufsichtsbeschlusses der EZB sprechen. Der EuGH hielt fest, dass der streitige Beschluss die Aktionäre im Sinne von Artikel 263 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht unmittelbar betrifft, und wies die in ihrem Namen eingebrachte Klage entsprechend als unzulässig zurück. Ferner urteilte der EuGH, dass die für Trasta Komercbanka von der rechtlichen Vertretung ihres ehemaligen Managements eingebrachte Klage als zulässig zu erachten ist, um die Beachtung des in Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten.

9.2 Stellungnahmen der EZB und Verstöße gegen die Konsultationspflicht

Die EZB ist gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des AEUV zu allen in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Vorschlägen für Rechtsakte der EU und Entwürfen für Gesetzesvorhaben auf nationaler Ebene zu hören. Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind auf der EZB-Website abrufbar. Sofern sie Vorschläge für Rechtsakte der EU betreffen, werden die Stellungnahmen der EZB auch im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Im Jahr 2019 verabschiedete die EZB sechs Stellungnahmen zu Vorschlägen für Rechtsakte der Union sowie 40 Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben auf nationaler Ebene, die in ihren Zuständigkeitsbereich fielen.

Eindeutige und erhebliche Verstöße gegen die Verpflichtung zur Konsultation der EZB

Im Berichtsjahr wurden acht Fälle verzeichnet, in denen gegen die rechtliche Verpflichtung zur Anhörung der EZB zu nationalen Gesetzesvorhaben verstoßen wurde. Dabei wurden sieben Fälle als eindeutig und erheblich eingestuft.[65] Die folgenden Behörden verabsäumten es, die EZB zu konsultieren: a) die bulgarischen Behörden zu einer Änderung des Gesetzes über Kreditinstitute im Hinblick auf die Aufsichtsbefugnisse der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) und ihre Befugnisse zur Verhängung von Verwaltungssanktionen; b) die italienischen Behörden zu einem Gesetzesdekret zu dringenden fiskalischen Angelegenheiten und anderen dringenden Erfordernissen; c) die litauischen Behörden zu einem Gesetz zur Regelung der Körperschaftssteuer für Finanzmarktteilnehmer; d) die portugiesischen Behörden zu einem Gesetz zur Änderung des Bankgeheimnisses im Kontext parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und zur Regelung der Offenlegung der Verwendung öffentlicher Gelder für Kreditinstitute sowie zu einem Gesetz zur Reform und Ausweitung des staatlichen Organisations- und Informationssystems (SOIS); e) die rumänischen Behörden zu einem Gesetz zur Änderung der Satzung der Banca Naţională a României in Bezug auf die Verwahrung der von der rumänischen Notenbank verwalteten Goldreserven; und f) die schwedischen Behörden zu einem Gesetz zur Verpflichtung bestimmter Kreditinstitute und Zweigstellen zur Erbringung von Bargelddienstleistungen. In Bezug auf Vorschläge für Rechtsakte der Union wurden keine Verstöße gegen die Konsultationspflicht geortet.

Stellungnahmen der EZB zu Vorschlägen für EU-Rechtsakte und zu nationalen Gesetzesvorhaben

Die EZB äußerte sich offiziell zu Gesetzesvorschlägen auf EU-Ebene, so zum Beispiel zum Steuerungsrahmen für das Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum, zum Abschluss des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union und zur Bestellung einer neuen EZB-Präsidentin sowie neuer Mitglieder des EZB-Direktoriums.

Überdies verabschiedete die EZB Stellungnahmen zu nationalen Gesetzesvorhaben betreffend die nationalen Zentralbanken (NZBen). So äußerte sie sich zu Reformen der Governance-Strukturen bei der Nationale Bank van België/Banque Nationale de Belgique, der Central Bank of Cyprus, der Banca d’Italia, der Latvijas Banka und der Banco de Portugal; zur Teilnahme der Българска народна банка (der Bulgarischen Nationalbank) am Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM); zur finanziellen Unabhängigkeit der Central Bank of Cyprus; zu Lobbying-Bestimmungen für die Česká národní banka; zum Eigentum an den Goldreserven Italiens; zur Rolle der Banque centrale du Luxembourg beim Schutz des Euro vor Geldfälschung und bei der Echtheitsprüfung von Euro-Münzen; zur Überwachung von Zahlungsdienstleistungen durch die Bank Ċentrali ta’ Malta/Central Bank of Malta; zu Auflagen im Bereich der Informationsfreiheit für De Nederlandsche Bank; zur Vergütung der Mitglieder des Direktoriums und der oberen Führungsebene der Narodowy Bank Polski; zu Revisionsvorschriften bei der Banco de Portugal; zur Haftung der Banka Slovenije für außerordentliche Maßnahmen in Bezug auf Abschreibungen von Bankverbindlichkeiten; und zur Übertragung neuer Aufgaben an NZBen hinsichtlich der Beaufsichtigung von Mikrokreditgebern (Bank of Greece), Kreditauskunfteien (Bank Ċentrali ta’ Malta/Central Bank of Malta) und zur Einhaltung von Vorgaben zur Restrukturierung von Krediten in Schweizer Franken durch Kreditinstitute (Banka Slovenije).

Auch im Bereich der Banken- und Finanzmarktaufsicht gab die EZB Stellungnahmen zu nationalen Gesetzesvorhaben ab, so zum Erlass nationaler Rechtsvorschriften zur Entwicklung einer engen Zusammenarbeit zwischen der EZB und der Hrvatska narodna banka im Rahmen des SSM; zur Reform der Banken- und Finanzmarktaufsicht in Österreich, Lettland und Portugal; zu Reformen des institutionellen Rahmens für die makroprudenzielle Aufsicht in Portugal und Spanien; zur Reform der Aufsicht über Käufer bzw. Verkäufer von Kreditfazilitäten (einschließlich notleidender Kredite) in Zypern, über Anbieter von Mikrokrediten in Griechenland und über Kreditauskunfteien in Malta; und zum Informationsaustausch zwischen der EZB und den dänischen Behörden zur Verhinderung von Geldwäsche.

Die EZB bezog im Berichtsjahr außerdem Stellung zu nationalen Gesetzesvorhaben betreffend Zahlungsmittel, wie etwa zu Bargeldbeschränkungen in Griechenland, Spanien und den Niederlanden; zur Abschaffung der 500‑€-Banknote in Dänemark; und zur Erbringung von Bargelddienstleistungen in Schweden.

Auch im Bereich der Banken- und Finanzmarktregulierung gab die EZB Stellungnahmen zu nationalen Gesetzesvorhaben ab, darunter zum Rechtsrahmen für gedeckte Schuldverschreibungen in Estland; zu einem Bürgschaftssystem für Verbriefungen von durch griechische Kreditinstitute gewährten notleidenden Krediten; zum Schutz von Hauptwohnsitzen in Griechenland und Irland; zu Beschränkungen der Übertragung von durch Wohnimmobilien besicherten Krediten in Irland und Polen; zu von Banken bzw. bestimmten Kreditinstituten in Litauen, Rumänien und der Slowakei eingehobenen Steuern bzw. Sonderabgaben; zu zusätzlichen makroprudenziellen Instrumenten für Wohnungsbaukredite in Luxemburg; zu den von Finanzunternehmen bei der Festlegung ihrer Vergütungspolitik einzuhaltenden Vorschriften in den Niederlanden; zum Zinsreferenzwert für Verbraucherkreditvereinbarungen in Rumänien; und zur Restrukturierung von Krediten in Schweizer Franken in Slowenien. Nicht zuletzt nahm die EZB auch Stellung zu den Auswirkungen nationaler Gesetzesvorhaben im Bereich Cybersicherheit auf Marktinfrastrukturen und Kreditinstitute in Zypern und Spanien.

9.3 Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten Zugangs

Gemäß Artikel 271 Buchstabe d des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die EZB mit der Aufgabe betraut, die Einhaltung der in Artikel 123 und 124 des AEUV sowie in den Verordnungen (EG) Nr. 3603/93 und 3604/93 des Rates festgelegten Verbote durch die nationalen Zentralbanken (NZBen) der EU-Mitgliedstaaten zu überwachen. Nach Artikel 123 ist es der EZB und den NZBen untersagt, Regierungsstellen sowie Organen bzw. Einrichtungen der EU Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten einzuräumen oder von solchen Institutionen begebene Schuldtitel am Primärmarkt zu erwerben. Gemäß Artikel 124 sind Maßnahmen, die nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und die Regierungsstellen sowie Organen bzw. Einrichtungen der EU einen bevorrechtigten Zugang zu Finanzinstituten verschaffen, verboten. Über die Einhaltung dieser Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten wacht neben dem EZB-Rat auch die Europäische Kommission.

Die EZB überwacht ferner die durch die Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten am Sekundärmarkt getätigten Käufe von Schuldtiteln der öffentlichen Hand – also Käufe inländischer Staatspapiere sowie Käufe von Schuldtiteln, die von anderen Mitgliedstaaten oder von Organen bzw. Einrichtungen der EU begeben wurden. Laut den Erwägungsgründen der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates darf der Erwerb von Schuldtiteln der öffentlichen Hand am Sekundärmarkt nicht zur Umgehung der Zielsetzung von Artikel 123 des AEUV genutzt werden. Solche Käufe dürfen also nicht zu einer indirekten monetären Finanzierung des öffentlichen Sektors führen.

Verbote gemäß Artikel 123 und 124 des AEUV grundsätzlich eingehalten

Die für 2019 von der EZB durchgeführten Prüfungen bestätigen, dass die Bestimmungen von Artikel 123 und 124 des AEUV im Allgemeinen eingehalten wurden.

Festzustellen war auch, dass die meisten NZBen im Berichtsjahr die geltenden Obergrenzen für die Verzinsung von Einlagen der öffentlichen Hand in vollem Umfang einhielten. Allerdings müssen einzelne NZBen sicherstellen, dass die Verzinsung von Einlagen der öffentlichen Hand nicht über der Obergrenze liegt.

Schon seit 2014 hatte die EZB in ihren Jahresberichten Bedenken im Hinblick auf einige von der ungarischen Zentralbank (Magyar Nemzeti Bank – MNB) 2014 und 2015 initiierte Programme geäußert, die sie seither laufend überwacht. Um den Vorbehalten der EZB im Hinblick auf die Rolle der MNB im Rahmen des Pallas Athena Public Thinking Programme entgegenzuwirken, ergriff die MNB 2019 weitere diesbezügliche Maßnahmen. Der Fall sollte allerdings keinen Präzedenzfall darstellen. Die EZB wird weiterhin die Beteiligung der MNB an der Budapester Börse überwachen, da die im November 2015 begründete Mehrheitsbeteiligung der MNB an der Budapester Börse nach wie vor Anlass zu Bedenken hinsichtlich der monetären Finanzierung geben könnte.

Die irische Zentralbank konnte 2019 den Bestand an Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Irish Bank Resolution Corporation (IBRC) durch Veräußerung langfristiger, variabel verzinster Anleihen reduzieren und so dem erforderlichen vollständigen Abbau dieser Vermögenswerte einen großen Schritt näherkommen. Weitere Veräußerungen dieser Vermögenswerte auf Grundlage eines angemessenen Zeitplans würden die nach wie vor schwerwiegenden Bedenken hinsichtlich der monetären Staatsfinanzierung weiter ausräumen.

10 Die EZB im europäischen und internationalen Kontext

Die EZB pflegte 2019 weiterhin den engen Dialog mit diversen europäischen Institutionen, so auch mit dem Europäischen Parlament, dem gegenüber sie ihre Entscheidungen vorrangig verantworten muss. In internationalen Foren leistete die EZB verschiedenste Beiträge. So nahm sie aktiv an den Diskussionen der G 20 über die Weltwirtschaftsaussichten teil und brachte beim Internationalen Währungsfonds im Diskurs über das internationale Währungs- und Finanzsystem eine europäische Perspektive ein. Darüber hinaus beteiligte sie sich an den Überprüfungen des Überwachungs- und Kreditvergaberegelwerks des IWF. Auch Kooperation mit und Unterstützung für Zentralbanken außerhalb der EU sind weiterhin Teil der internationalen Aktivitäten der EZB.

10.1 Die Rechenschaftspflicht der EZB gegenüber der Öffentlichkeit

Rechenschaftspflicht als essenzielles Gegengewicht zu Unabhängigkeit

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gibt der EZB das klare Mandat, im Euroraum Preisstabilität zu gewährleisten; beim Einsatz der zu diesem Zweck notwendigen Instrumente agiert sie unabhängig. Das Mandat und die Unabhängigkeit der EZB wurden im Zuge eines demokratischen Prozesses im AEUV festgeschrieben. Diese Unabhängigkeit stellt sicher, dass die EZB ihre Aufgaben frei von politischer Einflussnahme und nicht auf Grundlage kurzfristiger Überlegungen, die ihrem Mandat entgegenstehen könnten, erfüllen kann. Notwendigerweise muss solcher Unabhängigkeit auch ein hohes Maß an Rechenschaftspflicht gegenüberstehen: Um die Legitimität ihrer Entscheidungen sicherzustellen, ist die EZB verpflichtet, sich gegenüber der Bevölkerung in Europa und ihren gewählten Vertretern zu erklären. Darüber hinaus unterliegen die Entscheidungen der EZB auch der Überprüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union. Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht stellen also jeweils sicher, dass die EZB im Einklang mit ihrem Mandat handeln kann und dies auch tut. Angesichts des gesteigerten Interesses an Zentralbankunabhängigkeit hielten die Mitglieder des EZB-Direktoriums 2019 einige Reden zum Wechselspiel zwischen Unabhängigkeit und Rechenschaftspflicht.[66]

EZB erfüllt Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament auf unterschiedliche Weise

Das Europäische Parlament spielt eine zentrale Rolle für die Rechenschaftspflicht der EZB. Vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) fanden im Berichtsjahr drei der regelmäßigen Anhörungen der EZB-Spitze statt, unter anderem auch die erste Anhörung mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde (siehe Schaubild 3).[67] Im Januar 2019 nahm Präsident Mario Draghi auch an der Plenardebatte des Parlaments zum EZB-Jahresbericht 2017 teil, auf deren Grundlage das Europäische Parlament eine Entschließung verabschiedete. Die EZB wiederum veröffentlichte ihr Feedback zu dieser Entschließung. Im Berichtsjahr gingen 28 schriftliche Anfragen von Abgeordneten des Europäischen Parlaments bei der EZB ein; die Antworten wurden auf der EZB-Website veröffentlicht und boten der EZB die Gelegenheit, ihren Standpunkt zu vielfältigen Themen klarer darzulegen. Hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Rahmen der Bankenaufsicht ist die EZB gegenüber dem Europäischen Parlament und dem EU-Rat rechenschaftspflichtig.[68] Im Bereich von Prüfungen der Aufsichtsaufgaben der EZB haben der Europäische Rechnungshof und die EZB darüber hinaus im Rahmen eines Memorandum of Understanding praktische Regelungen zum Informationsaustausch zwischen den beiden Institutionen vereinbart.

Schaubild 3

Anzahl der 2019 bei den regelmäßigen ECON-Anhörungen an die EZB gerichteten Fragen nach Thema

Quelle: EZB-Berechnungen.

Zustimmung zum Euro 2019 so hoch wie nie zuvor

Zwanzig Jahre nach der Einführung des Euro ist dieser beliebter als je zuvor: So äußerten sich 75 % der befragten Bürgerinnen und Bürger des Euroraums positiv über die Gemeinschaftswährung. Dies ergaben die 2019 durchgeführten Eurobarometer-Umfragen. Dieser Trend ist ermutigend, und die EZB wird ihren Dialog mit den Menschen in Europa und ihren gewählten Vertreterinnen und Vertretern weiter ausbauen.

10.2 Internationale Beziehungen

G 20

Die Beratungen der G 20 konzentrierten sich 2019 unter japanischer Präsidentschaft auf die Aussichten für die Weltwirtschaft und die politischen Maßnahmen, mit denen angesichts von geopolitischen Unsicherheiten, Handelskonflikten und geringerem Spielraum für makroökonomische Maßnahmen ein synchron verlaufender Abschwung bewältigt werden kann. Bei jedem G‑20-Treffen wurden die angespannten Handelsbeziehungen erörtert, allerdings wurden in dieser Hinsicht nur begrenzte Fortschritte erzielt. In ihrer Sorge hinsichtlich der Risiken für die Weltwirtschaft waren sich die Staats- und Regierungschefs einig; bei einer Reihe anderer Themen gab es jedoch Differenzen, zum Beispiel in Bezug auf die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen gegen den Klimawandel. Im Interesse einer Verbesserung der mittelfristigen Wirtschaftsaussichten setzten die G‑20-Staaten ihre Bemühungen zur Förderung eines starken, nachhaltigen, inklusiven und ausgewogenen Wachstums fort. Neben Fortschritten bei der Reform der Finanzmarktregulierung ortete die G‑20-Gruppe aber auch weitere Herausforderungen, einschließlich der Risiken aus der verstärkten Finanzintermediation durch Nichtbanken. In der internationalen Zusammenarbeit zu Besteuerungsfragen trugen die G 20 zu beachtlichen Fortschritten bei; Ziel ist, bis Ende 2020 ein Abkommen abzuschließen.

Die G 20 setzten sich auch eingehend mit dem Bericht der G 20 Eminent Persons Group on Global Financial Governance (EPG) auseinander (Making the Global Financial System Work for All), der sich 2019 vor allem mit Entwicklungsthemen befasste. Die Arbeit wird unter der aktuellen G‑20-Präsidentschaft fortgesetzt. Von den Vorschlägen der EPG-Gruppe sind jene zur Verbesserung der Resilienz des globalen Finanzsystems für die EZB von vorrangigem Interesse.

IWF und internationale Finanzarchitektur

Auch im Berichtsjahr gestaltete die EZB den im Internationalen Währungsfonds (IWF) und anderen Foren geführten Diskurs zum internationalen Währungs- und Finanzsystem aktiv mit, indem sie bei gemeinsamen europäischen Positionierungen die Zentralbankperspektive einbrachte. Ein Thema, das 2019 besonders diskutiert wurde, war die Ressourcenausstattung des IWF. Die EZB unterstützt eine angemessene Mittelausstattung des IWF und betrachtet diese als Schlüsselkomponente des globalen Finanzsicherheitsnetzes. Die IWF-Mitgliedstaaten billigten im Oktober 2019 ein Maßnahmenpaket zur IWF-Ressourcen- und Governance-Reform und bekundeten somit ihre Unterstützung für die Beibehaltung der aktuellen Mittelausstattung auf Basis einer Verdopplung der Neuen Kreditvereinbarungen und einer weiteren befristeten Verlängerung bilateral getroffener Kreditvereinbarungen über das Jahr 2020 hinaus. Das Maßnahmenpaket muss im Lauf des Jahres 2020 umgesetzt werden, um eine Kürzung der Ressourcen des IWF zu verhindern. Das Exekutivdirektorium unterbreitete dem Gouverneursrat des IWF im Berichtsjahr den Vorschlag, die 15. allgemeine Quotenüberprüfung ohne Quotenanhebung abzuschließen. Der entsprechende Beschluss wurde im Februar 2020 verabschiedet. Im Rahmen der 16. allgemeinen Quotenüberprüfung, die bis Mitte Dezember 2023 laufen wird, sollen die Angemessenheit der Quoten erneut überprüft und die IWF-Governance-Strukturen weiter reformiert werden.

Der IWF setzte eine Reihe wichtiger Überprüfungen im Bereich seiner Überwachungs- und Kreditvergaberegeln fort. So wurde erstens die jüngste Überprüfung von Auflagen und Ausgestaltung der IWF-finanzierten Kreditprogramme abgeschlossen. In diesem Zusammenhang leistete ein Bericht des ESZB-Ausschusses für internationale Beziehungen einen Beitrag zur Konkretisierung der europäischen Position. Auf Grundlage der Überprüfung wurde empfohlen, dass die Auflagen realistischer, abgestuft und kostensparender ausgestaltet werden sollten. Nicht nur eine strengere Schuldentragfähigkeitsanalyse sei erforderlich, sondern auch mehr nationale Eigenverantwortung und die Berücksichtigung länderspezifischer Umstände. Zweitens gab es Fortschritte bei der Überprüfung des Regelwerks zur Beurteilung der Schuldentragfähigkeit von Ländern mit Marktzugang, also Ländern, die breiten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten haben. Drittens initiierte der IWF seine fünfjährliche eingehende Überprüfung der Überwachungstätigkeit sowie die Überprüfung des Programms zur Bewertung des Finanzsektors (FSAP).

Internationale Zentralbankkooperation

Die EZB setzte die internationale Kooperation mit Zentralbanken außerhalb der EU fort. Dies spiegelt nicht zuletzt das weltweite Interesse an den Positionen, Analysemodellen und Arbeitsprozessen der EZB wider. So wurden auf Belegschaftsebene Diskussionen zu den Kernaufgaben der EZB sowie zu technischen und Governance-Themen geführt, zum Teil unter Beteiligung politischer Entscheidungsträger. Die Beziehungen zu wichtigen Zentralbanken in Afrika, Asien und Lateinamerika wurden auf der Basis bestehender bilateraler Memoranda of Understanding (MoUs) vertieft, und auch die Kooperation mit regionalen Organisationen und dem IWF wurde auf Grundlage der bereits vorhandenen Vereinbarungen fortgesetzt. Im November fand in Kolumbien ein hochrangig besetztes Treffen zwischen dem Eurosystem und lateinamerikanischen Zentralbanken statt.

Als EU-Institution führte die EZB auch im Berichtsjahr gezielte Gespräche mit Zentralbanken in Ländern des Westbalkans mit EU-Beitrittsperspektive und trug so zum EU-Erweiterungsprozess bei. Diese Gespräche wurden in möglichst enger Zusammenarbeit mit den nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten organisiert. Die wichtigste Plattform ist dabei eine regionale Workshop-Reihe. Darüber hinaus wurde im März 2019 ein EU-finanziertes Programm zur Unterstützung dieser Zentralbanken ins Leben gerufen. Mit diesem Programm sollen die Kapazitäten der Zentralbanken der Westbalkanländer gestärkt werden, um ihnen die spätere Integration ins ESZB zu erleichtern.

Kasten 11
Welche Folgen hat der Brexit?

Die EZB war zwar nicht in die Brexit-Verhandlungen involviert, hat jedoch die diesbezüglichen Entwicklungen genau beobachtet und die aus verschiedensten Szenarien erwachsenden Risiken für die Wirtschaft und das Finanzsystem des Euroraums bewertet. Darüber hinaus unternahm die EZB die entsprechenden Schritte, um rechtzeitig vor dem ursprünglich vorgesehenen Abschlussdatum des Artikel‑50-Verfahrens (29. März 2019) bzw. rechtzeitig zum Ablauf der mehrfachen Fristverlängerungen (12. April 2019, 31. Oktober 2019 und 31. Januar 2020) sicherzustellen, dass sie operativ auf den Brexit vorbereitet ist. Seit dem geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union am 31. Januar 2020 verfolgt die EZB aufmerksam die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Großes Augenmerk gilt auch der Bewertung der aus dem Brexit resultierenden Folgen für den EU-Finanzsektor, vor allem im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Kapitalmarktunion zu vollenden.

Die Analysen der im Mai bzw. November 2019 veröffentlichten Ausgaben des Financial Stability Review der EZB widmeten sich den Risiken eines potenziellen No-Deal-Brexit und der Frage, inwieweit der Privatsektor auf ein solches Ereignis vorbereitet wäre.

Im Bereich der Bankenaufsicht kommunizierten die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden erneut ihre Erwartungen zu Brexit-bezogenen Themen, evaluierten den operativen Vorbereitungsstand der Banken auf ein No-Deal-Szenario, schlossen die meisten Brexit-bezogenen Genehmigungsverfahren ab und verfolgten die Umsetzung der Brexit-Pläne durch die Banken (siehe EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019).

Im März 2019 beschloss die Bank of England, britischen Geldhäusern auf Grundlage ihrer unbefristeten Swap-Vereinbarung mit der EZB wöchentlich Euro-Liquidität anzubieten. Im Gegenzug erklärte das Eurosystem in einer diesbezüglichen Pressemitteilung seine Bereitschaft, die Banken im Euroraum bei Bedarf mit Pfund Sterling zu versorgen. Bislang hat die EZB dieses Instrument aber nicht einsetzen müssen. Bei seiner Anhörung vor dem Europäischen Parlament im September 2019 betonte der damalige EZB-Präsident Mario Draghi, dass die EZB und die Bank of England bei der Vorbereitung auf alle Eventualitäten – gegebenenfalls auch auf einen ungeordneten Brexit – im ständigen Austausch stünden.

Zu Redaktionsschluss hatten beide Parteien das Austrittsabkommen ratifiziert, wodurch eine Übergangsphase eingeleitet wurde.

11 Bessere Kommunikation

„Die EZB muss den Menschen zuhören, um sie zu verstehen. Schließlich ist eine Währung ein öffentliches Gut, das allen gehört.” – Christine Lagarde, Präsidentin

Kommunikation ist ein zentrales Element des politischen Instrumentariums der EZB. Die Versorgung von Expertinnen und Experten an den Finanzmärkten mit Informationen über die aktuelle und erwartete künftige geldpolitische Ausrichtung der EZB hat die Wirksamkeit der geldpolitischen Maßnahmen verstärkt. Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass diese Kommunikation sehr gut funktioniert. Als nächste Herausforderung für Zentralbanken im Allgemeinen gilt es, verstärkt den Dialog mit der breiten Öffentlichkeit zu suchen, damit ein besseres Verständnis für ihre Aufgaben und Entscheidungen entwickelt werden kann. Dies ist auch unerlässlich, um das Vertrauen der Bevölkerung in die EZB wieder zu stärken, vor allem jetzt, da sich die EZB erhöhter öffentlicher Aufmerksamkeit und kontroversieller Debatten hinsichtlich ihrer geldpolitischen Entscheidungen gegenübersieht.

Der Wechsel an der Spitze der EZB im Berichtsjahr brachte neue Impulse für die Kommunikation der Bank mit Zielgruppen jenseits der Finanzmärkte und des üblichen Fachpublikums. Die EZB investierte in die weitere Verbesserung ihrer Kommunikation, um den Menschen ihre Inhalte besser erklären zu können und ihnen darzulegen, warum die Maßnahmen einer Zentralbank für den Alltag der Bevölkerung wichtig sind. Auch wurden die Bemühungen intensiviert, Gesellschaftsgruppen außerhalb der traditionellen Kernzielgruppen der EZB anzusprechen, z. B. Jugendliche oder zivilgesellschaftliche Organisationen, und dabei besser auf die Sorgen der Menschen einzugehen. Eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Themen, die die Menschen besonders bewegen, wie z. B. Ungleichheit, digitale Währungen oder Klimawandel, eröffnet für die EZB wichtige Chancen und Perspektiven auch im Hinblick darauf, welchen Beitrag sie im Rahmen ihres Mandats hier leisten kann. Nicht zuletzt wird Kommunikation auch bei der Überprüfung der geldpolitischen Strategie der EZB ein Schlüsselthema sein.

11.1 Innovative Kommunikationskanäle

Um breitere und jüngere Zielgruppen anzusprechen, nutzt die EZB innovative Kommunikationskanäle.

So wurde im Rahmen der Initiativen rund um das 20-jährige Jubiläum des Euro in Kooperation mit den Entwicklern der beliebten App QuizClash Anfang 2019 eine neue Kampagne gestartet: das #EUROat20-Quizduell. Ziel dieses Wettbewerbs war es, vor allem unter Jugendlichen ein stärkeres Bewusstsein und besseres Verständnis für die Aufgaben der EZB zu fördern. Mehr als 1,6 Millionen Menschen in der gesamten Europäischen Union beteiligten sich am Quizduell und setzten sich so spielerisch mit Themen rund um den Euro und die EZB auseinander.

Das #EUROat20-Quizduell in der QuizClash-App

Einfache, verständliche Botschaften: Was hat die Arbeit der EZB mit mir zu tun?

In Bezug auf ihre Reichweite war die Kampagne ein voller Erfolg, allerdings zeigte sie auch, dass gewisse Wissenslücken und falsche Vorstellungen über den institutionellen Aufbau und den Auftrag der EZB bestehen. Die EZB muss jetzt dafür sorgen, dass diese Wissenslücken geschlossen werden, und mit einfachen, verständlichen Botschaften dort anknüpfen, wo es Berührungspunkte zwischen ihrer Arbeit und den Themen gibt, die die Menschen bewegen. In diesem Sinn wurde im September 2019 mit „The ECB explains“ (Wissenswertes zur EZB) eine neue Videoreihe ins Leben gerufen: In einfacher, leicht verständlicher Sprache erklären EZB-Mitarbeiterinnen und ‑Mitarbeiter in jeweils einminütigen Videos bestimmte Themen, wie Krypto-Assets oder Rechenschaftspflicht, und legen dar, warum ihre Arbeit für die Menschen wichtig ist. Die Videos werden über den Instagram-Account der EZB veröffentlicht – ein Kanal, der bereits seit mehr als einem Jahr genutzt wird, um breitere Zielgruppen mit EZB-Themen anzusprechen.

Angesichts der rasch steigenden Beliebtheit von Podcasts startete die EZB im September 2019 zudem den monatlichen EZB-Podcast, um weitere Zielgruppen zu erreichen. In den Podcasts werden Kernthemen der EZB auf zugängliche Art ausführlich präsentiert.

Auch zu Themen und Trends abseits der Geldpolitik im engeren Sinn, die für die EZB und die Menschen im Euroraum wichtig sind, gab es im Berichtsjahr diverse Kommunikationsinitiativen vonseiten der EZB. So ging unter dem Titel Klimawandel und EZB ein neuer Bereich auf der EZB-Website online. Dieser enthält Informationen zu den von der EZB gesetzten Schritten im Kampf gegen den Klimawandel, z. B. zu internen Initiativen und einschlägigen Publikationen (siehe Kasten 3).

Die Strategie der EZB, verstärkt Nicht-Fachleute anzusprechen, beinhaltet auch die vermehrte Nutzung von Landessprachen, um eine direktere Verbindung zu den Bürgerinnen und Bürgern des Euroraums aufzubauen. Im Sinne einer ressourcenschonenden Vorgehensweise setzt die EZB dabei auf Machine-Learning-Technologien, um die Effizienz ihrer internen Übersetzungsprozesse punktuell steigern zu können.

Reichweite der EZB auf Twitter und LinkedIn mehr als verdoppelt: insgesamt mehr als 2,5 Millionen Follower dank Christine Lagardes persönlicher Accounts

Mit Christine Lagardes Amtsantritt als Präsidentin im November 2019 haben sich der digitale Fußabdruck und die Social-Media-Reichweite der EZB deutlich vergrößert. Auf Twitter und LinkedIn, wo die EZB bereits in den Jahren zuvor präsent gewesen war, konnte ihre institutionelle Reichweite dank Christine Lagardes persönlicher Accounts mehr als verdoppelt werden – auf in Summe mehr als 2,5 Millionen Follower. Weitere 5,8 Millionen Follower brachte die Präsenz der Präsidentin auf der chinesischen Plattform Weibo. Diese große Social-Media-Reichweite ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Dialog mit den Menschen.

11.2 Wirkungsvolle Kommunikation durch Zielgruppenanalyse

Maßgeschneiderte Kommunikationsmaßnahmen dank empirischer Analysen

Im Interesse effizienter Kommunikation, die die gewünschte Wirkung erzielt, muss die EZB ihre Zielgruppen genau kennen und einschätzen können, was diese bewegt und über welche Kommunikationskanäle man sie am besten erreicht. Darüber hinaus ist eine tiefergehende Analyse des gesamten Kommunikationsprozesses erforderlich: Was passiert in der Zentralbankkommunikation zwischen dem Senden und dem Empfangen von Inhalten? Welche Dynamik entsteht dabei und welche Feedbackmechanismen gibt es? Und welche Rolle spielen Schnittstellen wie Medien oder Finanzmärkte? Eingehende Analysen ermöglichen der EZB fundierte Einblicke in den Erfolg ihrer eigenen Kommunikationsmaßnahmen. Auf dieser Grundlage kann sie feststellen, ob ihre Botschaften tatsächlich ankommen, die Menschen in deren Wahrnehmung und Verhalten beeinflussen und in Summe mehr Vertrauen schaffen.

Im Berichtsjahr intensivierte die EZB ihre eigene Forschungs- und Analysetätigkeit in diesem Bereich und baute auch externe Forschungskooperationen aus.

EZB-Studie zeigt: Jüngere wissen wenig über die EZB und haben geringes Interesse an Wirtschaft und Finanzen

Um herauszufinden, wie ihre Kommunikation bei der Bevölkerung und insbesondere bei jüngeren Menschen ankommt, führte die EZB eine Fokusgruppenstudie unter 18- bis 35-Jährigen in sechs Ländern des Euroraums durch. Dabei wurde nicht nur untersucht, was diese Zielgruppe über die EZB weiß und welches Bild sie von ihr hat, sondern auch ermittelt, welche wirtschaftlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Themen für junge Menschen interessant sind und welche Kommunikationskanäle sie bevorzugen. Die Studie zeigte, dass die untersuchte Zielgruppe nur sehr oberflächlich über die EZB Bescheid weiß und begrenztes Interesse an Wirtschaft und Finanzen hat. Für Jüngere sind Themen wie Klimawandel und soziale Verantwortung von größerer Bedeutung. Darüber hinaus ergab die Studie, dass die meisten der Befragten bevorzugt über soziale Medien mit der EZB in Kontakt treten – Kanäle, die dieser Gruppe neben dem eigenen sozialen Umfeld („Mundpropaganda“) als Hauptinformationsquelle dienen.

Mehrstufige Präsentation von Schlüsselbotschaften aus EZB-Publikationen soll breiteres Interesse generieren

Im Zuge der Evaluierung ihrer Kommunikationsmaßnahmen testete und analysierte die EZB auch Möglichkeiten zur optimalen Platzierung von Informationen auf digitalen Plattformen. So lancierte die EZB bei ihren Publikationen ein Mehrstufenkonzept. Dabei wird die Veröffentlichung von Schlüsselberichten der EZB durch Landingpages auf der EZB-Website und Social-Media-Kampagnen ergänzt, wodurch die Forschungsergebnisse nunmehr leichter zugänglich und anschaulicher sind. Der Erfolg dieses Konzepts ist klar dokumentiert: Nicht nur die Anzahl der Zugriffe auf die Publikationen ist gestiegen, sondern auch die Verweildauer auf den entsprechenden Seiten (+50 %). Solche Erkenntnisse dienen als Grundlage für künftige überarbeitete Kommunikationskonzepte.

Neue Landingpage für den Financial Stability Review der EZB

Fruchtbarer Austausch zur Förderung interdisziplinärer Forschung zur Zentralbankkommunikation

Zur Ausweitung und Vertiefung ihrer Forschungstätigkeit im Bereich der Zentralbankkommunikation initiierte die EZB im Rahmen des Centre for Economic Policy Research die Gründung eines Netzwerks zur Forschung und Abstimmung im Bereich der Zentralbankkommunikation, dessen Ko-Vorsitz sie übernommen hat (siehe Kapitel 8 Abschnitt 1). Im Oktober 2019 veranstaltete die EZB in diesem Zusammenhang einen zweitägigen Workshop, bei dem Kommunikationsexpertinnen und ‑experten aus der EZB und anderen Zentralbanken sowie Fachleute aus dem Bereich Finanzmarktanalyse, Journalismus, Wissenschaft, Ökonomie, Psychologie und Soziologie zusammentrafen. Diskutiert wurden vor allem die Risiken und Möglichkeiten des Austausches mit der breiten Öffentlichkeit, die Grenzen der Transparenz im Zentralbankwesen sowie die sich wandelnde Rolle der Medien als Vermittler in der Zentralbankkommunikation. Als erste – und bislang einzige – Zentralbank stellt die EZB seit Oktober 2019 in diesem Kontext einen fertigen, leicht verwendbaren und regelmäßig aktualisierten Datensatz zur Verfügung, der alle Reden ihrer hochrangigen Entscheidungsträgerinnen und ‑träger enthält. Die EZB hofft, mit diesem Datensatz neue Forschungsarbeiten zu ihrer Kommunikation – z. B. auf Grundlage von Textanalysen – zu ermöglichen bzw. Anreize für derartige Arbeiten zu schaffen.

12 Organisation und Good Governance

Die EZB ist eine EU-Institution und Herzstück des Eurosystems und des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM). Sie beschäftigt mehr als 3 500 Menschen aus ganz Europa. Motivierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich ständig weiterentwickeln, sind ihr ein wichtiges Anliegen. Dementsprechend setzte die EZB im Berichtsjahr wieder auf die Förderung von Diversität und Inklusion als institutionelle Erfolgsfaktoren. Mit der Einführung eines einheitlichen Verhaltenskodex für hochrangige Funktionsträger der EZB („Single Code of Conduct”) per 1. Januar 2019 wurde ein weiterer Meilenstein zur Förderung höchster Integritäts- und Governance-Standards gesetzt. Einen besonderen Höhepunkt stellten im Berichtsjahr die Feierlichkeiten anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Euro – der gemeinsamen Währung für 340 Millionen Menschen in Europa – dar (siehe Kasten 12).

12.1 Erfolg durch Führungskompetenz, Inklusion und Personalentwicklung

Die Förderung von Teams mit hoher Diversität und einer von Inklusion geprägten Verhaltenskultur ist für die EZB sehr wichtig, um bestmögliche Ergebnisse für ihr Personal und für die EU erzielen zu können. Aus diesem Grund sind Diversität, Respekt, ein ethisches Arbeitsumfeld sowie das Wohlbefinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter strategische Ziele für die EZB.

Diversität und Inklusion als organisatorische Erfolgsfaktoren

Auch 2019 wurde wieder auf Diversität und Inklusion als Erfolgsfaktoren einer modernen Organisationsentwicklung gesetzt. Schon seit Langem gibt es in der EZB eine Reihe von eng mit der Personalabteilung kooperierenden Diversitätsnetzwerken, die versuchen, allen Aspekten von Diversität sowie den daraus entstehenden Bedürfnissen gerecht zu werden. Mit „DiversAbility“ wurde 2019 ein neues berufliches Netzwerk für Menschen mit längerfristigen gesundheitlichen Einschränkungen und Personen, die diese Menschen unterstützen, ins Leben gerufen.

Auf der Ebene des ESZB und des SSM pflegt die EZB den Austausch mit den nationalen Zentralbanken und den nationalen Aufsichtsbehörden über Best Practices im Bereich Diversität und Inklusion. Ein Beispiel ist das im September 2019 von der Bundesbank in Eltville am Rhein veranstaltete vierte Jahrestreffen des ESZB- und SSM-Diversity-Netzwerks. Außerdem nahm die EZB zusammen mit Personalleiterinnen und ‑leitern der G‑7-Zentralbanken, des ESZB/SSM und des Internationalen Währungsfonds im Mai 2019 an einem Gipfeltreffen zur Chancengleichheit von Frauen und Männern teil.

Zu den umfassenden Inklusionsmaßnahmen der EZB zählten 2019 erstmals auch die Teilnahme am Christopher Street Day in Frankfurt (Regenbogenparade) sowie die Organisation von Veranstaltungen rund um den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung, den Coming-out-Tag und den Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Events anlässlich des Internationalen Frauentags und des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) waren erneut Fixpunkte auf dem Veranstaltungskalender der EZB.

Im Berichtsjahr setzte die EZB ferner ihre Bemühungen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz fort, wofür sie nach einer unabhängigen Evaluierung im Februar 2019 das Level‑1-Zertifikat Economic Dividends for Gender Equality (EDGE) in Anerkennung für ihr Engagement in diesem Bereich erhielt.

Zur Hebung des Frauenanteils hatte das Direktorium der EZB für Ende 2019 Zielvorgaben definiert. Zu Jahresende waren 30,3 % aller Führungskräfte Frauen; das gesteckte Ziel lag bei 35 %. In den oberen Führungsebenen belief sich der Frauenanteil auf 30,8 %, verglichen mit einer Zielvorgabe von 28 % (siehe Tabelle 2). Gemessen an der Gesamtbelegschaft war ein Frauenanteil von 45,3 % zu verzeichnen. Nähere Informationen zu den Aufstiegschancen für Frauen und Männer bei der EZB finden sich in Kasten 10 in Kapitel 8.

Tabelle 2

Frauenanteil bei der EZB – Status quo und Zielvorgaben

Quelle: EZB.
Anmerkung: Frauenanteil gemessen an den gesamten Dienstverhältnissen (sowohl mit befristeten als auch unbefristeten Arbeitsverträgen). Stand: 1. Januar 2020.

Um auch beim Recruiting Diversität und Inklusion sicherzustellen, hat die EZB ihre Stellenausschreibungen 2019 weiter optimiert. Jetzt werden Kandidatinnen und Kandidaten explizit dazu ermutigt, sich unabhängig von Alter, Behinderung, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Religion, sexueller Orientierung oder anderen persönlichen Merkmalen zu bewerben. Die EZB nutzt zur Personalsuche auch weiterhin inklusive Recruiting-Plattformen, unter anderem Sticks & Stones, die größte LGBT+ Job- und Karrieremesse Europas, sowie die European Women in Tech Conference.

Die persönliche und berufliche Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist der EZB ein großes Anliegen. Daher werden seit jeher breit gefächerte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten, die die Belegschaft bei der Bewältigung der sich ständig wandelnden globalen Herausforderungen unterstützen sollen. Im Berichtsjahr arbeitete die EZB auf ESZB-/SSM-Ebene an der Entwicklung einer konsistenten Strategie im Bereich Aus- und Weiterbildung, um das große systemweit vorhandene Potenzial im Dienste Europas voll ausschöpfen zu können. Dabei wird auf lokalen Trainingsinitiativen aufgebaut, die den Kolleginnen und Kollegen im ESZB und SSM schon länger offenstehen. Ziel ist die Förderung einer Lernkultur, die einen klaren Zusammenhang zwischen Aus- und Weiterbildung auf der einen Seite und Produktivität, Leistungsvermögen und Effizienz auf der anderen Seite herstellt.

Da Führungskräfte im Interesse der Gesamtorganisation eine zentrale Rolle in der Leistungssteigerung von Teams und Einzelnen spielen, organisierte die EZB in den letzten Jahren mit dem Leadership Growth Programme ein modulares Ausbildungsprogramm, das im November 2019 erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnte. Mit der Absicht, die Teilnehmenden in ihrem Führungsverhalten und somit die EZB als Ganzes zu stärken, wurden mehr als 600 Führungskräfte aller Ebenen (auch Team Leads ohne Managementfunktion) mit dem Programm angesprochen. Dies diente nicht nur der Leistungssteigerung der EZB insgesamt, sondern auch der Förderung starker Teams mit einer gemeinsamen Vision und Zielsetzung.

Im Jahr 2019 unterzog die EZB ihre Strategien zur Unterstützung der beruflichen Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer gründlichen Überprüfung und entwickelte auf dieser Grundlage ein neues umfassendes Karrierekonzept. Dieses eröffnet Wachstumschancen dank neuer Methoden zur Belegschaftsförderung sowie Anpassungen der Prozesse und Strategien, die geschaffen wurden, um Mobilität (innerhalb oder außerhalb der EZB) einfacher und ansprechender zu gestalten. Durch diesen Veränderungswillen positioniert sich die EZB immer wieder als attraktive Arbeitgeberin und sichert zugleich die Motivation und Weiterentwicklung jener Menschen, die sie ausmachen.

12.2 Weiter verbesserte Integritäts- und Governance-Standards

Monatliche Terminkalender und Erklärungen betreffend Interessenkonflikte hochrangiger Funktionsträger der EZB sind auf der EZB-Website öffentlich zugänglich

Mit der Einführung des einheitlichen Verhaltenskodex für hochrangige Funktionsträger der EZB („Single Code of Conduct“) per 1. Januar 2019 bekräftigte die EZB ihr Bekenntnis zu höchstmöglichen Integritäts- und Governance-Standards. Der Verhaltenskodex definiert nicht nur spezifische Regeln für berufliche Tätigkeiten nach Beendigung des Dienstverhältnisses, private Finanzgeschäfte und Beziehungen zu Interessengruppen, sondern verpflichtet auch alle Mitglieder hochrangiger EZB-Gremien, ihre monatlichen Terminkalender zu veröffentlichen (ab Januar 2019) und dem Ethikausschuss jährlich eine unterzeichnete Erklärung über finanzielle bzw. berufliche Interessen zur Prüfung und anschließenden Veröffentlichung auf der EZB-Website vorzulegen.

Der Ethikausschuss[69] berät darüber hinaus die Mitglieder hochrangiger EZB-Gremien in Bezug auf sämtliche andere Fragen der Berufsethik, vor allem hinsichtlich potenzieller Interessenkonflikte im Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses bzw. Erwerbstätigkeit von Familienmitgliedern[70]. Angesichts der steigenden Relevanz höchster Verhaltensstandards und Good Governance setzt die EZB für alle neuen und scheidenden Mitglieder hochrangiger EZB-Gremien Briefing- und Debriefing-Termine mit der/dem leitenden Compliance- und Governance-Beauftragten der EZB an, um die aus dem einheitlichen Verhaltenskodex resultierenden Verpflichtungen zu erörtern.

Die Zusammenarbeit der nationalen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden des Euroraums im Rahmen der Ethics and Compliance Officers Task Force (ECTF) wurde 2019 weiter ausgebaut. Seit ihrer Einrichtung hat sich die ECTF zu einem zentralen Forum für Informationsaustausch entwickelt, das die konsistente Umsetzung des einheitlichen Verhaltenskodex im Eurosystem und in der europäischen Bankenaufsicht vorantreibt. Um den wechselseitigen Erfahrungsaustausch im Interesse gezielter Lerneffekte weiter zu forcieren, organisierte die Arbeitsgruppe im Berichtsjahr themenspezifische Weiterbildungsveranstaltungen mit Fachleuten außerhalb des Zentralbankbereichs, so zum Beispiel mit Vertreterinnen und Vertretern des UN Ethics Office, des Büros der Europäischen Bürgerbeauftragten und des Europäischen Rechnungshofs. Letzterer präsentierte seinen Bericht über die Ethikrahmenwerke ausgewählter geprüfter EU-Institutionen.

Im Zuge der jährlichen Evaluierung der Einhaltung der Regeln zu privaten Finanzgeschäften innerhalb der EZB wurde eine zufällig ausgewählte Stichprobe von 10 % der Gesamtbelegschaft geprüft, die auch Mitglieder hochrangiger EZB-Gremien umfasste. Entsprechend einer Empfehlung des externen Rechnungsprüfers der EZB wurde 2019 auch eine Ad-hoc-Compliance-Prüfung durchgeführt, die sich auf eine ausgewählte Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern konzentrierte.

Der Prüfungsausschuss der EZB unterstützte den EZB-Rat im Einklang mit seinem Mandat auch im Berichtsjahr bei der Erfüllung seiner Aufgaben und Pflichten in Bezug auf die Integrität von Finanzinformationen, die Aufsicht über das interne Kontrollsystem, die Einhaltung geltender Gesetze, Bestimmungen und Verhaltenskodizes und die Erfüllung von Prüfungsaufgaben. Ein besonderer Schwerpunkt wurde dabei auf Cyberrisiken, die Angemessenheit der Finanzrisikosteuerung des Eurosystems und auf die Schaffung von Anreizen für eine proaktive Überprüfung der Umsetzung von Prüfempfehlungen gelegt.

Im Sinne der Transparenz und Rechenschaftspflicht pflegen die Mitglieder hochrangiger EZB-Gremien regelmäßigen Kontakt mit der breiten Öffentlichkeit sowie Fachleuten aus dem öffentlichen und privaten Sektor, der Wissenschaft sowie Interessengruppen und ‑verbänden. Dieser Dialog erfolgt auf Basis solide verankerter und öffentlich zugänglicher Grundprinzipien, die ein hohes Ausmaß an Transparenz und Good Governance sicherstellen.

Im Berichtsjahr beantwortete die EZB 113 von EU-Bürgerinnen und -Bürgern eingebrachte Anträge auf Einsichtnahme in EZB-Dokumente und ermöglichte den (teilweisen oder vollständigen) Zugang zu mehr als 200 Dokumenten.

Darüber hinaus beschloss die EZB 2019 im Interesse von Good Governance und Transparenz, die Dokumente des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten und des Europäischen Währungsinstituts – die aus der Zeit vor der Gründung der EZB im Juni 1998 stammen – zu historischen Aufzeichnungen zu erklären, um der breiten Öffentlichkeit den Zugang zu diesen Dokumenten zu erleichtern.

Kasten 12
20 Jahre Euro

Am 1. Januar 2019 feierte der Euro sein 20-jähriges Bestehen. Es ist genau 20 Jahre her, dass elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) am 1. Januar 1999 ihre Wechselkurse fixierten und sich auf eine gemeinsame Geldpolitik verständigten, mit deren Umsetzung die EZB betraut wurde. Der Euro war zu Beginn eine elektronische Währung, die nur für bargeldlose Zahlungen und an den Finanzmärkten verwendet werden konnte. Drei Jahre später, am 1. Januar 2002, wurden die Euro-Banknoten und ‑Münzen in Umlauf gebracht. Heute dient der Euro 19 EU-Staaten und mehr als 340 Millionen Menschen in Europa als gemeinsame Währung. Als zweitwichtigste Währung der Welt nach dem US-Dollar ist er zu einem selbstverständlichen Teil unseres Lebens geworden, der das europäische Projekt im wahrsten Sinne des Wortes greifbar macht. Seine Beliebtheit innerhalb der Bevölkerung des Euroraums erreichte zuletzt einen neuen Rekordwert: Laut Eurobarometer-Umfrage geben 76 % an, dass der Euro gut für die EU ist (Eurobarometer-Umfrage, November 2019).

20 Jahre Gemeinschaftswährung

Die EU-Staaten, die den Euro am 1. Januar 1999 bzw. in den Folgejahren eingeführt haben, blicken auf einen langen gemeinsamen Weg zurück. Die letzten 20 Jahre waren für den Euroraum in mehrerlei Hinsicht außergewöhnlich. Die erste Dekade kann als Höhepunkt eines 30 Jahre währenden Aufschwungs an den globalen Finanzmärkten gesehen werden. Die zweite Dekade brachte dagegen die schlimmste Wirtschafts- und Finanzkrise seit den 1930er-Jahren – zunächst als globale Finanzkrise, dann als Staatsschuldenkrise.

Das europäische Projekt – und damit auch die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) – ist ein sich ständig weiterentwickelnder Prozess. Bei näherer Betrachtung der Wirtschaftsstrukturen 20 Jahre nach der Euro-Einführung lässt sich feststellen, dass die weltweite Finanzkrise und die Staatsschuldenkrise die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaftsstrukturen des Euroraums offenbart haben. Die Länder des Euroraums unternahmen erhebliche Anstrengungen, um gut auf die Krise zu reagieren und diese Krisenfestigkeit weiter zu stärken. So konnte die Krise auch als Impuls zur Stärkung der WWU genutzt werden. Vor allem die Einführung der europäischen Bankenaufsicht war diesbezüglich eine große Errungenschaft. Die WWU ist aber nach wie vor unvollendet. Wir brauchen noch weitere Fortschritte, damit sich der Nutzen der Gemeinschaftswährung für alle Menschen in Europa vollständig entfalten kann.

EZB feiert: #EUROat20

Das 20-jährige Jubiläum des Euro war ein wichtiger Meilenstein für die EZB und wurde bei verschiedenen Anlässen gefeiert. Die Aktivitäten rund um den 20. Geburtstag des Euro boten dabei eine gute Gelegenheit, mit den Bürgerinnen und Bürgern Europas in Kontakt zu treten – sei es bei Kunst- oder Musikdarbietungen im Rahmen der Europa-Kulturtage der EZB, die 2019 im Zeichen der gemeinsamen europäischen Kultur und Identität standen, oder im Zuge von Social-Media-Kampagnen wie dem #EUROat20-Quizduell. Reger Austausch fand auch bei hochrangig besuchten Zentralbankkonferenzen statt, allen voran beim Zentralbankforum der EZB in Sintra von 17. bis 19. Juni 2019.

Thema des Zentralbankforums in Sintra war: 20 Jahre europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Dabei wurden die bisherigen Erfahrungen der WWU sowie Erfolgsfaktoren für die Zukunft behandelt. Diskutiert wurden Fortschritte im Bereich der wirtschaftlichen Konvergenz, die Bedeutung von Fiskalpolitik versus Geldpolitik für die makroökonomische Stabilisierung in einer unvollständigen Währungsunion sowie ausgewählte Schlüsselfaktoren für das künftige Wachstum im Euroraum (wie demografische Entwicklungen). Die wichtigsten Themen sind in der nachstehenden Grafik dargestellt.

Zentralbankforum der EZB in Sintra: 20 Jahre europäische Wirtschafts- und Währungsunion grafisch dargestellt

Quelle: EZB.

Erweiterter Jahresabschluss der EZB 2019

https://www.ecb.europa.eu/pub/annual/annual-accounts/html/ecb.annualaccounts2019~9eecd4e8df.de.html

Konsolidierte Bilanz des Eurosystems zum 31. Dezember 2019

https://www.ecb.europa.eu/pub/annual/balance/html/ecb.eurosystembalancesheet2019~fed8c5244a.de.html

Statistikteil (nur auf Englisch verfügbar)

https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/annrep/ecb.ar_annex2019_statistical_section~bf923b8ecc.en.pdf

© Europäische Zentralbank, 2020

Postanschrift 60640 Frankfurt am Main, Deutschland

Telefon +49 69 1344 0

Internet www.ecb.europa.eu

Alle Rechte vorbehalten. Die Anfertigung von Kopien für Ausbildungszwecke und nichtkommerzielle Zwecke ist mit Quellenangabe gestattet.

Redaktionsschluss für die in dieser Ausgabe enthaltenen Daten war am 10. März 2020.

Zu Terminologie und Abkürzungen siehe auch das Glossar der EZB (liegt nur auf Englisch vor).

HTML ISBN 978-92-899-4133-4, ISSN 2443-4744, doi:10.2866/837602, QB-BS-20-001-DE-Q

  1. Weitere Angaben zur Unsicherheit aufgrund angespannter Handelsbeziehungen finden sich in EZB, Erfassung der globalen wirtschaftlichen Unsicherheit – Auswirkungen auf die Investitionen und den Handel weltweit, Kasten 1, Wirtschaftsbericht 1/2020, Februar 2020.
  2. Ende 2019 waren die Folgen bzw. Abwärtsrisiken der Coronavirus-Pandemie in den Prognosen noch nicht absehbar.
  3. Zu den Wechselwirkungen von verarbeitendem Gewerbe und Dienstleistungsbranche siehe EZB, Entwicklungen im Dienstleistungssektor und Korrelation mit dem verarbeitenden Gewerbe, Kasten 2, Wirtschaftsbericht 7/2019, November 2019.
  4. Die Investitionen in urheberrechtlich geschützte Produkte in Irland verzerrten beispielsweise das Wachstum der Investitionen im Euroraum im zweiten und dritten Quartal 2019.
  5. Siehe Europäische Kommission, A revised consumer confidence indicator, 21. Dezember 2018.
  6. Zur Frage, wie diese Indikatoren erstellt werden, siehe EZB, Indikatoren zur Lage am Arbeitsmarkt im Euro-Währungsgebiet, Kasten 4, Wirtschaftsbericht 8/2019, Dezember 2019.
  7. Siehe EZB, Arbeitskräfteangebot und Beschäftigungswachstum, Wirtschaftsbericht 1/2018, Februar 2018.
  8. Nähere Angaben zu der Beziehung zwischen Beschäftigung und Produktivität während des aktuellen Beschäftigungsanstiegs finden sich in: EZB, Beschäftigungswachstum und BIP im Euro-Währungsgebiet, Kasten 3, Wirtschaftsbericht 2/2019, März 2019; EZB, Das aktuelle Beschäftigungswachstum im Euro-Währungsgebiet: ein Vergleich mit Entwicklungen in der Vergangenheit, Kasten 4, Wirtschaftsbericht 6/2019, September 2019.
  9. Siehe K. Charbonneau, A. Evans, S. Sarker und L. Suchanek, Digitalization and Inflation: A Review of the Literature, Staff Analytical Note 2017-20, Bank of Canada, November 2017.
  10. Siehe z. B. K. Masuch, R. Anderton, R. Setzer und N. Benalal (Hrsg.), Structural policies in the euro area, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 210, Juni 2018.
  11. Nähere Angaben zu den Umsetzungsfortschritten finden sich in EZB, Länderspezifische Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik im Rahmen des Europäischen Semesters 2019, Kasten 5, Wirtschaftsbericht 5/2019, Juli 2019.
  12. Der fiskalische Kurs spiegelt die Richtung und das Ausmaß des Fiskalimpulses auf die Volkswirtschaft ohne die automatische Reaktion der öffentlichen Finanzen auf den Konjunkturzyklus wider. Er wird hier anhand der Veränderung des konjunkturbereinigten Primärsaldos ohne Anrechnung der staatlichen Unterstützungsleistungen für den Finanzsektor gemessen. Zum Konzept des Fiskalkurses im Euroraum siehe EZB, Der fiskalische Kurs im Euro-Währungsgebiet, Wirtschaftsbericht 4/2016, Juni 2016.
  13. Siehe EZB, Überprüfung der Übersichten über die Haushaltsplanung 2020 – mögliche Implikationen für eine Reform des finanzpolitischen Ordnungsrahmens, Kasten 7, Wirtschaftsbericht 8/2019, Dezember 2019.
  14. Nach Redaktionsschluss des Jahresberichts 2018 korrigierte Eurostat die durchschnittliche Gesamtinflation 2018 von 1,7 % auf 1,8 % nach oben; zuvor hatte die europäische Statistikbehörde methodische Änderungen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) vorgenommen. Infolgedessen wurde auch der durchschnittliche Preisauftrieb 2018 bei Dienstleistungen von 1,3 % auf 1,5 % nach oben korrigiert. Bei der durchschnittlichen Teuerungsrate 2018 für Industrieerzeugnisse (ohne Energie) ergab sich eine Abwärtskorrektur von 0,4 % auf 0,3 %. Allerdings wirkten sich diese Änderungen nur geringfügig auf die durchschnittliche HVPI-Inflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel für das Jahr 2018 aus. Diese blieb mit 1,0 % unverändert. Im Gegensatz zu diesen recht moderaten Effekten ergab sich für das Jahr 2015 eine besonders starke Korrektur der monatlichen und jährlichen Inflationsraten. So wurden die durchschnittliche Gesamtteuerungsrate für 2015 um 0,2 Prozentpunkte und die HVPI-Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel um 0,3 Prozentpunkte nach oben revidiert. Siehe EZB, Neue Berechnungsmethode beim deutschen Preisindex für Pauschalreisen und deren Auswirkungen auf die HVPI-Inflationsraten, Kasten 5, Wirtschaftsbericht 2/2019, März 2019, und Deutsche Bundesbank, Zu den Auswirkungen der Revision des Teilindex Pauschalreisen auf den HVPI und die Kerninflation, Monatsbericht März 2019, S. 8-9.
  15. Statistisch bedingte Veränderungen der Maße für die Preise von Pauschalreisen in Deutschland ließen die Teuerungsrate für Dienstleistungen im Eurogebiet vorübergehend sinken; siehe Deutsche Bundesbank, Monatsbericht August 2019, S. 59-61.
  16. Siehe E. Bobeica und A. Sokol, Bestimmungsfaktoren der zugrunde liegenden Inflation im Euro-Währungsgebiet im Zeitverlauf: Erklärungsversuche anhand der Phillips-Kurve, Wirtschaftsbericht 4/2019, EZB, Juni 2019. Die Analyse befasst sich schwerpunktmäßig mit einer In‑sample-Aufgliederung der Inflation. Eine aktuelle Untersuchung der Prognosegüte dieses Modelltyps sowie der Vorhersagekraft verschiedener Arten von Inflationsvariablen finden sich in L. Moretti, L. Onorante und S. Zakipour Saber, Phillips curves in the euro area, Working Paper Series der EZB, Nr. 2295, Juli 2019.
  17. Siehe M. Ciccarelli und C. Osbat (Hrsg.), Low inflation in the euro area:Causes and consequences , Occasional Paper Series der EZB, Nr. 181, Januar 2017.
  18. Die in Abbildung A verwendeten Messgrößen der Inflationserwartungen basieren auf kurzfristigen wie auch langfristigen umfragebasierten Daten aus dem Survey of Professional Forecasters der EZB und von Consensus Economics.
  19. Die Außenhandelseinflüsse sind freilich nicht unbedingt auf die Auswirkungen der Import- und Energiepreise beschränkt. Eine Erörterung weiterer Mechanismen findet sich in P. Lane, Globalisation and monetary policy, Redebeitrag an der University of California, 30. September 2019.
  20. Siehe M. Jarociński und M. Lenza, An Inflation-Predicting Measure of the Output Gap in the Euro Area, in: Journal of Money, Credit and Banking, Bd. 50(6), 2018, S. 1189-1224.
  21. Die Zunahme des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer wurde durch niedrigere Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber infolge einer Gesetzesänderung in Frankreich gedämpft (dort wurde die Steuergutschrift für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) durch eine dauerhafte Senkung der von Arbeitgebern zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge ersetzt).
  22. Siehe hierzu EZB, Einfluss der Gewinnentwicklung auf den binnenwirtschaftlichen Preisdruck im Euro-Währungsgebiet, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 6/2019, Juni 2019.
  23. Das Eurosystem bemüht sich um eine marktneutrale Portfoliostruktur, d. h., beim Ankauf von Wertpapieren wird eine Streuung über alle zulässigen Laufzeiten in den Ländern angestrebt, die der Struktur des Staatsanleihemarktes im Euroraum entspricht.
  24. Die EZB veröffentlicht die voraussichtlichen monatlichen Tilgungsbeträge im Rahmen des APP jeweils für die nächsten zwölf Monate.
  25. Zur Wertpapierleihe im Rahmen des CBPP3 und des ABSPP siehe General APP securities lending framework auf der Website der EZB. Zudem werden auch Wertpapiere aus dem Programm für die Wertpapiermärkte, dem CBPP und dem CBPP2 für Leihgeschäfte des Eurosystems zur Verfügung gestellt.
  26. Die EZB veröffentlicht auf monatlicher aggregierter Basis den Monatsdurchschnitt der Beleihung von PSPP-Wertpapieren sowie den monatlichen Durchschnitt der erhaltenen Barsicherheiten.
  27. Siehe EZB, The financial risk management of the Eurosystem’s monetary policy operations, Juli 2015.
  28. Siehe auch den Bereich Programme zum Ankauf von Vermögenswerten auf der Website der EZB.
  29. Für Asset-Backed Securities müssen Ratings von mindestens zwei zugelassenen Ratingagenturen vorliegen.
  30. Siehe Artikel 138 Absatz 3(b) der Leitlinie (EU) 2015/510 der EZB vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) (Abl. L 91 vom 2.4.2015, S. 3).
  31. Am 12. September 2019 beschloss der EZB-Rat, die Möglichkeit, im erforderlichen Umfang Wertpapiere mit einer Rendite unterhalb des Zinssatzes für die Einlagefazilität zu erwerben, auf alle Teile des APP auszuweiten. Siehe dazu die entsprechende Pressemitteilung der EZB vom 12. September 2019.
  32. Die Obergrenze je Emittent entspricht dem maximalen Anteil am Umlaufvolumen der Anleihen einzelner Emittenten, den das Eurosystem erwerben dürfte.
  33. Siehe den Sonderbeitrag Climate change and financial stability in: Financial Stability Review, EZB, Mai 2019.
  34. Siehe M. Carney, Breaking the Tragedy of the Horizon – climate change and financial stability, Rede bei Lloyd’s of London, 29. September 2015.
  35. Siehe B. Cœuré, Monetary policy and climate change, Rede anlässlich der Konferenz „Scaling up Green Finance: The Role of Central Banks”, organisiert vom Network for Greening the Financial System, der Deutschen Bundesbank und dem Council on Economic Policies in Berlin, 8. November 2018.
  36. Siehe EZB, Financial Stability Review, Mai 2019 und November 2019.
  37. Siehe L. de Guindos, Implications of the transition to a low-carbon economy for the euro area financial system, Rede anlässlich der Konferenz „Creating sustainable financial structures by putting citizens first“ der European Savings and Retail Banking Group, Brüssel, 21. November 2019.
  38. Siehe Risikokonstellation im SSM 2020.
  39. Weitere Informationen zu den aufsichtlichen Aktivitäten der EZB im Zusammenhang mit dem Klimawandel finden sich im Kasten „Green Finance“ im EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019.
  40. Bei der neuen EU-Verordnung, in der die Behandlung von notleidenden Risikopositionen nach Säule 1 dargelegt ist, handelt es sich um Verordnung (EU) 2019/630 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen (ABl. L 111 vom 25.4.2019, S. 4). Sie trat am 26. April 2019 in Kraft.
  41. Siehe Kapitel 4.
  42. Der vom Europäischen Stabilitätsmechanismus bereitgestellte Backstop soll gewährleisten, dass der Einheitliche Abwicklungsfonds über zusätzliche Mittel zur Unterstützung allfälliger notwendiger Abwicklungsmaßnahmen verfügt.
  43. Siehe Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 8. November 2017 zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement (CON/2017/47).
  44. Für die Errichtung einer echten Kapitalmarktunion sind weitere Harmonisierungen und Standardisierungen auf Grundlage des einheitlichen Regelwerks als harmonisierter Regulierungsrahmen unabdingbar.
  45. Siehe Finanzstabilitätsrat, Reforming major interest rate benchmarks – Progress report, 18. Dezember 2019.
  46. Gemäß Artikel 141 Absatz 2 AEUV, Artikel 17, 21.2, 43.1 und 46.1 der ESZB-Satzung sowie Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates vom 18. Februar 2002.
  47. Gemäß Artikel 122 Absatz 2 und Artikel 132 Absatz 1 AEUV, Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung sowie Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010.
  48. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 5 des EFSF-Rahmenvertrags).
  49. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 5.12.1 der ESM General Terms for Financial Assistance Facility Agreements).
  50. Im Zusammenhang mit der Kreditrahmenvereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets (mit Ausnahme Griechenlands und Deutschlands) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – die im öffentlichen Interesse handelt und den Anweisungen der Bundesrepublik Deutschland unterliegt, die wiederum eine Garantie zugunsten der KfW übernimmt – als Kreditgeber einerseits und der Hellenischen Republik als Kreditnehmerin und der griechischen Zentralbank als deren Vertreterin andererseits sowie gemäß Artikel 17 und 21.2 der ESZB-Satzung und Artikel 2 des Beschlusses EZB/2010/4 vom 10. Mai 2010.
  51. Interventionen im WKM II an den Interventionspunkten erfolgen dann, wenn der Wechselkurs einer Währung gegenüber dem Euro den Rand der vereinbarten Schwankungsbandbreite (d. h. der Bandbreite in deren Rahmen WKM‑II-Währungen gegenüber dem Euro schwanken dürfen) erreicht. Diese Interventionen erfolgen im Prinzip automatisch und unterliegen keiner Begrenzung.
  52. Siehe z. B. Europäische Bankenvereinigung, Boosting Europe, 2019.
  53. Hier wird primär auf die Datensätze im Zusammenhang mit den Meldepflichten von Kreditinstituten Bezug genommen, die in folgenden Verordnungen spezifiziert werden: den Statistik-Verordnungen der EZB über die Bilanz der monetären Finanzinstitute bzw. über die von monetären Finanzinstituten angewandten Zinssätze, dem sektoralen Modul der Verordnung über die Statistiken über Wertpapierbestände und der AnaCredit-Verordnung über die Erhebung granularer Kreditdaten und Kreditrisikodaten.
  54. Siehe EZB-Präsentation, Dataset and indicators to monitor the crypto-assets phenomenon; ein EZB-Artikel zu diesem Thema wird im Irving Fisher Committee on Central Bank Statistics (IFC) Working Group on Fintech Data Report erscheinen (erstes Halbjahr 2020).
  55. Siehe ECB Crypto-Assets Task Force, Crypto-Assets: Implications for financial stability, monetary policy, and payments and market infrastructures, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 223, Mai 2019, und EZB, Krypto-Assets: das Phänomen, seine Risiken und damit verbundene Messprobleme verstehen, Wirtschaftsbericht 5/2019, August 2019.
  56. Siehe EZB, Characterisation of the euro area fintech scene, Kasten 4, in: Financial Integration and Structure in the Euro Area, März 2020.
  57. Siehe Irving Fisher Committee on Central Bank Statistics (IFC), 2018 IFC Annual Report, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, März 2019.
  58. Die Veröffentlichung des €STR erfolgt auf der EZB-Website sowie über deren spezielle Plattformen wie die Market-Information-Dissemination-Plattform (MID-Plattform) und das Statistical Data Warehouse (SDW), wobei die MID-Plattform der wichtigste Verbreitungskanal ist.
  59. Die Meldeerfordernisse im Rahmen der Geldmarktstatistik sowie eine aktuelle Liste der Berichtspflichtigen finden sich auf der EZB-Website. Die reguläre Erhebung der Geldmarktstatistik begann am 1. Juli 2016.
  60. Siehe Finanzstabilitätsrat und Internationaler Währungsfonds, G20 Data Gaps Initiative (DGI-2): The Fourth Progress Report – Countdown to 2021, 2019.
  61. Siehe G. Cozzi et al., Macroprudential policy measures: macroeconomic impact and interaction with monetary policy, Working Paper Series der EZB, Nr. 2376, Februar 2020, und U. Albertazzi et al., Monetary policy and bank stability: the analytical toolbox reviewed, Working Paper Series der EZB, Nr. 2377, Februar 2020.
  62. M. C. Cavalleri, A. Eliet, P. McAdam, F. Petroulakis, A. Soares und I. Vansteenkiste, Concentration, market power and dynamism in the euro area, Working Paper Series der EZB, Nr. 2253, März 2019.
  63. L. Hospido, L. Laeven und A. Lamo, The gender promotion gap: evidence from central banking, Working Paper Series der EZB, Nr. 2265, April 2019.
  64. Konkret bezieht sich die Analyse auf die Generaldirektionen Volkswirtschaft, Makroprudenzielle Politik und Finanzstabilität, Internationale und europäische Beziehungen, Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr, Finanzmarktoperationen, Geldpolitik, Forschung und Statistik sowie auf die Direktion Risikomanagement.
  65. Verstöße gegen die Konsultationspflicht umfassen: a) Fälle, in denen es eine nationale Behörde unterließ, der EZB Entwürfe für Rechtsvorschriften, die innerhalb der Zuständigkeitsbereiche der EZB liegen, zur Stellungnahme vorzulegen; und b) Fälle, in denen eine nationale Behörde die EZB zwar formell konsultierte, ihr jedoch zur Prüfung der betreffenden Entwürfe für Rechtsvorschriften sowie zur Verabschiedung einer Stellungnahme vor Erlass der jeweiligen Rechtsvorschriften keinen ausreichend bemessenen Zeitrahmen einräumte.
  66. Beispielsweise legte Yves Mersch anlässlich der im März in Frankfurt veranstalteten Konferenz „The ECB and its Watchers XX“ ausführliche Überlegungen zu diesem Thema dar. Siehe Necessity, proportionality and probity – central bank independence in unconventional times. Bei einem Round Table in Frankfurt führte er im November auch die Einschätzung der EZB zu internationalen Trends im Bereich der Zentralbankunabhängigkeit aus. Siehe International trends in central bank independence: the ECB's perspective.
  67. Nähere Informationen zu den Auswirkungen des Brexit, die auch bei den Anhörungen erörtert wurden, finden sich in Kasten 11.
  68. Siehe EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019.
  69. Im Sommer 2019 trat Patrick Honohan die Nachfolge von Jean-Claude Trichet als Vorsitzender des Ethikausschusses an.
  70. Siehe Beschluss (EU) 2015/433 der Europäischen Zentralbank vom 17. Dezember 2014 über die Einrichtung eines Ethikausschusses und seine Geschäftsordnung (EZB/2014/59).