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Jahresrückblick

Das Jahr 2022 stellte einen Wendepunkt für die Geldpolitik der EZB dar. Die Wirtschaft wurde gleichzeitig von zwei Arten von Schocks getroffen, wodurch sich die Inflationsaussichten schlagartig änderten. Zum einen kam es im Euroraum zu einer beispiellosen Reihe negativer Angebotsschocks. Diese waren auf pandemiebedingte Lieferkettenstörungen, die nicht zu rechtfertigende Invasion Russlands in der Ukraine sowie die daraus resultierende Energiekrise zurückzuführen. Dies trieb die Vorleistungskosten in sämtlichen Wirtschaftssektoren stark in die Höhe. Zum anderen kam es durch das Wiederhochfahren der Wirtschaft nach der Pandemie zu einem positiven Nachfrageschock. Dadurch konnten Unternehmen ihre steigenden Kosten viel schneller und in größerem Maße als zuvor über die Preise weiterreichen.

Bereits Ende 2021 hatten wir angekündigt, dass wir die Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen unseres Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) schrittweise reduzieren und die Nettoankäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) Ende März 2022 beenden würden. Unser allgemeiner geldpolitischer Kurs war jedoch nach wie vor äußerst akkommodierend, da er auf das Umfeld der sehr niedrigen Inflationsraten der letzten zehn Jahre und die Deflationsrisiken zu Beginn der Pandemie ausgerichtet war. Wir ergriffen daher eine Reihe von Maßnahmen, die darauf ausgerichtet waren, den geldpolitischen Kurs zu normalisieren und rasch auf die zunehmend herausfordernde Inflationsentwicklung zu reagieren.

Im März erhöhten wir das Tempo, mit dem wir die Nettoankäufe im Rahmen des APP reduzieren. Im April gaben wir bekannt, dass wir von einer Beendigung der Nettoankäufe im dritten Quartal ausgehen. Im Juli hoben wir dann erstmals seit elf Jahren die EZB-Leitzinsen an. Bei den darauffolgenden geldpolitischen Sitzungen wurden weitere große Zinsschritte beschlossen. Das Tempo dieser Anpassung war ein wichtiges Signal an die Öffentlichkeit, dass wir entschlossen sind, die Inflation zu senken. Dies trug zu einer Verankerung der Inflationserwartungen bei, selbst als sich die Inflation beschleunigte.

Parallel dazu stellten wir sicher, dass die Transmission unseres geldpolitischen Kurses über die Finanzmärkte – auch im Zuge der Normalisierung der Geldpolitik – im gesamten Euroraum weiterhin reibungslos erfolgt. Dies erreichten wir durch zwei zentrale Maßnahmen: Zum einen beschlossen wir, bei der Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig werdender Wertpapiere aus dem PEPP-Portfolio flexibel zu agieren, um pandemiebedingten Risiken für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus entgegenzuwirken. Zum anderen schufen wir ein neues Instrument zur Absicherung der Transmission.

Die Entwicklung der Inflationsaussichten zeigte dann jedoch, dass es mit der Realisierung eines weitgehend neutralen geldpolitischen Kurses allein nicht getan sein würde. Aus den Projektionen war ersichtlich, dass die Inflation zu lange zu weit über unserem mittelfristigen Zielwert von 2 % liegen würde. Angesichts des sich ausweitenden Preisdrucks und des Anstiegs der zugrunde liegenden Inflation gab es zudem Anzeichen für eine Verfestigung der Inflation. In dieser Situation mussten wir die Zinsen auf ein restriktives Niveau anheben und die Nachfrage dämpfen.

Daher kündigten wir nach unserer letzten geldpolitischen Sitzung des Jahres im Dezember an, dass die Zinsen noch deutlich und in gleichmäßigem Tempo steigen müssen, damit sie ein ausreichend restriktives Niveau erreichen, das eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zu unserem Zielwert gewährleistet. Gleichzeitig wiesen wir darauf hin, dass die EZB-Leitzinsen zwar unser wichtigstes Instrument bei der Festlegung des geldpolitischen Kurses sind, dass wir aber die APP-Wertpapierbestände ab März 2023 in einem maßvollen und vorhersehbaren Tempo reduzieren werden. Dem war ein Beschluss im Oktober vorausgegangen, die Bedingungen der dritten Reihe unserer gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) zu rekalibrieren. Durch die Rekalibrierung wurden Hinderungsgründe für eine freiwillige vorzeitige Rückzahlung ausstehender GLRG-III-Mittel beseitigt. Zwischen Ende Juni (als der Nettoerwerb von Vermögenswerten auslief) und Ende Dezember reduzierten sich die zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Wertpapiere in unserer Bilanz um rund 830 Mrd. €, was zur Normalisierung unserer Bilanz beitrug.

Zusätzlich zur Bekämpfung der hohen Inflation setzen wir uns im Berichtsjahr weiterhin aktiv mit der umfassenderen Bedrohung auseinander, die sich aus dem Klimawandel für unser Mandat ergibt. Wir ergriffen weitere Schritte, um Klimaschutzaspekten in unseren geldpolitischen Geschäften Rechnung zu tragen. So führten wir einen ersten Klimastresstest für verschiedene Finanzrisikopositionen in unserer Bilanz durch und machten Fortschritte bei der besseren Erfassung der Auswirkungen des Klimawandels in unseren makroökonomischen Modellen. Im Oktober begannen wir mit der Dekarbonisierung der Unternehmensanleihen in unseren zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Portfolios, indem wir diese stärker auf Emittenten mit einer besseren Klimaleistung ausrichteten. Darüber hinaus beschlossen wir, den Anteil der Vermögenswerte zu begrenzen, die von nichtfinanziellen Unternehmen mit großem CO2-Fußabdruck begeben werden und die Geschäftspartner für beim Eurosystem aufgenommene Kredite als Sicherheiten hinterlegen können.

Im Bereich der Zahlungssysteme und Marktinfrastrukturen setzten wir 2022 unsere Anstrengungen fort, um bei der technologischen Entwicklung weiterhin an der Spitze zu bleiben. Unter anderem bereiteten wir den Übergang von TARGET2 zu einem neuen, modernisierten Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem vor und ergriffen mehrere Maßnahmen zur Gewährleistung der europaweiten Erreichbarkeit von Zahlungsdienstleistern im Rahmen von TARGET Instant Payment Settlement (TIPS). Echtzeitzahlungen über TIPS legten 2022 gegenüber dem Vorjahr um das 17-Fache zu.

Darüber hinaus jährte sich 2022 die Einführung der Euro-Banknoten und -Münzen zum zwanzigsten Mal, ein Meilenstein in der europäischen Geschichte und ein greifbares Symbol der europäischen Integration. Bargeld ist und bleibt für die Menschen in Europa das am häufigsten verwendete Zahlungsmittel: Fast 60 % aller Zahlungen werden in bar abgewickelt, und es besteht kein Zweifel, dass Bargeld auch weiterhin eine wichtige Rolle im Leben der Menschen spielen wird. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung der Wirtschaft müssen wir jedoch dafür sorgen, dass die Menschen in Europa auch Zugang zu sicheren, effizienten und bequemen digitalen Zahlungsmethoden haben. Aus diesem Grund prüft das Eurosystem die mögliche Einführung eines digitalen Euro. Im Rahmen der laufenden Untersuchungsphase verständigte man sich im Eurosystem im Jahr 2022 auf die wichtigsten Anwendungsfälle für einen digitalen Euro und traf mehrere grundlegende Entscheidungen über seine Ausgestaltung.

Zum Jahreswechsel ist das Euro-Währungsgebiet noch einmal größer geworden: Seit dem 1. Januar 2023 ist Kroatien das jüngste Mitglied. Dies zeigt, dass der Euro nach wie vor eine attraktive Währung ist, die den Mitgliedstaaten Stabilität bringt.

Ohne den engagierten Einsatz der Beschäftigten der EZB und ihre Entschlossenheit, den Menschen in Europa zu dienen, wäre all dies nicht möglich gewesen.

Frankfurt am Main im Mai 2023

Christine Lagarde

Präsidentin

Das Jahr in Zahlen

1 Hohe Inflation bei zunehmender Unsicherheit und schwächerem Wachstum

Im Jahr 2022 kam es zu einer Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums. Der Überfall Russlands auf die Ukraine, die hohe Inflation und die restriktiveren Finanzierungsbedingungen belasteten die Wirtschaft sowohl in den Industrie- als auch den Schwellenländern. Der Inflationsdruck stieg weltweit deutlich an. Dafür verantwortlich waren hohe und volatile Rohstoffpreise, globale Lieferengpässe und eine angespannte Lage an den Arbeitsmärkten. Der Euro schwächte sich gegenüber dem US-Dollar ab, wertete aber gegenüber vielen anderen Währungen auf. In nominaler effektiver Rechnung entwickelte er sich daher stabiler.

Die Teuerungsrate im Eurogebiet erhöhte sich von 2,6 % im Jahr 2021 auf 8,4 % im Berichtsjahr. Darin spiegelte sich im Wesentlichen die Erhöhung der Energie- und Nahrungsmittelpreise aufgrund des Krieges in der Ukraine wider. Der Preisdruck nahm in vielen Wirtschaftssektoren zu, wofür zuvor entstandene Lieferengpässe, ein gewisser Nachfragestau infolge der Corona-Pandemie sowie hohe energiepreisbedingte Vorleistungskosten in der Produktion verantwortlich waren. Nach einer guten Entwicklung in der ersten Jahreshälfte, in der insbesondere der Dienstleistungssektor von der Aufhebung der pandemiebedingten Beschränkungen profitierte, verlangsamte sich das Wachstum im Eurogebiet, was vor allem auf die Folgen des Krieges in der Ukraine zurückzuführen war.

1.1 Konjunkturelle Abkühlung in den Industrie- und Schwellenländern

Krieg in der Ukraine belastete globales Wirtschaftswachstum durch höhere Unsicherheit und Inflation

Die durch den Krieg in der Ukraine und andere geopolitische Faktoren ausgelöste Unsicherheit sowie die steigende Inflation und die restriktiveren Finanzierungsbedingungen führten dazu, dass sich das Weltwirtschaftswachstum von 6,4 % im Jahr 2021 auf 3,4 % im Berichtsjahr verringerte. Die konjunkturelle Abkühlung war breit angelegt und betraf sowohl Industrie- als auch Schwellenländer (siehe Abbildung 1.1, Grafik a), nachdem sich die Wirtschaft 2021 vor allem wegen der Lockerung pandemiebedingter Einschränkungen und der anschließenden Zunahme der globalen Nachfrage noch kräftig erholt hatte. Der Kriegsausbruch in der Ukraine Anfang 2022 brachte einen weiteren großen Schock für die Weltwirtschaft mit sich. Infolgedessen stiegen die Rohstoffpreise unter hoher Volatilität sprunghaft an, und die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln geriet insbesondere in den Schwellenländern in Gefahr. Die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise verstärkten den Inflationsdruck weltweit, wodurch das real verfügbare Einkommen der privaten Haushalte schrumpfte. Daher sahen sich die Zentralbanken veranlasst, die geldpolitischen Zügel rasch anzuziehen. In einem Umfeld steigender Zinsen, fallender Aktienkurse und erhöhter Risikoaversion kam es zu einer deutlichen Verschärfung der globalen Finanzierungsbedingungen.

Abbildung 1.1

Entwicklung des globalen BIP und des Welthandels

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quellen: Haver Analytics, nationale Quellen und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Abbildung a: Die Aggregate sind anhand des BIP zu Kaufkraftparitäten berechnet. Die Balken veranschaulichen die entsprechenden Daten. Die gestrichelten Linien stellen den langfristigen Durchschnitt von 1999 bis 2022 dar. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das Jahr 2022 und wurden am 18. April 2023 aktualisiert. Abbildung b: Das Wachstum des Welthandels wird als Anstieg der weltweiten Einfuhren (einschließlich Euroraum) gemessen. Die Balken veranschaulichen die entsprechenden Daten. Die gestrichelten Linien stellen den langfristigen Durchschnitt von 1999 bis 2022 dar. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das Jahr 2022 und wurden am 18. April 2023 aktualisiert.

Wachstum des Welthandels verlangsamte sich 2022

Das Wachstum des Welthandels verlangsamte sich 2022, wenngleich es weiterhin rascher zunahm als im historischen Durchschnitt (siehe Abbildung 1.1, Grafik b). Maßgeblich für diese Verlangsamung war die schwache Aktivität im verarbeitenden Gewerbe. Im ersten Halbjahr konnte sich der internationale Handel noch recht gut behaupten: Durch die Erholung der Reise- und Verkehrsdienstleistungen nach der Aufhebung der Corona-Maßnahmen wurden die Folgen des Krieges in der Ukraine und die anhaltenden globalen Lieferengpässe zum Teil abgefedert. Im zweiten Halbjahr schwächte sich der Handel jedoch deutlich ab, wofür insbesondere geringere Einfuhren aus den Schwellenländern verantwortlich waren. Der Ausbau globaler Wertschöpfungsketten stagniert seit der Weltfinanzkrise. Zudem haben die Pandemie und geopolitische Entwicklungen Unternehmen vermehrt dazu veranlasst, wieder im Inland zu produzieren und ihre Bezugsquellen zu diversifizieren. Dies könnte in der Folge zu einer Fragmentierung der globalen Wertschöpfungsketten führen.

Gesamtinflation und Inflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel weltweit deutlich gestiegen

Der globale Inflationsdruck, der sowohl in der Gesamtinflation als auch in der Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel zum Ausdruck kommt, erhöhte sich 2022 beträchtlich (siehe Abbildung 1.2). Verstärkt wurde der Preisauftrieb durch hohe und volatile Rohstoffpreise, weltweite Lieferengpässe, länger anhaltende Effekte infolge des Wiederhochfahrens der Wirtschaft nach der Pandemie und eine angespannte Lage an den Arbeitsmärkten. In den Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erreichte die Gesamtinflation im Oktober mit 10,7 % einen Höchststand, bevor ein Rückgang einsetzte. Auch die ohne Energie und Nahrungsmittel gerechnete Teuerungsrate verzeichnete im selben Monat einen Höchstwert und lag bei 7,8 %. Der im ersten Halbjahr beobachtete Inflationsschub war in den meisten Ländern hauptsächlich der Rohstoffverteuerung geschuldet. Dass die Inflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel im späteren Jahresverlauf zulegte, ließ auf einen zunehmend breit angelegten Preisdruck schließen. Dies galt sowohl für die Industrie- als auch die Schwellenländer. Der zugrunde liegende Inflationsdruck wurde überdies durch den steigenden Lohndruck verstärkt, da die Arbeitsmarktlage in wichtigen Industrieländern trotz der weltweiten Abkühlung der Konjunktur angespannt blieb.

Abbildung 1.2

Inflationsraten im OECD-Raum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Monatswerte)

Quelle: OECD.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2022 und wurden am 18. April 2023 aktualisiert.

Energiepreise erhöhten sich nach Invasion Russlands in der Ukraine und gingen dann angesichts einer schwächeren Energienachfrage und steigender Flüssiggasimporte in gewissem Umfang zurück

Die Energiepreise zogen 2022 kräftig an, gaben aber zum Jahresende hin wieder etwas nach. Rohöl verteuerte sich um 6 %. Grund hierfür waren Lieferengpässe, die im Wesentlichen durch die russische Invasion in der Ukraine bedingt waren und im Frühjahr zu einem sprunghaften Anstieg der Ölpreise führten. Aufgrund der weltweiten Konjunkturabkühlung und der Lockdowns in China bildete sich die Nachfrage zurück. Diese Faktoren wirkten den Lieferengpässen zum Teil entgegen. Der Angriff auf die Ukraine und die verminderten Gaslieferungen nach Europa führten auch zu einem beispiellosen Anstieg der europäischen Gaspreise. Diese notierten unmittelbar nach der russischen Invasion mehr als 240 % höher als zu Jahresbeginn. Die massive Verteuerung von Gas wirkte sich erheblich auf die europäischen Energiepreise im Allgemeinen aus, da sie auch zu einer Erhöhung der Großhandelspreise für Strom führte. Im Schlussquartal 2022 schwächten sich die Gaspreise wieder ab, da durch die zunehmende Einfuhr von Flüssiggas und Maßnahmen zur Verringerung des Gasverbrauchs die Gasspeicher in der EU zu Beginn der Heizperiode gut gefüllt waren. Zum Jahresende lagen die Gasnotierungen damit auf einem ähnlichen Niveau wie vor der russischen Invasion, aber immer noch 14 % über dem Stand am Jahresanfang.

Euro wertete gegenüber dem US-Dollar ab, zeigte sich aber in nominaler effektiver Rechnung stabiler

Der Euro büßte im Berichtsjahr 6 % an Wert gegenüber dem US-Dollar ein. In nominaler effektiver Rechnung zeigte er sich stabiler (+0,8 %), wenngleich er über das Jahr hinweg erheblichen Schwankungen unterlag. Der Wechselkurs des US-Dollar erhöhte sich gegenüber den meisten anderen Währungen, da die US-Notenbank die Geldpolitik straffte und die Risikostimmung weltweit gedämpft war. Zudem setzten die hohen Energiepreise und die sich eintrübenden Konjunkturaussichten für den Euroraum den Euro unter Druck. Im Verhältnis zu anderen wichtigen Währungen wie dem Pfund Sterling, dem japanischen Yen und dem chinesischen Renminbi wertete der Euro indes auf.

In einem Umfeld hoher Unsicherheit prägten Ende 2022 vor allem folgende Risiken den globalen Wirtschaftsausblick: stärkere Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, Ansteckungseffekte einer deutlicheren Konjunkturabkühlung in China und restriktivere Finanzierungsbedingungen aufgrund einer rascheren Rücknahme geldpolitischer Impulse in wichtigen Industrienationen. Letzteres könnte möglicherweise zu größeren Kapitalabflüssen aus Schwellenländern und zu Störungen an den Finanzmärkten führen. Zudem blieben die internationalen Rohstoffmärkte anfällig für angebotsseitige Risiken. Höhere Rohstoffpreise und ein stärkeres Durchwirken auf die Verbraucherpreise würden die Kaufkraft noch deutlich mehr schwächen und könnten die globale Nachfrage belasten. Auch erneuter Druck auf die internationalen Lieferketten und eine zunehmende Fragmentierung des globalen Handelssystems könnten das Wachstum beeinträchtigen und die Inflation anheizen.

1.2 Wachstum im Euroraum schwächte sich im Jahresverlauf 2022 deutlich ab

Die Wirtschaft erholte sich 2022 weiter von der pandemiebedingten Rezession. Nach einem Zuwachs von 5,3 % im Jahr 2021 erhöhte sich das reale BIP des Euroraums im Berichtsjahr um 3,5 % (siehe Abbildung 1.3), wofür hauptsächlich ein robuster Beitrag der Binnennachfrage verantwortlich war. Am Jahresende lag die Wirtschaftsleistung im Euroraum 2,4 % über dem vor der Pandemie im Schlussquartal 2019 verzeichneten Niveau. Die Wachstumsdynamik variierte jedoch von Land zu Land erheblich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Länder unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen aufweisen und unterschiedlich stark von der Wiedereröffnung des Dienstleistungssektors profitierten bzw. von der Invasion Russlands in der Ukraine betroffen waren. Als die kräftige Erholung der Nachfrage nach kontaktintensiven Dienstleistungen im ersten Halbjahr an Schwung verlor, wirkten sich die sprunghaft steigenden Energiepreise allmählich dämpfend auf die Ausgaben und die Produktion in der gesamten Volkswirtschaft aus. Vor dem Hintergrund hoher wirtschaftlicher Unsicherheit und sinkenden Vertrauens der Unternehmen und der privaten Haushalte wurde die Wirtschaft des Euroraums zusätzlich durch die rückläufige weltweite Nachfrage und die in vielen großen Volkswirtschaften restriktivere Geldpolitik gebremst.

Abbildung 1.3

Reales BIP im Euroraum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quelle: Eurostat.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf 2022.

Unterstützung durch Geldpolitik wurde zurückgenommen, während Finanzpolitik Maßnahmen zum Schutz vor steigenden Energiepreisen ergriff

Während 2022 die geldpolitische Unterstützung zurückgefahren wurde, ergriffen die Regierungen verstärkt finanzpolitische Maßnahmen zum Schutz vor steigenden Energiepreisen. Auch wenn die Normalisierung des geldpolitischen Kurses bereits im Dezember 2021 eingeläutet worden war, blieb die Geldpolitik insgesamt – insbesondere im ersten Halbjahr 2022 – noch akkommodierend. Im zweiten Halbjahr wurde die geldpolitische Unterstützung dann allerdings rasch und mittels historisch großer Zinsschritte zurückgenommen (siehe Kapitel 2 Abschnitt 1). Derweil ergriffen die Regierungen im Euroraum finanzpolitische Maßnahmen, um die Folgen der hohen Energiepreise abzumildern. Diese Maßnahmen waren jedoch zumeist nicht zielgenau genug auf den Schutz der vulnerabelsten privaten Haushalte und Unternehmen ausgerichtet. Rund die Hälfte der Maßnahmen wirkte sich auf die Grenzkosten des Energieverbrauchs aus und war nicht darauf zugeschnitten, dass Anreize zur Verringerung des Energieverbrauchs bestehen bleiben. Zugleich wurden weiterhin strukturpolitische Maßnahmen verfolgt, um das Wachstumspotenzial des Euroraums zu erhöhen. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistete die fortlaufende Umsetzung der Investitions- und Strukturreformpläne der Mitgliedstaaten im Rahmen des Programms „Next Generation EU“ (NGEU).

Privater Konsum durch mehrere Schocks belastet, aber insgesamt robust

Das Wachstum der privaten Konsumausgaben erwies sich 2022 als robust, da das Arbeitseinkommen stabil blieb und die aufgestaute Nachfrage durch Ersparnisse gestützt wurde (siehe Abbildung 1.4). Zur positiven Dynamik trug hauptsächlich der Konsum von Dienstleistungen bei, der nach dem Fallen der pandemiebedingten Einschränkungen kräftig zulegte. Im Jahresverlauf verlangsamte sich jedoch das Wachstum der privaten Konsumausgaben. Grund hierfür waren geringe Ausgaben für Verbrauchsgüter vor dem Hintergrund des nachlassenden Wachstums der real verfügbaren Einkommen und der anhaltenden Unsicherheit. Insgesamt erhöhten sich die Ausgaben der privaten Haushalte im Berichtsjahr um 4,3 %. Infolge des kräftigen Beschäftigungswachstums und der allmählichen Beschleunigung des Lohnwachstums hatte das Arbeitseinkommen, das in der Regel eher für Konsumausgaben verwendet wird als andere Einkommensarten, im Berichtsjahr den größten Anteil am Anstieg des verfügbaren Einkommens. Die steigende Inflation wirkte sich jedoch zum Jahresende hin zunehmend dämpfend auf das real verfügbare Einkommen aus und hob somit auch die günstigen Effekte des robusten Arbeitsmarkts und der finanzpolitischen Unterstützung auf.

Abbildung 1.4

Reale private Konsumausgaben im Euroraum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2022.

Vor dem Hintergrund hoher Unsicherheit hemmten steigende Energie- und Finanzierungskosten die Investitionen

Das Wachstum der Investitionen außerhalb des Baugewerbes, das einen Näherungswert für die privaten Investitionen (ohne Wohnungsbau) darstellt, schwankte 2022 erheblich (siehe Abbildung 1.5).[1] Lässt man die besonders volatile Komponente der irischen immateriellen Investitionen[2] außer Acht, so verlangsamte sich das Wachstum der Investitionen außerhalb des Baugewerbes im gesamten Berichtsjahr. Der Jahresauftakt war vielversprechend: Durch die Aufhebung pandemiebedingter Einschränkungen war die Nachfrage hoch, die Unternehmensgewinne waren robust und die Finanzierungsbedingungen günstig. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise sowie die Rücknahme geldpolitischer Impulse führten allerdings zu steigenden Energie- und Finanzierungskosten der Unternehmen. Dadurch und weil sich die inländische und weltweite Nachfrage in einem Umfeld hoher Unsicherheit abschwächte, verringerten sich auch die Investitionsanreize für die Unternehmen. Die Investitionen ohne Bauten lagen somit Ende 2022 deutlich unter dem Niveau des vierten Quartals 2019, das allerdings durch einen deutlichen Anstieg der immateriellen Investitionen begünstigt worden war. Ohne Berücksichtigung der immateriellen Investitionen in Irland hatten die Investitionen außerhalb des Baugewerbes bereits Ende 2020 wieder aufgeholt. Insgesamt nahmen sie 2022 um 5,2 % zu.

Abbildung 1.5

Sachinvestitionen im Euroraum

(Veränderung gegen Vorquartal in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2022.

Die Wohnungsbauinvestitionen nahmen im ersten Quartal 2022 kräftig zu, da die günstigen Finanzierungsbedingungen, die umfangreichen angesammelten Ersparnisse und Maßnahmen zur Einkommensstützung die Nachfrage nach Wohnimmobilien begünstigten. In den folgenden Quartalen gingen die Wohnungsbauinvestitionen jedoch zurück, denn die Nachfrage schwächte sich aufgrund steigender Hypothekenzinsen und der Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ab. Zugleich wurde das Angebot durch rapide zunehmende Kosten infolge von Material- und Arbeitskräftemangel beeinträchtigt. Ende 2022 lagen die Wohnungsbauinvestitionen rund 3 % über ihrem Vorpandemieniveau, die Zunahme im Verlauf des Berichtsjahrs betrug insgesamt 1,1 %.

Handel durch höhere Energiekosten, Lieferengpässe und nachlassende weltweite Nachfrage beeinträchtigt

Die Warenhandelsbilanz des Euroraums kehrte sich 2022 ins Negative, was im Wesentlichen den höheren Kosten für Energieimporte und der verhaltenen Exportleistung geschuldet war. Das kräftige Wachstum der Einfuhren, das durch die Bevorratung mit Energie und den zunehmenden Import von Vorleistungsgütern angekurbelt wurde, ging mit stark steigenden Preisen insbesondere für Energieimporte einher. Die Warenausfuhren wurden durch eine erneute Verschärfung der Lieferkettenengpässe im ersten Halbjahr 2022 beeinträchtigt. Da die weltweite Nachfrage rückläufig war und sich die Lieferkettenstörungen nur allmählich verringerten, entwickelte sich die Ausfuhr von Waren auch in der Folge verhalten. Der Export von Dienstleistungen, insbesondere im Tourismus, profitierte hingegen von der Lockerung und allmählichen Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen. Insgesamt leistete der Handel im Berichtsjahr einen weitgehend neutralen Beitrag zum BIP-Wachstum im Euroraum.

Arbeitsmärkte

Arbeitsmarkt 2022 insgesamt weiterhin robust

Im Zuge der wirtschaftlichen Belebung im Euroraum erholte sich der Arbeitsmarkt weiter spürbar von der Pandemie. Im vierten Quartal 2022 übertrafen die Gesamtbeschäftigung und die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden die entsprechenden Werte vom vierten Quartal 2019 um 2,3 % bzw. 0,6 % (siehe Abbildung 1.6). Die Erwerbsbeteiligung in der Altersgruppe der 15- bis 74-Jährigen erhöhte sich im vierten Quartal auf 65,2 %. Sie lag damit 0,5 Prozentpunkte über ihrem Stand vom Schlussquartal 2019. Im Einklang mit dem Beschäftigungswachstum sank die Arbeitslosenquote weiter von einem bereits historisch niedrigen Niveau von 6,9 % im Januar 2022 auf 6,7 % Ende 2022 (siehe Abbildung 1.7). Programme zur Arbeitsplatzsicherung, durch die sich Entlassungen während der Krise in Grenzen gehalten hatten, wurden weniger stark in Anspruch genommen. Die an den Programmen teilnehmenden Arbeitskräfte kehrten weitgehend wieder zu ihren normalen Arbeitszeiten zurück.

Abbildung 1.6

Beschäftigung, Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und Erwerbsbeteiligung

(linke Skala: Index, Q4 2019 = 100; rechte Skala: in % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2022.

Abbildung 1.7

Arbeitslosenquote und Erwerbspersonenzahl

(linke Skala: Veränderung gegen Vorquartal in %, Beiträge in Prozentpunkten; rechte Skala: in % der Erwerbspersonen)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2022.

Im Berichtsjahr blieb der Arbeitsmarkt im Eurogebiet trotz des russischen Krieges in der Ukraine insgesamt robust, worauf auch die anhaltend hohe Zahl an offenen Stellen zum Jahresende hindeutete. Im zweiten Halbjahr schwächten sich die Dynamik am Arbeitsmarkt und die Umfrageindikatoren der Arbeitsnachfrage allerdings ab. In Kasten 1 wird die Arbeitsmarktentwicklung in den Vereinigten Staaten und im Euroraum verglichen. Ziel ist ein besseres Verständnis davon, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei den Determinanten der Erholung von der Pandemie und bei den Aussichten für die Beschäftigungs- und Lohnentwicklung bestehen.

1.3 Finanzpolitische Maßnahmen zur Bewältigung der durch die Lebenshaltungskosten verursachten Krise

Gesamtstaatliche Defizitquote im Euroraum sank 2022 aufgrund des Auslaufens pandemiebedingter Maßnahmen; neue Unterstützungsmaßnahmen hatten geringeren Umfang

Im Jahr 2022 mussten die Regierungen der Euro-Länder das dritte Jahr in Folge mit finanzpolitischen Maßnahmen auf neue Herausforderungen reagieren. Im Berichtsjahr sank die Defizitquote im Eurogebiet auf 3,5 % (nach 5,1 % im Jahr 2021), da die pandemiebedingten Unterstützungsmaßnahmen ausliefen und nur zum Teil durch neue Maßnahmen ersetzt wurden (siehe Abbildung 1.8). Letztere sollten der Verteuerung von Energie und deren Folgen, d. h. den höheren Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte sowie den gestiegenen Kosten für Unternehmen, entgegenwirken. Zu einem geringeren Teil wurden damit auch Ausgaben im Zusammenhang mit Russlands Krieg in der Ukraine finanziert. Die genannten Entwicklungen kommen auch im fiskalischen Kurs zum Ausdruck, der 2022 wie auch bereits im Jahr zuvor moderat gestrafft wurde.[3] Die Lockerung im Jahr 2020 wurde damit aber bislang nur zu einem guten Drittel zurückgenommen (siehe Abbildung 1.8).

Abbildung 1.8

Öffentlicher Finanzierungssaldo und fiskalischer Kurs im Euroraum

(in % des BIP)

Quellen: Euroraum-Projektionen von Fachleuten des Eurosystems vom Dezember 2022 und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Messgröße für den fiskalischen Kurs berücksichtigt Ausgaben, die über die Aufbau- und Resilienzfazilität von NGEU und andere EU-Strukturfonds finanziert werden.

Inflations- und kriegsbedingte Maßnahmen waren jedoch umfangreich und breit angelegt

Als die Energiepreise Ende 2021 stärker zu steigen begannen, ergriffen die Euro-Länder Unterstützungsmaßnahmen im Umfang von rund 0,2 % des BIP. Dazu zählten Subventionen, die Senkung indirekter Steuern und Transferzahlungen an private Haushalte und Unternehmen. Im Berichtsjahr weiteten die Regierungen diese Maßnahmen aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine rasch auf rund 1,9 % des BIP aus (siehe Abbildung 1.9); darunter fielen auch Vermögenstransfers an energieproduzierende Unternehmen. Zudem ließen unter anderem die Aufwendungen für Flüchtlinge sowie Militärausgaben die staatlichen Unterstützungen um 0,2 % des BIP steigen. Gegenfinanziert wurde die energie- und inflationsbedingte Unterstützung nur in geringem Umfang, beispielsweise durch die Anhebung der direkten Steuern für Energieerzeuger, die unerwartet hohe Gewinne erwirtschafteten. Der Nettoeffekt auf die öffentlichen Haushalte war daher beträchtlich und belief sich auf rund 1,7 % des BIP. In der Bruttobetrachtung betrug die gesamte diskretionäre Unterstützung (energie- und inflationsbedingte Maßnahmen, Aufwendungen für Flüchtlinge sowie Militärausgaben) 2,1 % bzw. abzüglich Neufinanzierung 1,9 % des euroraumweiten BIP (siehe Abbildung 1.10).

Abbildung 1.9

Haushaltspolitische Maßnahmen im Euroraum im Zusammenhang mit hohen Energiepreisen und Inflationsraten

(in % des BIP; Höhe pro Jahr)

Quellen: Euroraum-Projektionen von Fachleuten des Eurosystems vom Dezember 2022 und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Positive Werte kennzeichnen finanzpolitische Unterstützungsmaßnahmen. Die Balken und der Gesamtumfang weisen Bruttowerte aus. Der Nettoeffekt zeigt die kategorienbezogene Bruttounterstützung abzüglich der diskretionären Finanzierungsmaßnahmen (ermittelt von Fachleuten des Eurosystems).

Abbildung 1.10

Haushaltspolitische Maßnahmen im Euroraum im Zusammenhang mit hohen Energiepreisen und Inflationsraten sowie mit dem Krieg Russlands in der Ukraine

(in % des BIP 2022; Höhe pro Jahr)

Quellen: Euroraum-Projektionen von Fachleuten des Eurosystems vom Dezember 2022 und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Positive Werte kennzeichnen finanzpolitische Unterstützungsmaßnahmen. Die Balken und der Gesamtumfang weisen Bruttowerte aus. Der Nettoeffekt zeigt die kategorienbezogene Bruttounterstützung abzüglich der diskretionären Finanzierungsmaßnahmen (ermittelt von Fachleuten des Eurosystems).

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen nur begrenzt zielgerichtet

Unterstützungsmaßnahmen sollten zeitlich befristet und zielgenau auf die vulnerabelsten privaten Haushalte und Unternehmen ausgerichtet sein. Zudem sollten sie so zugeschnitten sein, dass die Anreize zur Verringerung des Energieverbrauchs gewahrt bleiben. Werden die Maßnahmen den genannten Grundsätzen nicht gerecht, dürften sie den mittelfristigen Inflationsdruck verschärfen und somit eine stärkere geldpolitische Reaktion erforderlich machen. Des Weiteren würden die öffentlichen Finanzen belastet. Da nur ein kleiner Teil der Maßnahmen zielgerichtet war (12 % gemäß den gesamtwirtschaftlichen Projektionen des Eurosystems vom Dezember 2022[4]), ist es wichtig, dass die Regierungen diese Maßnahmen entsprechend anpassen.

Reihe von Schocks für öffentliche Finanzen erfordert mittelfristig umsichtige Finanzpolitik

Die Pandemie, der russische Krieg in der Ukraine und die öffentlichen Ausgaben zum Ausgleich der hohen Inflationsraten stellen eine Reihe schwerer Schocks für die öffentlichen Finanzen dar, die in einem Umfeld ohnehin erhöhter Schuldenquoten aufgetreten sind. Die Pandemie verursachte hohe Haushaltsbelastungen, und der Krieg in der Ukraine erhöht die Risiken für die Wachstumsaussichten. Wie sich der Inflationsschock insgesamt auf den öffentlichen Schuldenstand auswirken wird, ist hingegen weniger klar. Zwar werden die gestiegenen Steuereinnahmen die Schuldenquote etwas sinken lassen, doch hat die hohe Inflation zu einer geldpolitischen Normalisierung und damit zu steigenden Finanzierungskosten geführt. Darüber hinaus haben die Staatsausgaben die Tendenz, die Einnahmen schließlich einzuholen. Zugleich wirkt sich die Inflation negativ auf das BIP-Wachstum aus.

Druck auf öffentliche Finanzen dürfte zunehmen

Der Druck auf die öffentlichen Finanzen dürfte zunehmen. So ergeben sich etwa aus der Bevölkerungsalterung steigende Haushaltsbelastungen. Ferner ist es erforderlich, die Energiewende voranzutreiben und die Investitionen in eine umweltfreundlichere und stärker digitalisierte Wirtschaft zu erhöhen. Daher ist es wichtig, der gestiegenen Anfälligkeit der öffentlichen Finanzen im Euroraum sowohl durch wachstumsfreundliche Reformen als auch durch die schrittweise Senkung hoher Schuldenquoten zu begegnen. Hierzu bedarf es einer zügigen Umsetzung der Investitions- und Strukturreformpläne im Rahmen des Programms „Next Generation EU“ sowie einer auf Jahre hinaus umsichtigen Finanzpolitik.

1.4 Sprunghafter Anstieg der Inflation im Euroraum

Die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Gesamtinflation im Euroraum betrug 2022 durchschnittlich 8,4 % und hatte sich damit gegenüber dem Vorjahr (2,6 %) stark erhöht. Die Teuerung nahm im gesamten Jahresverlauf beträchtlich zu und wies in den letzten Monaten des Jahres hohe jährliche Änderungsraten von rund 10 % auf. Die Energiepreise waren der wichtigste Bestimmungsfaktor des Inflationsanstiegs. Aber auch die Nahrungsmittelpreise erhöhten sich immer stärker; dies war insbesondere nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar der Fall. Verstärkt wurde der Inflationsdruck durch die anhaltenden Lieferengpässe bei Industrieerzeugnissen, die Nachfrageerholung nach der Lockerung pandemiebedingter Einschränkungen insbesondere im Dienstleistungssektor und die Abwertung des Euro (siehe Abbildung 1.11). Insgesamt weitete sich der Preisdruck auf immer mehr Sektoren aus. Dies lag unter anderem daran, dass die hohen Energiekosten indirekt die gesamte Wirtschaft beeinflussten. Die Inflationsunterschiede zwischen den einzelnen Euro-Ländern nahmen ebenfalls erheblich zu. Ursächlich hierfür war, dass die Länder den Rohstoff- und Energiepreisschocks unterschiedlich stark ausgesetzt waren. Auch die meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation stiegen im Jahresverlauf deutlich an. Ende 2022 ging man allerdings davon aus, dass sich die Faktoren, die den Inflationsschub ausgelöst hatten, abschwächen würden und die Inflation im Jahresverlauf 2023 nachlassen werde.

Abbildung 1.11

Gesamtinflation und Beiträge der Hauptkomponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2022.

Energie- und Nahrungsmittelpreise ausschlaggebend für Inflationsschub

Der Anstieg der durchschnittlichen Gesamtinflation im Jahresverlauf 2022 war fast zur Hälfte auf den direkten Effekt der Energiepreisentwicklung zurückzuführen. Der Preisauftrieb bei Energie war bereits zu Jahresbeginn hoch. Nach der russischen Invasion in die Ukraine verstärkte er sich wegen der Besorgnis über mögliche Störungen der Energieversorgung nochmals kräftig. Im Oktober belief sich die Teuerungsrate für Energie auf 41,5 %. Einen großen Beitrag dazu leisteten die Gas- und Strompreise, deren entsprechende Großhandelspreise sich von den Ölpreisen abgekoppelt hatten. Umfassende finanzpolitische Pakete der Euro-Länder trugen dazu bei, die kurzfristigen Auswirkungen der steigenden Energiepreise etwas zu dämpfen (siehe Kapitel 1 Abschnitt 3). Aufgrund des unterschiedlichen Umfangs dieser Maßnahmen verlief jedoch auch der Energiepreisanstieg in den einzelnen Euro-Ländern uneinheitlich. Die baltischen Staaten verzeichneten hier die höchsten Teuerungsraten. Die sprunghaft gestiegenen Energiekosten übten auch einen deutlichen, mit unterschiedlicher Verzögerung auftretenden Aufwärtsdruck auf die Nahrungsmittelpreise aus. Russlands Krieg in der Ukraine hatte überdies einen direkten Effekt auf die Nahrungsmittelpreise, denn beide Länder sind wichtige Exporteure von Weizen und von Mineralstoffen für die Düngemittelherstellung.[5] Der Beitrag der gesamten Nahrungsmittelkomponente zur HVPI-Gesamtinflation belief sich im Dezember 2022 auf 2,9 Prozentpunkte und lag damit deutlich über dem Niveau des Vorjahres. Grund hierfür waren gestiegene Preise bei den unverarbeiteten wie auch bei den verarbeiteten Nahrungsmitteln.

Erheblicher Anstieg der zugrunde liegenden Inflation mit Anzeichen einer Abflachung zum Jahresende

Sämtliche Indikatoren der zugrunde liegenden Inflation erhöhten sich im Jahresverlauf 2022 deutlich. Zum Jahresende hin zeichnete sich allerdings eine gewisse Abflachung ab. Die am HVPI gemessene Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel lag zu Jahresbeginn bei 2,3 % und damit bereits über dem Inflationsziel der EZB. Bis Dezember stieg sie auf 5,2 %. Im Durchschnitt erhöhte sich die Teuerung bei den Industrieerzeugnissen ohne Energie und bei den Dienstleistungen im Berichtsjahr auf 4,6 % bzw. 3,5 %. Der Preisauftrieb war dabei zum Großteil auf dieselben Faktoren zurückzuführen, nämlich eine sehr kräftige Erhöhung der Vorleistungskosten, die zum Teil mit den gestiegenen Preisen für Energierohstoffe zusammenhing, sowie pandemiebedingte Faktoren wie globale Lieferengpässe und die Effekte des Wiederhochfahrens der Wirtschaft. Zum Inflationsdruck trug auch die nahezu im gesamten Jahresverlauf verzeichnete Abwertung des Euro bei. Da die Lieferkettenstörungen in der zweiten Jahreshälfte 2022 allmählich nachließen und die Rohstoffpreise sanken, schwächte sich der Druck auf die vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette nach den Sommermonaten ab. Aufgrund verzögerter Weitergabeeffekte blieb die Inflation jedoch hoch. Der Nachfragestau nach der Aufhebung pandemiebedingter Einschränkungen trug zu einem günstigen Preissetzungsumfeld für Unternehmen bei. Dies betraf insbesondere die kontaktintensiven Dienstleistungen. Insgesamt wurde der Preisdruck immer hartnäckiger und war zunehmend breit angelegt. Dies führte dazu, dass alle Indikatoren der zugrunde liegenden Inflation anstiegen.

Zunehmender Lohndruck zum Jahresende angesichts guter Arbeitsmarktlage und eines gewissen Inflationsausgleichs

Der anhand des BIP-Deflators gemessene Kostendruck im Euroraum nahm 2022 im Schnitt um 4,7 % zu; damit setzte sich die 2021 begonnene Entwicklung fort (siehe Abbildung 1.12). Der Lohndruck blieb im ersten Halbjahr moderat, erhöhte sich dann jedoch zum Jahresende hin. Die Jahreswachstumsrate des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer stieg 2022 auf durchschnittlich 4,5 % an, nachdem sie im Jahr davor noch bei 3,9 % und in der Zeit vor der Pandemie (2015-2019) bei durchschnittlich 1,7 % gelegen hatte. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr war teilweise auf eine Zunahme der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden zurückzuführen, da der Effekt der Arbeitsplatzsicherungsprogramme nachließ. Die Tariflöhne, die weniger stark von den staatlichen Maßnahmen beeinflusst wurden, erhöhten sich 2022 im Schnitt um 2,8 % gegenüber dem Vorjahr. Dieser Zuwachs war etwas geringer als das tatsächliche Lohnwachstum, worin sich der gegen Jahresende zunehmende Lohndruck widerspiegelte. Im Berichtsjahr wurde dem Inflationsausgleich eine zunehmende Bedeutung bei den Lohnverhandlungen beigemessen, zumal die Arbeitsmärkte nach wie vor robust waren. Die höheren Arbeitskosten wurden zum Teil durch eine gesteigerte Arbeitsproduktivität ausgeglichen. Im Jahresverlauf leisteten die Gewinne je BIP-Einheit in den einzelnen Wirtschaftssektoren einen positiven Beitrag zum BIP-Deflator. Dies lässt darauf schließen, dass die Unternehmen die gestiegenen Vorleistungskosten auf die Verkaufspreise überwälzen konnten.

Abbildung 1.12

Aufschlüsselung des BIP-Deflators

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2022.

Längerfristige Inflationserwartungen abermals gestiegen, aber nach wie vor weitgehend beim Zielwert der EZB verankert

Die längerfristigen Inflationserwartungen professioneller Prognostikerinnen und Prognostiker, die Ende 2021 bei 1,9 % gelegen hatten, stiegen im Jahresverlauf leicht an und lagen im Schlussquartal 2022 bei 2,2 % (siehe Abbildung 1.13). Auch andere Umfragedaten, etwa aus der Umfrage unter geldpolitischen Analysten der EZB (Survey of Monetary Analysts) und jener von Consensus Economics, deuteten darauf hin, dass die Inflationserwartungen trotz der auf kurze Sicht höheren Erwartungen längerfristig bei 2 % oder knapp darüber verankert blieben. Angesichts der erwarteten Straffung der geldpolitischen Zügel waren die marktbasierten Messgrößen des längerfristigen Inflationsausgleichs, insbesondere der fünfjährige inflationsindexierte Termin-Swapsatz in fünf Jahren, zu Jahresbeginn gesunken. Nach Kriegsbeginn in der Ukraine nahmen sie dann aber allmählich wieder zu und lagen Ende Dezember bei 2,38 %. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass die marktbasierten Messgrößen des Inflationsausgleichs keinen direkten Indikator der tatsächlichen Inflationserwartungen der Marktteilnehmer darstellen, da sie Risikoprämien als Ausgleich für die Unsicherheit in Bezug auf die Preisdynamik enthalten.

Abbildung 1.13

Umfrage- und marktbasierte Indikatoren der Inflationserwartungen

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quellen: Eurostat, Refinitiv, Consensus Economics, Survey of Professional Forecasters (SPF) der EZB und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Zeitreihe der marktbasierten Indikatoren des Inflationsausgleichs basiert auf dem einjährigen Kassasatz inflationsindexierter Swaps und den einjährigen Terminsätzen in einem, zwei, drei und vier Jahren. Die jüngsten Angaben für die marktbasierten Indikatoren des Inflationsausgleichs beziehen sich auf den 30. Dezember 2022. Die SPF-Umfrage der EZB für das vierte Quartal 2022 wurde vom 30. September bis zum 6. Oktober 2022 durchgeführt. Die langfristigen Prognosen von Consensus Economics wurden per Oktober 2022 abgeschlossen, die SPF-Prognosen für 2022 und 2023 per Dezember 2022. Die jüngsten Angaben zur HVPI-Inflationsrate beziehen sich auf Dezember 2022.

1.5 Kredit- und Finanzierungsbedingungen wurden im Zuge der geldpolitischen Normalisierung verschärft

Geldpolitische Normalisierung führte zu höheren Anleiherenditen bei erheblicher Volatilität

Da der Inflationsdruck in der gesamten Wirtschaft zunahm (siehe Kapitel 1 Abschnitt 4), ergriff die EZB 2022 entschlossene Maßnahmen, um die Geldpolitik zu normalisieren und um zu verhindern, dass sich die längerfristigen Inflationserwartungen vom Zielwert von 2 % entankern (siehe Kapitel 2 Abschnitt 1). Die risikofreien Langfristzinsen waren volatiler als im Jahr 2021. Grund dafür war unter anderem die sehr hohe Unsicherheit in Bezug auf die Teuerung und die Reaktion der Währungsbehörden weltweit, einschließlich des Euroraums. Die langfristigen Renditen stiegen insgesamt an. Der BIP-gewichtete Durchschnitt der Renditen zehnjähriger Staatsanleihen aus dem Euroraum entwickelte sich dabei weitgehend im Gleichklang mit dem risikofreien Zinssatz (siehe Abbildung 1.14). Trotz einiger Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern hielten sich die Renditeabstände bei den Staatsanleihen insgesamt in Grenzen. Unter anderem war dies auf die Ankündigung des EZB-Rats im Juni zurückzuführen, die fälligen Tilgungsbeträge von Wertpapieren aus dem Pandemie-Notfallankaufprogramm flexibel wieder anzulegen. Eine Rolle spielte auch die Verabschiedung des Instruments zur Absicherung der Transmission im Juli (siehe Kapitel 2 Abschnitt 1). Die BIP-gewichtete durchschnittliche Nominalrendite zehnjähriger Staatsanleihen im Euroraum lag am 31. Dezember 2022 bei 3,26 % und damit fast 300 Basispunkte über ihrem Stand von Ende 2021.

Abbildung 1.14

Langfristige Zinssätze, Kosten der Kreditaufnahme von Unternehmen und Kosten von Wohnungsbaukrediten an private Haushalte

(in % p. a.)

Quellen: Bloomberg, Refinitiv und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Bei den Angaben handelt es sich um die BIP-gewichtete Durchschnittsrendite zehnjähriger Staatsanleihen (Tageswerte), den zehnjährigen Zinssatz für Tagesgeld-Swaps (Tageswerte), die Kosten der Kreditaufnahme nichtfinanzieller Unternehmen (Monatswerte) und die Kosten von Wohnungsbaukrediten an private Haushalte (Monatswerte). Die Indikatoren der Kreditkosten errechnen sich durch Aggregation der kurz- und langfristigen Kreditzinsen auf Basis des gleitenden 24-Monatsdurchschnitts des Neugeschäftsvolumens. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2022 (Tageswerte) bzw. Dezember 2022 (Monatswerte).

Restriktivere Finanzierungsbedingungen an den Anleihe- und Aktienmärkten

Die Aktienkurse gerieten durch die Erwartung steigender Zinsen und eines geringeren langfristigen Gewinnwachstums unter Abwärtsdruck. Sie waren im Berichtsjahr sehr volatil und gaben insgesamt nach. Die Gesamtindizes für Aktien nichtfinanzieller Unternehmen und der Banken im Euroraum waren am 31. Dezember 2022 rund 16 % bzw. 4,4 % niedriger als Ende 2021 (siehe Abbildung 1.15). Da auch die Renditen von Unternehmensanleihen sowohl im Investment-Grade- als auch im Hochzinssegment kräftig zulegten, verschärften sich die Finanzierungsbedingungen im Euroraum erheblich.

Abbildung 1.15

Aktienmarktindizes im Euroraum und in den Vereinigten Staaten

(Index: 1. Januar 2021 = 100)

Quellen: Bloomberg, Refinitiv und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Für den Euroraum sind der Refinitiv-Marktindex für nichtfinanzielle Unternehmen und der EURO STOXX Banks dargestellt, für die Vereinigten Staaten der Refinitiv-Marktindex für nichtfinanzielle Unternehmen und der S&P-Index für Banken. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 31. Dezember 2022.

Vor dem Hintergrund der geldpolitischen Normalisierung und der allgemeinen Marktentwicklung erhöhten sich die Refinanzierungskosten und die Kreditzinsen der Banken 2022 erheblich. Der allgemeine Aufwärtstrend der Bankanleiherenditen, die allmählich steigende Verzinsung von Kundeneinlagen sowie eine Änderung der Bedingungen der dritten Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) gegen Jahresende trugen zu den höheren Refinanzierungskosten der Banken bei. Dementsprechend stiegen auch die nominalen Kreditzinsen der Banken im Berichtsjahr auf ein Niveau, wie es zuletzt 2014 verzeichnet worden war. Aus der Umfrage zum Kreditgeschäft im Euroraum ging ferner hervor, dass die Banken ihre Kreditrichtlinien (d. h. die internen Richtlinien oder Kriterien für die Kreditgewährung) für Ausleihungen an private Haushalte und Unternehmen deutlich verschärften. Die gewichteten Bankzinsen für Wohnungsbaukredite an private Haushalte lagen Ende 2022 bei 2,94 % und waren damit insgesamt 163 Basispunkte höher als Ende 2021. Der gewichtete Zinssatz für Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen betrug indes 3,41 %, also 205 Basispunkte mehr als im Jahr zuvor (siehe Abbildung 1.14). Betrachtet man diese Entwicklungen in Relation zu den Änderungen der Leitzinsen der EZB, so entsprechen sie weitgehend der Entwicklung in früheren geldpolitischen Straffungsphasen. Die Unterschiede zwischen den Kreditzinsen der einzelnen Länder hielten sich dabei in Grenzen, was darauf schließen lässt, dass die Transmission der geldpolitischen Schritte der EZB im gesamten Euroraum reibungslos vonstattenging.

Nach Beschleunigung im ersten Halbjahr 2022 nachlassendes Wachstum sowohl bei Krediten an Privathaushalte als auch bei Unternehmenskrediten

Das Kreditwachstum nahm im ersten Halbjahr 2022 zu, nach den Sommermonaten schwächte sich das Neugeschäft aufgrund der restriktiveren Kreditbedingungen jedoch ab (siehe Abbildung 1.16). Die Jahreswachstumsrate der Bankkredite an private Haushalte ging im Berichtsjahr auf 3,8 % zurück; Gründe hierfür waren die steigenden Zinsen, restriktivere Kreditrichtlinien und gesunkenes Verbrauchervertrauen. Das Jahreswachstum der Bankkredite an Unternehmen beschleunigte sich 2022 auf 6,3 %, allerdings verbargen sich dahinter im Jahresverlauf unterschiedliche Entwicklungen. Das nominale Wachstum war fast im gesamten Jahresverlauf robust, wofür der anhaltende Finanzierungsbedarf für Betriebsmittel und die Lagerhaltung angesichts fortbestehender Lieferengpässe und erhöhter Kosten verantwortlich zeichneten. In den letzten Monaten des Jahres nahm die Kreditvergabe an Unternehmen allerdings aufgrund der Auswirkungen der verschärften Finanzierungsbedingungen auf Angebots- und Nachfragefaktoren markant ab. Auch die Nettoemission von Schuldverschreibungen, die sich für Unternehmen verteuert hatte, ging im Jahresverlauf zurück. Insgesamt war die Außenfinanzierung der nichtfinanziellen Unternehmen 2022 rückläufig, was vor allem auf den Rückgang bei den konzerninternen Krediten zurückzuführen war (siehe Abbildung 1.17). Darüber hinaus schätzten die Firmen die künftige Verfügbarkeit der meisten externen Finanzierungsquellen zunehmend pessimistisch ein (siehe Umfrage über den Zugang von Unternehmen zu Finanzmitteln).

Abbildung 1.16

M3-Wachstum und Wachstum der Kredite an nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Die zweite Linie zeigt das Wachstum der Kredite an den privaten Sektor. Definiert ist der private Sektor als nichtmonetäre Finanzinstitute ohne öffentliche Haushalte; er enthält im Wesentlichen nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf Dezember 2022.

Abbildung 1.17

Außenfinanzierung der nichtfinanziellen Unternehmen im Euroraum (netto)

(jährlicher Mittelzufluss in Mrd. €)

Quellen: EZB und Eurostat.
Anmerkung: MFI: monetäres Finanzinstitut. Nicht-MFIs in der Komponente „Kredite von Nicht-MFIs und der übrigen Welt“ umfassen sonstige Finanzintermediäre, Versicherungsgesellschaften und Pensionseinrichtungen. „MFI-Kredite“ und „Kredite von Nicht-MFIs und der übrigen Welt“ sind um Kreditverkäufe und -verbriefungen bereinigt. Bei „Sonstige“ handelt es sich um die Differenz zwischen dem Posten „Insgesamt“ und den in der Abbildung dargestellten Instrumenten. Darin enthalten sind v. a. konzerninterne Kredite und Handelskredite. Der jährliche Mittelzufluss wird als Vierquartalssumme der Stromgrößen berechnet. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2022.

M3-Wachstum verlangsamte sich, als die Nettoankäufe von Vermögenswerten durch das Eurosystem ausliefen und sich die Kreditschöpfung abschwächte

Der Aufbau von Einlagen verlangsamte sich gegenüber dem hohen Niveau in der Pandemie. Ursächlich hierfür waren vor allem die zunehmenden Kosten aufgrund der steigenden Preise sowie die Tatsache, dass alternative Sparformen im Zuge der Normalisierung der Geldpolitik höhere Renditen abwarfen. Das jährliche Wachstum der weit gefassten Geldmenge M3 verringerte sich im Berichtsjahr weiter auf 4,1 % (siehe Abbildung 1.16). Dies hatte mehrere Ursachen: die Beendigung der Nettoankäufe von Vermögenswerten durch das Eurosystem im Juli, eine geringere Kreditschöpfung im letzten Quartal 2022 und die monetären Nettoabflüsse in die übrige Welt, die mit den höheren Energiekosten im Euroraum zusammenhingen.

Kasten 1
Arbeitsmarktentwicklung im Euroraum und in den Vereinigten Staaten im Jahr 2022

Angesichts der im Berichtsjahr vorherrschenden hohen Unsicherheit spielten Arbeitsmarktanalysen bei der Beurteilung der Konjunkturlage und des Ausmaßes der wirtschaftlichen Unterauslastung eine wichtige Rolle. Im Folgenden werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Arbeitsmärkten im Euroraum und in den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Erholung von der Pandemie beleuchtet.

Entwicklung der geleisteten Gesamtarbeitsstunden

Im Berichtsjahr stieg die Zahl der geleisteten Gesamtarbeitsstunden sowohl im Euroraum als auch in den Vereinigten Staaten an und erreichte wieder ihr vor der Pandemie verzeichnetes Niveau. Allerdings verlief die hinter dieser Erholung stehende Entwicklung bei den Komponenten des Arbeitsangebots und der Arbeitsnachfrage nicht gleichförmig. Während die Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten wieder das Vorkrisenniveau erreichte und im Euroraum sogar niedriger war als vor der Krise, schien die Anspannung am Arbeitsmarkt (gemessen am Verhältnis der offenen Stellen zur Arbeitslosenzahl) trotzdem in den USA höher zu sein.[6] Zurückzuführen ist dies sowohl auf die verschiedenen wirtschaftspolitischen Reaktionen auf die Pandemie als auch auf strukturelle Unterschiede beim Angebot an und bei der Nachfrage nach Arbeitskräften in den beiden Volkswirtschaften.

Entwicklung der Arbeitsnachfrage

Im Jahr 2022 befanden sich die beiden Volkswirtschaften in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus. Die konjunkturbedingte Nachfrage nach Arbeitskräften war in den Vereinigten Staaten größer und somit auch zum Teil für die angespanntere Lage am Arbeitsmarkt verantwortlich. Die Wirtschaft im Eurogebiet erholte sich indessen später von ihrem pandemiebedingten Tiefstand als die US-amerikanische Wirtschaft. So erreichte das reale BIP im Euroraum erst im letzten Quartal 2021 wieder seinen Vorkrisenstand, in den Vereinigten Staaten hingegen bereits im ersten Quartal 2021. Bis zu einem gewissen Grad rührt dies von den im Vergleich zu den USA restriktiveren und großflächigeren Lockdown-Maßnahmen in vielen Euro-Ländern in der zweiten Pandemiewelle her. Auch war das Impftempo unterschiedlich. Noch wichtiger waren allerdings die Unterschiede im Ausmaß und in der Ausrichtung der finanzpolitischen Maßnahmen. Im Euroraum konzentrierte sich die Finanzpolitik darauf, durch die Unterstützung von Unternehmen Beschäftigungsverluste abzufedern. Darüber hinaus ließ man die automatischen Stabilisatoren wirken. In den Vereinigten Staaten fiel die finanzpolitische Unterstützung höher aus. Zudem lag der Fokus auf einer direkteren Förderung des Einkommens der privaten Haushalte (über Bürgerschecks und ein höheres Arbeitslosengeld) und somit des Konsums. Dementsprechend hinkten die privaten Konsumausgaben im Euroraum der gesamtwirtschaftlichen Aktivität sogar noch hinterher und erreichten erst im zweiten Quartal 2022 ihr Vorkrisenniveau.

Aus einer eher strukturellen Perspektive ist überdies zu beobachten, dass der US-amerikanische Arbeitsmarkt tendenziell stärker auf den Konjunkturzyklus reagiert als der Arbeitsmarkt im Euroraum. Messgrößen des „Churning“ (d. h. des Ausgleichs zwischen Personalzu‑ und ‑abgängen) zeigen, dass der Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten strukturell dynamischer ist. Die „Churningrate“ oder „Personalaustauschrate“ gibt den Anteil der Arbeitskräfte eines Unternehmens oder einer Organisation an, die in einem bestimmten Zeitraum ausscheiden und ersetzt werden. Eine grobe Messgröße der Churningrate deutet darauf hin, dass seit Beginn der 2000er-Jahre pro Monat durchschnittlich rund 4 % aller US-Arbeitskräfte ihren Arbeitsplatz wechselten. Für den Euroraum liegen keine Churningraten vor. Als Vergleichsgrundlage können am ehesten Statistiken über die zuletzt erfolgten Kündigungen und Neueinstellungen herangezogen werden. Darin sind jedoch auch Personen erfasst, die aus der Nichterwerbstätigkeit/Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung wechseln und umgekehrt. Aus diesen Statistiken geht hervor, dass die Zahl der Berufseinsteiger insbesondere im Jahr 2022 gestiegen ist, allerdings nicht so stark wie in den Vereinigten Staaten. Diese Entwicklung spiegelt sich in den beiden Wirtschaftsregionen auch in der Zahl der offenen Stellen wider: In den Vereinigten Staaten war sie im Berichtsjahr höher als im Eurogebiet (wobei es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Euro-Ländern gab[7]), denn im Euroraum lag der Fokus vor allem darauf, dass die vorhandenen Arbeitskräfte wieder zu ihren normalen Arbeitszeiten zurückkehrten (siehe Abbildung A).

Insgesamt erhöhte die stärkere strukturelle Dynamik des US-amerikanischen Arbeitsmarkts den Druck seitens der ohnehin schon robusteren Arbeitsnachfrage.

Abbildung A

Anspannung am Arbeitsmarkt im Euroraum und in den Vereinigten Staaten

(Verhältnis der offenen Stellen zur Arbeitslosenzahl)

Quellen: Eurostat, Haver Analytics, US Bureau of Labor Statistics und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Differenz bezieht sich auf den Wert für die Vereinigten Staaten abzüglich des Werts für den Euroraum. In Frankreich werden offene Stellen nur für Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten gemeldet. Im Euroraum wurden die Beschäftigungsverluste während der Pandemie durch die umfassende Nutzung von Programmen zur Arbeitsplatzsicherung abgefedert. Mitte 2022 wurden diese Programme allerdings nur noch in sehr geringem Umfang in Anspruch genommen. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf das vierte Quartal 2022.

Entwicklung des Arbeitsangebots

Während der Pandemie ging das Arbeitsangebot in den Vereinigten Staaten stärker zurück und erholte sich auch langsamer von seinem Tiefstand im zweiten Quartal 2020 als im Euroraum. Hierfür waren teilweise die voneinander abweichenden politischen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung verantwortlich. Erstens verlief die Erholung der Erwerbsbeteiligung in den Vereinigten Staaten schleppender. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass die höhere Zahl an Entlassungen in den Vereinigten Staaten manche Arbeitskräfte dazu veranlasste, aus dem Kreis der Erwerbstätigen auszuscheiden. Zugleich ermöglichten es die recht großzügigen Einkommenshilfen, länger dem Erwerbsleben fernzubleiben oder die Wiederaufnahme einer Beschäftigung erst ab einem höheren Gehalt in Betracht zu ziehen. Im gesamten Jahresverlauf 2022 verharrte die Erwerbsbeteiligung in den Vereinigten Staaten unter ihrem Vorpandemieniveau. Im Euroraum hingegen überschritt die Erwerbsquote den vor der Pandemie erreichten Stand sogar. Zweitens wird die jüngste Entwicklung der Erwerbsbeteiligung auch zum Teil durch langfristige Trends bestimmt. Im Lauf der Zeit hat sich der an der Erwerbspersonenzahl gemessene Anteil älterer Arbeitskräfte, die in der Regel weniger am Arbeitsmarkt präsent sind als jüngere, in beiden Wirtschaftsräumen erhöht. In Europa ging diese Veränderung mit einer positiven Entwicklung der Erwerbsbeteiligung aufgrund der steigenden Beschäftigtenzahlen von Frauen einher und wurde zudem durch Rentenreformen gefördert. Der Trend setzte sich in der Pandemie fort, sodass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Berichtsjahr zum Anstieg der Erwerbsbeteiligung beitrugen. In den Vereinigten Staaten hingegen wirkte sich die demografische Entwicklung 2022 negativ auf die Erwerbsbeteiligung aus. Abschließend ist anzumerken, dass die Nettozuwanderung von Arbeitskräften in beiden Regionen durch die Pandemie gebremst wurde. Infolge der Verschärfung der US-Einwanderungspolitik zwischen 2017 und 2020 hatte sie sich in den Vereinigten Staaten allerdings bereits vor der Pandemie abgeschwächt. Zuletzt hat die Nettozuwanderung diesseits und jenseits des Atlantik jedoch wieder deutlich zugenommen.

Lohnentwicklung

Die Differenz zwischen dem Lohnwachstum in den USA und im Euroraum hat in den letzten Jahren zugenommen. Im Berichtsjahr war dies besonders augenfällig. Erklären lässt sich dies zum Großteil durch die oben erläuterte unterschiedliche Entwicklung von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage. Ab dem zweiten Quartal 2020 stieg das nominale Lohnwachstum in den Vereinigten Staaten kräftig an; im zweiten Quartal 2022 betrug es – gemessen am Arbeitskostenindex (in der Privatwirtschaft) – 5,5 %. Seither hat es sich zwar abgeschwächt, blieb aber hoch. Im Euroraum hingegen verlief der Anstieg des Lohnwachstums in diesem Zeitraum langsamer und war stärker begrenzt. Hier belief sich der Zuwachs der Tarifverdienste, die deutlich weniger durch Programme zur Arbeitsplatzsicherung beeinflusst werden als das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer oder je Stunde, im vierten Quartal 2022 auf 2,9 % (siehe Abbildung B). Der strukturell dynamischere Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten könnte überdies zu einer stärkeren Reaktion der Löhne auf den angespannten Arbeitsmarkt führen. Ausdruck dessen ist das höhere Lohnwachstum bei Personen, die ihren Arbeitsplatz wechseln.

Abbildung B

Messgrößen des Lohnwachstums im Euroraum und in den Vereinigten Staaten

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quellen: Eurostat, Haver Analytics und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die jüngsten Angaben beziehen sich sowohl für die Tarifverdienste im Euroraum als auch für den US-Arbeitskostenindex (in der Privatwirtschaft) auf das vierte Quartal 2022.

2 Geldpolitik auf Normalisierungskurs

Vor dem Hintergrund der russischen Invasion der Ukraine und der anhaltenden Auswirkungen der Pandemie setzte die EZB die geldpolitische Normalisierung zur Bekämpfung der außergewöhnlich hohen Inflation 2022 fort. In der ersten Phase der Normalisierung beendete der EZB-Rat Ende März bzw. Anfang Juli die Nettoankäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) und des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP). In der zweiten Phase wurden die Leitzinsen der EZB erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt angehoben, und der Zinssatz für die Einlagefazilität verließ zum ersten Mal seit 2014 den negativen Bereich. In den letzten vier EZB-Ratssitzungen des Berichtsjahrs wurden die Leitzinsen in vier Zinsschritten von zum Teil historischem Ausmaß um insgesamt 250 Basispunkte erhöht (siehe Abbildung 2.1). Darüber hinaus genehmigte der EZB-Rat das Instrument zur Absicherung der Transmission (Transmission Protection Instrument – TPI), das im gesamten Euro-Währungsgebiet eine geordnete Übertragung geldpolitischer Impulse gewährleisten soll. Zusätzlich diente die für Wiederanlagen im Rahmen des PEPP bestehende Flexibilität als erste Verteidigungslinie, um pandemiebedingten Risiken für die geldpolitische Transmission entgegenzuwirken. Im Dezember beschloss der EZB-Rat, die vom Eurosystem im Rahmen des APP für geldpolitische Zwecke erworbenen Wertpapierbestände ab März 2023 in einem maßvollen und vorhersehbaren Tempo zu reduzieren. Die Bilanzsumme des Eurosystems erreichte im Juni 2022 mit 8,8 Billionen € einen historischen Höchststand, bevor sie bis zum Jahresende auf 8,0 Billionen € zurückging. Der Rückgang war in erster Linie auf fällig werdende Geschäfte und vorzeitige Rückzahlungen im Rahmen der dritten Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) zurückzuführen. Die geänderten Bedingungen für die GLRG-III-Geschäfte, die der EZB-Rat im Oktober beschloss, unterstützten diese vorzeitigen Rückzahlungen. Im Zuge der Normalisierung der Geldpolitik begann die EZB zudem, die pandemiebedingten Maßnahmen zur Lockerung der Sicherheitenkriterien zurückzunehmen, sodass die Risikotoleranz bei den Kreditgeschäften des Eurosystems schrittweise wieder auf das vor der Pandemie geltende Niveau herabgesetzt wird.

2.1 Rücknahme der geldpolitischen Akkommodierung

Erste Phase der geldpolitischen Normalisierung: gedrosselte Wertpapierankäufe und Voraussetzungen für Zinsanhebungen

Anfang 2022 bremste die Pandemie weiterhin das Wirtschaftswachstum, und die Inflation war höher als prognostiziert

Zu Beginn des Berichtsjahrs setzte sich im Euroraum die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie fort, und die Lage am Arbeitsmarkt verbesserte sich zusehends, was nicht zuletzt staatlichen Unterstützungsmaßnahmen geschuldet war. Die kurzfristigen Aussichten für das Wirtschaftswachstum blieben jedoch angesichts des sprunghaften Anstiegs der Corona-Neuinfektionen infolge der Ausbreitung der Omikron-Variante gedämpft. In einigen Branchen wurde die Produktion nach wie vor durch Material-, Ausrüstungs- und Arbeitskräftemangel gebremst, und die hohen Energiekosten stellten eine Belastung für die Realeinkommen dar. Die Inflationsrate nach dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) hatte in den Vormonaten kräftig angezogen und fiel im Januar erneut höher aus als prognostiziert. Zurückzuführen war dies in erster Linie auf gestiegene Energiekosten, die in vielen Sektoren die Preise in die Höhe trieben, sowie auf höhere Nahrungsmittelpreise. Angesichts der Datenlage zu Jahresbeginn 2022 kam der EZB-Rat im Februar zu dem Schluss, dass die Inflation länger als zuvor erwartet auf erhöhtem Niveau bleiben, jedoch im Verlauf des Jahres zurückgehen dürfte.

EZB-Rat setzte im Februar die im Dezember 2021 begonnene Normalisierung der Geldpolitik fort

Der EZB-Rat bestätigte daher den im Zuge der geldpolitischen Sitzung vom Dezember 2021 gefassten Beschluss, die Wertpapierankäufe in den folgenden Quartalen weiterhin schrittweise zu drosseln und die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP Ende März 2022 einzustellen sowie die Tilgungsbeträge der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere bei Fälligkeit mindestens bis Ende 2024 wieder anzulegen. Der EZB-Rat betonte, dass im Fall einer neuerlichen pandemiebedingten Marktfragmentierung die Wiederanlagen im Rahmen des PEPP über den Zeitverlauf, die Anlageklassen und Länder hinweg flexibel angepasst werden können, sollte das Erreichen des Preisstabilitätsziels durch Gefahren für die geldpolitische Transmission bedroht sein. Dies könnte den Ankauf von durch die Hellenische Republik begebenen Anleihen umfassen, der über die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen hinausgeht, um eine Unterbrechung von Ankäufen in Griechenland zu vermeiden. Eine solche Unterbrechung könnte nämlich die Transmission der Geldpolitik auf die griechische Wirtschaft beeinträchtigen, während sich diese noch von den Folgen der Pandemie erholt.

Invasion in der Ukraine hat die wirtschaftliche Unsicherheit und den Preisdruck drastisch erhöht

Die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 markierte einen Wendepunkt für Europa. Der ungerechtfertigte Krieg wirkte sich im Berichtsjahr über Anstiege der Energie- und Rohstoffpreise, Störungen des internationalen Handels und Vertrauensverluste auch im Euroraum erheblich auf die Konjunktur und die Inflation aus. Im März kam der EZB-Rat zu dem Schluss, dass das Ausmaß dieser Auswirkungen vom weiteren Verlauf des Krieges, der Wirkung der Sanktionen und möglichen weiteren Maßnahmen abhängen werde. Angesichts des äußerst unsicheren Umfelds zog der EZB-Rat neben den üblichen gesamtwirtschaftlichen Euroraum-Projektionen von Fachleuten der EZB eine Reihe weiterer Szenarien in Betracht. So wurden die Auswirkungen des Krieges vor dem Hintergrund neu verfügbarer Daten beurteilt, die auf nach wie vor solide Rahmenbedingungen für die Wirtschaft des Euroraums hindeuteten, zu denen auch beträchtliche politische Stützungsmaßnahmen beitrugen. Das Nachlassen der Beeinträchtigungen durch die Omikron-Variante des Coronavirus gab der wirtschaftlichen Erholung starken Auftrieb. Bei den Angebotsengpässen waren gewisse Anzeichen einer Entspannung zu erkennen, und die Lage am Arbeitsmarkt verbesserte sich zunehmend. Das Basisszenario der Euroraum-Projektionen vom März enthielt eine erste Einschätzung der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, auf deren Grundlage das auf kurze Sicht erwartete BIP-Wachstum nach unten korrigiert wurde. Vor der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rats im März war die Inflation vor allem aufgrund unerwartet hoher Energiekosten weiterhin höher als projiziert ausgefallen. Zudem waren die Preissteigerungen sektorübergreifend auf breiterer Basis spürbar. Gegenüber den im Dezember 2021 veröffentlichten gesamtwirtschaftlichen Euroraum-Projektionen von Fachleuten des Eurosystems wurde das Basisszenario für die HVPI-Inflation in den Projektionen vom März deutlich nach oben korrigiert, während sich die längerfristigen Inflationserwartungen über eine Reihe von Messgrößen hinweg wieder im Einklang mit dem mittelfristigen Inflationsziel der EZB von 2 % befanden.

EZB-Rat überarbeitete im März den Zeitplan für APP-Ankäufe

Auf Grundlage dieser aktualisierten Beurteilung und unter Berücksichtigung des unsicheren Umfelds beschloss der EZB-Rat in seiner geldpolitischen Sitzung vom März, dass die monatlichen Nettoankäufe im Rahmen des APP im April, Mai und Juni 40 Mrd. €, 30 Mrd. € bzw. 20 Mrd. € betragen werden. Die Kalibrierung des Nettoerwerbs für das dritte Quartal sollte auf Basis neuerer Daten stattfinden. Darüber hinaus bekräftigte der EZB-Rat seinen früheren Beschluss, etwaige Änderungen der EZB-Leitzinsen einige Zeit nach dem Ende der Nettoankäufe im Rahmen des APP vorzunehmen. Die Entwicklung der EZB-Leitzinsen richte sich weiterhin nach der Forward Guidance des EZB-Rats und beruhe auf seiner strategischen Verpflichtung, die Inflation auf mittlere Sicht bei 2 % zu stabilisieren.

Projektionen vom Juni brachten erneute Aufwärtskorrektur der erwarteten Inflationsentwicklung

Die Inflation zog im Mai erneut kräftig an, was vor allem auf die Auswirkungen des Krieges und den anhaltend starken Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise zurückzuführen war. Gleichzeitig gewann der Inflationsdruck an Breite und Intensität, was sich in einer erheblichen Verteuerung zahlreicher Waren und Dienstleistungen zeigte. Vor diesem Hintergrund und angesichts der im Juni veröffentlichten gesamtwirtschaftlichen Euroraum-Projektionen von Fachleuten des Eurosystems, die im Basisszenario für das Ende des Projektionszeitraums eine Inflation über dem Zielwert von 2 % erwarten ließen, beschloss der EZB-Rat am 9. Juni weitere Schritte zur Normalisierung der Geldpolitik. Dabei orientierte er sich an den Grundsätzen der Optionalität, der Datenabhängigkeit, des Gradualismus und der Flexibilität.

EZB-Rat erklärte, dass er die Nettoankäufe im Rahmen des APP beenden und mit Zinserhöhungen beginnen werde

In einem ersten Schritt beschloss der EZB-Rat, den Nettoerwerb von Vermögenswerten im Rahmen des APP zum 1. Juli 2022 einzustellen. Gleichzeitig kommunizierte er seine Absicht, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere weiterhin bei Fälligkeit für längere Zeit über den Zeitpunkt hinaus, zu dem er mit der Erhöhung der Leitzinsen beginnt, vollumfänglich wieder anzulegen und in jedem Fall so lange wie erforderlich, um reichliche Liquidität zu gewährleisten und einen angemessenen geldpolitischen Kurs aufrechtzuerhalten.

Zweitens gelangte der EZB-Rat im Juni zu dem Schluss, dass die in seiner Forward Guidance definierten Bedingungen für eine Erhöhung der Leitzinsen der EZB erfüllt seien. Dementsprechend, und im Einklang mit der zuvor signalisierten Abfolge der geldpolitischen Maßnahmen, kündigte der EZB-Rat an, dass er die Leitzinsen der EZB in seiner geldpolitischen Sitzung im Juli um 25 Basispunkte anheben werde, wobei für September mit einer weiteren Erhöhung zu rechnen sei.

Drittens ging der EZB-Rat auf Grundlage seiner Beurteilung vom Juni davon aus, dass es nach September angemessen sein würde, die Leitzinsen in Abhängigkeit von den neu verfügbaren Daten und seiner Beurteilung der mittelfristigen Inflationsentwicklung schrittweise, aber nachhaltig weiter anzuheben.

EZB-Rat ging auf Bedenken hinsichtlich der geldpolitischen Transmission ein

Die Beschlüsse vom 9. Juni waren deutliche Schritte hin zu einer Normalisierung des geldpolitischen Kurses. Im Zuge einer Ad-hoc-Sitzung am 15. Juni beurteilte der EZB-Rat die Lage an den Finanzmärkten sowie potenzielle Fragmentierungsrisiken und betonte seine Entschlossenheit, eine geordnete Transmission des geldpolitischen Kurses im gesamten Euroraum aufrechtzuerhalten. Der EZB-Rat kam insbesondere zu dem Schluss, dass die Pandemie zu anhaltenden Verwundbarkeiten in der Wirtschaft des Euroraums geführt habe und dass dies in den einzelnen Ländern zu einer uneinheitlichen Transmission der Normalisierung der Geldpolitik der EZB beitrage.

Auf Grundlage dieser Einschätzung beschloss der EZB-Rat, dass er bei Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig werdender Wertpapiere im PEPP-Portfolio flexibel agieren werde, um die Funktionsfähigkeit des geldpolitischen Transmissionsmechanismus aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus beschloss der EZB-Rat, die zuständigen Ausschüsse des Eurosystems zusammen mit den innerhalb der EZB verantwortlichen Stellen damit zu beauftragen, die Gestaltung eines neuen Instruments zur Bekämpfung der Fragmentierung zügiger abzuschließen.

Zweite Phase der geldpolitischen Normalisierung: Instrument zur Absicherung der Transmission und Leitzinserhöhungen

EZB-Rat genehmigte im Juli das Instrument zur Absicherung der Transmission

Das neue Instrument zur Absicherung der Transmission (Transmission Protection Instrument – TPI) wurde bei der EZB-Ratssitzung vom 21. Juli genehmigt. Nach Einschätzung des EZB-Rats war die Einrichtung des TPI erforderlich, um die effektive Transmission der Geldpolitik insbesondere im Zuge der geldpolitischen Normalisierung zu unterstützen. Das TPI soll sicherstellen, dass die Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos erfolgt. Es ergänzt das Instrumentarium der EZB und kann aktiviert werden, um ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamiken entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik im Euroraum darstellen. Um Risiken für den Transmissionsmechanismus im erforderlichen Umfang entgegenzuwirken und vorbehaltlich der Erfüllung festgelegter Kriterien, ist das Eurosystem nun in der Lage, Wertpapiere am Sekundärmarkt zu kaufen, die in Ländern begeben wurden, in denen eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen nicht durch länderspezifische Fundamentalfaktoren begründet ist. Bei Aktivierung des TPI hängt der Umfang von Ankäufen im Rahmen dieses Instruments von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab. Die Ankäufe sind nicht von vornherein beschränkt. Im Juli betonte der EZB-Rat des Weiteren, dass die Flexibilität bei der Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig werdender Wertpapiere im PEPP-Portfolio in jedem Fall die erste Verteidigungslinie bliebe, um pandemiebedingten Risiken für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus entgegenzuwirken. Zudem hob der EZB-Rat im Juli hervor, dass er sich das Recht vorbehalte, geldpolitische Outright-Geschäfte (OMTs) für Länder durchzuführen, welche die dafür erforderlichen Kriterien erfüllen. Während das Ziel des TPI darin besteht, die reibungslose Transmission der Geldpolitik in allen Euro-Ländern zu gewährleisten, können geldpolitische OMTs aktiviert werden, wenn schwerwiegende Verzerrungen an den Staatsanleihemärkten auftreten, die insbesondere auf unbegründete Zweifel der Anlegerinnen und Anleger am Fortbestand des Euro zurückzuführen sind.

Im Juli 2022 beschloss der EZB-Rat ferner die erste Leitzinserhöhung seit 2011 und hob die drei EZB-Leitzinssätze um jeweils 50 Basispunkte an. Er war zu der Einschätzung gelangt, dass im Zuge der Leitzinsnormalisierung ein größerer erster Schritt angemessen sei als bei der vorangegangenen Sitzung signalisiert. Der Beschluss basierte auf der aktualisierten Beurteilung der Inflationsrisiken durch den EZB-Rat sowie auf der verstärkten Unterstützung einer effektiven Transmission der Geldpolitik durch das TPI. Der EZB-Rat signalisierte zudem, dass in den Folgemonaten eine weitere Normalisierung der Zinssätze angemessen sei.

Ende der Forward Guidance zu den Leitzinsen

Durch den vorgezogenen Ausstieg aus den Negativzinsen im Juli konnte der EZB-Rat die Forward Guidance zu den Leitzinsen durch einen Ansatz, bei dem Zinsbeschlüsse von Sitzung zu Sitzung gefasst werden, ersetzen. Diese Anpassung erschien angesichts der außergewöhnlich unsicheren Inflations- und Konjunkturaussichten geboten.

Angesichts einer Teuerung von über 9 % im August und einer voraussichtlich auch auf mittlere Sicht über dem Zielwert liegenden Inflation erhöhte der EZB-Rat die Leitzinsen im September um weitere 75 Basispunkte

Im September beschloss der EZB-Rat, die Leitzinsen um weitere 75 Basispunkte anzuheben; dies war der größte Zinsschritt, der bislang vorgenommen wurde. Dieser Beschluss wurde gefasst, weil die Inflation nach wie vor deutlich zu hoch war und aktuelle Daten darauf hindeuteten, dass sie für längere Zeit über dem Zielwert bleiben würde. Getrieben wurde die Teuerung, die im August 9,1 % erreicht hatte, weiterhin von stark steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen, dem in einigen Sektoren herrschenden Nachfragedruck infolge des Wiederhochfahrens der Wirtschaft sowie von Lieferengpässen. Wie bereits in den Vormonaten hatte sich der Preisdruck in der Gesamtwirtschaft weiter intensiviert und ausgeweitet. Die Fachleute der EZB hatten ihre Inflationsprojektionen im September gegenüber den Juni-Projektionen deutlich nach oben korrigiert, wobei sie über den Projektionszeitraum zwar mit einem Rückgang rechneten, die HVPI-Inflation im letzten Jahr des Projektionszeitraums allerdings nach wie vor über dem Zielwert von 2 % sahen. Darüber hinaus deuteten die jüngsten Daten auf eine erhebliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums im Euroraum hin, sodass für den weiteren Jahresverlauf und das erste Quartal 2023 eine wirtschaftliche Stagnation erwartet wurde. Die sehr hohen Energiepreise schmälerten die Kaufkraft der Menschen. Zudem wurde die Wirtschaftstätigkeit nach wie vor durch Lieferengpässe gebremst. Ferner belastete die geopolitische Situation, vor allem der Krieg Russlands in der Ukraine, das Unternehmer- und Verbrauchervertrauen. Vor diesem Hintergrund wurden die September-Projektionen für das Wirtschaftswachstum für den restlichen Jahresverlauf 2022 und das ganze Jahr 2023 deutlich nach unten korrigiert.

Zweistufiges System für die Verzinsung der Überschussreserven ist angesichts positiver Leitzinsen obsolet

Durch die Anhebung der EZB-Leitzinsen um 75 Basispunkte im September erfolgte ein rascherer Übergang von stark akkommodierenden Leitzinssätzen auf ein Niveau, das eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Zielwert der EZB von 2 % gewährleistet. Der EZB-Rat erklärte, dass er auf Grundlage seiner Einschätzung weitere Zinserhöhungen in seinen kommenden Sitzungen ins Auge fasse, um die Nachfrage zu dämpfen und dem Risiko einer anhaltenden Aufwärtsverschiebung der Inflationserwartungen vorzubeugen. Außerdem war mit der Anhebung des Zinssatzes für die Einlagefazilität auf einen Wert über null das zweistufige System für die Verzinsung von Überschussreserven nicht mehr erforderlich. Der EZB-Rat beschloss daher, das zweistufige System auszusetzen, indem der Multiplikator auf null gesetzt wurde. Um die Wirksamkeit der geldpolitischen Transmission zu gewährleisten und das ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte sicherzustellen, beschloss der EZB-Rat ferner, die Obergrenze von 0 % für die Verzinsung von Einlagen öffentlicher Haushalte vorübergehend aufzuheben. Die Zinsobergrenze wurde temporär mit dem Zinssatz für die Einlagefazilität bzw. dem €STR (Euro Short-Term Rate) festgelegt – je nachdem, welcher der beiden Zinssätze niedriger ist. Dies sollte auch im Fall eines positiven Zinssatzes für die Einlagefazilität gelten. Die Maßnahme sollte bis zum 30. April 2023 in Kraft bleiben. Zu einer Zeit, in der sich in einigen Segmenten der Repomärkte im Euroraum eine Knappheit an Sicherheiten abzeichnete, zielte sie darauf ab, einen abrupten Einlagenabfluss in den Markt zu verhindern, und sollte darüber hinaus eine eingehende Beurteilung ermöglichen, wie sich die Geldmärkte an die Rückkehr zu positiven Zinssätzen anpassen.

Dritte Phase der geldpolitischen Normalisierung: weitere Leitzinsanhebungen und Rückführung der Bilanzsumme

Da für längere Zeit mit hoher Inflation zu rechnen war, erhöhte der EZB-Rat die Zinsen im Oktober erneut um 75 Basispunkte

Im September und Oktober 2022 lag die Teuerungsrate im Euroraum bei 9,9 % bzw. 10,6 % und damit auf dem höchsten Stand in der Geschichte der Gemeinschaftswährung. Im Sommer hatten stark steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise, Lieferengpässe und die nach der Pandemie wieder stärkere Nachfrage dazu geführt, dass der Preisdruck an Breite gewann und die Inflation zunahm. Vor diesem Hintergrund beschloss der EZB-Rat im Oktober daher, die drei EZB-Leitzinssätze erneut um jeweils 75 Basispunkte anzuheben. Dabei wurde betont, dass mit dieser dritten großen Leitzinserhöhung in Folge erhebliche Fortschritte bei der Rücknahme der geldpolitischen Akkommodierung erzielt worden seien.

Konditionen der GLRG III wurden im Einklang mit der umfassenderen geldpolitischen Normalisierung angepasst

Darüber hinaus beschloss der EZB-Rat im Oktober, die Bedingungen für die GLRG III zu ändern. So wurden ab 23. November die Zinssätze für diese Geschäfte an die ab diesem Datum geltenden durchschnittlichen Leitzinsen der EZB indexiert. Auch wurden den Banken drei zusätzliche Termine für freiwillige vorzeitige Rückzahlungen angeboten. In der akuten Phase der Pandemie hatte dieses Instrument eine zentrale Rolle dabei gespielt, Abwärtsrisiken für die Preisstabilität entgegenzuwirken. In Anbetracht des unerwarteten und außerordentlichen Anstiegs der Inflation musste hier nun eine Rekalibrierung vorgenommen werden, um Konsistenz mit dem allgemeinen geldpolitischen Normalisierungsprozess sicherzustellen und die Transmission der Leitzinserhöhungen auf die Kreditbedingungen der Banken zu verstärken. Der EZB-Rat erwartete von der Rekalibrierung der GLRG-III-Bedingungen einen Beitrag zur Normalisierung der Refinanzierungskosten der Banken. Von der Normalisierung der Finanzierungsbedingungen wiederum wurde ein Abwärtsdruck auf die Inflation erwartet, der mittelfristig die Wiederherstellung der Preisstabilität fördern würde. Durch die Rekalibrierung wurden zudem Hinderungsgründe für eine freiwillige vorzeitige Rückzahlung ausstehender GLRG-III-Mittel beseitigt. Derartige Rückzahlungen tragen zur Verringerung der Bilanzsumme des Eurosystems und somit zur allgemeinen geldpolitischen Normalisierung bei. Die Rekalibrierung der GLRG III und die anschließenden Rückzahlungen führten zu einem erheblichen Rückgang der Überschussliquidität.

Um die Verzinsung der von Kreditinstituten beim Eurosystem gehaltenen Mindestreserven besser auf die Bedingungen am Geldmarkt abzustimmen, beschloss der EZB-Rat ferner, dass die Mindestreserven zum Zinssatz für die Einlagefazilität verzinst werden.

Vor dem Hintergrund einer zweistelligen Inflation und zunehmender Rezessionsrisiken erfolgte im Dezember die vierte Zinserhöhung in Folge

Im Dezember 2022 hob der EZB-Rat die Leitzinssätze zum vierten Mal in Folge an, und zwar um 50 Basispunkte, da die Inflation nach wie vor deutlich zu hoch war und den Projektionen zufolge zu lange über dem Zielwert der EZB bleiben würde. Der EZB-Rat vertrat die Auffassung, dass die Zinsen noch deutlich und in einem gleichmäßigen Tempo steigen müssen, um ein ausreichend restriktives Niveau zu erreichen, das eine zeitnahe Rückkehr der Inflation auf den Zielwert gewährleistet. Ein restriktives Zinsniveau wird die Inflation im Lauf der Zeit senken, indem es die Nachfrage dämpft, und gleichzeitig dem Risiko vorbeugen, dass sich die Inflationserwartungen dauerhaft nach oben verschieben. Die Inflation lag im November bei 10,1 % und damit leicht unter dem im Oktober verzeichneten Wert von 10,6 %. Hauptursache dieses Rückgangs war ein geringerer Anstieg der Energiepreise. Die Teuerung bei Nahrungsmitteln und der zugrunde liegende Preisdruck in der gesamten Wirtschaft hatten hingegen zugenommen, und es war davon auszugehen, dass diese Bedingungen für einige Zeit anhalten würden. Vor dem Hintergrund der außergewöhnlich großen Unsicherheit korrigierten die Fachleute des Eurosystems ihre Inflationsprojektionen im Dezember deutlich nach oben. Sie gingen zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass die durchschnittliche Inflation 2022 bei 8,4 % liegen würde, bevor sie 2023 auf 6,3 % sinkt, wobei die Inflationsrate im Verlauf des Jahres merklich zurückgehen dürfte. Danach würde die durchschnittliche Inflation den Projektionen zufolge 2024 bei 3,4 % und 2025 bei 2,3 % liegen. Die Projektionen deuteten darauf hin, dass die Wirtschaft des Euroraums um die Jahreswende 2022/2023 aufgrund der Energiekrise, der großen Unsicherheit, der weltweit nachlassenden Wirtschaftstätigkeit und der verschärften Finanzierungsbedingungen schrumpfen könnte. Allerdings wurde von einer relativ kurzen und milden Rezession ausgegangen. Dennoch wurde das für 2023 erwartete Wachstum gegenüber früheren Projektionen deutlich nach unten korrigiert.

EZB-Rat legte die Grundsätze für die Bilanznormalisierung fest

Darüber hinaus erörterte der EZB-Rat im Dezember Grundsätze für den Abbau der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapierbestände. Es wurde der Beschluss gefasst, die APP-Bestände ab Anfang März 2023 in einem maßvollen und vorhersehbaren Tempo zu reduzieren, da das Eurosystem die Tilgungsbeträge fällig werdender Wertpapiere nicht mehr vollumfänglich wieder anlegen wird. Bis zum Ende des zweiten Quartals 2023 werden so die Bestände monatlich im Durchschnitt um 15 Mrd. € reduziert. Das weitere Abbautempo wird in späterer Folge festgelegt. Der EZB-Rat wies ferner darauf hin, dass die EZB bis Ende 2023 den Handlungsrahmen zur Steuerung kurzfristiger Zinssätze überprüfen werde. Daraus werden sich auch Informationen zum Ende des Bilanznormalisierungsprozesses ergeben.

Abbildung 2.1

Entwicklung der EZB-Leitzinssätze

(in Prozentpunkten)

Quelle: EZB.

2.2 Die Bilanz des Eurosystems vor dem Hintergrund der geldpolitischen Normalisierung

Im ersten Halbjahr 2022 verlangsamte sich das Wachstum der Bilanzsumme des Eurosystems, da die Nettoankäufe im Rahmen des APP und des PEPP zurückgefahren und dann eingestellt wurden. In der zweiten Jahreshälfte trug die fortschreitende Normalisierung der Geldpolitik zu einer allmählichen Verringerung der Bilanzsumme bei. Mit 8,8 Billionen € erreichte die Bilanz ihren historischen Höchststand im Juni, bevor die Nettoankäufe im Rahmen des APP ab 1. Juli 2022 eingestellt wurden (siehe Abbildung 2.2). Bis zum Jahresende ging die Bilanzsumme auf 8,0 Billionen € zurück. Dies war in erster Linie fällig werdenden GLRG-III-Geschäften sowie umfangreichen vorzeitigen Rückzahlungen geschuldet. Letztere ergaben sich vor allem nach der Anpassung der für die GLRG III geltenden Bedingungen im Einklang mit dem allgemeinen geldpolitischen Normalisierungsprozess.

Die mit der Geldpolitik zusammenhängenden Vermögenswerte in der Bilanz des Eurosystems beliefen sich Ende 2022 auf 6,3 Billionen €, was einem Rückgang um 0,7 Billionen € gegenüber Ende 2021 entspricht. 17 % der Bilanzsumme entfielen auf Forderungen an Kreditinstitute im Euro-Währungsgebiet (nach 26 % Ende 2021) und rund 62 % auf zu geldpolitischen Zwecken gehaltene Wertpapiere (verglichen mit 55 % Ende 2021). Die sonstigen Finanzanlagen verteilten sich hauptsächlich auf Fremdwährungs- und Goldbestände des Eurosystems sowie auf nicht geldpolitisch begründete Anlageportfolios in Euro.

Auf der Passivseite verringerten sich die Reserveguthaben der Kreditinstitute und die Inanspruchnahme der Einlagefazilität auf 4,0 Billionen € (verglichen mit 4,3 Billionen € zum Jahresende 2021). Dies entsprach Ende 2022 (annähernd wie zum Jahresende 2021) einem Anteil von 50 % aller Verbindlichkeiten. Der Banknotenumlauf erhöhte sich auf 1,6 Billionen € (nach 1,5 Billionen € Ende 2021) und machte 20 % der gesamten Verbindlichkeiten aus (nach 18 % Ende 2021).

Abbildung 2.2

Entwicklung der konsolidierten Bilanz des Eurosystems

(in Mrd. €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Positive Zahlen kennzeichnen Aktiva, negative Zahlen Passiva. Die Überschussliquidität ist im positiven Bereich dargestellt, obwohl sie bestimmten Passivpositionen entspricht, nämlich der Summe aus den Einlagen auf Girokonten, die über das Mindestreserve-Soll hinausgehen, und den Guthaben aus der Inanspruchnahme der Einlagefazilität.

Eckdaten zum APP- und PEPP-Portfolio: Anlagestruktur und Länderanteile

Das APP besteht aus vier Teilprogrammen: dem dritten Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3), dem Programm zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP), dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des öffentlichen Sektors (PSPP) und dem Programm zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors (CSPP). Das PEPP wurde 2020 als Reaktion auf den Ausbruch der Covid-19-Pandemie aufgelegt. Alle für das APP zugelassenen Wertpapierkategorien können auch im Rahmen des PEPP erworben werden; für von der Hellenischen Republik begebene Wertpapiere wurde bezüglich der Zulassungskriterien eine Ausnahmeregelung gewährt. Mit Ende März 2022 bzw. mit 1. Juli 2022 stellte das Eurosystem die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP bzw. des APP ein. Tilgungsbeträge der im Rahmen beider Programme fällig werdenden Wertpapiere werden aber weiterhin zur Gänze wieder angelegt. Die Wertpapierankäufe verliefen reibungslos und im Einklang mit den jeweils vorherrschenden Marktbedingungen.

APP-Bestände beliefen sich Ende 2022 auf 3,3 Billionen €

Ende 2022 beliefen sich die APP-Bestände des Eurosystems insgesamt auf 3,3 Billionen € (zu fortgeführten Anschaffungskosten). Der Großteil davon entfiel mit 2,6 Billionen € bzw. 79 % zum Jahresende auf PSPP-Bestände. Die Länderanteile bei den Ankäufen im Rahmen des PSPP spiegelten im Hinblick auf den Gesamtbestand den Kapitalschlüssel der EZB wider. Einige nationale Zentralbanken erwarben außerdem Wertpapiere supranationaler Institutionen der EU. Die gewichtete Durchschnittslaufzeit der PSPP-Bestände lag Ende 2022 bei 7,2 Jahren, wobei dieser Wert innerhalb des Euroraums etwas variierte. Das ABSPP zeichnete zum Jahresende für weniger als 1 % (23 Mrd. €) des gesamten APP-Bestands verantwortlich, das CBPP3 für 9 % (302 Mrd. €) und das CSPP für 11 % (344 Mrd. €). Von den Programmen zum Ankauf von Wertpapieren des privaten Sektors leistete das CSPP 2022 mit Nettoankäufen im Wert von 34 Mrd. € den höchsten Beitrag zum Zuwachs an APP-Wertpapierbeständen. Die Ankäufe von Unternehmensanleihen und gedeckten Schuldverschreibungen orientieren sich an Benchmarks, welche die Marktkapitalisierung aller ankauffähigen ausstehenden Unternehmensanleihen bzw. gedeckten Schuldverschreibungen widerspiegeln. Ab Oktober 2022 wurden Klimaschutzaspekte in die Benchmark für den Unternehmenssektor einbezogen (weitere Einzelheiten sind Kapitel 11 Abschnitt 5 zu entnehmen).[8]

PEPP-Bestände betrugen Ende 2022 1,7 Billionen €

Zum Jahresende 2022 beliefen sich die PEPP-Bestände auf 1,7 Billionen € (zu fortgeführten Anschaffungskosten). Davon entfielen weniger als 1 % (6 Mrd. €) auf gedeckte Schuldverschreibungen, 3 % (46 Mrd. €) auf Unternehmensanleihen und 97 % (1 629 Mrd. €) auf Wertpapiere des öffentlichen Sektors.

Die Länderaufteilung der Ankäufe von Wertpapieren des öffentlichen Sektors im Rahmen des PEPP war so gestaltet, dass der Gesamtbestand den Kapitalschlüssel der EZB widerspiegelte. Gleichzeitig wurden die Ankäufe flexibel gehandhabt, d. h. es kam zu gewissen Schwankungen im Zeitverlauf sowie über Anlageklassen und Länder hinweg. Die gewichtete Durchschnittslaufzeit der im Rahmen des PEPP gehaltenen Wertpapiere des öffentlichen Sektors lag Ende 2022 bei 7,6 Jahren, wobei dieser Wert innerhalb des Euroraums etwas variierte.

Die Tilgungsbeträge der in den APP- und PEPP-Portfolios enthaltenen Wertpapiere legte das Eurosystem bei Fälligkeit wieder an. Diese beliefen sich im Berichtsjahr für Wertpapiere des privaten Sektors auf 77 Mrd. € und für Wertpapiere des öffentlichen Sektors, die im Rahmen des PSPP und des PEPP erworben wurden, auf 446 Mrd. €. Im Zuge des PSPP, des CSPP, des CBPP3 und des PEPP erworbene Wertpapiere wurden wie bisher für Wertpapierleihgeschäfte zur Verbesserung der Liquidität am Anleihe- und Repomarkt zur Verfügung gestellt. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Wertpapieren angesichts der Sicherheitenknappheit an den Repomärkten beschloss der EZB-Rat im November 2022, die Obergrenze für Wertpapierleihen des Eurosystems gegen Barsicherheiten auf 250 Mrd. € anzuheben.

Entwicklung der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems

Das Volumen der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems belief sich zum Jahresende 2022 auf 1,3 Billionen €, was einem Rückgang um 878 Mrd. € gegenüber Ende 2021 entspricht. Diese Veränderung spiegelt in erster Linie freiwillige vorzeitige Rückzahlungen (826 Mrd. €) und fällig werdende Geschäfte (54 Mrd. €) im Rahmen der GLRG-III-Serie wider. Von diesen vorzeitigen Rückzahlungen erfolgten 744 Mrd. € nach der Änderung der Bedingungen für die GLRG III, die am 23. November 2022 in Kraft trat. Hinzu kam, dass die längerfristigen Pandemie-Notfallrefinanzierungsgeschäfte (PELTROs) größtenteils bis Ende 2022 fällig wurden, sodass hier zum Jahresende 2022 nur noch ein Betrag von 1 Mrd. € ausstand (nach 3,4 Mrd. € Ende 2021). Die gewichtete Durchschnittslaufzeit der laufenden Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems sank von rund 1,7 Jahren Ende 2021 auf 0,9 Jahre Ende 2022.

Schrittweises Auslaufen der pandemiebedingten Maßnahmen zur Lockerung der Sicherheitenkriterien

Im März 2022 kündigte die EZB das schrittweise Auslaufen der pandemiebedingten befristeten Maßnahmen zur Lockerung der Sicherheitenkriterien an. Diese Maßnahmen waren ein zentrales Element der geldpolitischen Reaktion der EZB auf die Pandemie, da sie das Volumen an notenbankfähigen Sicherheiten erhöhten und den Banken den Zugang zu den Kreditgeschäften des Eurosystems erleichterten. Schätzungen von Fachleuten der EZB zufolge waren rund 10 % der Ende Februar 2022 insgesamt mobilisierten Sicherheiten auf die Lockerungsmaßnahmen zurückzuführen.[9] Dieser Beitrag ergab sich in erster Linie aus der vorübergehenden Herabsetzung der Bewertungsabschläge für alle Sicherheitenkategorien um pauschal 20 % und der Ausweitung der Rahmen einiger nationaler Zentralbanken für die Hereinnahme zusätzlicher Kreditforderungen (ACC).

In einem ersten Schritt zur Rücknahme dieser Lockerungsmaßnahmen halbierte die EZB ab Juli 2022 die vorübergehende Absenkung der Bewertungsabschläge von 20 % auf 10 %. Die EZB ließ zudem eine Reihe von Maßnahmen mit eher begrenzter Wirkung und geringerem Umfang auslaufen. Dazu gehörte, dass das Einfrieren der Notenbankfähigkeit bestimmter marktfähiger Vermögenswerte und ihrer Emittenten, die die Bonitätsanforderungen am 7. April 2020 erfüllt hatten, danach jedoch unter den Mindestbonitätsschwellenwert gefallen waren, beendet wurde. Zudem begrenzte die EZB mit Blick auf die Sicherheitenpools von Kreditinstituten den maximal zulässigen Anteil für von einer einzelnen anderen Bankengruppe begebene unbesicherte Schuldtitel wieder mit 2,5 %.

Für Juni 2023 und März 2024 sind zwei weitere Schritte zur Rücknahme der Lockerungsmaßnahmen geplant. Im Zuge des zweiten Schritts wird die EZB mit Wirkung vom 29. Juni 2023 neue Bewertungsabschlagsätze einführen und damit die vorübergehende Absenkung der Bewertungsabschläge komplett beenden (weitere Details zu den Änderungen finden sich in Kapitel 2 Abschnitt 3). In einem dritten Schritt wird die EZB im März 2024 die dann noch bestehenden pandemiebedingten Lockerungsmaßnahmen für Sicherheiten nach einer umfassenden Überprüfung der ACC-Rahmen grundsätzlich auslaufen lassen. Die Ausnahmeregelung zur Mindestbonitätsanforderung für von der Hellenischen Republik begebene marktfähige Schuldtitel bleibt mindestens so lange aufrecht, wie die Wiederanlagen in griechische Staatsanleihen im Rahmen des PEPP fortgesetzt werden.

Entwicklung der notenbankfähigen und eingesetzten Sicherheiten

Das Volumen marktfähiger, als Sicherheiten zugelassener Vermögenswerte erhöhte sich 2022 um 759 Mrd. € auf 17,1 Billionen € zum Jahresende (siehe Abbildung 2.3). Die größte Anlageklasse bildeten dabei nach wie vor die Wertpapiere von Zentralstaaten (9,3 Billionen €). Zu den notenbankfähigen Sicherheiten zählten ferner Unternehmensanleihen (im Umfang von 1,9 Billionen €), besicherte Bankanleihen (1,7 Billionen €) und unbesicherte Bankanleihen (1,7 Billionen €). Einen vergleichsweise kleinen Anteil stellten Wertpapiere regionaler Gebietskörperschaften (595 Mrd. €), Asset-Backed Securities (562 Mrd. €) und sonstige marktfähige Vermögenswerte (1,3 Billionen €).

Abbildung 2.3

Entwicklung markt- und notenbankfähiger Sicherheiten

(in Mrd. €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Der Wert der Vermögenswerte ist jeweils als Nominalbetrag ausgewiesen. Dargestellt wird der Durchschnitt der Monatsendwerte je Zeitraum.

Die eingesetzten Sicherheiten verringerten sich bis Ende 2022 um 314 Mrd. € auf 2,5 Billionen € (siehe Abbildung 2.4). Kreditforderungen (einschließlich ACCs) stellten mit 881 Mrd. € nach wie vor die wichtigste Kategorie der hinterlegten Sicherheiten dar. Auch besicherte Bankanleihen (640 Mrd. €), Asset-Backed Securities (392 Mrd. €) und Wertpapiere von Zentralstaaten (330 Mrd. €) wurden in erheblichem Umfang mobilisiert. Weniger oft eingesetzt wurden hingegen unbesicherte Bankanleihen (113 Mrd. €), Wertpapiere regionaler Gebietskörperschaften (62 Mrd. €) und Unternehmensanleihen (55 Mrd. €).

Abbildung 2.4

Entwicklung eingesetzter Sicherheiten

(in Mrd. €)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Seit dem ersten Quartal 2013 werden „nicht marktfähige Vermögenswerte“ in die Kategorien „Kreditforderungen“ und „Termin- und Bareinlagen“ untergliedert. Der Wert der Sicherheiten wird als Durchschnitt der Monatsendwerte je Zeitraum (nach Bewertung und Abzug der Bewertungsabschläge) dargestellt. Bei den aushaftenden Krediten werden Tageswerte verwendet.

2.3 Finanzielle Risiken in Zeiten der geldpolitischen Normalisierung

Risikoeffizienz als zentrales Element des Risikomanagements im Eurosystem

Alle geldpolitischen Instrumente bergen finanzielle Risiken, die das Eurosystem beim Verfolgen seiner geldpolitischen Ziele auf Grundlage eigener Rahmenwerke für das Risikomanagement steuert. Diese Risikosteuerung dient dazu, angesichts verschiedener geldpolitischer Handlungsoptionen Risikoeffizienz sicherzustellen, d. h., die geldpolitischen Ziele mit dem geringstmöglichen Risiko für das Eurosystem zu erreichen.[10]

Angesichts der allmählichen Normalisierung der Geldpolitik und gemäß Maßnahmenplan des EZB-Rats zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten nahm das Eurosystem 2022 Änderungen an seinen Rahmenwerken für das Risikomanagement vor. So beschloss der EZB-Rat, die pandemiebedingten Maßnahmen zur Lockerung der Sicherheitenkriterien schrittweise zurückzunehmen und die Risikotoleranz bei den Kreditgeschäften des Eurosystems wieder auf das Vorpandemieniveau herabzusetzen. Darüber hinaus nahm er Klimaschutzerwägungen in den Rahmen für den Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors auf. In absehbarer Zukunft wird die Profitabilität des Eurosystems aufgrund der steigenden Zinsen zurückgehen.

Planmäßige Überprüfung des Risikokontrollrahmens für Kreditgeschäfte

Die aktualisierten Bewertungsabschläge kommen ab Mitte 2023 zur Anwendung

Im Jahr 2022 führte die EZB ihre regelmäßig stattfindende Überprüfung des Risikokontrollrahmens für geldpolitische Kreditgeschäfte durch. Auf Grundlage der Überprüfungsergebnisse wurden neue Bewertungsabschlagsätze (Haircuts) festgelegt, die im Juni 2023 im Rahmen des zweiten Schrittes zur allmählichen Rücknahme der Lockerungsmaßnahmen für Sicherheiten umgesetzt werden sollen. Die einzelnen Schritte dieses Prozesses werden in Kapitel 2 Abschnitt 2 erläutert. Durch das schrittweise Vorgehen wird die Risikotoleranz des Eurosystems bei Kreditgeschäften allmählich wieder auf das Vorpandemieniveau gesenkt, ohne dass Klippeneffekte in Bezug auf die Verfügbarkeit von Sicherheiten entstehen.

Die wichtigsten Änderungen bei den Bewertungsabschlägen lassen sich wie folgt zusammenfassen: a) Schuldtitel, die von der Europäischen Union begeben werden (EU-Anleihen), werden aus der Haircutkategorie II in die Haircutkategorie I reklassifiziert, also in jene Kategorie, die auch für von Zentralstaaten emittierte Schuldtitel verwendet wird; b) Aufhebung der Unterscheidung zwischen Jumbo-Pfandbriefen und anderen gedeckten Schuldverschreibungen, wobei alle gesetzlich geregelten gedeckten Schuldverschreibungen und Multi-cédulas der Haircutkategorie II zugeordnet werden; c) Angleichung der Bewertungsabschläge für marktfähige Sicherheiten mit variabler Verzinsung an solche mit fester Verzinsung; d) Unterteilung des längsten Restlaufzeitenbandes (mehr als zehn Jahre) in drei neue Bänder zur besseren Abdeckung der Risiken von langfristigen Anleihen; e) Ersetzung des aktuellen pauschalen Bewertungsabschlags von 5 % bei theoretischer Bewertung durch einen nach Laufzeiten gestaffelten Abschlag, wobei die Anwendung auf alle theoretisch bewerteten marktfähigen Sicherheiten mit Ausnahme jener in Haircutkategorie I ausgeweitet wird.

Durch die Aktualisierung der Bewertungsabschläge wird deren vorübergehende Herabsetzung vollständig aufgehoben. Dies sorgt insgesamt für eine angemessene Risikoabsicherung, mehr Konsistenz innerhalb des Risikokontrollrahmens und eine verbesserte Risikoäquivalenz der Sicherheitenkategorien, während gleichzeitig die Verfügbarkeit von Sicherheiten gewährleistet wird.

Risikomanagement bei Ankäufen von Vermögenswerten im Rahmen des APP und des PEPP

Auch im Jahr 2022 wurden zu geldpolitischen Zwecken Ankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP und des PEPP durchgeführt. Die Finanzrisiken werden dabei auf Basis eigener Kontrollrahmen überwacht. Darin werden die geldpolitischen Ziele der Programme sowie die Merkmale und Risikoprofile der verschiedenen erworbenen Anlagekategorien berücksichtigt. Die Kontrollrahmen umfassen Zulassungskriterien, Verfahren zu Bonitätsbeurteilung und Due-Diligence-Prüfungen, Preisrahmen, Benchmarks und Limite. Sie gelten für den Nettoerwerb von Vermögenswerten, die Wiederanlage der Tilgungsbeträge aus fällig gewordenen Beständen und das derzeit gehaltene Portfolio, solange es in der Bilanz des Eurosystems ausgewiesen wird. Tabelle 2.1 gibt einen Überblick über die Eckpunkte der aktuell gültigen Rahmenwerke. Die 2022 eingeführten Änderungen sind bereits abgebildet.

Künftige Commercial-Paper-Käufe dürften begrenzt sein

Im Zuge seiner geldpolitischen Reaktion auf die Pandemie erwarb das Eurosystem im Rahmen des PEPP in beträchtlichem Umfang kurzfristige Geldmarktpapiere privater Kreditnehmer (Commercial Paper). Angesichts der Einstellung der Nettoankäufe im Rahmen des PEPP und des APP dürfte der Erwerb von Commercial Paper künftig begrenzt sein. Kommt es in Zukunft zum Ankauf von Commercial Paper, wird dieser vorrangig im Rahmen des APP und nur zu Preisen erfolgen, die der Backstop-Funktion entsprechen.[11]

Wiederanlagen im Unternehmenssektor begünstigten Emittenten mit besserer Klimaleistung

Seit Oktober 2022 kauft das Eurosystem bei der Wiederveranlagung von Tilgungsbeträgen aus fällig gewordenen Wertpapieren des Unternehmenssektors bevorzugt von Emittenten mit einem besseren Beitrag zum Klimaschutz („Klimaleistung“). Nähere Ausführungen zu dieser Maßnahme finden sich in Kapitel 11 Abschnitt 5.[12]

Tabelle 2.1

Eckpunkte der Risikokontrollrahmen für das APP und PEPP

Quelle: EZB.
Anmerkung: Bonitätsstufe laut harmonisierter Ratingskala des Eurosystems (siehe Rahmenwerk für Bonitätsbeurteilungen im Eurosystem auf der Website der EZB).
1) Für Asset-Backed Securities, die die Bonitätsstufe 2 nicht erreichen, gelten die folgenden zusätzlichen Auflagen: a) notleidende Kreditforderungen dürfen weder bei der Emission noch nachträglich als Basiswert herangezogen werden; b) ebenso dürfen weder strukturierte Kredite noch Konsortialkredite noch Kredite an bereits hoch verschuldete Kreditnehmer verbrieft werden; und c) die Bedienung der verbrieften Forderungen muss dauerhaft gesichert sein.
2) Siehe Implementation aspects of the public sector purchase programme (PSPP) auf der Website der EZB.

Steigende Zinsen können Gewinne des Eurosystems beeinträchtigen

Mit steigenden Zinsen wachsen die Zinsaufwendungen der Zentralbanken anfangs schneller als die Zinserträge

Als Reaktion auf die außergewöhnlich großen auf die Inflationsaussichten wirkenden Schocks hob die EZB 2022 ihre Leitzinsen mehrmals an. Die höheren Zinsen wiederum wirken sich auf die Gewinne der EZB und der nationalen Zentralbanken der Euro-Länder aus und können sogar finanzielle Verluste nach sich ziehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Kosten der Verbindlichkeiten in den Zentralbankbilanzen kurz- und mittelfristig sensibler auf Zinsänderungen reagieren als die aus den Zentralbankaktiva generierten Erträge. Diese Erträge dürften mit der Zeit auch wieder steigen, wodurch sich die Profitabilität des Eurosystems ebenfalls verbessern wird.

Mögliche Verluste können mit Finanzpuffern, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden, ausgeglichen werden. Sollten diese Puffer voll ausgeschöpft werden, können etwaige verbleibende Verluste in der Bilanz ausgewiesen und mit künftigen Gewinnen gegenverrechnet werden, ohne dass die effektive Arbeit der Zentralbanken des Eurosystems unmittelbar beeinträchtigt wird.[13]

3 Der europäische Finanzsektor: Finanzstabilitätsumfeld verschlechtert sich

Das Finanzstabilitätsumfeld im Euroraum hat sich 2022 vor dem Hintergrund der hohen Inflation, verschärfter Finanzierungsbedingungen und schwächerer Wachstumsaussichten verschlechtert. Bei einigen wesentlichen Schwachstellen kam es im Jahresverlauf zu einer weiteren Zuspitzung. Dazu zählten a) Bedenken hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit bestimmter Unternehmen, Privathaushalte und Staaten, b) Bewertungen finanzieller Vermögenswerte, die den ungünstigeren Ausblick für Wachstum, Inflation und Finanzierungsbedingungen möglicherweise nicht widerspiegelten, c) überhöhte Bewertungen an den Immobilienmärkten, d) gestiegene Kreditrisiken für Banken und e) Kredit- und Liquiditätsrisiken von Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors. Um den aus diesen Anfälligkeiten resultierenden Risiken entgegenzuwirken, verschärften die für die makroprudenzielle Aufsicht zuständigen Behörden schrittweise ihre kapitalbasierten bzw. kreditnehmerseitigen Maßnahmen. Darüber hinaus wurde weiter an der Optimierung des Regulierungsrahmens für Banken und des makroprudenziellen Ansatzes im Hinblick auf Finanzinstitute außerhalb des Bankensystems gearbeitet, mit dem Ziel, das Finanzsystem langfristig resilienter zu machen.

3.1 Finanzstabilitätslage im Jahr 2022

Mit der Verschlechterung des makrofinanziellen Umfelds stiegen die Risiken für die Finanzstabilität

Das Finanzstabilitätsumfeld im Euroraum hat sich 2022 vor dem Hintergrund der hohen Inflation, verschärfter Finanzierungsbedingungen und schwächerer Wachstumsaussichten verschlechtert. Die Invasion Russlands in der Ukraine führte zu einem starken Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise, was im Zusammenspiel mit globalen Lieferkettenengpässen den Inflationsdruck erhöhte. Diese Entwicklungen veranlassten große Zentralbanken, eine Anpassung ihres geldpolitischen Kurses vorzunehmen; dies trug zu einer Verschärfung der globalen Finanzierungsbedingungen, größerer Volatilität an den Finanzmärkten und Vermögenspreiskorrekturen bei. Die Umsetzung umfangreicher finanzpolitischer Unterstützungsmaßnahmen bei gleichzeitig steigenden Staatsanleiherenditen ließ die Kosten für den Schuldendienst – vor allem für höher verschuldete Länder – ansteigen, gleichzeitig belastete die hohe Inflation die Realeinkommen der privaten Haushalte und trieb die Unternehmenskosten in die Höhe. Während die Banken im Euroraum also von höheren Zinsen profitierten, traten vermehrt Bedenken hinsichtlich der Qualität ihrer Aktiva auf. Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors sahen sich erhöhten Kredit- und Liquiditätsrisiken gegenüber, ergriffen aber Maßnahmen, um ihr Portfoliorisiko bis zu einem gewissen Grad zu senken.

Hohe Inflation, Rezessionsrisiken und verschärfte Finanzierungsbedingungen als Herausforderung für verschuldete Staaten, Privathaushalte und Unternehmen

Die hohe Inflation und die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen belasteten 2022 die finanzielle Situation von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten. Ungeachtet der pandemiebedingt bereits hohen Verschuldung verabschiedeten die Regierungen der Euro-Länder weitere umfangreiche finanzpolitische Unterstützungsmaßnahmen, um die Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise und der Inflation abzuschwächen. Gleichzeitig stiegen die Staatsanleiherenditen markant an, was erneut Bedenken hinsichtlich der Fragmentierung der Staatsanleihemärkte im Euroraum zutage treten ließ. Mit geldpolitischen Maßnahmen wie der Ankündigung des EZB-Instruments zur Absicherung der Transmission konnten diese Bedenken bis zu einem gewissen Grad zerstreut werden. Im Unternehmenssektor stellten die höheren Energie- und Rohstoffpreise vor allem jene energieintensiven Branchen vor Herausforderungen, die die gestiegenen Kosten nur bedingt an Kunden weitergeben konnten, etwa bestimmte Versorgungs- und Bauunternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen profitierten weniger als große Unternehmen vom konjunkturellen Aufschwung nach dem Abflauen der Covid-19-Pandemie. Die nachlassende wirtschaftlichen Dynamik und höhere Kreditkosten stellten für sie nach wie vor eine besondere Gefahr dar. Für die privaten Haushalte verschlechterte sich durch die Erosion der real verfügbaren Einkommen und Ersparnisse – eine Folge der hohen Inflation in Kombination mit höheren Zinsen – die Schuldendienstfähigkeit, und zwar insbesondere in Ländern, in denen die Verschuldung der privaten Haushalte höher ist. Die Immobilienpreise im Euroraum legten zwar nach wie vor kräftig zu, doch gab es Anzeichen dafür, dass sich der Boom der letzten Jahre dem Ende zuneigen könnte: Die geschätzten Überbewertungen waren erhöht, die Zinsen für neue Hypothekendarlehen zogen an, und das Wachstum der Hypothekendarlehen verlangsamte sich. Eine Trendwende am Immobilienmarkt könnte die Verwundbarkeit der privaten Haushalte im Euroraum hinsichtlich Einkommen und finanzieller Situation noch verschärfen.

Starke Kurskorrekturen an den Finanzmärkten nach Zinserhöhungen

An den Finanzmärkten des Euroraums waren 2022 starke Kursrückgänge zu verzeichnen, die primär eine direkte Auswirkung der höheren Zinsen waren. Dabei handelte sich im Allgemeinen um geordnete Kurskorrekturen, allerdings verliefen diese in ungewöhnlich hohem Ausmaß parallel über eine breite Palette von Anlageklassen hinweg, wodurch strategische Diversifizierung erschwert wurde. In der zweiten Jahreshälfte, vor allem ab September, koppelte sich die Entwicklung der Aktienmarktindizes jedoch von jener des Anleihemarktes ab und gewann – gestützt von steigenden Bankaktienkursen – in ganz Europa an Dynamik. Die Emissionstätigkeit am Primärmarkt, einschließlich Börsengänge und Emissionen hochverzinslicher Unternehmensanleihen, ließ im Vergleich zum Vorjahr deutlich nach. Trotz der Marktkorrekturen erschienen die Kurse einiger risikoreicher Vermögenswerte nach wie vor überhöht und dürften die schlechteren Aussichten für Wachstum, Inflation und Finanzierungsbedingungen nicht vollständig abgebildet haben. Zusätzlich dazu stellten große Verschiebungen bei Rohstoffpreisen und daraus resultierende Einschusszahlungserfordernisse manche Teilnehmer an den Derivatemärkten vor Herausforderungen in Bezug auf das Liquiditätsmanagement.

Banken: von höheren Zinsen gestützte Gewinne, aber gestiegene Finanzierungskosten und Risiken für Aktivaqualität

Die Ertragssituation der Banken im Euroraum blieb 2022 robust, wozu geringere Betriebsaufwendungen, anhaltend niedrige Rückstellungen für Kreditausfälle und höhere Betriebserträge dank höherer Margen und Kreditvergabevolumen beitrugen. Bei der Aktivaqualität der Banken im Euroraum zeichnete sich trotz der signifikanten Eintrübung des Wirtschaftsausblicks keine Verschlechterung auf breiter Basis ab, und die Quote notleidender Kredite ging weiter zurück. Allerdings deuteten Entwicklungen bei Krediten mit erhöhtem Ausfallrisiko („underperforming“, d. h. Stufe 2 gemäß der dreistufigen IFRS-9-Klassifzierung) auf einen gewissen Anstieg des Kreditrisikos hin. Höhere Zinsen könnten die Kreditrisiken im Zusammenhang mit dem in den Vorjahren gestiegenen Engagement der Banken in anfälligen Sektoren, vor allem auch auf den Wohnimmobilienmärkten, vergrößern. Auf der Passivseite kam es 2022 zu einer deutlichen Verteuerung der Anleihefinanzierung für Banken, was in erster Linie auf Erwartungen hinsichtlich der geldpolitischen Maßnahmen zurückzuführen war. Zusätzlich sorgten steigende Zinsen für Neueinlagen und fällig werdende Geschäfte im Rahmen der dritten Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) dafür, dass sich die durchschnittlichen Finanzierungskosten für Banken erhöhten. Verschärft wurden diese zunehmenden konjunkturbedingten Erschwernisse durch längerfristige Herausforderungen wegen niedriger Kosteneffizienz, mangelnder Ertragsdiversifizierung und Überkapazitäten in Teilen des Bankensektors im Euroraum.

Anhaltend hohes Kreditrisiko bei Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors

Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors (Nichtbanken) wiesen 2022 insgesamt nach wie vor ein hohes Kreditrisiko auf. Das bedeutete, dass sie bei einer gravierenden Verschlechterung der Fundamentaldaten im Unternehmenssektor, vor allem in energieintensiven Branchen, mit beträchtlichen Kreditausfällen zu rechnen hatten. Zusätzlich zu dem Liquiditätsbedarf, der sich infolge des Abziehens von Kapital durch Anleger, Stornos von Versicherungsverträgen und Nachschussforderungen ergab, trug vor allem der breit angelegte Rückgang der Preise finanzieller Vermögenswerte zur signifikanten Verringerung des Gesamtwerts der Aktiva bei Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors bei. Während Investmentfonds ab Jahresbeginn steigende Barmittel aufwiesen, blieb der Bestand an liquiden Vermögenswerten relativ niedrig. Sollte also ein negatives Szenario große Mittelabzüge auslösen, könnten Investmentfonds durch prozyklisches Verkaufsverhalten eine Marktkorrektur noch verstärken. Das Durationsrisiko der Nichtbanken blieb ebenfalls erhöht, woraus sich für den Sektor das Risiko zusätzlicher Verluste aus der Neubewertung von Anleiheportfolios ergab. Insbesondere Lebensversicherungen und Pensionsfonds dürften aber dank ihrer strukturell negativen Durationslücken vom Übergang zu einem Umfeld mit höheren Zinsen profitieren. Dessen ungeachtet reagierten Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors auf die steigenden Renditen und den sich eintrübenden Wirtschaftsausblick, indem sie begannen, ihre Bestände an Unternehmens- und Staatsanleihen mit schlechterem Rating zu reduzieren und so ihr Portfoliorisiko zu senken.

Zusätzlich zu den sektorspezifischen Risiken barg auch der Klimawandel 2022 weiterhin Risiken für die Finanzstabilität im Euroraum. Die Banken, Fonds und Versicherungsgesellschaften im Euroraum müssen die für sie relevanten Folgen des Übergangs zu einer ökologisch nachhaltigeren Wirtschaft aktiv steuern, einschließlich der Konzentrationsrisiken im Zusammenhang mit Engagements, die von Klimarisiken betroffen sind. Darüber hinaus war das Finanzsystem des Eurosystems einer wachsenden Bedrohung durch Cyberrisiken ausgesetzt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass Finanzinstitute laufend in Cybersicherheit und die entsprechende Infrastruktur investieren und die Behörden die Überwachung dieser Risiken verstärken müssen.

3.2 Makroprudenzielle Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors gegenüber kumulierten Schwachstellen

Makroprudenzielle Maßnahmen als Schlüsselinstrument zur Bekämpfung von Schwachstellen im Finanzsystem

Zu den Aufgaben der EZB zählt die Überprüfung der makroprudenziellen Kapitalmaßnahmen, die von den nationalen Behörden in Ländern, die am europäischen Bankenaufsichtssystem (Single Supervisory Mechanism – SSM) teilnehmen, geplant werden. Die EZB ist insbesondere befugt, bei Bedarf strengere Kapitalmaßnahmen zu ergreifen.[14] Angesichts der makrofinanziellen Schwachstellen, die in den letzten Jahren, auch während der Pandemie, entstanden sind, kam dieser Rolle 2022 besondere Bedeutung zu.

Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems stärken und Prioritäten für Regulierungsreformen festlegen

Obwohl sich die gesamtwirtschaftlichen Aussichten und das Finanzstabilitätsumfeld im Euroraum 2022 verschlechterten, blieben die Banken unter europäischer Aufsicht gut gerüstet, um den neuen wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. Bankbilanzen und Kapitalausstattung zeigten sich infolge der Regulierungsfortschritte und des aktiven Einsatzes aufsichtlicher Maßnahmen gestärkt. Gleichzeitig ergaben sich Risiken auf mittlere Sicht, die das Ergebnis von Anfälligkeiten waren, die sich insbesondere im Zusammenhang mit den Entwicklungen im Wohnimmobiliensektor und ganz allgemein im Zuge des starken Kreditwachstums und der steigenden Verschuldung im nichtfinanziellen privaten Sektor aufgebaut hatten. Mit der Invasion Russlands in der Ukraine wurde die makrofinanzielle Situation insofern noch herausfordernder, als sich die bestehenden Vulnerabilitäten verschärften und die Wahrscheinlichkeit, dass Risiken in naher Zukunft schlagend werden, zunahm.

Eine große Zahl an am SSM teilnehmenden Ländern beschloss eine Verschärfung der kapitalbasierten makroprudenziellen Maßnahmen, um diesen mittelfristigen Risiken zu begegnen. Ende 2022 hatten elf Länder eine Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers angekündigt, und drei Länder hatten einen (sektoralen) Systemrisikopuffer eingeführt oder eine Erhöhung angekündigt.[15] Die EZB stand dazu im Austausch mit den nationalen Behörden und gab eine Beurteilung der Maßnahmen ab. Sie erhob keine Einwände gegen die Beschlüsse, da diese mit ihrer eigenen Einschätzung der Notwendigkeit, die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors zu wahren, vereinbar waren. Ende 2022 hatten 15 Länder zudem kreditnehmerbasierte makroprudenzielle Maßnahmen umgesetzt.

Im November 2022 veröffentlichte der EZB-Rat eine Erklärung zur Wichtigkeit makroprudenzieller Kapitalpuffer zur Wahrung und Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors in einem herausfordernden makrofinanziellen Umfeld.[16] Unter der Voraussetzung, dass prozyklische Effekte vermieden werden, schützt eine Verschärfung von Pufferanforderungen das System selbst im fortgeschrittenen Stadium des Konjunktur- oder Finanzzyklus vor den Anfälligkeiten, die sich aufgebaut haben, und ermöglicht es, bei Bedarf Kapital bereitzustellen, da die Puffer im Fall negativer Entwicklungen freigegeben werden können. Dies erhöht wiederum die Verlustabsorptionsfähigkeit der Banken, während diese gleichzeitig die Wirtschaft weiterhin mit den grundlegenden Finanzdienstleistungen versorgen können. In der Erklärung wird auf den bestehenden Kapitalspielraum jenseits der aufsichtlichen Anforderungen hingewiesen und hervorgehoben, dass prozyklische Effekte, hervorgerufen durch eine übermäßige Verschärfung der Kreditbedingungen, vermieden werden sollten, und zwar insbesondere indem die makroprudenziellen Maßnahmen den spezifischen Bedingungen in den einzelnen Ländern angepasst werden. Ferner ging der EZB-Rat auf die Bedeutung einer Begrenzung der Finanzstabilitätsrisiken bei Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors aus Systemrisikoperspektive ein. Im Dezember 2022 gab der EZB-Rat die Überarbeitung der Methodik zur Pufferuntergrenze für auf andere systemrelevante Institute (A-SRI) anzuwendende Kapitalpuffer bekannt. Die angepasste Methodik gilt ab 1. Januar 2024 und wird die Widerstandsfähigkeit systemrelevanter Banken erhöhen.

Die EZB kommunizierte im Jahr 2022 weiterhin ihre Analysen und Positionen zu makroprudenziellen Themen. So brachte sie etwa ihre Ansicht zum Ausdruck, dass die Schaffung von zusätzlichem makroprudenziellen Spielraum durch eine Erhöhung des Volumens freisetzbarer Puffer und die Verbesserung der Effektivität der bestehenden antizyklischer Kapitalpuffer die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems auf mittlere Sicht stärken würden.[17] Zusätzlich dazu wurde in den Kapiteln zur makroprudenziellen Politik im Financial Stability Review der EZB vom Mai bzw. November 2022 erläutert, warum es wichtig ist, die Resilienz des Bankensystems zeitgerecht zu stärken und gleichzeitig Timing und Tempo der aufsichtlichen Maßnahmen an die erhöhte Unsicherheit und länderspezifische Bedingungen anzupassen.[18] Nachdem der Aufbau von Vulnerabilitäten am Immobilienmarkt in den letzten Jahren berechtigterweise neuerlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt war, widmete die EZB die Oktober-Ausgabe ihres Macroprudential Bulletin der Analyse des Zusammenspiels zwischen Immobilienmärkten, Finanzstabilität und makroprudenzieller Politik.

Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken

Zahlreiche ESRB-Empfehlungen und -Warnungen zu Systemrisiken

Die EZB leistete auch im Berichtsjahr dem Sekretariat des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) analytische, statistische, logistische und administrative Unterstützung.[19] Insbesondere führte die EZB den Co-Vorsitz in dem ESRB-Team, das die Antwort auf das Beratungsersuchen der Europäischen Kommission zur Überprüfung des makroprudenziellen Rahmens der EU ausarbeitete.[20] Die EZB unterstützte ferner die folgenden Aktivitäten des ESRB: a) die makroprudenzielle Strategie im Hinblick auf Finanzstabilitätsrisiken, die sich aus Cybersicherheitsvorfällen ergeben,[21] b) Aufsichtsreformen mit dem Ziel, die Widerstandsfähigkeit von Geldmarktfonds zu erhöhen,[22] c) Überwachung der Anfälligkeiten im Zusammenhang mit Finanzintermediationsleistungen von Nichtbanken,[23] d) Messung und Modellierung klimabezogener Risiken auf die Finanzstabilität in der EU[24] und e) Analyse der Anfälligkeiten am Gewerbeimmobilienmarkt im europäischen Wirtschaftsraum.[25]

Der ESRB gab 2022 mehrere Warnungen und Empfehlungen heraus. Im Januar und Februar veröffentlichte er Empfehlungen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Geldmarktfonds bzw. zur Einrichtung eines Koordinierungsrahmens für systemische Cybervorfälle[26] sowie fünf Warnungen und zwei Empfehlungen im Hinblick auf Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor.[27] Vor dem Hintergrund steigender Finanzstabilitätsrisiken gab der ESRB im September 2022 seine erste allgemeine Warnung heraus.[28] Außerdem veröffentlichte der ESRB im Dezember 2022 eine Empfehlung betreffend Anfälligkeiten im Gewerbeimmobiliensektor.[29]

Weitere Informationen zum ESRB finden sich auf dessen Website und in den Jahresberichten.

3.3 Mikroprudenzielle Aufsichtsaktivitäten zur Gewährleistung solider Finanzinstitute

Bankensektor im Euroraum erwies sich resilient gegenüber gesamtwirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine

Die nach der Invasion Russlands in der Ukraine von der EZB durchgeführte Vulnerabilitätsanalyse bestätigte, dass der Bankensektor des Euroraums den gesamtwirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Krieges gewachsen ist. Allerdings schieden aufgrund der verhängten Sanktionen einige Banken aus dem Markt aus. Im Februar gelangte die EZB zu der Beurteilung, dass die Sberbank Europe AG und ihre beiden Tochtergesellschaften in der Bankenunion, die Sberbank d.d. in Kroatien und die Sberbank banka d.d. in Slowenien, ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen. Grund war eine Verschlechterung der Liquiditätslage der Banken. Die EZB fasste ferner Beschlüsse hinsichtlich der Einstellung der Bankgeschäfte der RCB Bank.

Die EZB richtete ihre gezielten Überprüfungen und Vor-Ort-Prüfungen 2022 primär nach den vom Krieg unmittelbar betroffenen Risikobereichen aus: Risikopositionen mit Energiebezug, Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch, Immobilienengagements und Kontrahentenrisiko. Diese speziellen Risiken sowie die ausgeprägte Unsicherheit im Hinblick auf die Wirtschaftsaussichten und anhaltende Bedenken in Bezug auf Governance und interne Risikosteuerung bei den Banken führten dazu, dass sich die Gesamtbewertungen der Banken im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) für 2022 nicht verbesserten, obwohl die Kennzahlen zu Aktivaqualität und Ertragskraft besser ausgefallen waren. Um den möglichen Auswirkungen des Krieges sowie der Normalisierung der Geldpolitik Rechnung zu tragen, wurden geopolitische Risiken und Finanzierungsrisiken in die Aufsichtsprioritäten des SSM für die Jahre 2023-2025 aufgenommen.

Erster Klimastresstest und thematische Überprüfung bringen entscheidende Fortschritte bei EZB-Klimaagenda

Die EZB erzielte entscheidende Fortschritte bei ihrer Klimaagenda. Im Zuge des ersten Klimastresstests wurde untersucht, wie gut die Banken darauf vorbereitet sind, finanzielle und wirtschaftliche Schocks aufgrund von Klimarisiken zu antizipieren und zu bewältigen. Gemäß der im Juli veröffentlichten Ergebnisse berücksichtigten die Banken Klimarisiken noch nicht ausreichend in ihren Stresstestrahmen und internen Modellen, auch wenn seit 2020 ein gewisser Fortschritt zu verzeichnen war. Im November veröffentlichte die EZB die Ergebnisse der thematischen Überprüfung 2022 der Klima- und Umweltrisiken. Diese zeigte, dass die meisten Banken ihre Risikomanagementpraxis noch verbessern müssen, um die im Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken der EZB angeführten aufsichtlichen Erwartungen zu erfüllen. Eine Zusammenstellung von im Zuge der Überprüfung und des Stresstests beobachteten bewährten Praktiken wurde in Form von zwei Berichten im November bzw. Dezember veröffentlicht.

Im Rahmen ihrer laufenden Bestrebungen zur Verbesserung der Transparenz und Rechenschaftspflicht leitete die EZB am 28. September 2022 ein öffentliches Konsultationsverfahren zum Entwurf eines Leitfadens zu Verfahren für qualifizierte Beteiligungen ein. Die EZB präzisierte ferner ihre Vorgaben für Optionen und Ermessensspielräume in der Bankenaufsicht. Dem vorangegangen war ein am 30. August 2021 abgeschlossenes öffentliches Konsultationsverfahren. Im Juni 2022 veröffentlichte die EZB eine Stellungnahme zur Methodik, die bei der Ausübung bankenaufsichtlicher Ermessensspielräume im Hinblick auf grenzüberschreitende Engagements innerhalb der Bankenunion im Rahmen der Beurteilung global systemrelevanter Banken zum Einsatz kommen würde.

Die EZB belegte 2022 drei Banken mit Sanktionen.[30]

Die EZB veröffentlichte des Weiteren zwei Vereinbarungen zur Zusammenarbeit im Bereich Bankenaufsicht (mit dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss bzw. der Commissione Nazionale per le Società e la Borsa ), die 2022 überprüft wurden. Außerdem setzte die EZB-Bankenaufsicht ihre Desk-Mapping-Überprüfung bei internationalen Banken fort, die nach dem Brexit beschlossen hatten, Geschäftsbereiche aus London zu Tochterinstituten in Länder, die an der europäischen Bankenaufsicht teilnehmen, zu verlagern. Ziel dieser Überprüfung ist es sicherzustellen, dass alle durch den SSM beaufsichtigten Unternehmen über ein solides aufsichtsrechtliches Risikomanagement sowie einen lokalen Standort verfügen, der eine wirkungsvolle Aufsicht ermöglicht und den Risiken, die von diesen Instituten ausgehen, entspricht.

Weitere Erläuterungen zur EZB-Bankenaufsicht finden sich auf ihrer Website sowie im EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2022.

3.4 Beitrag der EZB zu Initiativen für den europäischen Finanzsektor

Bedeutende Fortschritte bei Verbesserung des Regulierungsrahmens

Der Regulierungsrahmen für den Finanzsektor wurde 2022 wesentlich weiterentwickelt. Gleichzeitig gibt es nach wie vor Handlungsbedarf bei der Umsetzung der finalen Basel-III-Reformen, der Vollendung der Bankenunion, der Verbesserung des makroprudenziellen Rahmens und der Bewältigung von Klimarisiken sowie bei der Regulierung von Kryptowerten, Kapitalmärkten und Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors.

Verbesserung des Regulierungsrahmens für Banken

Basel III, Krisenmanagement, makroprudenzieller Rahmen und Klimarisiken im Mittelpunkt der Arbeiten zur Bankenregulierung auf EU-Ebene

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 27. Oktober 2021 ihre Vorschläge für die Umsetzung der Basel-III-Reformen in der EU. Seitdem unterstützt die EZB aktiv den Gesetzgebungsprozess. Im Jahr 2022 veröffentlichte sie Stellungnahmen zu der vorgeschlagenen Überarbeitung der Eigenkapitalverordnung und der Eigenkapitalrichtlinie.[31] Zudem bezog die EZB mehrfach Stellung zum Bankenpaket.[32]

Die Diskussion über die Vollendung der Bankenunion wurde 2022 unter aktiver Beteiligung der EZB fortgeführt. Wie mit der Euro-Gruppe im Juni vereinbart, werden sich die Arbeiten nun auf die Stärkung des Krisenmanagementrahmens für Banken konzentrieren. Im Juli veröffentlichte die EZB einen Beitrag zur gezielten Konsultation der Europäischen Kommission zur Evaluierung der Vorschriften über staatliche Beihilfen für angeschlagene Banken.

Die Überprüfung des makroprudenziellen Rahmens in der EU stellte einen weiteren wichtigen Tätigkeitsbereich der EZB im Jahr 2022 dar. Mit dieser Überprüfung soll gewährleistet werden, dass die jeweiligen Behörden systemischen Risiken länderübergreifend zeitnah, konsistent und umfassend begegnen können. In ihrer Antwort auf das Beratungsersuchen der Europäischen Kommission führte die EZB einige Schlüsselbereiche an, in denen es legislativer Schritte bedarf, um die Effizienz und Wirksamkeit des makroprudenziellen Instrumentariums der EU zu erhöhen.

Zu den Aktivitäten im Rahmen der Klimaagenda der EZB gehören die laufende Überwachung klimabedingter finanzieller Risiken und Beiträge zu politischen Debatten auf europäischer und internationaler Ebene. Gemeinsam mit dem ESRB veröffentlichte die EZB einen Bericht darüber, wie sich Klimaschocks auf das Finanzsystem auswirken können. In diesem Bericht wurde erörtert, inwiefern makroprudenzielle Maßnahmen zu einer umfassenderen politischen Reaktion zur Bewältigung der finanziellen Auswirkungen des Klimawandels beitragen und in dieser Hinsicht mikroprudenzielle Maßnahmen ergänzen können. Im Zuge ihrer mikroprudenziellen Aktivitäten unterzog die EZB die Offenlegungen der Banken und deren Steuerung der Klima- und Umweltrisiken einer Beurteilung und führte einen Klimastresstest durch (siehe Kapitel 3 Abschnitt 3). Des Weiteren beteiligte sich die EZB an der Task Force on Climate-related Financial Risks des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht. Diese veröffentlichte häufig gestellte Fragen (FAQ), in denen erläutert wird, wie bereits bestehende Regulierungsstandards zur Bekämpfung von Klimarisiken eingesetzt werden können, sowie Grundsätze für die wirksame Steuerung und Überwachung klimabedingter finanzieller Risiken. Auf EU-Ebene trug die EZB zu einer von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde durchgeführten Analyse der Bedeutung von Umweltrisiken im Aufsichtsrahmen bei.

Stärkere Regulierung der Kapitalmärkte und Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors, Regulierungsrahmen für Kryptowerte

Regulierungsbestrebungen im Nichtbankenfinanzsektor konzentrierten sich auf Kapitalmarktunion, strukturelle Anfälligkeiten und Kryptowerte

Die EZB betonte 2022 weiterhin die Wichtigkeit, die Kapitalmarktunion voranzutreiben.[33] In diesem Zusammenhang veröffentlichte sie mehrere Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen, etwa a) zur Erhöhung der Markttransparenz, b) zur Einrichtung und Funktionsweise des zentralen europäischen Zugangsportals (ESAP), c) zu Zentralverwahrern und d) zur Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM). Die EZB bekräftigte außerdem die Notwendigkeit, den Aktionsplan 2020 zur Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission vollumfänglich und ohne Verzögerung umzusetzen und begrüßte entsprechende im Dezember 2022 veröffentlichte Gesetzesvorschläge. Diese zielen auf den Abbau struktureller Hürden für die Kapitalmarktintegration, wie z. B. nationale Unterschiede im Insolvenzrecht, ab. Darüber hinaus soll es für Unternehmen einfacher werden, für Wertpapiere die Zulassung zum Börsenhandel zu erlangen bzw. an der Börse Kapital aufzunehmen, und das zentrale Clearingsystem der EU soll gestärkt werden. Die EZB forderte weitere Fortschritte beim Anlegerschutz und der Steuerharmonisierung, eine Stärkung der grenzüberschreitenden Kapitalmarktaufsicht und eine euroraumweite Harmonisierung der Rahmenregelungen für Venture-Capital, um die Aktien- und Risikokapitalmarktentwicklung zu unterstützen und die Finanzierung von Innovationen zu erleichtern.

Die EZB betonte weiterhin die Wichtigkeit, strukturelle Anfälligkeiten im Nichtbankenfinanzsektor abzubauen und den entsprechenden Handlungsrahmen aus makroprudenzieller Perspektive zu verbessern. Im Macroprudential Bulletin der EZB erschienen Analysen zu Maßnahmenvorschlägen im Hinblick auf die Verringerung von Liquiditätsinkongruenzen im Bereich der Geldmarktfonds. Darüber hinaus lieferte die EZB einen Beitrag zu den ökonomischen Überlegungen zur Untermauerung der auf eine Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Geldmarktfonds abzielenden Empfehlung des ESRB zur Reform der Geldmarktfonds, die im Januar 2022 veröffentlicht wurde.[34] Die EZB bekräftigte wie schon zuvor, dass die Umsetzung solcher Reformen nicht verzögert werden dürfe. Im Zusammenhang mit offenen Investmentfonds führte das Financial Stability Board (FSB) eine Wirksamkeitsbeurteilung seiner Empfehlungen zu Liquiditätsinkongruenzen bei derartigen Fonds aus dem Jahr 2017 durch, zu der die EZB einen Beitrag leistete.[35] Das FSB wird seine Empfehlungen nun überarbeiten, damit diese den Abbau der Liquiditätsinkongruenzen besser unterstützen.[36]

Die EZB brachte sich ferner aktiv in die Diskussionen über einen Regulierungsrahmen für Kryptowerte ein, die im Rahmen internationaler Foren wie dem FSB, dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht und dem Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen (CPMI) geführt wurden.[37] Wesentliche Fortschritte wurden dahingehend erzielt, dass sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit Kryptowerten, die ein Risiko für die Finanzstabilität darstellen, einer umfassenden, global koordinierten Regulierung, Aufsicht und Überwachung unterworfen werden. Außerdem hat man sich auf eine global abgestimmte aufsichtliche Behandlung von Krypto-Asset-Engagements verständigt.

Kasten 2
Starke Regeln, starke Banken – das Bankenpaket

Die EZB veröffentlichte 2022 ihre Stellungnahmen zu den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Änderungen der Eigenkapitalrichtlinie (CRD VI) bzw. der Eigenkapitalverordnung (CRR III), zwei Kernelemente des aktuellen EU-Bankenpakets.[38] Mit den Vorschlägen sollen die in der EU noch nicht umgesetzten Basel-III-Regelungen in der EU eingeführt werden, gleichzeitig soll der EU-Aufsichtsrahmen weiter gestärkt werden, u. a. durch weitere Harmonisierungsschritte und das Schließen regulatorischer Schlupflöcher sowie einen größeren Fokus auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken. Die EZB ist eine vehemente Befürworterin dieser Vorhaben. Stärkere Regeln sorgen für stärkere Banken und verbessern daher die Widerstandsfähigkeit des EU-Bankensystems.

Umsetzung der ausstehenden Basel-III-Regelungen

Die Umsetzung der noch ausstehenden Elemente der Basel-III-Standards ist der letzte Schritt der Überarbeitung des globalen Regulierungsrahmens für das Finanzsystem, die als Reaktion auf die globale Finanzkrise in Angriff genommen worden war. Diese Standards berücksichtigen die Lehren aus der Krise und wurden auf internationaler Ebene von Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden ausgearbeitet und vereinbart. Sie enthalten auch Vorschläge und Änderungen, die von europäischer Seite im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht eingebracht wurden.

Die EZB ist stets für eine vollumfängliche, zeitnahe und getreue Umsetzung der Basel-III-Standards in der EU eingetreten. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass die EU auch in Zukunft über ein sicheres und robustes Bankensystem verfügt. Die von der Europäischen Kommission im Oktober 2021 vorgelegten Legislativvorschläge weichen in einigen Punkten von den vereinbarten Basel-III-Regelungen ab. Zu diesen Abweichungen brachte die EZB in den entsprechenden Stellungnahmen ihre Bedenken zum Ausdruck. Die EZB verwies dabei insbesondere auf die in dem Vorschlag für die Eigenkapitalverordnung enthaltenen Übergangsbestimmungen für Immobilienfinanzierungen und Risikopositionen gegenüber Unternehmen ohne Rating, die von den Basel-III-Standards abweichen. Aus Aufsichts- und Finanzstabilitätsperspektive sind diese Abweichungen nicht gerechtfertigt; sie bergen die Gefahr, dass einzelne Risiken unberücksichtigt bleiben. Nach Ansicht der EZB sollten alle Abweichungen beseitigt oder zumindest eingeschränkt und zeitlich strikt begrenzt werden. Im Zuge des laufenden Legislativverfahrens gab und gibt es allerdings Vorschläge und Vorstöße seitens anderer Vertreter der EU-Legislative für noch stärkere Abweichungen von Basel III als jene, die in den Kommissionsvorschlägen vorgesehen sind. Solche zusätzlichen Abweichungen würden das durch Basel III gespannte Sicherheitsnetz weiter schwächen und die Kluft zwischen diesen wichtigen internationalen Mindeststandards und den EU-Regulierungsstandards vergrößern. Dazu würde das gesamte Regulierungssystem noch komplexer werden, die für die Erfüllung der Vorschriften entstehenden Kosten für die Banken würden steigen, und die Aufsichtsarbeit würde sich schwieriger gestalten. Kurz gesagt, ein Absenken der Regulierungsstandards unter internationale Mindestvorgaben würde die Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit des EU-Bankensektors gefährden und die Finanzierungskosten erhöhen.

Eine zu große Zahl erheblicher Änderungen gegenüber den Basel-III-Standards könnte außerdem Zweifel über die Einhaltung des Basel-III-Regelwerks durch die EU hochkommen lassen. Eine Nichtbefolgung von Basel III könnte der Reputation der EU schaden und künftig ihre Position bei internationalen Verhandlungen schwächen. Dazu kommt, dass ein Ausscheren von einem globalen einheitlichen Vorgehen bei der Umsetzung andere Länder dazu animieren könnte, noch weiter und stärker von den Standards abzugehen („race to the bottom“). Dies wäre bedauerlich, denn starke Banken sind ein wichtiger Faktor für die Widerstandsfähigkeit, wie die Pandemie gezeigt hat.[39] Die verbesserte Widerstandsfähigkeit des Bankensektors ist zu einem großen Teil jenen Basler Standards zu verdanken, die bereits in Kraft sind, und sollte durch die getreue Umsetzung der noch ausstehenden Regelungen abgesichert werden.

Stärkung der Bankenregulierung: Harmonisierungen vorantreiben und Schlupflöcher schließen

Eine Reihe aufsichtlicher Regelungen und Befugnisse sind in der EU noch nicht harmonisiert. Das Bankenpaket zielt auf eine weitere Harmonisierung ab, damit die Regelungen und Befugnisse auf alle Banken einheitlich angewendet werden, unabhängig von dem Land, in dem sie ihren Sitz haben. Das Bankenpaket sieht u. a. folgende Maßnahmen vor:

  • Die Aufsichtspraxis im Hinblick auf Drittlandzweigstellen, d. h. EU-Zweigstellen von Banken mit Hauptsitz außerhalb der EU, wird harmonisiert. Derzeit kommen in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche aufsichtliche Praktiken zum Einsatz; dadurch entstehen ungleiche Wettbewerbsbedingungen, und der EZB ist es nicht möglich, ein klares Bild über die Geschäftstätigkeit von Drittstaatenbankengruppen zu erlangen. Die vorgeschlagenen Änderungen sorgen in der EU für einheitliche Wettbewerbsbedingungen für Drittlandbankengruppen und Kreditinstitute in der EU sowie für eine effektivere Bankenaufsicht.
  • Das „Fit-and-Proper“-Verfahren[40] wird harmonisiert. Die EZB hat in diesem Zusammenhang zwar bereits eine Gatekeeper-Funktion inne, doch wird ihre Arbeit durch die Vielzahl an unterschiedlichen nationalen Bestimmungen erschwert. Die EZB begrüßt daher ausdrücklich eine Harmonisierung in diesem Bereich, stimmt allerdings mit der Europäischen Kommission insofern überein, dass Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss, etwa indem der Fokus auf die Vorstände der größten europäischen Banken gelegt wird.
  • Unterschiede zwischen europäischen Ländern im Hinblick auf andere Aufsichtsbefugnisse, wie z. B. Sanktionierungsbefugnisse, werden beseitigt. So räumt das Bankenpaket etwa der EZB die Befugnis ein, Banken aus allen an der europäischen Bankenaufsicht teilnehmenden Ländern periodische Bußgelder aufzuerlegen.

Die Harmonisierung der aufsichtlichen Regelungen und Befugnisse wird die Effektivität der EU-Bankenaufsicht verbessern und die Integration und Widerstandsfähigkeit des Bankensektors erhöhen.

Schwerpunkt auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken

Nicht zuletzt angesichts des Klimawandels sind Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (environmental, social and governance risks – ESG-Risiken) für die Stabilität der einzelnen Banken und des Finanzsystems insgesamt von Bedeutung. Die EZB begrüßt daher den Vorschlag im Rahmen des Bankenpakets, dass Banken alle materiellen Risiken, einschließlich ESG-Risiken, steuern müssen.

Konkret sollen Banken verpflichtet werden, spezifische Pläne für die Überwachung und Bekämpfung von kurz-, mittel- und langfristigen ESG-Risiken auszuarbeiten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Banken strukturelle Veränderungen, die sich in Branchen, in denen sie Engagements halten, höchstwahrscheinlich vollziehen werden, anhand der vom EU-Rechtsrahmen festgelegten Übergangspfade umfassend analysieren.[41]

Abbildung A

Bankenpaket: Zeitplan des Gesetzgebungsprozesses

Quelle: EZB.
Anmerkung: Trilog: Verhandlungen zwischen der Europäische Kommission, dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament. ECOFIN: Rat für Wirtschaft und Finanzen. ECON: Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments.

4 Reibungsloser Betrieb der Marktinfrastrukturen und des Zahlungsverkehrs

Das Eurosystem spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung, beim Betrieb und bei der Überwachung der Marktinfrastrukturen und der Regelungen, die für Sicherheit und Effizienz im Zahlungsverkehr sowie bei Wertpapier- und Sicherheitentransaktionen im Euroraum sorgen. Darüber hinaus fördert das Eurosystem die Integration und Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs- und Wertpapiermarktes. Im Berichtsjahr überprüfte und aktualisierte das Eurosystem die bestehende Marktinfrastruktur sowie damit verbundene Maßnahmen und Strategien und untersuchte zudem neue Technologien und die mögliche Einführung eines digitalen Euro.

4.1 TARGET-Dienste und Innovationen und Integration im Bereich Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr

Die TARGET-Dienste des Eurosystems umfassen drei Abwicklungsdienste: a) TARGET2, ein Echtzeit-Bruttozahlungssystem (RTGS-System) für die Abwicklung von Zahlungen in Euro im Zusammenhang mit den geldpolitischen Geschäften des Eurosystems sowie von Interbank- und Großkundenzahlungen, b) TARGET2-Securities (T2S), eine einheitliche mehrwährungsfähige Plattform für die europaweite Wertpapierabwicklung, und c) TARGET Instant Payment Settlement (TIPS), eine Infrastruktur zur Abwicklung von Echtzeitzahlungen in Zentralbankgeld.

Erstmals wurden über 100 Millionen Zahlungen pro Jahr über TARGET2 abgewickelt

TARGET2 wird von rund 1 000 Banken genutzt, um Transaktionen in Euro – entweder im eigenen Namen oder im Auftrag ihrer Kundinnen und Kunden – zu veranlassen. Insgesamt sind weltweit mehr als 41 000 Banken (einschließlich Zweigstellen und Tochterbanken) über TARGET2 erreichbar. Im Jahr 2022 wurden in TARGET2 pro Tag im Durchschnitt 399 653 Zahlungen mit einem Gesamtwert von 2,219 Billionen € durchgeführt. Damit stieg das tägliche Zahlungsvolumen gegenüber dem Vorjahr um 7 % an. Erstmals wurden mehr als 100 Millionen Zahlungen pro Kalenderjahr über TARGET2 abgewickelt.

Die technische Verfügbarkeit von TARGET2 lag 2022 bei 100 %. Zudem hat das Eurosystem den als Reaktion auf die 2020 verzeichneten Vorfälle bei TARGET-Diensten erstellten Aktionsplan nunmehr weitgehend umgesetzt.[42]

Zur Überprüfung des hohen Cybersicherheitsniveaus von TARGET2 wurde 2022 ein TIBER-EU[43]-Test durchgeführt. Im Rahmen von TIBER-EU-Tests werden die bei realen Cyberangriffen eingesetzten Taktiken, Techniken und Verfahren auf Grundlage spezifischer Bedrohungsinformationen nachgeahmt. Die Durchführung solcher Tests hilft bei der Beurteilung dessen, wie gut TARGET2 gegen Cyberangriffe gerüstet ist.

Nach der formellen Billigung des Beitritts Kroatiens zum Euroraum per 1. Januar 2023 wurden 2022 mit der Hrvatska narodna banka und dem kroatischen Finanzsektor vorbereitende Tests und notwendige Abstimmungsarbeiten für die Migration vom nationalen RTGS-System zu TARGET2 durchgeführt.

T2-Start verschoben

Um der technologischen Entwicklung, neuen regulatorischen Anforderungen und sich ändernden Nutzeranforderungen Rechnung zu tragen, arbeitet das Eurosystem an der Einführung der Plattform T2, die ein neues RTGS-System und eine Komponente für zentrales Liquiditätsmanagement umfasst, womit das Liquiditätsmanagement aller TARGET-Dienste optimiert wird. Der für November 2022 geplante Start von T2 wurde auf März 2023 verschoben.

Die T2S-Plattform wird von 19 Wertpapier-Zentralverwahrern aus 20 europäischen Finanzmärkten genutzt und ermöglicht die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen in Euro und dänischer Krone. Im Jahr 2022 wurden über T2S im Tagesdurchschnitt 707 879 Transaktionen im Wert von 716,67 Mrd. € durchgeführt. Darüber hinaus unterzeichneten 2022 der kroatische Zentralverwahrer (SKDD), der bulgarische Zentralverwahrer (CDAD) und das BNB Government Securities Settlement System (BNBGSSS) die T2S-Rahmenvereinbarung; geeignete Migrationstermine werden derzeit sondiert. Die Tests für die Anbindung neuer Zentralverwahrer an T2S werden 2023 fortgesetzt.

Im Jahr 2022 wurden zwei wichtige Verbesserungen in T2S umgesetzt. Erstens wurde der Sanktionsmechanismus, der die Zentralverwahrer bei der Umsetzung der Vorgaben zur Abwicklungsdisziplin gemäß der Verordnung über Zentralverwahrer unterstützt, nach erfolgreichem Probelauf produktiv gesetzt. Zweitens wurde mit der Einführung des Release 6.0 der T2S-Software die Möglichkeit geschaffen, gemeinsame Komponenten in allen TARGET-Diensten innerhalb von T2S zu nutzen.

Um die Implementierung von Echtzeitzahlungen im gesamten Euroraum voranzutreiben, finalisierte das Eurosystem die Umsetzung von Maßnahmen zur Gewährleistung der europaweiten Erreichbarkeit im Zahlungsverkehr via TIPS. Mit dem TIPS-Beitritt einer wachsenden Zahl von Banken und anderen Akteuren aus den Mitgliedstaaten stieg das Transaktionsvolumen im Vergleich zu 2021 um das 17,1-Fache auf einen Spitzenwert von 18,7 Millionen Transaktionen im Dezember 2022 an (verglichen mit 1,6 Millionen im Dezember 2021). Geht es nach einem Gesetzgebungsvorschlag der Europäischen Kommission, soll künftig jeder Zahlungsdienstleister in der EU, der bereits Überweisungen in Euro anbietet, verpflichtet werden, diese innerhalb einer vorgegebenen Frist auch als Sofortzahlung anzubieten; daher ist davon auszugehen, dass die Implementierung von Euro-Sofortzahlungen weiter Fahrt aufnehmen wird.

Da TIPS unterschiedliche Währungen unterstützt, bekundeten auch Zentralbanken außerhalb des Euroraums ihr Interesse daran, TIPS beizutreten. Die Sveriges riksbank schloss im Mai 2022 die erste Phase der Migration zu TIPS erfolgreich ab und ebnete damit den Weg für die Abwicklung von Echtzeitzahlungen in schwedischer Krone in TIPS. Danmarks Nationalbank wird ab dem zweiten Quartal 2025 die Abwicklung in dänischer Krone via TARGET-Services einschließlich TIPS anbieten. Auch die Norges Bank bekundete Interesse, mit ihrer Landeswährung an TIPS teilzunehmen. Derzeit wird die Umsetzung einer Währungspaar-Funktionalität für die Abwicklung von Echtzeitzahlungen zwischen unterschiedlichen Währungen auf der Plattform geprüft.

Zusätzlich zu den bestehenden drei Abwicklungsdiensten ist derzeit ein weiteres TARGET-Service in Entwicklung, das Eurosystem Collateral Management System (ECMS). Mit ECMS soll ein einheitliches Sicherheitenmanagement-System für das Eurosystem geschaffen werden, das die Verwaltung von Vermögenswerten, die als Sicherheiten für Kreditgeschäfte des Eurosystems hinterlegt werden, für alle Länder des Euroraums ermöglicht. Der ECMS-Start wurde von November 2023 auf April 2024 verschoben, um die Auswirkungen des verschobenen Starts von T2 abzufedern.

Im Bereich des Zahlungsverkehrs verfolgt das Eurosystem weiterhin die in seiner Strategie für den Massenzahlungsverkehr dargelegten Ziele. Dazu gehören die Unterstützung einer europaweiten Lösung für Massenzahlungen am Point of Interaction (POI), d. h. an der physischen Verkaufsstelle sowie im mobilen und elektronischen Handel, die von Unternehmen des europäischen privaten Sektors geregelt wird, sowie die flächendeckende Einführung von Echtzeitzahlungen und die Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs. Darüber hinaus laufen Arbeiten um sicherzustellen, dass in dem von zunehmender Digitalisierung geprägten Wirtschaftsleben alle Menschen in Europa Zugang zu sicheren, effizienten und nutzerfreundlichen Zahlungsverkehrslösungen haben. In diesem Zusammenhang wurde ein Bericht zur Bestandsaufnahme des Zugangs zum Massenzahlungsverkehr in der EU veröffentlicht. Die wesentlichen Schlussfolgerungen bestehen darin, dass die zunehmende Digitalisierung zwar vulnerable Personen und Gruppen vor spezielle Herausforderungen stellt, gleichzeitig aber die Chance bietet, mittels gezielter innovativer Lösungen den Zugang insgesamt zu verbessern.

Fortschritte bei vom ERPB forcierten Open Banking

Parallel zur Förderung der Strategie des Eurosystems für den Massenzahlungsverkehr unterstützt die EZB die Entwicklung innovativer Zahlungsdienste, u. a. auf Ebene des Euro Retail Payments Board (ERPB), eines hochrangigen strategischen Gremiums unter Vorsitz der EZB. Das ERPB forciert insbesondere das Open Banking, ein Konzept, das Drittanbietern ermöglicht, mit Zustimmung der Bankkundinnen und -kunden auf Zahlungskontodaten zuzugreifen und über offene Programmierschnittstellen Zahlungen zu veranlassen. Damit können Drittanbieter bequeme und attraktive Zahlungslösungen bereitstellen. Auf Ersuchen des ERPB begann der European Payments Council (EPC) mit den Arbeiten an SEPA Payment Account Access (SPAA); es wurden Regeln, Praktiken und Standards festlegt, die den Austausch von Zahlungskontodaten ermöglichen, und die Voraussetzungen für die Veranlassung von Zahlungsvorgängen im Zusammenhang mit Mehrwertdiensten, die von Banken für Drittanbieter erbracht werden, geschaffen. Im November 2022 veröffentlichte der EPC eine erste Fassung des Regelwerks für das SPAA-System.

Eurosystem sondierte Möglichkeiten zum Einsatz von DLT oder anderen neuen Technologien zur Nutzung von Zentralbankgeld für die Abwicklung von Wholesale-Transaktionen

Digitale Innovationen verändern nicht nur den Massenzahlungsverkehr sondern auch Wholesale-Transaktionen. Schon seit einigen Jahren wird an den Finanzmärkten mit neuen Technologien, wie etwa Distributed-Ledger-Technologien (DLT), experimentiert. Um diese Technologien besser beurteilen zu können, entwickelte die EU am 23. März 2023 eine Pilotregelung für auf DLT basierende Marktinfrastrukturen, die für drei Jahre gültig und einmal verlängerbar ist. Diese ermöglicht es Dienstleistern für Anlagetätigkeiten, Marktbetreibern und Zentralverwahrern, auf DLT-basierende multilaterale Handelssysteme bzw. Abwicklungs- oder Handels- und Abwicklungssysteme zu betreiben. Sollten sich, rein hypothetisch, DLT oder andere neue Technologien für Wholesale-Transaktionen an den Finanzmärkten großflächig durchsetzen, könnten sich auch die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer der Wholesale-Abwicklungssysteme des Eurosystems, insbesondere TARGET2 und T2S, ändern. Das Eurosystem prüft Möglichkeiten, neue Technologien zur Nutzung von Zentralbankgeld bei der Abwicklung von Wholesale-Transaktionen einzusetzen. Ziel ist es sicherzustellen, dass Zentralbankgeld weiterhin die sicherste Verrechnungseinheit für Wholesale-Transaktionen bleibt, und somit das Risiko für das Finanzsystem verringert wird. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass das Eurosystem mögliche Auswirkungen auf Governance, Abwicklungseffizienz und Liquiditätsmanagement sorgfältig analysiert, aber keine impliziten Handlungsvorgaben formuliert.

Die Beratungsgruppe des Eurosystems zu Marktinfrastrukturen für Wertpapiere und Sicherheiten (AMI-SeCo) setzte im Einklang mit ihrem Ziel, die europäische Finanzmarktintegration zu fördern, ihre Berichtstätigkeit über die Fortschritte der nationalen Märkte bei der Erfüllung der im Rahmen der SCoRE-Initiative (Single Collateral Management Rulebook for Europe) vereinbarten Standards fort. Laut SCoREBoard-Bericht der AMI-SeCo für das zweite Halbjahr 2022 ist die vollständige Erfüllung bis zum Ablauf der vereinbarten Frist trotz einiger Verzögerungen noch möglich. Angesichts der Verschiebung der Inbetriebnahme des Eurosystem Collateral Management System (ECMS) auf April 2024 kam die AMI-SeCo überein, im Sinne einer zeitlichen Abstimmung die Frist für die Erfüllung der SCoRE-Standards vorzuverlegen.

Darüber hinaus überwachte und erörterte die AMI-SeCo weiterhin Fortschritte und Entwicklungen im Hinblick auf anstehende Harmonisierungen im Kontext von T2S und die Corporate-Events-Compliance, einschließlich der Branchenstandards für die Identifizierung von Aktionären. Zu öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde in Bezug auf die Verfahren für die Quellensteuer und die Umsetzung der Richtlinie über Aktionärsrechte 2 gab die AMI-SeCo Stellungnahmen ab.

4.2 Projekt digitaler Euro – Untersuchungsphase

Die im Oktober 2021 gestartete Untersuchungsphase des Projekts digitaler Euro verläuft planmäßig und wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 abgeschlossen. Bis dahin werden dem EZB-Rat die Ergebnisse der Untersuchungsphase und Empfehlungen hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise – ob man in die Vorbereitungsphase übergehen soll oder nicht – sowie ein Projektplan für die nächste Phase vorliegen. Allerdings würde auch der Start der Vorbereitungsphase nicht gleichzeitig die Entscheidung über die tatsächliche Einführung eines digitalen Euro vorwegnehmen.

Eurosystem einigte sich in Untersuchungsphase auf wichtigste Anwendungsfälle und grundlegende Ausgestaltung

Das Eurosystem informierte regelmäßig über die laufende Untersuchungsphase und veröffentlichte im September und im Dezember jeweils einen Fortschrittsbericht. Es verständigte sich 2022 auf die wichtigsten Anwendungsfälle und traf zahlreiche grundlegende Entscheidungen zur Gestaltung eines digitalen Euro, wobei Datenschutzaspekte und regulatorische Anforderungen sowie die Notwendigkeit, einen digitalen Euro sowohl für Online- als auch Offline-Zahlungen nutzen zu können, berücksichtigt wurden. In diesen Entscheidungen spiegelt sich die wichtige Rolle der Intermediäre wider, wenn es darum geht, einen digitalen Euro in Umlauf zu bringen, und es wird deutlich gemacht, dass ein eigenes Zahlungsschema als bevorzugtes Distributionsmodell angesehen wird. Es wurde beschlossen, die Vorbereitung eines Regelwerks für den digitalen Euro in Angriff zu nehmen; in diesem Zusammenhang wurde ein Rulebook-Manager ernannt und ein Aufruf zur Interessenbekundung zur Teilnahme an diesen Vorbereitungen seitens Marktvertreterinnen und -vertretern veröffentlicht. Die Arbeiten am Regelwerk starteten im ersten Quartal 2023.

Die im Zuge des Projekts bei nationalen Zentralbanken des Eurosystems und Privatunternehmen begonnenen Arbeiten an der Erstellung von Prototypen für einen digitalen Euro schritten plangemäß voran. Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden in der ersten Jahreshälfte 2023 vorgestellt und gegebenenfalls in einer zukünftigen Projektphase angewendet.

Um sicherzustellen, dass ein digitaler Euro ein für alle Beteiligten attraktives Zahlungsmittel wäre, findet im Rahmen des Projekts ein häufiger Austausch mit Marktteilnehmern und künftigen Nutzern in verschiedenen Foren und Formaten statt. Dazu gehörten 2022 technische Sitzungen des ERPB, bilaterale Feedback-Sitzungen mit wichtigen Interessengruppen, Sitzungen der Digital Euro Market Advisory Group, Fokusgruppentests und Seminare mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft. Parallel dazu arbeitete die EZB eng mit den europäischen Institutionen zusammen, die über den notwendigen rechtlichen Rahmen für die mögliche künftige Ausgabe eines digitalen Euro entscheiden werden.

4.3 Das Überwachungsmandat des Eurosystems und seine Rolle als emittierendes Zentralbanksystem

Um das sichere und effiziente Funktionieren der Finanzmarktinfrastrukturen und des Zahlungsverkehrs im Euroraum zu gewährleisten, legt das Eurosystem in Verordnungen, Standards, Leitlinien und Empfehlungen Überwachungsziele fest, beobachtet deren Umsetzung und tritt erforderlichenfalls für Änderungen ein. Als das für die Ausgabe des Euro zuständige Zentralbanksystem ist das Eurosystem in die kooperative Überwachung von bzw. Aufsicht über Finanzmarktinfrastrukturen, die einen bedeutenden Teil ihrer Geschäfte in Euro abwickeln, sowie in das damit verbundene Krisenmanagement eingebunden.

Das Eurosystem überwacht direkt die systemrelevanten Zahlungsverkehrssysteme (SIPS) TARGET2, EURO1, STEP2-T und das Mastercard Clearing Management System. Im Berichtsjahr lag ein spezieller Schwerpunkt auf dem T2-T2S-Konsolidierungsprojekt des Eurosystems (siehe Kapitel 4 Abschnitt 1). Das Eurosystem führte eine Vorabprüfung der konsolidierten Plattform durch, deren Schwerpunkt auf wesentlichen Änderungen an TARGET2 lag; mittels Projektüberwachung wurden zudem die Risiken erhoben, die die erfolgreiche Inbetriebnahme der Plattform und ihren reibungslosen Betrieb gefährden könnten. Darüber hinaus führte das Eurosystem eine umfassende Bewertung des Mastercard Clearing Management Systems in Bezug auf die Bestimmungen der SIPS-Verordnung und der Oversight-Erwartungen im Hinblick auf die Cyberresilienz durch. Die Entwicklung und betriebliche Systemstabilität europaweiter Echtzeitzahlungssysteme wie TIPS und RT1 wurde ebenfalls genau überwacht.

Beginn der Umsetzung des PISA-Rahmens

Im Bereich der Zahlungsinstrumente konzentrierten sich die Arbeiten auf die Umsetzung des Überwachungsrahmens des Eurosystems für elektronische Zahlungsinstrumente, -systeme und -mechanismen (PISA-Rahmen). Auf Grundlage der Ergebnisse eines harmonisierten Scorings wurden die für die identifizierten Zahlungssysteme zuständigen Behörden darüber informiert, welche Zahlungssysteme gemäß PISA-Rahmen zu beaufsichtigen bzw. zu überwachen sind oder von den betreffenden Aufsichtsbestimmungen ausgenommen werden. Im Fall der Zahlungsmechanismen steht dieser Prozess kurz vor dem Abschluss. Für eine erste Gruppe von Zahlungssystemen wurden außerdem umfassende Bewertungen eingeleitet.

Im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Ausgabe des Euro war das Eurosystem weiterhin in den Aufsichtskollegien für zentrale Gegenparteien der EU gemäß der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen (EMIR-Verordnung) vertreten. In dieser Eigenschaft gab das Eurosystem Bewertungen zu verschiedenen Vorschlägen zur Ausweitung von Dienstleistungen oder zu wesentlichen Änderungen der Risikomanagementverfahren ab und überprüfte Sanierungspläne, die gemäß der EU-Verordnung über die Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien erstellt wurden. Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für die Überarbeitung der EMIR-Verordnung brachte das Eurosystem im März 2022 einen Beitrag zur Konsultation der Europäischen Kommission ein.

Das Eurosystem verfolgte auch die Auswirkungen der erhöhten Marktvolatilität auf die zentralen Gegenparteien. In diesem Zusammenhang führte die EZB Analysen im Hinblick auf die Volatilität am Energiemarkt durch, um die Auswirkungen umfangreicher Nachschussforderungen auf die Clearingteilnehmer zu untersuchen. Die Ergebnisse flossen in jene Beiträge ein, die die EZB zu den auf EU- und internationaler Ebene laufenden Bemühungen um eine Verringerung des Risikos und der potenziellen Auswirkungen unerwartet hoher Nachschussforderungen leistete.

Im Bereich der Wertpapierabwicklung war das Eurosystem im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Ausgabe des Euro an der regelmäßigen Bewertung von Zentralverwahrern mit Sitz in der EU gemäß Zentralverwahrerverordnung beteiligt. Darüber hinaus begann das Eurosystem mit den Vorbereitungen für seine Beteiligung an der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 2022/858 über eine Pilotregelung für auf Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen.

Im Rahmen der Überwachung von T2S beendete das Eurosystem im ersten Quartal 2022 die erste Prüfung von T2S anhand der Oversight-Erwartungen im Hinblick auf die Cyberresilienz. Außerdem schloss das Eurosystem seine Beurteilung der 2022 in T2S implementierten Änderungen ab (siehe Kapitel 4 Abschnitt 1).

Die Cyberresilienz von Finanzmarktinfrastrukturen ist sowohl im operativen Kontext von TARGET-Diensten (siehe Kapitel 4 Abschnitt 1) als auch im Rahmen der Überwachung weiterhin ein Schwerpunktbereich. Im Jahr 2022 wurde eine Überprüfung der Oversight-Strategie des Eurosystems/ESZB im Hinblick auf die Cyberresilienz von Finanzmarktinfrastrukturen und einigen ihrer Instrumente gestartet und eine weitere Runde der Umfrage zur Cyberresilienz von Finanzmarktinfrastrukturen abgeschlossen, während sich das Euro Cyber Resilience Board dem Informationsaustausch (insbesondere im Hinblick auf die Invasion Russlands in der Ukraine), der Krisenkoordinierung und dem Risiko durch Dritte widmete. Im Rahmen von TIBER-EU entwickelte das TIBER-EU Knowledge Centre Best Practices für Purple Teaming; dabei handelt es sich um einen kollaborativen Vorgang während einer bestimmten Phase eines TIBER-Tests.

5 Marktoperationen und für andere Institutionen erbrachte Finanzdienstleistungen

Die meisten seit 2020 eingerichteten oder aktivierten Euro-Liquiditätslinien mit anderen Zentralbanken wurden 2022 beibehalten, und mit der Narodowy Bank Polski und der andorranischen Finanzbehörde wurden neue Linien eingerichtet. Die EZB bot den Geschäftspartnern im Euroraum weiterhin Geschäfte in US-Dollar an und sorgte somit für eine Absicherung der marktbasierten Refinanzierung. Es gab keine Interventionen der EZB am Devisenmarkt.

Die EZB war weiterhin für die Verwaltung verschiedener Finanzgeschäfte im Auftrag der EU zuständig und nahm im Rahmen der Dienstleistungen des Eurosystems im Bereich der Währungsreservenverwaltung eine koordinierende Rolle wahr.

Die Transmission der Leitzinsänderungen der EZB auf die Geldmärkte des Euroraums vollzog sich im kurzfristigen unbesicherten Geldmarktsegment vollständig und unmittelbar, während die unbesicherten Zinssätze verschiedener Laufzeiten nur sehr langsam stiegen (siehe Kasten 3). An den besicherten Geldmärkten verlief die Weitergabe der Zinsschritte ebenfalls weitgehend reibungslos, auch wenn das Tempo der Zinsanpassungen in den einzelnen Segmenten etwas unterschiedlich war.

5.1 Entwicklung der Marktoperationen

Liquiditätslinien in Euro und Fremdwährungen

Liquiditätslinien unterstützten die EZB weiterhin bei Erreichung des Preisstabilitätsziels, Verhinderung von Liquiditätsengpässen in Euro und Vermeidung von Übertragungseffekten

Die Swap- und Repo-Linien des Eurosystems sind geldpolitische Instrumente, die an den globalen Finanzmärkten in Stressphasen zum Zweck der Stabilisierung eingesetzt werden.

Wenn das Eurosystem Zentralbanken in Ländern außerhalb des Euroraums Euro zur Verfügung stellt, dann decken diese Liquiditätslinien im Fall von Marktstörungen den potenziellen Bedarf an Euro-Liquidität in diesen Ländern ab. Sie verhindern somit Übertragungseffekte an den Finanzmärkten und in den Volkswirtschaften des Euroraums, die entstehen können, wenn es zu Aufwärtsdruck auf die kurzfristigen Geldmarktsätze oder zu Notverkäufen von Vermögenswerten kommt, die die reibungslose Transmission der EZB-Geldpolitik beeinträchtigen könnten. Darüber hinaus verhindern die Euro-Liquiditätslinien, dass aus einem Engpass an Euro-Liquidität Risiken für die Finanzstabilität entstehen.

Erhält die EZB von einer anderen Zentralbank Liquidität in Fremdwährung (z. B. US‑Dollar vom Federal Reserve System) und stellt dafür Euro-Sicherheiten bereit, wird mit den Liquiditätslinien in Fremdwährung die kontinuierliche Kreditversorgung in Fremdwährung gewährleistet. Auf diese Weise können ein abruptes Deleveraging, extreme Preisbewegungen und Unterbrechungen bei der Kreditversorgung infolge von Spannungen an den internationalen Refinanzierungsmärkten verhindert werden.

Die meisten seit 2020 eingerichteten oder aktivierten Euro-Liquiditätslinien blieben bestehen und wurden zunächst bis 15. Januar 2023 und anschließend bis 15. Januar 2024 verlängert, mit Ausnahme der Swap-Vereinbarungen mit der Българска народна банка (Bulgarischen Nationalbank) und der Hrvatska narodna banka sowie der Repo-Linie mit der serbischen Nationalbank, die mit Ende März 2022 ausgelaufen waren. Neue Liquiditätslinien wurden 2022 mit der Narodowy Bank Polski und der andorranischen Finanzbehörde eingerichtet. In Tabelle 5.1 sind die per 31. Dezember 2022 operativen Euro-Liquiditätslinien aufgelistet, über die das Eurosystem ausländischen Zentralbanken Liquidität in Euro zur Verfügung stellen kann. Die Inanspruchnahme der Euro-Liquiditätslinien ist jeweils auf das Quartalsende beschränkt.

Die bilaterale Swap-Vereinbarung mit der People’s Bank of China wurde um weitere drei Jahre bis Oktober 2025 verlängert.

In Abstimmung mit dem Federal Reserve System, der Bank of Canada, der Bank of England, der Bank of Japan und der Schweizerischen Nationalbank stellte die EZB im Berichtsjahr weiterhin Liquidität in US-Dollar – in der Regel mit einer Laufzeit von sieben Tagen – zur Verfügung. Die Bereitstellung von US-Dollar in wichtigen Ländern trug dazu bei, den Druck an den globalen Refinanzierungsmärkten zu verringern und die privaten Finanzierungsmärkte weiterhin abzusichern.

Tabelle 5.1

Überblick: bestehende Liquiditätslinien

Quelle: EZB-Website.
Anmerkung: Die Tabelle enthält keine im Rahmen der Eurosystem Repo Facility for Central Banks (EUREP) mit Zentralbanken außerhalb des Euroraums eingerichteten Repo-Linien, bei denen die EZB ihre Geschäftspartner nicht offenlegt.

Berichterstattung über Devisenmarktinterventionen

Keine Interventionen der EZB am Devisenmarkt

Die EZB hat 2022 nicht am Devisenmarkt interveniert. Seit Einführung des Euro gab es zwei Devisenmarktinterventionen durch die EZB, und zwar in den Jahren 2000 und 2011. Die Daten zu Devisenmarktinterventionen werden vierteljährlich mit einer zeitlichen Verzögerung von einem Quartal auf der Website der EZB und im Statistical Data Warehouse veröffentlicht. Die in den vierteljährlichen Tabellen publizierten Informationen werden außerdem im EZB-Jahresbericht zusammengefasst (siehe Tabelle 5.2). Wenn keine Devisenmarktinterventionen während des vierteljährlichen Betrachtungszeitraums erfolgt sind, wird auch dies in der Tabelle explizit festgehalten.

Tabelle 5.2

Devisenmarktinterventionen der EZB

Quelle: EZB.

Der Berichtsrahmen umfasst neben den Devisenmarktinterventionen, die die EZB unilateral oder in Abstimmung mit anderen internationalen Behörden getätigt hat, auch Interventionen an den Interventionspunkten („at the margin“) im Rahmen des Wechselkursmechanismus (WKM II).

5.2 Verwaltung von Anleihe- und Darlehensgeschäften der EU

EZB wickelt Zahlungen im Zusammenhang mit diversen Kreditprogrammen der EU ab

Die EZB ist für die Verwaltung jener Anleihe- und Darlehensgeschäfte zuständig, die von der EU im Rahmen der Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands (MTFA)[44], des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM)[45], des Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE)[46] und des Programms „Next Generation EU“ (NGEU)[47] abgeschlossen wurden. Die EZB kam 2022 außerdem dem Ersuchen der Europäischen Kommission um die Erbringung von Zahlstellendienstleistungen nach, wodurch die laufenden Dienstleistungen der EZB als Fiskalagent ausgeweitet wurden. Die Vorbereitungen für die Umsetzung im Jahr 2023 sind im Gange.

Die EZB wickelte im Berichtsjahr Zinszahlungen im Zusammenhang mit MTFA-Krediten ab. Zum 31. Dezember 2022 beliefen sich die gesamten Außenstände im Rahmen der MTFA auf ein Nominalvolumen von 200 Mio. €. Außerdem wickelte die EZB 2022 diverse Zahlungen und Zinszahlungen im Zusammenhang mit EFSM-Krediten ab. Die Außenstände im Rahmen des EFSM betrugen zum 31. Dezember 2022 insgesamt 46,3 Mrd. €. Die EZB wickelte 2022 ferner Auszahlungen von SURE-Darlehen an einige EU-Mitgliedstaaten und damit verbundene Zinszahlungen ab. Die Außenstände im Rahmen von SURE betrugen zum 31. Dezember 2022 insgesamt 98,4 Mrd. €. Auch die Auszahlungen von NGEU-Darlehen und ‑Zuschüssen an diverse Mitgliedstaaten wickelte die EZB im Berichtsjahr ab.

Darüber hinaus ist die EZB für die Verwaltung von Zahlungen im Zusammenhang mit Geschäften im Rahmen der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität (EFSF)[48] und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)[49] zuständig. Im Berichtsjahr wickelte die EZB mehrere Zins- und Gebührenzahlungen im Zusammenhang mit einem EFSF-Kredit ab.

Die EZB ist auch dafür zuständig, sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit der Kreditrahmenvereinbarung für Griechenland abzuwickeln.[50] Zum 31. Dezember 2022 beliefen sich die gesamten Außenstände im Rahmen dieser Vereinbarung auf 44,8 Mrd. €.

5.3 Dienstleistungen des Eurosystems im Bereich der Währungsreservenverwaltung

Eine Reihe von nationalen Zentralbanken im Eurosystem erbrachte ERMS-Finanzdienstleistungen

Seit 2005 können Kunden des Eurosystems ihre auf Euro lautenden Währungsreserven vom Eurosystem verwalten lassen, wofür auch 2022 ein breites Spektrum an Finanzdienstleistungen im Rahmen der Eurosystem Reserve Management Services (ERMS) zur Verfügung stand. Eine Reihe von nationalen Zentralbanken des Eurosystems bietet für außerhalb des Euroraums ansässige Zentralbanken, Währungs- und Regierungsbehörden sowie internationale Organisationen ERMS-Finanzdienstleistungen zu harmonisierten Geschäftsbedingungen gemäß marktüblichen Standards an. Die EZB nimmt eine allgemeine Koordinierungsrolle ein, überwacht den reibungslosen Betrieb der ERMS-Dienstleistungen, fördert Änderungen zur Verbesserung des ERMS-Rahmens und bereitet entsprechende Berichte an die Beschlussorgane der EZB vor.

Die Anzahl der gemeldeten ERMS-Kundenkonten lag Ende 2022 bei 270 gegenüber 265 Ende 2021. Der vom Eurosystem im Rahmen der ERMS verwaltete aggregierte Vermögensbestand (darunter Barvermögen und Wertpapiere) verringerte sich im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um etwa 6 %.

Kasten 3
Weitergabe von EZB-Leitzinsänderungen an den Euro-Geldmarkt

Zwischen Juli und Dezember 2022 hob die EZB ihre Leitzinsen um 250 Basispunkte an. Damit kehrte sich der Zinssatz für die Einlagefazilität der EZB wieder ins Positive und erreichte zum Jahresende ein Niveau von 2,0 %. Historisch betrachtet ist dieser Zinserhöhungszyklus in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert: was die Größenordnung der Zinsschritte (zwei Zinserhöhungen um jeweils 50 Basispunkte, zwei um jeweils 75 Basispunkte) und das Tempo (über einen Zeitraum von fünf Monaten) betrifft sowie im Hinblick auf die Tatsache, dass die Überschussliquidität gleichzeitig ein Rekordniveau von über 4 Billionen € erreicht hatte.

Der vorliegende Kasten gibt einen Überblick darüber, wie die Leitzinsänderungen an die Geldmärkte – das erste Glied in der Kette der geldpolitischen Transmission – weitergegeben wurden. Insgesamt schlugen die Zinsänderungen im kurzfristigen unbesicherten Segment vollständig und unmittelbar durch, was sich am €STR ablesen lässt, während die Zinssätze verschiedener Laufzeiten im unbesicherten Segment langsamer reagierten. Am besicherten Geldmarkt kam es bei den Zinssätzen für Repogeschäfte (Repos) vor allem aufgrund der 2022 gestiegenen Knappheit an Sicherheiten teilweise zu einer Verzögerung oder sogar Beeinträchtigung der Transmission. Darüber hinaus trugen das begrenzte Angebot an kurzfristigen Wertpapieren und die erhöhte Nachfrage nach solchen Instrumenten dazu bei, dass sich die Renditen kurzlaufender Staatsanleihen nur zum Teil entsprechend den Leitzinserhöhungen entwickelten.

Die kurzfristigen unbesicherten Geldmarktsätze zogen mit den Leitzinserhöhungen mit, während die Zinsen unterschiedlicher Laufzeiten im unbesicherten Segment nur langsam stiegen.

Der €STR stieg zwischen Juli und Dezember 2022 um 249 Basispunkte und bildete damit die Leitzinserhöhung um 250 Basispunkte nahezu eins zu eins ab (siehe Abbildung A). Die Verteilung der gemäß der Verordnung über Geldmarktstatistiken der EZB erhobenen Geldmarkttransaktionsraten, auf denen der €STR basiert, blieb ebenfalls stabil, was sich in dem unveränderten Abstand zwischen dem 25. und dem 75. Perzentil der dem €STR zugrunde liegenden Zinssätze widerspiegelt. Das Handelsvolumen im unbesicherten Kurzfristsegment wuchs beträchtlich an, vor allem nachdem sich die Zinsen ins Positive gekehrt hatten. Im Vergleich zum Zeitraum bis September 2022 legte das durchschnittliche dem €STR zugrunde liegende Handelsvolumen von September bis Dezember 2022 um 20 % zu. Die Zinsen für unbesicherte Kredite unterschiedlicher Laufzeiten, auf denen der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) basiert, reagierten allerdings nur langsam auf die Zinserhöhungen im kurzfristigen Laufzeitbereich (siehe Abbildung B). Das verzögerte Nachziehen dieser Zinsen war großteils auf die gestiegene Nachfrage nach kurzfristigen Geldmarktanlagen in einem Umfeld hoher Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Leitzinsentwicklung sowie auf die von den Banken für die Hereinnahme von Einlagen mit vereinbarter Laufzeit verrechnete Prämie zurückzuführen.

An den besicherten Geldmärkten fand letztlich auch eine fast vollständige Weitergabe der Zinsschritte statt, auch wenn das Tempo der Zinsanpassungen in den einzelnen Segmenten unterschiedlich war.

Repos funktionieren im Wesentlichen wie kurzfristige besicherte Kredite, bei denen Barmittel gegen ein Wertpapier getauscht werden, und die zugrunde liegende Vereinbarung vorsieht, dass die Transaktion – üblicherweise am nächsten Tag – rückabgewickelt wird. Ab dem letzten Quartal 2021 stieg die Nachfrage nach Wertpapierleihgeschäften und besicherten kurzfristigen Anlagen deutlich an, wodurch sich der Abstand zwischen den Reposätzen und dem Zinssatz für die Einlagefazilität der EZB vergrößerte, da es zu einer Verknappung bei den diesen Geschäften zugrunde liegenden Sicherheiten kam. Von den drei Zinsanhebungen im Juli, Oktober bzw. Dezember 2022 schlugen sich alle großteils in den kurzfristigen Reposätzen nieder, die durch Staatsanleihen der meisten Länder des Euroraums besichert waren, während die Weitergabe an Sicherheiten von Staatsanleihen mit dem höchsten Rating – also z. B. für deutsche Staatsanleihen – mit Verzögerung erfolgte. Bei dem 75-Basispunkte-Zinsschritt im September 2022, mit dem sich der Leitzins zurück in den positiven Bereich kehrte, kam es bei der Transmission auf Reposätze zu einer beträchtlichen Verzögerung und Beeinträchtigung. In den ersten Tagen nach der Umsetzung der Zinserhöhung gerieten die Reposätze in allen Ländern des Euroraums unter starken Abwärtsdruck. Hintergrund waren Bedenken hinsichtlich eines deutlichen Anstiegs der Nachfrage nach Sicherheiten, da Investoren mit der Rückkehr zu positiven Zinssätzen schnellstmöglich Barmittel am Repomarkt anlegen wollten. Auch bei den längerfristigen Reposätzen und Zinssätzen für kurzlaufende Staatsanleihen war die Zinsweitergabe unvollständig. Grund dafür war in erster Linie die begrenzte Verfügbarkeit von Sicherheiten und die erhöhte Nachfrage nach solchen Instrumenten. Gegen Ende 2022 verbesserte sich die Verfügbarkeit von Sicherheiten, was sich im geringeren Spread zwischen den Zinsen am besicherten Geldmarkt und den EZB-Leitzinsen widerspiegelte. Dazu beigetragen hatte nicht zuletzt eine Reihe von Initiativen vonseiten des Eurosystems und der nationalen Schuldenverwaltungen zur Minderung der Sicherheitenknappheit, wobei Ende Dezember 2022 die zu Jahresende übliche Volatilität zu beobachten war (siehe Abbildung A und B).

Abbildung A

Weitergabe von Zinserhöhungen am kurzfristigen unbesicherten und besicherten Geldmarkt

(in %, volumengewichteter Durchschnittssatz)

Quellen: EZB-Berechnungen, Bloomberg und BrokerTec/MTS.
Anmerkung: Es gibt zwei Formen von Geschäften: Repogeschäfte mit nicht allgemeinen Sicherheiten (non-general collateral – non-GC) zum Austausch einer spezifischen Sicherheit und Repogschäfte zum Parken von Bargeld (general collateral – GC). Die in der Abbildung dargestellten Reposätze beziehen sich auf GC- und Non-GC-Reposätze mit Laufzeit „Overnight“, „Tomorrow/Next“ und „Spot/Next“. Der Rückgang der Reposätze Ende Oktober bzw. Dezember 2022 ergab sich aus Effekten zum Quartalsende, wenn zum Stichtag für aufsichtliche Meldungen bilanzielle Restriktionen der Banken besonders schlagend werden.

Abbildung B

Weitergabe von Zinserhöhungen am unbesicherten und besicherten Geldmarkt für unterschiedliche Laufzeiten

(in %, volumengewichteter Durchschnittssatz)

Quellen: EZB-Berechnungen und Bloomberg.
Anmerkung: OIS sind einmonatige Zinssätze für Tagesgeld-Swaps, wobei sich der variable Zinssatz auf den erwarteten €STR bezieht.

6 Bargeld bleibt meistgenutztes Zahlungsmittel europäischer Bürgerinnen und Bürger, Fälschungsaufkommen niedrig

Der Euro-Banknotenumlauf erhöhte sich 2022 weiter – mengenmäßig um 4,5 %, wertmäßig um 1,8 % – und war vor allem durch den Krieg Russlands in der Ukraine und die seit Juli erfolgten Leitzinserhöhungen der EZB beeinflusst.

Die EZB-Studie zum Zahlungsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher im Euroraum (Study on the Payment Attitudes of Consumers in the Euro Area – SPACE) zeigte, dass Bargeld mit einem Anteil von 59 % die am häufigsten verwendete Zahlungsmethode an Verkaufsstellen ist. Außerdem ergab die erste Umfrage zur Bargeldverwendung durch Unternehmen, dass 96 % der Unternehmen, die überwiegend Privatkunden haben, Bargeld akzeptieren und mehr als 90 % davon vorhaben, dies auch in Zukunft zu tun.

Das Fälschungsaufkommen ist nach wie vor bemerkenswert niedrig. Die Entwicklung neuer Sicherheitsmerkmale für Banknoten wird fortgesetzt, um Fälschern einen Schritt voraus zu sein und die Widerstandsfähigkeit und Integrität der Banknoten weiter zu verbessern.

6.1 Umlauf von Euro-Banknoten

Anstieg des Euro-Banknotenumlaufs vor allem von zwei Entwicklungen beeinflusst

Ende 2022 waren 29,5 Milliarden Euro-Banknoten mit einem Gesamtwert von 1,57 Billionen € im Umlauf. Mengen- und wertmäßig entspricht dies einer positiven Jahreswachstumsrate von 4,5 % bzw. 1,8 %. Im Jahr 2022 wurde der Euro-Banknotenumlauf vor allem durch zwei Entwicklungen geprägt. Zum einen führte die Invasion Russlands in der Ukraine im Februar und März 2022 zu einer höheren Nachfrage nach Euro-Banknoten, da die Menschen für den Fall möglicher Störungen im Zahlungsverkehr über ausreichende Barmittel verfügen wollten. Ab April 2022 stabilisierte sich die Nachfrage nach Euro-Banknoten. Zum anderen verteuerten sich durch die seit 27. Juli 2022 erfolgten Leitzinserhöhungen der EZB die ausstehenden Euro-Bargeldbestände im Vergleich zu verzinslichen Instrumenten. Infolgedessen floss ein kleiner Teil der umlaufenden Euro-Banknoten an das Eurosystem zurück, was einen dämpfenden Effekt auf den Euro-Banknotenumlauf zur Folge hatte (siehe Abbildung 6.1).

Abbildung 6.1

Mengen- und wertmäßiger Euro-Banknotenumlauf

(linke Skala: in Mrd. €; rechte Skala: Milliarden Stück)

Quelle: EZB.

Die nationalen Zentralbanken des Eurosystems bearbeiteten im Berichtsjahr 24,8 Milliarden Euro-Banknoten, um die Qualität der umlaufenden Euro-Geldscheine und das Vertrauen in diese sicherzustellen. Von den geprüften Banknoten wurden 3,2 Milliarden für nicht umlauffähig befunden und durch neu gedruckte ersetzt.

Der Wert der Euro-Münzen im Umlauf stieg im Berichtsjahr ebenfalls – um 4,0 % – und belief sich Ende 2022 auf 32,5 Mrd. €. Dies entspricht einem Umlauf von insgesamt 145 Milliarden Euro-Münzen.

Die Einführung der Euro-Banknoten und -Münzen in physischer Form im Jahr 2002 war ein Meilenstein in der europäischen Geschichte. Als bislang größte Währungsumstellung der Welt – damals wie heute – wurde sie auch auf globaler Ebene als bedeutendes Ereignis wahrgenommen.

6.2 Studien zum Zahlungsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher und zur Bargeldverwendung durch Unternehmen im Euroraum

Studie zum Zahlungsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher im Euroraum

Bargeld weiterhin das am häufigsten verwendete Zahlungsmittel an Verkaufsstellen

Von Oktober 2021 bis Juni 2022 führte die EZB eine Studie zum Zahlungsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher im Euroraum (SPACE) durch, um das Zahlungsverhalten und die Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie deren Zugang zu verschiedenen Zahlungsinstrumenten zu beurteilen. Die Studie zeigte, dass Bargeld mit 59 % die am häufigsten verwendete Zahlungsmethode an Verkaufsstellen ist, auch wenn der Anteil der Barzahlungen 2019 noch bei 72 % gelegen war. Wertmäßig entfiel auf Karten ein höherer Anteil der Zahlungen (46 %) als auf Bargeld (42 %). Bargeld wurde bei 95 % der Transaktionen an physischen Verkaufsstandorten innerhalb des Euroraums akzeptiert, während es bei 81 % der Transaktionen möglich war, bargeldlos zu bezahlen.

Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher im Euroraum waren mit ihrem Zugang zu Bargeld zufrieden. Die überwiegende Mehrheit (90 %) fand, dass Geldautomaten oder Banken eher leicht oder sehr leicht zugänglich waren.

Bargeldverwendung durch Unternehmen im Euroraum

96 % der Unternehmen mit Privatkunden akzeptieren Bargeld, 90 % werden dies auch in Zukunft tun

Im Jahr 2022 veröffentlichte die EZB die Ergebnisse ihrer ersten Umfrage zur Bargeldverwendung durch Unternehmen, die Aufschluss über die strategische Einschätzung der Unternehmen zur aktuellen und künftigen Verwendung und Akzeptanz von Bargeld gab. Bargeld dürfte als Zahlungsmethode relevant bleiben, da über 90 % der Unternehmen, die derzeit Bargeld akzeptieren, dies auch in Zukunft tun wollen. Sicherheit und Zuverlässigkeit sind die wichtigsten Kriterien für Unternehmen, wenn sie entscheiden, ob sie ein Zahlungsmittel akzeptieren.

6.3 Niedriges Fälschungsaufkommen und Entwicklung der Euro-Banknoten

Bemerkenswert niedriges Fälschungsaufkommen bei Euro-Banknoten

Zweitniedrigstes Fälschungsaufkommen gemessen an der Anzahl der im Umlauf befindlichen Banknoten seit Einführung der Euro-Banknoten

Im Lauf des Jahres 2022 wurden 376 000 gefälschte Euro-Banknoten aus dem Umlauf sichergestellt. Mit 13 Fälschungen je Million im Umlauf befindlicher echter Banknoten ist dies das zweitniedrigste Fälschungsaufkommen gemessen an der Anzahl der im Umlauf befindlichen Banknoten seit Einführung der Euro-Banknoten (siehe Abbildung 6.2). Die Gesamtzahl der aus dem Verkehr gezogenen Fälschungen stieg gegenüber 2021 um 8,4 %. Darin spiegelt sich auch die konjunkturelle Erholung im Jahr 2022 nach der Aufhebung der meisten pandemiebedingten Einschränkungen wider. Die Qualität der Fälschungen ist nach wie vor gering. Gefälschte Banknoten lassen sich daher sehr rasch und einfach anhand des Prinzips FÜHLEN-SEHEN-KIPPEN identifizieren.

Abbildung 6.2

Anzahl der pro Jahr identifizierten Fälschungen je Million im Umlauf befindlicher echter Banknoten

Quelle: EZB.

Entwicklung der Euro-Banknoten

Mit neuen Sicherheitsmerkmalen den Fälschern weiterhin voraus

Um die hohe Qualität von Euro-Banknoten und ihre Fälschungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten, werden unter Nutzung technologischer Fortschritte weiterhin neue Sicherheitsmerkmale entwickelt. Weitere wichtige Ziele für die Zukunft sind die Neugestaltung der Euro-Banknoten und die Reduzierung ihrer Auswirkungen auf die Umwelt. Konkrete Entscheidungen zu Herstellung und Ausgabe wurden bislang noch nicht getroffen.

7 Statistiken

Die EZB konzipiert, erhebt, erstellt und veröffentlicht mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken (NZBen) eine breite Palette von Statistiken und Daten, die eine wichtige Basis für die Geldpolitik der EZB sowie für die Erfüllung finanzstabilitätsbezogener und verschiedener anderer Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) darstellen. Diese Statistiken werden auch von öffentlichen Stellen, internationalen Organisationen, Finanzmarktteilnehmern, den Medien und der Bevölkerung genutzt und tragen dazu bei, die Tätigkeit der EZB noch transparenter zu machen.

Im Jahr 2022 konzentrierte sich die EZB auf neue Euroraum-Statistiken, insbesondere die Veröffentlichung verbesserter Wertpapierstatistiken, die Entwicklung von Indikatoren für Tagesgeldsatz-Swaps am Euro-Geldmarkt auf der Grundlage von Daten aus der Geldmarktstatistik, Informationen über Zweckgesellschaften und bilaterale Außenwirtschaftsstatistiken der Länder des Euroraums gegenüber Russland. Es wurden experimentelle Indikatoren zur Unterstützung der Klimapolitik entwickelt und die Arbeiten an der Konzeptionsphase des integrierten Berichtsrahmens (Integrated Reporting Framework – IReF) in Angriff genommen. Darüber hinaus wurden neue Daten zu Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors in die vierteljährlichen Finanzierungsrechnungen aufgenommen.

7.1 Neue und verbesserte Euroraum-Statistiken und sonstige Entwicklungen

EZB-Rat verabschiedete Leitlinie für die Erstellung neuer monatlicher Daten zu Wertpapieremissionen

Der EZB-Rat verabschiedete eine neue Leitlinie zu Statistiken über Wertpapierdaten und Wertpapieremissionen.[51] In der Leitlinie wurden geänderte Anforderungen an das Datenqualitätsmanagement der zentralisierten Wertpapierdatenbank des ESZB (Centralised Securities Database – CSDB) und neue Anforderungen an die Erstellung von Statistiken über Wertpapieremissionen auf der Grundlage von CSDB-Daten festgelegt.

Deutlich frühere Verfügbarkeit neuer Statistiken über Wertpapieremissionen und ‑bestände

Nach Verabschiedung der Leitlinie begann die EZB, für alle EU-Mitgliedstaaten neue Aufgliederungen für Statistiken zu Wertpapieremissionen nach Bewertungsmethode, Laufzeit und Art des Zinssatzes zu veröffentlichen. Dabei handelt es sich um den ersten Mikro-zu-Makro-Datensatz des ESZB, bei dem die CSDB-Mikrodaten zur Erstellung offizieller Makrostatistiken im Einklang mit den internationalen statistischen Standards verwendet werden. Die Daten liegen auf dieser Grundlage deutlich früher vor. Zudem hat die EZB die Veröffentlichung von Statistiken zu Wertpapierbeständen durch neue Aufgliederungen nach einzelnen Ländern des Euroraums sowie nach Inhaber- und Emittentensektoren erheblich ausgeweitet. Die neuen Daten ermöglichen eine aktuellere und umfassendere Darstellung der Finanzmärkte und somit eine bessere Überwachung der Aktivitäten am Primär- und Sekundärmarkt.

Veröffentlichung neuer Statistiken zu Tagesgeldsatz-Swaps am Euro-Geldmarkt

Die EZB begann auf der Grundlage von Daten aus der Geldmarktstatistik, die von 47 Banken im Euroraum erhoben werden, mit der Veröffentlichung neuer Statistiken zu Tagesgeldsatz-Swaps (OIS) am Euro-Geldmarkt.[52] Die Datenreihen enthalten – jeweils bezogen auf die Kassa- und die Terminmärkte für Tagesgeldsatz-Swaps – Angaben zum gesamten und tagesdurchschnittlichen Nominalvolumen sowie zum gewichteten Durchschnittssatz. Die neuen Statistiken ergänzen die Daten zum unbesicherten und besicherten Geldmarktsegment, die seit November 2017 bzw. Januar 2019 regelmäßig veröffentlicht werden. Durch die Veröffentlichung der neuen Statistiken soll die Markttransparenz erhöht und somit die Funktionsfähigkeit des Geldmarkts verbessert werden.

Änderung der Leitlinie der EZB zu außenwirtschaftlichen Statistiken zur Aufnahme von Zweckgesellschaften

Im Mai 2022 verabschiedete der EZB-Rat eine Änderung der Leitlinie zu außenwirtschaftlichen Statistiken, um künftig statistische Daten zu Zweckgesellschaften erheben zu können.[53] Dies soll zu einem besseren Verständnis von deren Rolle im Wirtschafts- und Finanzsystem des Euroraums führen. Die erste Übertragung von Daten zu grenzüberschreitenden Transaktionen und Beständen gebietsansässiger Zweckgesellschaften startete im März 2023 in Bezug auf Daten für das vierte Quartal 2022. Zurückliegende Daten ab dem ersten Quartal 2020 werden bis September 2023 übermittelt.

Veröffentlichung außenwirtschaftlicher Statistiken der Länder des Euroraums gegenüber Russland

Seit Oktober 2022 veröffentlicht die EZB eine Untergruppe bilateraler außenwirtschaftlicher Statistiken der Länder des Euroraums gegenüber Russland.[54] Durch diese zusätzliche Granularität stehen vierteljährlich nützliche statistische Details für aktuelle Analysen der grenzüberschreitenden Transaktionen und Positionen zwischen Ländern des Euroraums und Russland zur Verfügung.

7.2 Experimentelle Indikatoren sollen Klimaschutzmaßnahmen unterstützen

Einführung neuer klimabezogener Indikatoren zur Unterstützung der geldpolitischen Strategie der EZB

Auf Grundlage der 2022 abgeschlossenen Arbeiten veröffentlichte die EZB am 24. Januar 2023 erstmals drei Reihen neuer statistischer Indikatoren zu nachhaltigen Finanzen, Treibhausgasemissionen und physischen Risiken. Diese Arbeiten sind Teil des Maßnahmenplans der EZB[55], mit dem Klimaschutzaspekte in ihrer geldpolitischen Strategie berücksichtigt werden sollen. Die Entwicklung dieser klimabezogenen Indikatoren war äußerst komplex und umfasste unter anderem die Abstimmung verschiedener länderübergreifender Mikrodatensätze, die Entwicklung geeigneter Imputationsmechanismen für fehlende Daten und die Überprüfung der Datenqualität unter Berücksichtigung von Aspekten wie Vertraulichkeit, Reproduzierbarkeit und Repräsentativität. Daher sind einige der Teildatensätze nach wie vor nicht final, weshalb bei der Verwendung der Indikatoren Vorsicht geboten ist.

Die folgenden drei Datensätze wurden veröffentlicht:[56]

  1. Indikatoren zur nachhaltigen Finanzierung: Diese geben einen Überblick über die Schuldtitel mit Nachhaltigkeitsmerkmalen, die von Ansässigen im Euroraum begeben und gehalten werden. Dieser Datensatz ist bereits recht umfangreich und wird mit dem Datenqualitätslabel „experimentell“ veröffentlicht.
  2. Indikatoren zu CO2-Emissionen von Finanzinstituten: Diese liefern Informationen über die CO2-Intensität der Wertpapier- und Kreditportfolios von Finanzinstituten, wie etwa Banken, und tragen somit dazu bei, die Rolle des Finanzsektors bei der Finanzierung des Übergangs zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft und die damit verbundenen Risiken zu beurteilen. Der zugrunde liegende Datensatz muss jedoch insbesondere im Hinblick auf den Abdeckungsgrad noch verbessert werden. Folglich sind die Indikatoren mit Vorsicht zu interpretieren und als nicht final und als analytisch zu betrachten.
  3. Indikatoren zu physischen Risiken von Kredit- und Wertpapierportfolios: Diese bewerten Risiken, die sich aus klimabedingten Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Waldbränden für die Wertentwicklung von Kredit-, Anleihe- und Aktienportfolios ergeben. Der zugrunde liegende Datensatz muss weiter verbessert werden, z. B. hinsichtlich der Details zu Standortinformationen. Daher sind die Indikatoren mit Vorsicht zu interpretieren und als nicht final und als analytisch zu betrachten.

Im Einklang mit dem Maßnahmenplan des EZB-Rats werden Verbesserungen an diesen drei Datensätzen vorgenommen, die teilweise durch neue und bessere Datenquellen sowie durch künftige methodische Entwicklungen innerhalb des ESZB und weltweit unterstützt werden.

7.3 Fortschritte beim integrierten Berichtsrahmen (IReF)

Bemühungen um einen verringerten Meldeaufwand werden konkreter

Die EZB ist seit Langem entschlossen, den Meldeaufwand der Banken zu verringern und die Qualität und Vergleichbarkeit der Daten zu verbessern, und konkretisierte im Jahr 2022 Maßnahmen in diesem Bereich. Im Dezember 2021 wurde die Konzeptionsphase des IReF-Programms mit dem Ziel eingeleitet, die statistischen Anforderungen des Eurosystems an Banken in einem einzigen standardisierten Rahmen zusammenzuführen, der im gesamten Euroraum gilt und auch von Behörden in anderen EU-Mitgliedstaaten übernommen werden könnte.[57]

In der Konzeptionsphase des IReF lag der Fokus auf dem künftigen Rahmen und der Kosten-Nutzen-Bewertung

In der Konzeptionsphase ermittelt das Eurosystem die wesentlichen Elemente des neuen Rahmens (sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf Datenprozesse) und erarbeitet einen Entwurf für eine effizientere Organisation des statistischen Geschäftsprozesses im Eurosystem. Bei der Gestaltung des IReF stützt sich das Eurosystem im Einklang mit einer Kosten-Nutzen-Bewertung auf die Beiträge der jeweiligen Akteure.[58] Im Rahmen der laufenden Kosten-Nutzen-Bewertung wurden im September 2022 drei Berichte veröffentlicht. Diese konzentrierten sich jeweils auf spezifische Aspekte des geplanten Meldesystems, nämlich inhaltliche Themen, die technische Integration länderspezifischer Anforderungen sowie Verfahrens- und Umsetzungsaspekte.[59] Darüber hinaus veranstaltete die EZB im Jahr 2022 zwei Workshops mit dem Bankensektor, um den aktuellen Stand der Kosten-Nutzen-Bewertung zu erörtern.

Der IReF ist der erste Schritt hin zu einer umfassenderen Initiative für ein integriertes Meldewesen für statistische, aufsichtsrechtliche und abwicklungsbezogene Daten in der EU, wie vom europäischen Bankensektor, dem Europäischen Parlament und dem Rat gefordert. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die EZB, der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB) und die Europäische Kommission arbeiten in einer informellen Koordinierungsgruppe zusammen, um diese Integration voranzutreiben. Wie in der im Dezember 2021 veröffentlichten Durchführbarkeitsstudie der EBA dargelegt, soll die Zusammenarbeit zwischen den Behörden durch die Einrichtung eines Joint Bank Reporting Committee (JBRC) formalisiert werden. Mitglieder sind das ESZB, die EBA, der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (SSM) und die nicht am SSM teilnehmenden nationalen zuständigen Behörden, der SRB, die nationalen Abwicklungsbehörden und die Europäische Kommission.[60]

Kasten 4
Neue Statistiken zu Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors in den vierteljährlichen Finanzierungsrechnungen

Sonstige Finanzinstitute – zweitgrößter Finanzsektor im Euroraum

Die von der EZB veröffentlichten vierteljährlichen Finanzierungsrechnungen enthalten eine neue Aufschlüsselung der sonstigen Finanzinstitute (SFIs). SFIs sind nach monetären Finanzinstituten (d. h. Banken und Geldmarktfonds) der zweitgrößte Finanzsektor im Euroraum (siehe Abbildung A). Ihre zunehmende Rolle wurde im Rahmen der Überprüfung der geldpolitischen Strategie der EZB in den Jahren 2020 bis 2021 anerkannt. Die Analyse dieser Entwicklung wird durch die neue Aufschlüsselung wesentlich erleichtert.[61] Es wird zwischen drei Teilsektoren unterschieden:

  • Firmeneigene Finanzierungseinrichtungen und Kapitalgeber – hierbei handelt es sich in erster Linie um Holdinggesellschaften und konzerninterne Strukturen (z. B. Conduits). Dieser Teilsektor macht 17 % des Finanzsektors im Euroraum aus und beschränkt sich weitestgehend auf einige Länder des Euroraums (über 85 % der firmeneigenen Finanzierungseinrichtungen entfallen auf Irland, Luxemburg und die Niederlande).
  • Sonstige Finanzintermediäre – dazu zählen z. B. Wertpapier- und Derivatehändler sowie finanzielle Mantelkapitalgesellschaften, die Verbriefungsgeschäfte betreiben. Dieser Teilsektor entspricht 4 % des Finanzsektors auf Ebene des Euroraums. Daten zu sonstigen Finanzintermediären sind von wesentlicher Bedeutung für eine vollständige Analyse der Finanzintermediation im Euroraum.
  • Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten – diese erleichtern Finanztransaktionen, ohne dass das ausführende Unternehmen die rechtliche (oder wirtschaftliche) Gegenpartei wird. Beispiele hierfür sind Börsen, Verwalter von Pensionsfonds und Investmentfonds sowie Versicherungsmakler. Sie machen 1 % des Finanzsektors im Euroraum aus.

Abbildung A

Finanzielle Teilsektoren im Euroraum

(Anteil der am Ende des dritten Quartals 2022 ausstehenden Verbindlichkeiten in % der Verbindlichkeiten des Finanzsektors)

Quelle: Vierteljährliche Sektorkonten, EZB.

8 Die Forschungstätigkeit der EZB

Die Forschungsarbeiten der EZB konzentrierten sich 2022 auf die Beurteilung der Inflationsentwicklungen und die Analyse der möglichen Auswirkungen der geldpolitischen Normalisierung. Die Datensätze, die über das Household Finance and Consumption Network (HFCN) verfügbar sind, wurden erstmals auch für die Analyse der Heterogenität der Finanzen der privaten Haushalte im Euroraum genutzt. Auch neue Projekte auf der Grundlage der umfangreichen Informationen, die im Rahmen der Umfrage der EZB zu den Verbrauchererwartungen (Consumer Expectations Survey – CES) erhoben wurden, standen im Fokus, und die Forschung zu Klimathemen wurde intensiviert. Die Zusammenarbeit mit den nationalen Zentralbanken im Rahmen der Forschungscluster des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) wurde fortgesetzt. Im Rahmen jährlicher Workshops wurden die dringlichsten Themen in den jeweiligen Fachgebieten erörtert. Das Forschungsnetzwerk PRISMA (Price-setting Microdata Analysis Network) schloss seine Arbeit ab und lieferte mehrere geldpolitisch relevante Ergebnisse (siehe Kasten 5).

8.1 Neues zu den Forschungsinitiativen der EZB

Forschung konzentrierte sich auf Beurteilung der Auswirkungen der geldpolitischen Normalisierung

Ein zentraler Schwerpunkt der Forschung der EZB war 2022 die Untersuchung der Auswirkungen der Leitzins- und Bilanznormalisierung, einschließlich der damit verbundenen Transmissionskanäle und Zielkonflikte. Zur Beurteilung der möglichen Effekte der geldpolitischen Normalisierung für die Finanzstabilität wurde eine Vielzahl interner Modelle mit makrofinanziellen Verflechtungen herangezogen. Eine mehrheitlich gewonnene Schlüsselerkenntnis aus dieser Forschung war, dass die geldpolitische Normalisierung mittelfristig dem Aufbau von Schwachstellen im Finanzsystem entgegenwirkt und Extremrisiken für die Inflation senkt, auch wenn sie kurzfristig die Finanzierungsbedingungen verschärft und die Abwärtsrisiken für das Wachstum erhöht.

HFCN spielte Schlüsselrolle bei Forschung zur Heterogenität

Das HFCN spielte eine Schlüsselrolle bei der Erstellung der Distributional Wealth Accounts für den Euroraum und ist eine wichtige Informationsquelle für eine Reihe von Forschungsprojekten der EZB-Forschungsgruppe zur Heterogenität.

Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten auf Basis von HFCN-Daten standen die Unterschiede zwischen Haushalten im Euroraum mit und ohne Migrationshintergrund in Hinblick auf deren Vermögen und liquide Vermögenswerte, die finanziellen Schwierigkeiten privater Haushalte, die wesentlichen Unterschiede bei Wohnimmobilien und Wohneigentumsquoten in den einzelnen Ländern des Euroraums sowie die Heterogenität der Auswirkungen der Pandemie auf die Finanzen der privaten Haushalte.

CES-Daten ermöglichten neue Projekte

Die Umfrage der EZB zu den Verbrauchererwartungen (CES) gewann im Lauf des Jahres 2022 an Sichtbarkeit. Dies zeigte sich an der Entwicklung neuer Umfragemodule zu Verbraucherfinanzen, Wohnimmobilien, Arbeitsmärkten und anderen zentralbankrelevanten Themen sowie an der wachsenden Zahl an Forschungsergebnissen und neuen Projekten, die sich auf Daten zu den vielfältigen Umfragethemen stützen. Die CES-Ergebnisse flossen stark in die wirtschaftliche, monetäre und finanzielle Analyse der EZB sowie in ihre offiziellen Publikationen ein. Wie die Inhalte auf der neu entwickelten CES-Website deutlich zeigen, haben Publikationen auf Grundlage der Umfragedaten neue Erkenntnisse zu einer Vielzahl von Themen ermöglicht, zum Beispiel zu Inflationserwartungen, Zentralbankkommunikation, Konsum und Verbraucherfinanzen, der Transmission der Geldpolitik im Hinblick auf private Haushalte, zum Energieschock und zur finanzpolitischen Unterstützung der privaten Haushalte. Darüber hinaus werden die aggregierten Ergebnisse der monatlichen Umfragen nun regelmäßig auf der CES-Website präsentiert. In einer monatlichen Pressemitteilung werden seit August 2022 die Verbrauchererwartungen zu Inflation, Wohnimmobilienmärkten, Zugang zu Krediten, Einkommen, Konsum, Arbeitsmarkt und Wirtschaftswachstum zusammengefasst dargestellt.

Umfangreiche Forschungsarbeiten zu Klimathemen lieferten politisch relevante Erkenntnisse

Die Forschung zum Klimawandel wurde im Lauf des Jahres 2022 intensiviert. Die Forschungsarbeit konzentrierte sich auf verschiedene Aspekte der Interaktion zwischen Finanzstabilität, Finanzmarkt, Politik und ökologischem Wandel. Die EZB veröffentlichte Forschungsbeiträge zu unterschiedlichen Aspekten dieses Themenbereichs, in denen die folgenden politisch relevanten Schlussfolgerungen gezogen wurden: a) die Klimapolitik zeigt Wirkung auf die Kreditvergabe der Banken: die Kreditvergabe an Produzenten fossiler Brennstoffe wurde infolge von CO2-Steuern[62] sichtbar über nationale Grenzen hinweg umverteilt, und die Kreditvergabe an Unternehmen mit hohem Treibhausgasausstoß ist infolge des Pariser Klimaschutzabkommens[63] erheblich zurückgegangen; b) in stärker eigenkapitalbasierten Volkswirtschaften schreitet die Dekarbonisierung schneller voran als in eher schuldenfinanzierten Volkswirtschaften[64]; c) die Verknappung der natürlichen Ressourcen führt zu energiesparenden technischen Veränderungen[65], und d) es ist für die Gesellschaft erheblich teurer, CO2-Steuern unter dem optimalen Niveau festzulegen als darüber[66].

Im Rahmen einer weiteren Forschungsreihe wurde untersucht, wie Klimarisiken und Finanzstabilität miteinander verknüpft sind, wobei die folgenden drei zentralen Dimensionen betrachtet wurden: a) Daten zu und Messung von Klimarisiken für das Finanzsystem, b) Bewertungen von Klimarisiken durch Stresstests und c) makroprudenzielle Auswirkungen von Klimarisiken. Die Ergebnisse wurden im Juli 2022 in einem gemeinsamen Bericht der EZB und des ESRB veröffentlicht.

8.2 Neues zur Arbeit der ESZB-Forschungscluster

Fortsetzung der Zusammenarbeit innerhalb bestehender Forschungscluster und Einrichtung eines neuen Forschungsclusters zum Klimawandel

Im Rahmen der etablierten Forschungsnetzwerke wurden weiterhin Forschungsaktivitäten innerhalb des ESZB koordiniert und Arbeitsbeziehungen mit dem universitären Bereich gepflegt. So veranstalteten die ESZB-Forschungscluster zu den Themen „Geld- und Währungstheorie“ (Cluster 1), „Internationale Makroökonomie, Fiskalpolitik, Arbeitsmarktökonomie, Wettbewerbsfähigkeit und WWU-Governance“ (Cluster 2), „Finanzstabilität, makroprudenzielle Regulierung und mikroprudenzielle Aufsicht“ (Cluster 3) sowie „Klimawandel“ (Cluster 4) Workshops zu den dringlichsten Themen in diesen Bereichen.

Der alljährliche Workshop von Cluster 1 fand von 10. bis 11. Oktober 2022 in Paris statt. Er wurde von der Banque de France organisiert und konzentrierte sich auf die Themen Inflation und Zinssätze sowie das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik. Cluster 2 veranstaltete seinen jährlichen Workshop von 29. bis 30. September 2022 bei der Bank of Greece. Im Mittelpunkt standen dabei die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen, insbesondere ihre Auswirkungen auf Handel, Beschäftigung und Produktion. Ebenso erörtert wurden die Wechselwirkungen zwischen Geld- und Finanzpolitik sowie die Ausgestaltung der EU-Institutionen vor dem Hintergrund von Desintegrationsrisiken. Der jährliche Workshop von Cluster 3 fand auf Einladung der Banco de Portugal am 20. und 21. Oktober 2022 in Lissabon statt. Diskutiert wurden Themen, die von der Bankenregulierung und -aufsicht bis hin zu Wohnimmobilienmärkten und digitalen Zentralbankwährungen reichten. Der erste jährliche Workshop von Cluster 4 wurde von der Deutschen Bundesbank organisiert und von 5. bis 6. September 2022 virtuell abgehalten. Diskutiert wurden theoretische und empirische Forschungsergebnisse zu makroökonomischen Effekten des Klimawandels und der Klimapolitik sowie Implikationen für unterschiedliche Finanzmärkte.

Kasten 5
Mikrodaten im Fokus – PRISMA-Forschungsergebnisse zur Preissetzung

Das Forschungsnetzwerk PRISMA (Price-Setting Microdata Analysis) wurde 2018 vom ESZB eingerichtet, um anhand von Mikrodaten aus EU-Ländern vertiefende Erkenntnisse zu Preissetzungsverhalten bzw. Inflationsdynamik zu erlangen und somit neue Einsichten in diese zentralen Elemente der geldpolitischen Transmission zu gewinnen. Im März 2022 schloss PRISMA offiziell seine Tätigkeit ab.

Expertinnen und Experten der EZB und der nationalen Zentralbanken erstellten im Rahmen des Netzwerks zahlreiche Forschungsarbeiten und Analysen zu Preissetzungs- und Inflationsdynamik, E-Commerce, Online-Preisen und zur Heterogenität der Inflation privater Haushalte. Die Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf den Zeitraum von 2010 bis 2019 und ergaben die folgenden geldpolitisch relevanten Erkenntnisse.

Die Häufigkeit von Preisänderungen im Euro-Währungsgebiet war von 2010 bis 2019 in den wichtigen Sektoren relativ gering, aber heterogen, was auf eine langsame Transmission nominaler Schocks hindeutet. Im Durchschnitt veränderten sich im Euroraum monatlich 8,5 % der Verbraucherpreise (ohne Rabatte und Abverkaufspreise), das entspricht in etwa dem in den Vereinigten Staaten verzeichneten Prozentsatz (10 %). Mit anderen Worten: Der typische reguläre Einzelhandelspreis änderte sich nur alle zwölf Monate, d. h. nominale Impulse wurden nur langsam weitergegeben. Die Häufigkeit von Preisanpassungen war im Dienstleistungssektor am niedrigsten (6 % über einen Zeitraum von 17 Monaten) und bei den verarbeiteten Nahrungsmitteln am höchsten (10 % über einen Zeitraum von 10 Monaten).

Die Preisänderungen waren insofern heterogen, als sowohl kleine als auch große Erhöhungen und Senkungen verzeichnet wurden, und spiegelten hauptsächlich firmenspezifische Schocks wider. Dort, wo es zu Preisänderungen kam, fielen diese in der Regel recht groß aus (auch wenn man Abverkaufspreise nicht berücksichtigt). Im Zeitraum von 2010 bis 2019 lag der Median des Anstiegs bzw. Rückgangs der Preise bei rund 9 % bzw. 12 %. Die Preiserhöhungen und -senkungen waren jedoch sehr heterogen: Absolut betrachtet waren 14 % der Preisänderungen kleiner als ± 2 % und rund 20 % größer als ± 14 %. Firmenspezifische Kosten- und Nachfrageschocks waren somit für den Zeitpunkt und Umfang von Preisänderungen im Unternehmenssektor stärker ausschlaggebend als aggregierte Schocks. Die Daten bestätigen außerdem, dass Erzeugerpreise häufiger und in geringerem Ausmaß geändert werden als Verbraucherpreise, was früheren Ergebnissen für den Euroraum entspricht.

Im Onlinehandel ist die Frequenz von Preisänderungen für die meisten Waren höher als im stationären Einzelhandel; die Größenordnung der Preissenkungen und ‑erhöhungen ist jedoch in beiden Bereichen ähnlich. Dies wird mit geringeren Preissetzungsfriktionen im Internet erklärt. Sowohl in Polen als auch in Deutschland, wo der Vergleich zwischen Online- und stationärem Handel möglich war, war die Preisänderungsfrequenz für Waren ohne Energie (mit Ausnahme verarbeiteter Nahrungsmittel) im Onlinehandel höher als im stationären Einzelhandel (16,7 % bzw. 11,1 %). Allerdings war das (absolute) Ausmaß der Preisänderungen in Deutschland im Onlinehandel geringer, in Polen hingegen tendenziell höher. Insgesamt stehen diese Ergebnisse im Einklang damit, dass im Internet, zumindest für Waren, geringere Preissetzungsfriktionen vorherrschen. Darüber hinaus belegen sie die auf Grundlage früherer Forschungsergebnisse getroffene Annahme, dass die aggregierte Preisflexibilität zunehmen könnte, wenn der Onlinehandel in immer mehr Sektoren Marktanteile gewinnt.

Die Preissetzung ist in geringem Ausmaß vom jeweiligen Stadium des Konjunkturzyklus abhängig, d. h. im gegenwärtigen Umfeld können häufigere und größere Preisänderungen auftreten, als es historische Gesetzmäßigkeiten vermuten lassen. Im Fall von Preisen, die weit von ihren „Zielwerten“ entfernt sind, ist eine Anpassung etwas wahrscheinlicher. Dies ist ein direkter Hinweis auf ein moderates Maß an Zustandsabhängigkeit (State Dependence), welche die geldpolitische Transmission dennoch beeinflussen kann, insbesondere wenn infolge von Änderungen der Trendinflation oder großen Kostenschocks Nichtlinearitäten hervorgerufen werden. In einem volatilen Umfeld, wie wir es derzeit erleben, können häufigere und größere Preisänderungen auftreten, als historische Gesetzmäßigkeiten vermuten lassen.

Die Inflationsschwankungen im Zeitraum von 2005 bis 2019 waren eher auf die betragsmäßigen Fluktuationen der durchschnittlichen Preisänderungen zurückzuführen, da sich deren Häufigkeit kaum veränderte. Trotz mehrerer möglicher struktureller Einflussfaktoren ließ die Frequenz der Preisänderungen in der betrachteten Niedriginflationsphase kaum einen Abwärts- oder Aufwärtstrend erkennen. Darüber hinaus trug die begrenzte konjunkturelle Fluktuation der Preisänderungshäufigkeit kaum zu Schwankungen der aggregierten Inflation bei, die vor allem von Veränderungen der durchschnittlichen Höhe von Preisänderungen getrieben sind. Konkret wirkten sich gesamtwirtschaftliche Störungen auf die Inflation aus, indem sie den Anteil der Unternehmen, die ihre Preise erhöhten bzw. senkten, beeinflussten, und nicht über das Ausmaß von Preisanstiegen bzw. ‑rückgängen. Dieses „lineare“ Verhalten der aggregierten Inflation könnte sich jedoch aufgrund von Nichtlinearitäten bei Entscheidungen auf Unternehmensebene ändern, wenn aggregierte Schocks auftreten, die größer sind als in der Vergangenheit.

Laut Modellen, die auf Mikropreisdaten abgestimmt sind, würden Verschiebungen der Trendinflation von mehr als 5 % bis 6 % die Steigung der Phillips-Kurve im Euroraum wesentlich erhöhen. Simulationen mit Modellen, die im Einklang mit den Mikropreisdaten Nichtlinearitäten bei der Preissetzung berücksichtigen, deuten darauf hin, dass ein Anstieg der Trendinflation (und damit der langfristigen Inflationserwartungen der Unternehmen) um mehr als 5 % bis 6 % die Preisänderungsfrequenz und damit die Steigung modellbasierter Phillips-Kurven wesentlich erhöhen würde. Daten für die Vereinigten Staaten bestätigen, dass die Preisänderungsfrequenz während der Hochinflationsphase von 1978 bis 1982 bei über 15 % lag (verglichen mit 10 % in der betrachteten Niedriginflationsphase).

Ebenso zeigen auf Mikropreise abgestimmte Modelle, dass große Kostenschocks nichtlineare Effekte auf die Inflationsdynamik haben können. Nichtlinearitäten bei der Preissetzung implizieren, dass in den modellbasierten Simulationen der Effekt auf die Preisänderungsfrequenz umso größer ist, je größer die nominalen Schocks sind. Diese Schocks müssen im Fall von Nichtlinearitäten mehr als 15 % betragen, um die Inflationsdynamik deutlich zu beschleunigen. Da das Umfeld bis 2019 – also im Beobachtungszeitraum, für den die Mikrodaten vorliegen – relativ stabil war, gibt es kaum direkte empirische Belege für größere Schocks. Allerdings wurden im Rahmen von PRISMA für einige Länder auch Mikrodaten ab 2019 analysiert, um Hinweise auf das Vorliegen von Nichtlinearitäten in der volatilen Pandemiephase zu prüfen. Dabei wurden große Änderungen in der Preisänderungsfrequenz festgestellt.

9 Rechtliche Aktivitäten und Verpflichtungen

Im Jahr 2022 legte der Gerichtshof der Europäischen Union („Gerichtshof“) den Begriff „andere Kreditfazilität“ erstmals im Zusammenhang mit dem Verbot der monetären Finanzierung aus und erkannte die finanzielle Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken an (Rechtssache C-45/21). Ferner beendete er einen fast zehn Jahre währenden Rechtsstreit im Zusammenhang mit den 2013 in Zypern umgesetzten Abwicklungsmaßnahmen (Rechtssache T-200/18 und T-379/16) und präzisierte wichtige Aspekte der Aufsichtsbefugnisse der EZB (Rechtssache T-275/19). Die EZB verabschiedete im Berichtsjahr 14 Stellungnahmen zu Vorschlägen für Rechtsakte der Union sowie 32 Stellungnahmen zu Entwürfen für nationale Rechtsvorschriften, die in ihren Zuständigkeitsbereich fielen. Es wurden fünf nationales Recht betreffende Fälle verzeichnet, in denen gegen die Verpflichtung zur Anhörung der EZB zu Entwürfen für Rechtsvorschriften verstoßen wurde. Die von der EZB im Berichtsjahr durchgeführte Überwachung der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung und des Verbots des bevorrechtigten Zugangs durch Zentralbanken ergab, dass die Bestimmungen der Artikel 123 und 124 AEUV generell eingehalten wurden.

9.1 Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen EZB

Gerichtshof legte den Begriff „andere Kreditfazilität“ erstmals im Zusammenhang mit dem Verbot der monetären Finanzierung aus

Im September 2022 äußerte sich der als Große Kammer tagende Gerichtshof der Europäischen Union erstmals zur Auslegung des Begriffs „andere Kreditfazilität“ in Artikel 123 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates als „jede Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten“ definiert ist (Rechtssache C-45/21). Nach Auffassung des Gerichtshofs bedeutet das Verbot einer Kreditfazilität im Sinne jeder Finanzierung von Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten nicht nur, dass die nationalen Zentralbanken (NZBen) keine bereits bestehenden Verbindlichkeiten anderer Behörden oder öffentlicher Einrichtungen gegenüber Dritten übernehmen dürfen; es bedeutet auch, dass sich die tatsächliche Finanzierung von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten durch die NZBen nicht als unmittelbare Folge der Maßnahmen oder wirtschaftspolitischen Entscheidungen anderer Behörden oder öffentlicher Einrichtungen ergeben darf. In derselben Vorabentscheidung hat der Gerichtshof auch erstmals ausdrücklich die finanzielle Dimension der Unabhängigkeit der NZBen anerkannt und die Bedeutung dieser Unabhängigkeit im Zusammenhang mit der Wahrnehmung nationaler Aufgaben außerhalb des Rahmens des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) durch eine NZB ausgelegt. Dem Gerichtshof zufolge würde die Fähigkeit der NZBen, eine dem ESZB zugewiesene Aufgabe unabhängig wahrzunehmen, beeinträchtigt, wenn nationale Aufgaben, die nicht dem ESZB zugewiesen sind, die NZBen daran hindern, ausreichende finanzielle Mittel in Form von Reserven oder Puffern aufzubauen, um Verluste, insbesondere aus geldpolitischen Geschäften, auszugleichen.

Knapp zehnjähriger Rechtsstreit betreffend die 2013 in Zypern gesetzten Abwicklungsmaßnahmen beendet: letzte anhängige Schadensersatzklagen gegen die EZB wurden abgewiesen

Im Juli bzw. November 2022 wies das Gericht der Europäischen Union („Gericht“) die letzten anhängigen Schadensersatzklagen ab, die einige Anspruchsgruppen zweier zyprischer Banken, die Gegenstand der Abwicklungsmaßnahmen von 2013 gewesen waren, unter anderem gegen die EZB erhoben hatten (Rechtssache T-200/18 und T-379/16). Diese Beschlüsse folgten dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Jahr 2020 in den verbundenen Rechtssachen Chrysostomides und Bourdouvali[67], die eine ähnliche Materie betrafen. Die Kläger hatten vorgebracht, dass die EZB und andere Beklagte[68] diese Abwicklungsmaßnahmen unter anderem auf Grundlage ihrer Teilnahme an den Sitzungen der Euro-Gruppe und ihrer Rolle bei der Verhandlung und der Verabschiedung des Memorandum of Understanding (MoU) mit Zypern sowie der Beschlüsse des EZB-Rats bezüglich der Notfallliquiditätshilfe angeordnet hätten. Das Gericht erkannte keinen Verstoß seitens der EZB oder der anderen Beklagten gegen das Eigentumsrecht, den Grundsatz des Vertrauensschutzes, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder den Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Beschlüsse des Gerichts beendeten die knapp zehn Jahre andauernden Rechtsstreitigkeiten betreffend die 2013 in Zypern umgesetzten Abwicklungsmaßnahmen, in denen sich die EZB aufgrund ihres nachweislich rechtmäßigen Verhaltens stets durchgesetzt hatte.

Das Gericht präzisierte die Untersuchungs- und Aufsichtsbefugnisse der EZB

Im Dezember 2022 erließ das Gericht vier Urteile, in denen es sämtliche Klagen der AS PNB Banka gegen eine Reihe von Aufsichtsbeschlüssen der EZB abwies und die Aufsichtsbefugnisse der EZB weiter präzisierte. Von Januar 2019 bis Februar 2020 hatte die EZB eine Reihe von Aufsichtsbeschlüssen in Bezug auf die AS PNB Banka erlassen. Nach Überprüfung dieser Beschlüsse bestätigte das Gericht, dass die EZB befugt ist, in Bezug auf ein weniger bedeutendes Kreditinstitut alle in Artikel 10 bis 13 der SSM-Verordnung angeführten Untersuchungsbefugnisse auszuüben, einschließlich jene für Vor-Ort-Prüfungen. Das Gericht stellte ferner klar, dass die geltende Verordnung vor Erlass des Beschlusses zur Durchführung einer Vor-Ort-Prüfung keine Anhörung des geprüften Instituts vorschreibt (Rechtssache T-275/19). Das Gericht bestätigte außerdem, dass die EZB über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, wenn es darum geht, die direkte Beaufsichtigung eines weniger bedeutenden Instituts zu übernehmen, so dies erforderlich ist, um die einheitliche Anwendung hoher Aufsichtsstandards zu gewährleisten (Rechtssache T-301/19). Drittens stellte das Gericht fest, dass die EZB Einspruch gegen den geplanten Erwerb einer qualifizierten Beteiligung einlegen kann, wenn es hierfür hinreichende Gründe auf Basis eines bzw. mehrerer der in Artikel 23 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36 genannten Kriterien gibt, ohne dass die anderen Kriterien geprüft werden müssen (Rechtssache T-330/19). Viertens klärte das Gericht im Hinblick auf den Beschluss zum Entzug der Zulassung einige Aspekte zum Verhältnis eines Vorschlags einer nationalen zuständigen Behörde zum endgültigen Beschluss der EZB zum Entzug der Zulassung. So stellte das Gericht fest, dass die EZB ihre eigene Beurteilung unter Berücksichtigung der in Artikel 83 Absatz 2 der SSM-Rahmenverordnung angeführten Aspekte vornehmen soll, da sie nicht an den Vorschlag der nationalen zuständigen Behörde gebunden ist. Infolgedessen kann die EZB in den endgültigen Beschluss zum Entzug der Zulassung, soweit angemessen, Beschlussgründe aufnehmen, die nicht im Vorschlag der nationalen zuständigen Behörde enthalten waren (Rechtssache T-230/20).

9.2 Stellungnahmen der EZB und Verstöße gegen die Konsultationspflicht

Die EZB ist gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu allen in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Vorschlägen für Rechtsakte der EU und Entwürfen für nationale Rechtsvorschriften zu hören. Sämtliche Stellungnahmen der EZB werden auf EUR-Lex veröffentlicht. Sofern sie Vorschläge für Rechtsakte der EU betreffen, erscheinen die Stellungnahmen der EZB auch im Amtsblatt der Europäischen Union. Im Jahr 2022 verabschiedete die EZB 14 Stellungnahmen zu Vorschlägen für Rechtsakte der Union sowie 32 Stellungnahmen zu Entwürfen für Rechtsakte auf nationaler Ebene, die in ihren Zuständigkeitsbereich fielen.

Fünf eindeutige und erhebliche Verstöße gegen die Verpflichtung zur Konsultation der EZB

Im Berichtsjahr wurden fünf Fälle verzeichnet, in denen gegen die rechtliche Verpflichtung zur Anhörung der EZB zu Entwürfen für Rechtsakte der Union bzw. nationale Rechtsvorschriften verstoßen wurde. Im ersten Fall ging es um ein finnisches Gesetz über ein Notfall-Interbank-Zahlungssystem. Die Einstufung als eindeutig und erheblich ergab sich aus den potenziellen Implikationen für die Aufgabe des ESZB, das reibungslose Funktionieren von Zahlungssystemen zu fördern, und die möglichen Auswirkungen auf die Aufgaben der finnischen Zentralbank. Der zweite Fall betraf ein italienisches Gesetz über Maßnahmen zum Verbot der Finanzierung von Unternehmen, die Antipersonenminen, Streumunition und Submunition herstellen. Mit diesem Gesetz sollten die zuständigen Behörden, darunter die Banca d’Italia, verpflichtet werden, sicherzustellen, dass Kreditinstitute das Verbot der Finanzierung solcher Unternehmen einhalten. Der Fall wurde aufgrund seiner möglichen Auswirkungen auf die Banca d’Italia als eindeutig und erheblich erachtet, da eine derartige Aufgabe für eine nationale Zentralbank atypisch ist. Im dritten Fall ging es um ein irisches Gesetz (Land Development Agency Act), das den Zwangskauf von Grundstücken betrifft, die im Eigentum einschlägiger öffentlicher Stellen, einschließlich der Banc Ceannais na hÉireann/Central Bank of Ireland, stehen. Dieser Fall wurde aufgrund seiner möglichen Auswirkungen auf die irische Zentralbank, insbesondere auf ihre finanzielle Unabhängigkeit, als eindeutig und erheblich erachtet. Der vierte Fall betraf ein litauisches Gesetz über Verbriefungen und gedeckte Schuldverschreibungen zur Änderung des Gesetzes über die Lietuvos bankas, das die litauische Zentralbank als zuständige Behörde für die öffentliche Aufsicht über Verbriefungen und gedeckte Schuldverschreibungen eingesetzt und ihr die entsprechenden Aufsichts-, Untersuchungs- und Sanktionsbefugnisse übertragen hatte. Dieser Fall wurde aufgrund seiner Auswirkungen auf die Aufgaben der Lietuvos bankas als eindeutig und erheblich eingestuft. Im fünften Fall ging es um eine EU-Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union. Dieser Fall wurde aufgrund seiner potenziellen Auswirkungen auf die Aufgaben des ESZB als eindeutiger und erheblicher Verstoß gegen die Verpflichtung zur Konsultation der EZB erachtet. Zu den von der Richtlinie betroffenen Aufgaben zählen insbesondere die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme, die Mitwirkung bei der reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen und die Aufgaben der EZB im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Kreditinstitute.

14 Stellungnahmen der EZB zu Vorschlägen für EU-Rechtsakte

Im Berichtsjahr verabschiedete die EZB 14 Stellungnahmen zu Vorschlägen für EU-Rechtsakte in unterschiedlichen Bereichen, darunter: Einführung des Euro in Kroatien und Umrechnungskurs von kroatischer Kuna in Euro; Einführung eines Marktkorrekturmechanismus für Gaspreise; Zentralverwahrer; Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen im Hinblick auf Anforderungen für das Kreditrisiko und bezüglich der Abwicklung (CRR III); Aufsichtsbefugnisse, Sanktionen, Zweigstellen in Drittländern sowie Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (CRD VI); Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (AMLD 6) sowie Errichtung der Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union (NIS 2); Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR/MiFID II); Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM); harmonisierte Vorschriften für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung (Datengesetz); Einrichtung und Funktionsweise des zentralen europäischen Zugangsportals (ESAP), das den zentralisierten Zugang zu öffentlich verfügbaren Informationen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Kapitalmärkte und Nachhaltigkeit ermöglichen soll; Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Union.

32 Stellungnahmen der EZB zu Entwürfen für nationale Rechtsvorschriften

Zu Entwürfen für nationale Rechtsvorschriften, die häufig mehr als ein Thema betreffen, verabschiedete die EZB 8 Stellungnahmen zu Währungsangelegenheiten und Zahlungsmitteln; 25 Stellungnahmen zu NZBen; 2 Stellungnahmen zu Zahlungs- bzw. Wertpapierabwicklungssystemen; 4 Stellungnahmen zu statistischen Fragen; 5 Stellungnahmen zur Stabilität des Finanzsystems; 2 Stellungnahmen zu geldpolitischen Instrumenten und Geschäften; sowie 7 Stellungnahmen zur Aufsicht über Kreditinstitute.

9.3 Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten Zugangs

Gemäß Artikel 271 Buchstabe d des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die EZB mit der Aufgabe betraut, die Einhaltung der in den Artikeln 123 und 124 AEUV sowie in den Verordnungen (EG) Nr. 3603/93 und 3604/93 des Rates festgelegten Verbote durch die nationalen Zentralbanken (NZBen) der EU-Mitgliedstaaten zu überwachen. Nach Artikel 123 ist es der EZB und den NZBen untersagt, Regierungsstellen sowie Organen bzw. Einrichtungen der EU Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten einzuräumen oder von solchen Institutionen begebene Schuldtitel am Primärmarkt zu erwerben. Gemäß Artikel 124 sind Maßnahmen, die nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und die Regierungsstellen sowie Organen bzw. Einrichtungen der EU einen bevorrechtigten Zugang zu Finanzinstituten verschaffen, verboten. Über die Einhaltung dieser Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten wacht neben dem EZB-Rat auch die Europäische Kommission.

Die EZB überwacht ferner die durch die Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten am Sekundärmarkt getätigten Käufe von Schuldtiteln der öffentlichen Hand – also Käufe inländischer Staatspapiere sowie Käufe von Schuldtiteln, die von anderen Mitgliedstaaten oder von Organen bzw. Einrichtungen der EU begeben wurden. Laut den Erwägungsgründen der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates darf das mit Artikel 123 AEUV verfolgte Ziel nicht durch den Erwerb von Schuldtiteln des öffentlichen Sektors auf dem Sekundärmarkt umgangen werden. Solche Käufe dürfen also nicht zu einer indirekten monetären Finanzierung des öffentlichen Sektors führen.

Verbote gemäß Artikel 123 und 124 AEUV grundsätzlich eingehalten

Die für 2022 von der EZB durchgeführten Prüfungen bestätigen, dass die Bestimmungen der Artikel 123 und 124 AEUV grundsätzlich eingehalten wurden.

Die EZB wird weiterhin die Beteiligung der Magyar Nemzeti Bank an der Budapester Börse überwachen, da die 2015 begründete Mehrheitsbeteiligung der ungarischen Zentralbank an der Budapester Börse nach wie vor Anlass zu Bedenken hinsichtlich der monetären Finanzierung geben könnte.

Die irische Zentralbank reduzierte 2022 den Bestand an Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Irish Bank Resolution Corporation (IBRC) durch Veräußerung langfristiger, variabel verzinster Anleihen. Dies ist ein Schritt in Richtung des erforderlichen vollständigen Abbaus dieser Vermögenswerte, der die Aussicht auf die komplette Auflösung des „Special Portfolio“ im Jahr 2023 erhöht. Weitere Veräußerungen dieser Vermögenswerte auf Grundlage eines angemessenen Zeitplans würden die nach wie vor schwerwiegenden Bedenken hinsichtlich der monetären Staatsfinanzierung weiter ausräumen.

Die Finanzierung von Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) durch NZBen ist nicht als monetäre Finanzierung anzusehen, sofern daraus Forderungen an das Ausland erwachsen, die alle Merkmale eines Reserveinstruments aufweisen. Allerdings führten Schenkungen, wie sie vereinzelte NZBen hoch verschuldeten armen Ländern im Wege eines Schuldenerlasses über den IWF 2022 und in den Jahren davor zur Verfügung stellten, nicht zu Forderungen an das Ausland. Derartige finanzielle Beiträge zu IWF-Initiativen vonseiten der NZBen sind daher nicht mit dem Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, sodass Korrekturmaßnahmen angezeigt sind, wo diese noch nicht vollständig umgesetzt wurden (Nationale Bank van België/Banque Nationale de Belgique, Banque de France, Banca d’Italia, Lietuvos bankas und Sveriges riksbank).

10 Die EZB im europäischen und internationalen Kontext

Die EZB setzte ihren intensiven Dialog mit europäischen und internationalen Partnern im Jahr 2022 fort. Bei der Erfüllung ihrer Rechenschaftspflicht spielen die Beziehungen der EZB zum Europäischen Parlament eine wesentliche Rolle. Mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) tauschte sich die EZB im Lauf des Berichtsjahrs im Rahmen regelmäßiger Anhörungen und Briefwechsel aus. Im Zuge der laufenden Arbeiten zu einem digitalen Euro hielt sie zusätzliche Sitzungen mit dem ECON-Ausschuss ab. Auf internationaler Ebene führte die EZB einen konstruktiven und zugleich herausfordernden Dialog mit den Finanzministerien und Zentralbanken der G 20 und beteiligte sich außerdem an zentralbankrelevanten Diskussionen beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Dabei lag der Schwerpunkt auf politischen Maßnahmen zur Milderung der Folgen von Russlands Krieg in der Ukraine für die Mitgliedsländer des IWF. Hinsichtlich der Operationalisierung des Treuhandfonds für Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit (Resilience and Sustainability Trust – RST) arbeitete die EZB ebenfalls eng mit dem IWF zusammen. Nach dem richtungsweisenden Schritt einer neuen allgemeinen Zuteilung von Sonderziehungsrechten im Jahr 2021 soll dieser Fonds die freiwillige Weitergabe von Sonderziehungsrechten im Einklang mit dem Steuerungsrahmen der Wirtschafts- und Währungsunion ermöglichen. Die EZB setzte außerdem – häufig in Kooperation mit ihren Partnerinstitutionen im Europäischen System der Zentralbanken – ihr internationales Engagement in anderen Foren abseits der G 20 und des IWF fort, etwa im Rahmen der Zentralbankkooperation mit der Ukraine sowie in der Zusammenarbeit mit anderen potenziellen EU-Mitgliedstaaten sowie Entwicklungsländern und aufstrebenden Volkswirtschaften.

10.1 Die Rechenschaftspflicht der EZB

EZB erfüllt ihre Rechenschaftspflicht

Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) genießt die EZB Unabhängigkeit und ist somit nicht an Weisungen von EU-Institutionen, nationalen Regierungen oder anderen Organen gebunden. So ist sichergestellt, dass die EZB ihre Entscheidungen zur Verfolgung ihres Preisstabilitätsziels frei von politischer Einflussnahme treffen kann. Im Gegenzug unterliegt die EZB notwendigerweise einer entsprechenden Rechenschaftspflicht. Sie hat also ihre Handlungen gegenüber dem Europäischen Parlament als der gewählten Vertretung der EU-Bevölkerung zu verantworten. Die wirksame Erfüllung ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament macht einen wesentlichen Teil der Arbeit der EZB aus. Der Austausch mit dem Europäischen Parlament ermöglicht es der EZB, ihr Vorgehen und ihre Strategien gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der EU-Bevölkerung zu erläutern und deren Anliegen Gehör zu schenken. Dieser Dialog hat sich im Lauf der Jahre weiterentwickelt und geht mittlerweile weit über die in Artikel 284 Absatz 3 AEUV festgesetzten Anforderungen hinaus. Ergänzend unterliegen die Maßnahmen der EZB auch der Überprüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, wodurch eine zusätzliche Ebene der Rechenschaftspflicht gegeben ist.

EZB setzt Austausch mit Europäischem Parlament auf breiter Basis fort

Neben den vier regelmäßigen Anhörungen vor dem ECON-Ausschuss im Jahr 2022 nahm die Präsidentin der EZB im Februar auch an der Plenardebatte des Europäischen Parlaments zum EZB-Jahresbericht 2020 teil. Bei den regelmäßigen Anhörungen beantwortete sie mehr als 120 Anfragen von Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu einer Vielzahl an Themen. Ein Großteil dieser Anfragen betraf die Geldpolitik der EZB sowie die wirtschaftlichen Aussichten (75 %). Es wurden aber auch Fragen im Zusammenhang mit der wirtschaftspolitischen Steuerung (9 %), dem Klimawandel (6 %) und der Finanzgesetzgebung (4 %) behandelt. Im April 2022 erfolgte im ECON-Ausschuss außerdem die Präsentation des EZB-Jahresberichts 2021 durch den EZB-Vizepräsidenten. Das Feedback der EZB zu den Anregungen des Europäischen Parlaments in seiner Entschließung zum EZB-Jahresbericht 2020 wurde auf der Website der EZB veröffentlicht. Ferner nahm – nach rein virtuellen Besuchen während der zwei vorangegangenen Pandemiejahre – eine Delegation von ECON-Mitgliedern im Mai 2022 vor Ort am jährlichen Besuch bei der EZB teil. Neben diesen Gelegenheiten zum persönlichen Austausch beantwortete die EZB im Berichtsjahr außerdem 32 schriftliche Anfragen von Mitgliedern des Europäischen Parlaments.

Auch im Rahmen ihrer Arbeiten zu einem digitalen Euro stand die EZB in engem Austausch mit dem ECON.[69] So nahm EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta 2022 an drei Anhörungen im ECON-Ausschuss teil, um die während der Untersuchungsphase zu einem digitalen Euro erzielten Fortschritte sowie Themen wie Datenschutz, Finanzstabilität und die Rolle des Privatsektors im Kontext eines digitalen Euro zu erörtern. Des Weiteren veranstaltete die EZB gemeinsam mit dem Europäischen Parlament technische Seminare für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und nahm an von Mitgliedern des Europäischen Parlaments organisierten Diskussionsveranstaltungen zu einem digitalen Euro teil.

Der Eurobarometer-Umfrage für den Winter 2022/2023 zufolge genießt der Euro die Zustimmung von 79 % der Befragten im Euroraum. Neben diesem erfreulichen Ergebnis zeigte dieselbe Umfrage aber auch, dass der Anteil der Befragten, die der EZB tendenziell Vertrauen entgegenbringen, mit 44 % verhältnismäßig kleiner ist. Für die EZB ist es von entscheidender Bedeutung, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu fördern, da dies sowohl der Verankerung der Inflationserwartungen dient als auch dazu, die EZB vor politischem Druck, der ihre Unabhängigkeit untergraben könnte, abzuschirmen. Die EZB wird daher weiterhin vertrauensbildende Maßnahmen setzen, indem sie ihren konstruktiven Dialog mit dem Europäischen Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern des Euro-Währungsgebiets fortsetzt, um ihre Entscheidungen zu erläutern und auf vorgebrachte Anliegen einzugehen.

10.2 Internationale Beziehungen

G 20

G 20 mussten auf die Folgen von Russlands Krieg in der Ukraine reagieren und zusätzlich strukturelle Herausforderungen bewältigen

Die weltweite Konjunkturentwicklung während der indonesischen G-20-Präsidentschaft im Jahr 2022 wurde von den gravierenden wirtschaftlichen und humanitären Folgen des Krieges Russlands gegen die Ukraine dominiert: Globale Schwachstellen verschärften sich und die sich abzeichnende weltweite Erholung verlor an Fahrt. Vor diesem Hintergrund waren die Finanzministerien und Zentralbanken der G 20 gefordert, auf die direkten und indirekten Auswirkungen des Krieges – wie Nahrungsmittel- und Energieknappheit, steigende globale Inflation sowie zunehmende Verschuldungsprobleme insbesondere in vulnerablen Ländern – zu reagieren. Nach wie vor hohe Priorität hatten außerdem langfristige strukturelle Herausforderungen wie die Eindämmung des Klimawandels, die Verbesserung der Pandemievorsorge und die Vermeidung von Protektionismus und globaler Fragmentierung.

Auch im Berichtsjahr unterstützte die EZB die Initiativen der G 20 zur Stärkung der Finanzstabilität und der Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems. Dabei ging es u. a. darum, strukturelle Schwachstellen, die sich aus der Finanzintermediation durch Nichtbanken ergeben, abzubauen und auf internationaler sowie nationaler Ebene die Umsetzung eines Regulierungsrahmens zur Eindämmung der von der Kryptobranche ausgehenden Risiken voranzutreiben. Ferner unterstützte die EZB die G 20 bei der Entwicklung eines Rahmens für eine gerechte und leistbare Energiewende und die Beschleunigung nachhaltiger Investitionen. Im Hinblick auf vulnerable Länder setzte sich die EZB auch 2022 für eine vorhersehbare, zeitnahe und koordinierte Umsetzung des gemeinsamen Rahmens für Umschuldungen und Schuldenerlässe sowie für Maßnahmen zur Verbesserung der Schuldentransparenz ein.

IWF und internationale Finanzarchitektur

IWF-Maßnahmen unterstützen die Ukraine und andere Mitgliedstaaten angesichts der Auswirkungen von Russlands Krieg in der Ukraine

Der IWF beteiligte sich maßgeblich an der Unterstützung der Ukraine und anderer IWF-Mitgliedstaaten, die von den direkten oder indirekten Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine – wie etwa Energie- und Nahrungsmittelkrisen – betroffen sind. So konnten die Ukraine und mehrere andere Länder von einer Reihe von IWF-Maßnahmen profitieren, u. a. vom neu geschaffenen Food Shock Window im Rahmen der Notfallfinanzierungsinstrumente sowie von einer neuartigen Programmüberwachung unter Miteinbeziehung des Exekutivdirektoriums (Program Monitoring with Board involvement – PMB). Des Weiteren wurde ein vom IWF verwaltetes Konto (Administered Account) eingerichtet, über das Geberländer der Ukraine über die Zahlungsinfrastruktur des IWF auf gesichertem Weg finanzielle Unterstützung (Kredite oder Zuschüsse) gewähren können. Außerdem leistet der IWF in enger Zusammenarbeit mit den ukrainischen Behörden technische Unterstützung bei den wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Ukraine.

Arbeit zur Eindämmung der Auswirkung globaler Herausforderungen, einschließlich der Pandemie und des russischen Krieges in der Ukraine, wird fortgesetzt

Im Vorfeld der IWF-Jahrestagung 2022 wurde als Ergänzung des bestehenden Instrumentariums des IWF zur Kreditvergabe der neue Treuhandfonds für Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit (Resilience and Sustainability Trust – RST) genehmigt und eingerichtet. Die Schaffung dieses Instruments war erstmals im Gefolge der allgemeinen Zuteilung von Sonderziehungsrechten (SZR) im Jahr 2021 angeregt worden. Der RST soll die positiven Effekte der 2021 erfolgten allgemeinen SZR-Zuteilung verstärken, indem er Mitgliedern mit starker außenwirtschaftlicher Position die freiwillige Weitergabe von Sonderziehungsrechten an einkommensschwache Länder bzw. vulnerable Länder mit mittleren Einkommen ermöglicht. Die Mittel des RST können zur Bewältigung längerfristiger struktureller Herausforderungen eingesetzt werden, z. B. im Hinblick auf den Klimawandel und zur besseren Vorbereitung auf Pandemien, und tragen auf diese Weise zur künftigen Zahlungsbilanzstabilität bei. Für Beiträge seitens des Europäischen Systems der Zentralbanken ist es – ähnlich wie bei anderen Finanzierungskanälen im Rahmen des Treuhandfonds für Armutsbekämpfung und Wachstum – unerlässlich, dass der Währungsreservecharakter der Forderungen an den RST dauerhaft gewährleistet ist. Neben der Befassung mit anderen Fragen zu den Sonderziehungsrechten schloss der IWF im Mai 2022 seine auf Fünf-Jahres-Basis erfolgende Überprüfung der SZR-Bewertung ab, der zufolge der Euro anteilsmäßig auch weiterhin die zweitgrößte SZR-Währung nach dem US-Dollar darstellt.

Vor dem Hintergrund erhöhter schuldenbedingter Anfälligkeiten infolge der Pandemie, die durch den Krieg Russlands in der Ukraine noch weiter verschärft wurden, intensivierte der IWF seine diesbezügliche Arbeit und schloss im Frühjahr 2022 die Überprüfung seiner Politik zu staatlichen Zahlungsrückständen und damit verbundener Abgrenzungsfragen ab. Unter Berücksichtigung von Entwicklungen im Gläubigerbereich – einschließlich neuer offizieller bilateraler und institutioneller Gläubiger und Instrumente – wurden dabei die Bedingungen untersucht, zu denen der IWF Kredite an Mitgliedstaaten mit Zahlungsrückständen vergeben kann. Dazu zählt auch eine Anpassung von Forderungen, die der Nulltoleranzpolitik in Bezug auf Zahlungsrückstände unterliegen, also den höchsten Schutz des IWF für Forderungen internationaler Finanzinstitutionen und offizieller bilateraler Gläubiger genießen. Auch die Arbeiten zur Schuldentransparenz im Rahmen des gemeinsamen mehrgleisigen Ansatzes von IWF und Weltbank zum Abbau schuldenbedingter Vulnerabilität wurden fortgesetzt. Darüber hinaus schloss der IWF im März 2022 seine Überprüfung der institutionellen Sicht auf die Liberalisierung und das Management von Kapitalströmen ab. Diese Überprüfung ist Teil seiner Überwachungstätigkeiten, die angesichts der nachlassenden Wachstumsdynamik, der verschärften Finanzierungsbedingungen und der Auswirkungen der Energie- und Nahrungsmittelkrisen zunehmend an Bedeutung gewinnen.

11 EZB setzt auf gute Unternehmensführung und soziale und ökologische Nachhaltigkeit

Im Jahr 2022 verfolgte die EZB sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene aufmerksam die Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung, um die Transparenz ihrer Aktivitäten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance kontinuierlich zu erhöhen. Durch wesentliche Arbeitsfortschritte in diesen Bereichen wurden im Berichtsjahr einige in der Klimaagenda der EZB definierte Meilensteine erreicht. Um der zunehmenden Bedeutung von Ethik- und Compliance-Fragen Rechnung zu tragen, wurden Sensibilisierungskampagnen gestartet und einfach zugängliche Beratungsleistungen zu diesbezüglichen Fragen etabliert. Die Kommunikation der EZB mit der Öffentlichkeit wurde auf eine noch breitere Basis gestellt, und Personalpolitik sowie ‑praxis wurden an die neuen Arbeitsmodelle angepasst, die sich aus der Pandemie entwickelt haben.

11.1 Die Haltung der EZB zu Nachhaltigkeit, damit verbundene Auswirkungen und Risiken

Wichtige Arbeit im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung

Die EZB begann 2021 mit einer stärker holistisch ausgerichteten Berichterstattung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance – ESG). Dabei wurden auf Basis einer Wesentlichkeitsbeurteilung zentrale Nachhaltigkeitsthemen für die Organisation ermittelt, die auch in die Offenlegungen der EZB für 2022 einflossen. Diese wurden aufbauend auf einer ersten Analyse der Nachhaltigkeitsthemen, die 2022 in den europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung festgelegt worden waren, weiter ergänzt.[70]

Als öffentliche Institution strebt die EZB ein Höchstmaß an Integrität und Wohlverhalten an. Darum werden ihre Ethikrahmen kontinuierlich überwacht und angepasst, damit diese stets den Anforderungen unserer sich rasch wandelnden Welt entsprechen (siehe Kapitel 11 Abschnitt 2). Im Hinblick auf ihre Rolle in der Gesellschaft unternahm die EZB weitere Anstrengungen, um der Öffentlichkeit ihr Handeln näherzubringen. Dabei wurden unter Berücksichtigung der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger verschiedene Zielgruppen angesprochen und Gelegenheiten für einen regelmäßigen Dialog mit der Öffentlichkeit geschaffen. Die wichtigsten 2022 in diesem Bereich gesetzten Aktivitäten sind in Kapitel 11 Abschnitt 3 dargelegt. Darüber hinaus beschloss die EZB angesichts der neuen aus der Pandemie hervorgegangenen Arbeitsformen Neuerungen in ihrer Personalpolitik und Arbeitspraxis. Dazu gehörte die Entwicklung eines neuen, flexiblen Telearbeitsmodells, die Einführung neuer Fortbildungsprogramme und die Ausweitung von Initiativen im Bereich Diversität und Inklusion (siehe Kapitel 11 Abschnitt 4). Der strategische Ansatz der EZB zum Klimaschutz wurde 2022 mit der Entwicklung einer eigenen Klimaagenda näher definiert (siehe Kapitel 11 Abschnitt 5).

Wie im erweiterten Jahresabschluss im Kapitel zum Risikomanagement hervorgehoben wird, prüft die EZB nicht nur ESG-Auswirkungen, sondern berücksichtigt auch Nachhaltigkeitsrisiken im Zusammenhang mit ihrem aktuellen Governance-Rahmen.

11.2 Ethisches Verhalten und Integrität weiter stärken

EZB stellt ethische Werte und Wohlverhalten in den Mittelpunkt ihres Handelns

Die EZB fördert aktiv eine von Ethik und Compliance geleitete Organisationskultur, in der sichergestellt ist, dass das gesamte Personal, einschließlich aller hochrangigen Funktionsträger und Führungskräfte, seine Aufgaben nach höchsten Verhaltensstandards erfüllt. Die auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB anzuwendenden Ethik- und Governance-Regeln werden von der Stabsstelle Compliance und Governance (CGO) festgelegt, die auch deren Einhaltung überwacht. Die CGO-Stabsstelle organisiert Sensibilisierungskampagnen, Schulungen und E-Learning-Programme und bietet individuelle Beratung und Orientierungshilfe bei ethischen Fragen. Im Berichtsjahr wurden Anstrengungen unternommen, um das Bewusstsein für die geltenden Regeln weiter zu schärfen und den Zugang zu dem diesbezüglichen Beratungsangebot zu erleichtern. Angesichts der Bedeutung zeitnaher Beratung in der erforderlichen Qualität entwickelte die Stabsstelle einen Chatbot, der in der Lage ist, umgehend zu verschiedenen ethischen Fragestellungen allgemeine Informationen zu liefern sowie einfache Fragen zu beantworten. Infolgedessen sank die Zahl der Anfragen an die CGO-Stabsstelle um fast 20 % von rund 2 050 im Jahr 2021 auf 1 690 im Jahr 2022, sodass sich die CGO-Fachleute auf komplexere Fragen konzentrieren konnten (siehe Abbildung 11.1).

Abbildung 11.1

Übersicht zu Anfragen aus der EZB-Belegschaft im Jahr 2022

Quelle: EZB.

Entwicklung eines strukturierten Ansatzes zur Steuerung von Verhaltensrisiken bei externen Auftragnehmern

Neben ihren regelmäßigen Informations- und Beratungstätigkeiten investierte die EZB auch in die weitere Stärkung ihrer Integritäts- und Wohlverhaltensregeln. Im Jahr 2022 entwickelte sie einen strukturierten Ansatz zur Steuerung jener Risiken, die entstehen, wenn sich Auftragnehmer, die in sensiblen Bereichen tätig sind, nicht an die Ethikstandards der EZB halten. Der neue Ansatz ergänzt das EZB-Rahmenwerk zur Steuerung des von externen Anbietern ausgehenden Risikos (Vendor Risk) und gibt Orientierungshilfe zur Überwachung und Steuerung von Verhaltensrisiken während der Vertragsausführung.

Ein unabhängiger Ethikausschuss berät die hochrangigen Funktionsträger der EZB in ethischen Fragen, vor allem im Zusammenhang mit externen Tätigkeiten und der Erwerbstätigkeit nach Niederlegung ihres Amtes, und beurteilt ihre Interessenerklärungen. Im Einklang mit dem Bekenntnis der EZB zu Transparenz und öffentlicher Vertrauensbildung werden die Stellungnahmen des Ethikausschusses zu Interessenkonflikten, Erwerbstätigkeit nach Niederlegung des Amtes und externen Tätigkeiten sowie die Interessenerklärungen hochrangiger Funktionsträger auf der EZB-Website veröffentlicht.

Ausweitung der Regeln für die EZB-Führungsspitze im Bereich privater Finanztransaktionen

Darüber hinaus beobachtet der Ethikausschuss internationale Entwicklungen im Bereich Ethik und Wohlverhalten und spricht Empfehlungen zu sinnvollen Aktualisierungen des Ethikrahmens für hochrangige EZB-Funktionsträger aus. Ende 2021 schlug der Ethikausschuss eine Überarbeitung der Vorschriften zu privaten Finanztransaktionen vor, um das Risiko des Missbrauchs vertraulicher Informationen und jenes möglicher Interessenkonflikte weiter zu mindern. Infolgedessen verabschiedete der EZB-Rat im November 2022 eine erweiterte Fassung des einheitlichen Verhaltenskodex, die zusätzliche Beschränkungen in Bezug auf Investitionen und den Zeithorizont für private Finanztransaktionen sowie neue Transparenzpflichten vorsieht.[71]

Auf Ebene des Eurosystems unterstützte der Ethik- und Compliance-Kongress (ECC), der sich aus den leitenden Ethik-Beauftragten der EZB, der nationalen Zentralbanken (NZBen) und der nationalen zuständigen Behörden (NCAs) zusammensetzt, die laufende Umsetzung der 2021 verabschiedeten Ethikleitlinien, die eine einheitliche Auslegung der Bestimmungen in den nationalen Institutionen fördern.[72] Um der wachsenden Bedeutung von Ethik und Compliance Rechnung zu tragen, beschloss der EZB-Rat, den ECC in einen Ausschuss umzuwandeln.

EZB beteiligte sich auf europäischer und internationaler Ebene an Aktivitäten und Wissensaustausch zu Ethikfragen

Die EZB beteiligt sich zusammen mit europäischen Institutionen und internationalen Organisationen an gemeinsamen Aktivitäten und dem Wissensaustausch in Ethikfragen. Um den Dialog rund um den Themenbereich Ethik und Integrität zu fördern, organisierte der Ethik- und Compliance-Ausschuss einschlägige Veranstaltungen mit Gastvortragenden aus europäischen und internationalen Organisationen. Im Jahr 2022 beteiligte sich die EZB an interinstitutionellen Diskussionen über die Einrichtung eines gemeinsamen unabhängigen Ethikgremiums für alle EU-Institutionen, lieferte Beiträge zum Mechanismus für die Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption und übernahm den stellvertretenden Vorsitz im Ethiknetzwerk multilateraler Organisationen (ENMO).

11.3 Mehr Transparenz und klare Vermittlung der Strategie der EZB

EZB hielt an ihrem Bekenntnis zu Preisstabilität fest und setzte auf erläuternde Kommunikationsmaßnahmen gegenüber der breiten Öffentlichkeit

Der sprunghafte Anstieg der Inflation, Russlands Invasion der Ukraine und die anschließende Energiekrise sorgten 2022 für schwierige Bedingungen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Kommunikation der EZB. Besonders in Zeiten außergewöhnlicher Unsicherheit ist klare, glaubwürdige und konsistente Kommunikation unerlässlich, um die Erwartungen zu verankern und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Bekenntnis und die Fähigkeit der EZB zur Wiederherstellung der Preisstabilität zu stärken. In diesem Sinn unternahm die EZB mithilfe innovativer Formate weiterhin große Anstrengungen, ihre Entscheidungen sowohl für ein Fachpublikum als auch für die breite Öffentlichkeit besser nachvollziehbar zu machen. Dabei setzt die EZB auf einen mehrsprachigen Ansatz.

Erläuterung der Strategie der EZB in unsicheren Zeiten und darüber hinaus

EZB stärkte das Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger und veröffentlichte leicht zugängliche Erläuterungen zu ihren geldpolitischen Beschlüssen

Die entschlossenen geldpolitischen Maßnahmen, die die EZB angesichts des Anstiegs der Inflation auf ein in der Geschichte des Euro noch nie da gewesenes Niveau ergriff, mussten von verstärkten Kommunikationsmaßnahmen und leicht zugänglichen Erläuterungen begleitet werden. In erster Linie galt es, den Bürgerinnen und Bürgern Europas Sicherheit zu vermitteln, sowohl im Hinblick auf das Hauptziel der EZB, die Inflation auf mittlere Sicht wieder auf ihr 2 %-Ziel zurückzuführen, als auch in Bezug auf ihre Fähigkeit, mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten Preisstabilität zu gewährleisten. Es war auch wichtig einzuräumen, dass eine hohe Inflation für alle Wirtschaftsteilnehmer eine Belastung darstellt und dass die notwendige geldpolitische Straffung auch unangenehme Folgen haben wird.

Die EZB leistete engagierte Aufklärungsarbeit, um die Auswirkungen ihrer geldpolitischen Beschlüsse auf die Inflationsentwicklung zu erläutern. Die Zinserhöhung im Juli 2022 war die erste seit elf Jahren. Im Rahmen einer umfassenden Kommunikationskampagne für die breite Öffentlichkeit wurde dargelegt, was mit höheren Zinssätzen bezweckt wird und was die Leitzinsanhebungen konkret für die Menschen und ihre wirtschaftlichen Entscheidungen bedeuten. So wurde in der Online-Rubrik Wissenswertes ein neuer (in allen EU-Amtssprachen verfügbarer) Beitrag zu diesem Thema veröffentlicht. Die EZB organisierte auch Fernseh- und Rundfunkauftritte von Direktoriums- und Belegschaftsmitgliedern, um die verschiedenen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegenden Überlegungen zu erläutern und diesbezügliche Bedenken anzusprechen.

Darüber hinaus erläuterte eine diesem Thema gewidmete EZB-Podcast-Folge die grundlegenden Mechanismen, mit denen höhere Zinsen die Inflation dämpfen können, und ein zweiter Podcast, warum die geldpolitische Straffung trotz einer sich abschwächenden Wirtschaft fortgesetzt werden muss.

Die verstärkte Bereitstellung der Erkenntnisse und Analysen, die in die Beschlüsse der EZB einfließen, kann auch dazu beitragen, der interessierten Öffentlichkeit ein besseres Verständnis der EZB-Strategie zu vermitteln. Darum wurde im Jahr 2022 ein neu gestalteter EZB-Blog ins Leben gerufen. Verfasst werden die Blogbeiträge von Mitgliedern des Direktoriums sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EZB.

Dank der neuen Gestaltung und des wechselnden Angebots an interessanten und optisch ansprechenden Posts hat sich der EZB-Blog zu einem attraktiven Kanal entwickelt, über den man sich zu einer Vielzahl von Zentralbankthemen informieren kann, angefangen von Unterschieden zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der „gefühlten“ Inflation, über die Finanzierung grüner Innovationen bis hin zum Aufstieg und Fall von Kryptowerten. Da sie in der Regel in prägnanter und leicht zugänglicher Sprache verfasst sind, können mit Blogeinträgen für gewöhnlich auch Leserinnen und Leser außerhalb von Fachkreisen und abseits des universitären Bereichs gewonnen werden.

Neue Wege, um die breite Öffentlichkeit zu erreichen

EZB erhöhte TV- und Radiopräsenz ihrer Direktoriumsmitglieder

Die EZB setzte 2022 ihre Anstrengungen, ihre Kommunikation verstärkt auf eine breitere Öffentlichkeit jenseits der Finanzmärkte und des Fachpublikums auszurichten, fort. Zu dieser Neuorientierung hatte sich die EZB infolge der Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie bekannt. Ausgehend von internationalen Forschungsergebnissen, die zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in Europa (79 %) ihre Informationen zur EZB über das Fernsehen bezieht, aber auch Radio und andere Publikumsmedien eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielen, konzentrierte sich die EZB im Jahr 2022 auf diese Kanäle. Dies zeigte sich in der deutlich erhöhten Präsenz von Mitgliedern des EZB-Direktoriums im Rundfunk und Fernsehen (siehe Abbildung 11.2).

Abbildung 11.2

Mehr TV- und Radio-Auftritte von EZB-Direktoriumsmitgliedern

(in % aller Medienauftritte)

Quelle: EZB.
Anmerkung: Zu den Medienaktivitäten zählen Interviews, Blogposts, Beiträge, Op-Eds, Social-Media-Q&As und Podcasts der Mitglieder des Direktoriums. Kurze Beiträge und Videobotschaften sind ausgeschlossen.

Da vor allem jüngere Menschen Nachrichten zunehmend über digitale Kanäle beziehen, stärkte die EZB auch ihre Online-Präsenz. Zu diesem Zweck wurde der Webauftritt der EZB verbessert, und die Aktivitäten auf verschiedenen Social-Media-Plattformen wurden mithilfe neuer Formate ausgeweitet, sodass die Zahl der Personen, die der EZB auf Social Media folgen, kontinuierlich ansteigt.

Angesichts der Ergebnisse der Strategieüberprüfung hatte sich die EZB auch verpflichtet, den direkten Austausch mit der breiten Öffentlichkeit zu einem strukturellen Teil ihrer Kommunikation zu machen, d. h. neben reiner Information auch wechselseitigen Dialog zu fördern. Zu diesem Zweck wurde die Initiative „Die EZB hört zu“ zu einem neuen Format weiterentwickelt: ECB & You. Dieses Format soll einen direkten Dialog zwischen der EZB-Spitze und der Öffentlichkeit ermöglichen und ist auf eine möglichst breite Reichweite ausgerichtet, die z. B. durch geeignete Fernsehsendungen in den Ländern des Euroraums erzielt werden soll. Der erste Beitrag dieser Art fand im Rahmen einer niederländischen Fernsehsendung namens „College Tour“ statt, die Studierenden vor Ort die Möglichkeit bot, sich mit Präsidentin Lagarde zu einer Reihe von Themen auszutauschen, zum Beispiel zu Inflation, Kryptowerten, zum digitalen Euro und zu Fragen der Karriereplanung.

Um die breite Öffentlichkeit möglichst gut zu erreichen, muss die EZB mit den Menschen in ihrer eigenen Sprache sprechen. Dies kann nur über ein mehrsprachiges Kommunikationskonzept erreicht werden. Daher stehen große Teile der Websites der EZB in allen 24 EU-Amtssprachen – seit 2022 einschließlich Irisch – zur Verfügung.

Die Gewährleistung des Zugangs zu Dokumenten ist ein zentraler Bestandteil der Transparenzpolitik der EZB. Im Jahr 2022 unternahm die EZB eine Reihe von Initiativen, um Anträge auf öffentlichen Zugang zu Dokumenten der EZB sowie deren Abwicklung zu erleichtern. Nicht zuletzt griff die EZB von der Europäischen Bürgerbeauftragten vorgeschlagene Maßnahmen und Verfahren auf, um das Recht auf öffentlichen Zugang zu Dokumenten umzusetzen. So wurden die Informationen auf der Seite Zugang zu Dokumenten verbessert, indem der Archivierungs- und Aufbewahrungsplan der EZB sowie eine Zusammenfassung der im Vorjahr eingegangenen Anträge auf Zugang zu Dokumenten veröffentlicht wurden. In Hinblick auf die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten zur Aufzeichnung von Text- und Sofortnachrichten im Arbeitskontext erarbeitete die EZB einen Leitfaden für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur strikt begrenzten Nutzung und obligatorischen Aufzeichnung von SMS- und Sofortnachrichten, die zu Geschäftszwecken ausgetauscht werden.

Aus Sicht der Europäischen Bürgerbeauftragten gab es in Bezug auf die Abwicklung von Anträgen auf öffentliche Einsichtnahme keinen Grund zu Beanstandungen.

Um die Bearbeitung von Anträgen auf öffentlichen Zugang zu EZB-Dokumenten innerhalb der EZB, des Eurosystems und des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus zu erleichtern, entwickelte die Stabsstelle Compliance und Governance ein Portal zu Transparenz und Dokumentenzugang, das den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EZB, der nationalen Zentralbanken und der nationalen zuständigen Behörden zur Verfügung steht. Das Portal bietet einfachen Zugang zum anzuwendenden Rechtsrahmen und zu den vorgeschriebenen Verfahren sowie Informationen zu Fällen der Vergangenheit. Außerdem wird dank des Portals das Bewusstsein für die Entwicklungen im Bereich der Transparenz auf EU-Ebene und auf internationaler Ebene geschärft.

Im Jahr 2022 beantwortete die EZB ungefähr 10 400 Anfragen europäischer Bürgerinnen und Bürger, was einem Anstieg um 7 % gegenüber 2021 entspricht. Die Anfragen betrafen vielfältige Themen, etwa Inflation, Zinssätze, Russlands Krieg in der Ukraine, den Klimawandel, den Euro und Wechselkurse.

11.4 Höchstleistungen für Europa durch gezieltes Empowerment

Nachdem sie mehr als zwei Jahre überwiegend von zu Hause aus gearbeitet hatten, kehrten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB 2022 nach und nach an ihre gewohnte Arbeitsstätte zurück und begannen, sich auf neue Arbeitsformen einzustellen. Um sie dabei zu unterstützen, sorgten wir für eine Weiterentwicklung und Anpassung unserer Strategien und Initiativen im Bereich des Personalwesens. Es wurden wiederholt Umfragen durchgeführt, um zu erheben, wie es um das Wohlbefinden und Verbundenheitsgefühl innerhalb der Belegschaft bestellt ist und wie die ersten Erfahrungen mit Hybridarbeit bewertet werden. Mit dem Umstieg auf ein hybrides Arbeitsmodell haben wir auch unsere Bemühungen im Bereich Diversität und Inklusion verstärkt, um eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der alle Sicherheit, Wertschätzung und Respekt erleben.

Wieder mehr Vor-Ort-Arbeit

Einstieg in neue Arbeitsmodelle

Im Mai 2022 begann eine Übergangsphase für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB, in der sie nach und nach wieder an ihren gewohnten Arbeitsplatz zurückkehrten, wobei die minimale Anwesenheit vor Ort acht Tage pro Monat betrug. Um erste Erfahrungen mit hybrider Arbeit zu sammeln, wurde parallel dazu ein Pilotprojekt zu möglichen hybriden Arbeitsmodellen ins Leben gerufen, an dem rund 1 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sechs Geschäftsbereichen teilnahmen. Die Ergebnisse des Pilotprojekts und die über verschiedene Kanäle eingeholten Rückmeldungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter flossen neben umfangreichen Benchmark-Erhebungen und mehreren Konsultationsrunden mit Personalvertretern in die neue Telearbeitspolitik der EZB ein. Das neue Telearbeitsmodell, das am 1. Januar 2023 in Kraft trat, zeichnet sich im Vergleich zu den Modellen anderer Organisationen durch seine allgemeine Flexibilität aus: An bis zu 110 Tagen pro Jahr kann von zu Hause aus gearbeitet werden (rund 50 % der Arbeitszeit).

EZB erkundigte sich nach dem Befinden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Um zu erheben, wie es um das Wohlbefinden, die Produktivität und das Verbundenheitsgefühl innerhalb der Belegschaft bestellt ist und wie die ersten Erfahrungen mit dem hybriden Arbeitsmodell bewertet werden, führten wir auch im Berichtsjahr Umfragen durch, an denen sich rund 60 % beteiligten. Während sich das Wohlbefinden unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laut Erhebung in der ersten Jahreshälfte weiter verbessert hatte, ging der entsprechende Umfragewert gegen Jahresende wieder zurück, auch wenn sich nach der Rückkehr ins Büro das allgemeine Verbundenheitsgefühl verbessert hatte. Die jüngste Umfrage zeigte, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich für hybrides Arbeiten gut gerüstet fühlen. 83 % sind stolz, bei der EZB zu arbeiten, und 72 % würden die EZB als hervorragenden Arbeitsplatz empfehlen.

Fortbildung und Weiterentwicklung

Neue digitale Weiterentwicklungsinitiativen

Im Jahr 2022 boten wir Fortbildungsinitiativen an, um den digitalen Wandel im Unternehmen zu beschleunigen, unser Personal auf hybrides Arbeiten vorzubereiten und berufliche Weiterentwicklung zu unterstützen. So wurde beispielsweise ein Lernportfolio zur Stärkung digitaler Kompetenzen ins Leben gerufen, das Workshops und E-Learning-Kurse für Führungskräfte und alle Belegschaftsmitglieder umfasst. Im Rahmen des Portfolios wurde auch das Leadership Growth Programme neu aufgesetzt. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde über das „EU Learn“-Portal der Europäischen Kommission Zugang zu Fortbildungsmaterialien der Europäischen Kommission und anderer EU-Institutionen sowie zu LinkedIn Learning ermöglicht. Außerdem wurde mit EUREKA („European Expertise & Knowledge Academy“) eine neue virtuelle Lernplattform ins Leben gerufen. Mittels EUREKA werden nicht nur Wissensaustausch und Zusammenarbeit gefördert, sondern auch Fortbildungs- und Mobilitätsmöglichkeiten innerhalb der EZB zentral erfasst. Ab 2023 werden hier auch Fortbildungs- und Mobilitätsmöglichkeiten bei anderen Institutionen innerhalb des ESZB und des SSM erfasst.

Verbesserung der systemweiten Zusammenarbeit im Bereich des Lernens und der personellen Weiterentwicklung

Wir nutzen Mobilität, um Vielseitigkeit zu fördern und talentierte Menschen mit neuen Perspektiven für die Arbeit bei uns zu gewinnen. Dies erwies sich während der Pandemie als nützlich, als wir dank Mobilität und Flexibilität EZB-Belegschaftsmitglieder in ihren früheren Tätigkeitsbereichen einsetzen konnten, um dringenden Erfordernissen des Geschäftsbetriebs gerecht zu werden. Im Jahr 2022 ging die EZB-interne Mobilität leicht zurück (von 4,5 % im Jahr 2021 auf 4,3 %). Gleichzeitig nahm allerdings die Mobilität auf Ebene des ESZB bzw. SSM dank zweier verbundener Initiativen zu: dem neu aufgelegten Schuman-Programm und einem Pilotprojekt zu systemweiten virtuellen Teams, das Belegschaftsmitgliedern der EZB und anderer ESZB- und SSM-Institutionen ermöglicht, virtuell gemeinsam an interessanten Projekten zu arbeiten (siehe Tabelle 11.1).

Tabelle 11.1

Mobilitätsprojekte

Quelle: EZB.

Maßnahmen zur Unterstützung ukrainischer Expertinnen und Experten

Nach Russlands Invasion der Ukraine unternahm die EZB eine Reihe von Maßnahmen zur Unterstützung ukrainischer Staatsangehöriger. So wurden Praktikumsplätze für ukrainische Hochschulabsolventinnen und -absolventen und die Möglichkeit von Kurzzeitverträgen für ukrainische Expertinnen und Experten geschaffen. Im September 2022 konnten wir schließlich fünfzehn ukrainische Praktikantinnen und Praktikanten sowie zwei ukrainische Beschäftigte mit Kurzzeitverträgen aufnehmen. Wir haben auch dafür gesorgt, dass EZB-Kinderbetreuungs- und Unterbringungsdienste für aus der Ukraine Geflüchtete zur Verfügung stehen. Darüber hinaus arbeiten wir an einem Angebot für Belegschaftsmitglieder der ukrainischen Zentralbank.

Diversität und Inklusion

Vielfältige Talente ins Unternehmen holen

Damit die EZB im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Europas die bestmöglichen Entscheidungen treffen kann, benötigt sie vielfältige Talente in ihren Reihen. Um entsprechende Vielfalt sicherzustellen, nahm die EZB 2022 an verschiedenen Karrieremessen teil, etwa an der Karrieremesse von ADAN (Afro Deutsches Akademiker Netzwerk), der größten Karrieremesse für Schwarze und Persons of Colour in Europa, sowie an EUROUT, der führenden europäischen LGBTQ+-Konferenz im Unternehmensbereich. Im Zuge eines Pilotversuchs haben wir auch erfolgreich ein Praktikum für Menschen im Autismusspektrum ins Leben gerufen.

Noch stärkere Bemühungen zur Erhöhung des Frauenanteils

Unsere Fortschritte bei der Verwirklichung der Zielvorgaben für den Zeitraum 2020-2026 in Bezug auf den Frauenanteil im Unternehmen haben wir durch verbesserte Gender-Scorecards weiter genau verfolgt. Im Jahr 2022 erreichte die EZB ihr Ziel, bei Neubesetzungen von Führungspositionen (Führungskräfte im Topmanagement und Führungskräfte insgesamt) durch Beförderungen und Neuaufnahmen einen Frauenanteil von mindestens 50 % zu gewährleisten. In Bezug auf andere Neubesetzungen wurden die Ziele allerdings um 10 bis 6 Prozentpunkte verfehlt – konkret bei den (Team) Leads, Experts und Analysts. Was den Gesamtanteil von Frauen in den entsprechenden Gehaltsbändern betrifft, so wurden die Ziele für 2022 auf der Führungsebene (Führungskräfte im Topmanagement und Führungskräfte insgesamt) und bei den Analysts erreicht. Auf Ebene der (Team) Leads und Experts wurden die Ziele jedoch um 2 Prozentpunkte bzw. 1 Prozentpunkt verfehlt (siehe Tabelle 11.2). Wir werden unsere Bemühungen um einen ausgewogenen Männer- und Frauenanteil weiter verstärken.

Tabelle 11.2

Frauen in der EZB: Recruiting-Ziele und Frauenanteil 2022

Quelle: EZB.

Auch im Bereich der Intersektionalität von Geschlecht und anderen Aspekten der Diversität, darunter Alter, Ethnizität und Behinderung, wurden weitere Maßnahmen ergriffen. Eine davon war der Start unseres neu gestalteten EZB-Stipendiums für Frauen.

EZB fördert eine Kultur der Inklusion

Wir sind bestrebt, bei der EZB eine Unternehmenskultur zu schaffen, die sicherstellt, dass alle, die bei uns arbeiten, Inklusion und Respekt erfahren, und wir uns gegenseitig mit Offenheit und Wertschätzung für unsere individuellen Erfahrungen und Fähigkeiten begegnen. Zur Förderung einer solchen Kultur und des diesbezüglichen Austauschs innerhalb der Belegschaft wurde 2022 weiter an der Umsetzung unseres Inklusionsprogramms gearbeitet. Neben Schulungen und E-Learning-Kursen wurden mehrere Workshops zur weiteren Verbesserung von inklusivem Verhalten in Teams ins Leben gerufen. Darüber hinaus unterzeichneten Präsidentin Christine Lagarde und die Präsidenten von 28 NZBen und NCAs die Charta für Gleichstellung, Diversität und Inklusion, um im gesamten ESZB und SSM eine auf Respekt, Würde und Inklusion beruhende Kultur zu fördern.

Zahlen und Fakten zur EZB-Belegschaft

1 Stand: 31. Dezember 2022.
2 Entsendungen von nationalen Zentralbanken des Europäischen Systems der Zentralbanken, von europäischen öffentlichen Organen, Einrichtungen/sonstigen Stellen oder internationalen Organisationen.
3 Bezieht sich nur auf Angestellte der EZB mit unbefristeten bzw. befristeten Arbeitsverträgen.
4 Bezieht sich auf einen dauerhaften oder vorübergehenden Wechsel in eine gleichwertige Position in einer anderen Abteilung bzw. in einem anderen Geschäftsbereich.
5 Bezieht sich auf einen dauerhaften oder vorübergehenden Aufstieg in ein höheres Gehaltsband mit oder ohne Einstellungsverfahren.
6 Bezieht sich nur auf Angestellte der EZB mit unbefristeten bzw. befristeten Arbeitsverträgen mit Entfristungsoption.
7 Aus der Tabelle geht der Anteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. Führungskräfte der EZB nach Staatsbürgerschaft hervor. Im Falle einer mehrfachen Staatsangehörigkeit wird jede separat erfasst. „Belegschaft insgesamt“ bezieht sich auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich Führungskräfte, die zum 31. Dezember 2022 unbefristete bzw. befristete Verträge (mit und ohne Entfristungsoption) hatten. Die Spalte „Führungskräfte“ umfasst Personal in den Gehaltsbändern I bis M. Rundungsbedingt kann die Summe mehr als 100 % betragen. Die Länder sind in der alphabetischen Reihenfolge der Ländernamen in der jeweiligen Landessprache angeführt.

11.5 Umgang mit umwelt- und klimabezogenen Herausforderungen

Klimabezogene Arbeit der EZB wird vom Kompetenzzentrum Klimawandel unter Führung des EZB-Direktoriums gesteuert

Die EZB ist entschlossen, im Rahmen ihres Mandats ihren Teil zur Bekämpfung des Klimawandels und der Klimarisiken beizutragen. Im Jahr 2021 verstärkte die EZB die Governance-Strukturen für ihre klimabezogene Arbeit durch die Einrichtung des Kompetenzzentrums Klimawandel, das direkt der Präsidentin der EZB unterstellt ist und dem Direktorium der EZB regelmäßig über Fortschritte und Prioritäten berichtet.

In Zusammenarbeit mit den jeweiligen internen und externen Akteuren gestaltet und steuert das Kompetenzzentrum Klimawandel die Klimastrategie der EZB und bringt die Arbeit in diesem Bereich voran. Regelmäßige Treffen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EZB auf oberster Führungsebene dienen als Forum für die Koordinierung und den Informationsaustausch.

Überall, wo dies relevant ist, sind Klimaerwägungen bereits in die bestehenden Governance-Strukturen der EZB eingebunden, wie etwa bei ihrer Beurteilung von Klimarisiken, geldpolitischen Geschäften, nicht geldpolitischen Portfolios, der Finanzstabilität und der Steuerung operationeller Risiken. Zudem beschloss die EZB im Jahr 2022 einen internen Rahmen, mit dem die Integration der Ziele des Europäischen Klimagesetzes in die Maßnahmen, Projekte und die Tätigkeiten der EZB unterstützt wird. Im Jahresbericht wird über Fortschritte in diesem Bereich berichtet. Innerhalb des Eurosystems wurde ein neues Climate Change Forum eingerichtet, um die Zusammenarbeit hinsichtlich Informationsaustausch und Kapazitätsaufbau zu vertiefen und Innovationen bei klimabezogenen Arbeiten zu fördern. Geldpolitische Themen im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden nach wie vor in den zuständigen Ausschüssen des Eurosystems und des ESZB behandelt.

EZB-Klimaagenda als Richtschnur für klimabezogene Arbeiten in allen Zuständigkeitsbereichen

Die Klimaagenda der EZB wurde 2022 eingeführt. Sie legt die strategischen Ziele und Prioritäten sowie einen Fahrplan für die Arbeit der EZB in diesem Bereich fest. Sie orientiert sich an drei strategischen Zielen. Erstens steuert und mindert die EZB die mit dem Klimawandel verbundenen finanziellen Risiken und bewertet seine wirtschaftlichen Auswirkungen. Zweitens unterstützt sie mit Maßnahmen im Rahmen ihres Mandats den geordneten Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Drittens gibt sie Fachwissen weiter, um auch Maßnahmen außerhalb der EZB zu fördern. Die Klimaagenda der EZB wird regelmäßig aktualisiert und enthält Einzelheiten zu den Tätigkeiten, die zur Erreichung der strategischen Ziele beitragen. Diese sind, wie in Schaubild 11.1 dargestellt, in sechs Schwerpunktbereiche eingeteilt.

Schaubild 11.1

Die strategischen Ziele der EZB-Klimaagenda

Quelle: EZB.
Anmerkung: Weitere Informationen zur Klimaagenda der EZB finden sich auf der EZB-Website unter Klimawandel und die EZB.

Schwerpunktbereiche der klimabezogenen Arbeit

Im Jahr 2022 unternahm die EZB im Rahmen ihres Mandats und angesichts der damit verbundenen Aufgaben weitere Schritte, um Klimaaspekte bei ihren Tätigkeiten zu berücksichtigen.

EZB bewertet gesamtwirtschaftliche Folgen von Klimawandel und Klimaschutzmaßnahmen und verbessert Klimadaten

Im Rahmen ihrer Analysearbeiten bewertete die EZB weiterhin die makroökonomischen Folgen des Klimawandels und der Klimaschutzmaßnahmen auf die Inflation und die Realwirtschaft. Die gesamtwirtschaftlichen Euroraum-Projektionen von Fachleuten des Eurosystems vom Dezember 2022 enthielten eine Bewertung der makroökonomischen Auswirkungen finanzpolitischer Klimaschutzmaßnahmen (z. B. Energiesteuern) auf das Wachstum und die Inflation. Die wichtigsten Ergebnisse wurden im Wirtschaftsbericht veröffentlicht. Im Mittelpunkt der Analysearbeiten stand unter anderem die Beurteilung der Auswirkungen extremer Wetterereignisse auf die Inflation. Außerdem machte die EZB Fortschritte bei der Einbeziehung von Klimaaspekten in makroökonomische Modelle.

Das Eurosystem entwickelte klimabezogene statistische Indikatoren, einschließlich experimenteller Indikatoren für nachhaltige Finanzinstrumente, sowie analytische Indikatoren zu physischen Risiken, denen Finanzinstitute ausgesetzt sind, und zur CO2-Bilanz ihrer Portfolios. Diese Indikatoren werden noch weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang will das Eurosystem auch die Verfügbarkeit und die Qualität von Klimadaten verbessern, beispielsweise durch die Prüfung und Einbeziehung öffentlicher Datenquellen für die Analyse von Übergangs- und physischen Risiken sowie durch die Beschaffung kommerzieller Daten zur Schließung bestehender Datenlücken.

EZB arbeitet an besserer Beurteilung klimabedingter finanzieller Risiken

Zur besseren Beurteilung von klimabedingten finanziellen Risiken führte das Eurosystem 2022 den ersten Klimastresstest zu verschiedenen Risikopositionen in seiner Bilanz durch. Die wichtigsten Ergebnisse in Bezug auf das Unternehmensanleiheportfolio wurden im März 2023 in den Offenlegungen des Eurosystems zu klimabezogenen Finanzinformationen veröffentlicht. Außerdem entwickelte das Eurosystem einheitliche Mindeststandards für die Berücksichtigung von Klimarisiken in den internen Bonitätsanalyseverfahren der NZBen für Sicherheiten des Eurosystems, die Ende 2024 in Kraft treten werden. Die Analyse der EZB lieferte auch weitere Belege für den systemischen Charakter von Klimarisiken und Argumente für die Anpassung der bestehenden makroprudenziellen Instrumente, um derartige Risiken für das Finanzsystem zu mindern.[73]

Klima- und Umweltrisiken fließen zunehmend in die Bankenaufsicht der EZB ein und wurden als eine der Aufsichtsprioritäten für den Zeitraum 2023 bis 2025 festgelegt. Informationen zu den wichtigsten im Jahr 2022 ergriffenen Maßnahmen finden sich im EZB-Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit.

EZB berücksichtigt Klimaschutzaspekte in geldpolitischen Geschäften und bewertet deren Auswirkungen auf die Geldpolitik

Das Eurosystem unternahm weitere Schritte, um den Klimawandel stärker in seinen geldpolitischen Geschäften zu berücksichtigen. Im Oktober 2022 begann das Eurosystem mit der Dekarbonisierung der Bestände an Unternehmensanleihen in seinen zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Portfolios, indem es seine Bestände zugunsten von Emittenten mit einer besseren Klimaleistung ausrichtete. Gemessen wurde dies an den in der Vergangenheit getätigten Emissionen, den angestrebten Zielwerten für die Emissionsreduktion und der Qualität der Offenlegungen.

Außerdem beschloss das Eurosystem, in seinem Sicherheitenrahmen den Anteil der von nichtfinanziellen Unternehmen mit einem hohen CO2-Fußabdruck begebenen Vermögenswerte, die Geschäftspartner im Fall einer Kreditaufnahme beim Eurosystem als Sicherheiten hinterlegen können, zu begrenzen. Diese Begrenzung soll spätestens Ende 2024 in Kraft treten, sofern die notwendigen technischen Voraussetzungen gegeben sind. Darüber hinaus berücksichtigte die EZB im Dezember 2022 erstmals auch Klimarisiken bei ihrer regelmäßigen Prüfung von Bewertungsabschlägen für als Sicherheiten verwendete Unternehmensanleihen. Die Überprüfung der Risikokontrollmaßnahmen 2022 ergab keine Hinweise auf die Notwendigkeit einer Änderung der bestehenden Bewertungsabschläge aufgrund von Klimaaspekten, da die aktualisierten Bewertungsabschläge bereits hinreichend vor klimabedingten finanziellen Risiken schützen. Weitere Maßnahmen in Bezug auf den Sicherheitenrahmen umfassen die Einführung von offenlegungsbezogenen Zulassungskriterien, die ab 2026 für Unternehmen gelten sollen, die der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) unterliegen, und die oben erwähnte Verbesserung der Risikobewertung.

Analyse und Beitrag der EZB zu Diskussionen über die Förderung eines nachhaltigen Finanzwesens

Auf politischer Ebene bzw. im Bereich der Finanzmarktregulierung beteiligte sich die EZB auf EU- und internationaler Ebene aktiv an Diskussionen über ein nachhaltiges Finanzwesen, so im Rahmen der G 7 und der G 20, im Finanzstabilitätsrat, im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, im Central Banks and Supervisors Network for Greening the Financial System (NGFS), in der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und in der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG). Auf diese Weise will die EZB den regulatorischen Rahmen insofern verbessern, dass dieser zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt, die klimabezogenen Risikoanalysen und Klimaszenarien verbessern, als Katalysator für eine Verbesserung der Berichterstattung aus ihrer Sicht wirken, Datenlücken schließen und letztlich zur Ausweitung nachhaltiger privater und öffentlicher Finanzen beitragen. Zu den Beispielen für die Arbeit der EZB auf dem Gebiet der EU-Rechtsvorschriften zur Förderung eines nachhaltigen Finanzwesens und zum Klima zählen ihre Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und ihr Beitrag zur Entwicklung der europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung als Beobachterin im Sustainability Reporting Board der EFRAG. Auf internationaler Ebene führt die EZB derzeit auch den Vorsitz im Workstream zu Scenario Design and Analysis und im Experts’ Network on Legal Issues des NGFS.

In der Umwelterklärung 2022 legte die EZB dar, wie sie beabsichtigt, ihren Geschäftsbetrieb mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens in Einklang zu bringen. Es ist schwerpunktmäßig vorgesehen, reise- und konferenzbedingte Umweltauswirkungen zu verringern und mit Anbietern über Tools im Rahmen nachhaltiger Beschaffungsverfahren in Kontakt zu treten, um die Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette zu steuern. Außerdem wurden Fortschritte bei der Prüfung der potenziellen Umweltauswirkungen der zweiten Euro-Banknotenserie während ihrer Nutzungsdauer erzielt. Auf Grundlage der verfügbaren Informationen wurden Forschungsarbeiten eingeleitet und Maßnahmen ergriffen, um die Umweltauswirkungen der Euro-Banknoten so gering wie möglich zu halten. Dazu zählen die Verwendung von nachhaltig erzeugter Baumwolle im Banknotenpapier, die Verlängerung der Lebensdauer der im Umlauf befindlichen Banknoten und die Anwendung nachhaltigerer Methoden zur Entsorgung gebrauchter Banknoten.

Im Sinne erhöhter Transparenz veröffentlichten die EZB und das Eurosystem im März 2023 ihre ersten Offenlegungen klimabezogener Finanzinformationen zu den für nicht zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Euro-Portfolios der EZB und der NZBen des Eurosystems sowie zu den vom Eurosystem zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Unternehmensanleihen. Im Bericht der EZB zu den nicht zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Portfolios wird die Investitionsstrategie der EZB erläutert. Außerdem werden darin die Fortschritte bei der Dekarbonisierung des Eigenmittelportfolios und des Pensionsfonds für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EZB dargelegt.

12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben Einblicke in ihre Arbeit

Auf eine andere Stelle innerhalb der EZB zu wechseln bzw. vorübergehend bei einer anderen Zentralbank oder einer Partnerinstitution zu arbeiten, ist ein integraler Bestandteil der beruflichen und persönlichen Entwicklung der Kolleginnen und Kollegen innerhalb des Eurosystems und des Europäischen Systems der Zentralbanken geworden. Durch solche Mobilitätsmöglichkeiten können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern und gleichzeitig bei wichtigen Projekten mit europäischer Wirkung ihr spezifisches Fachwissen einbringen.

Die folgenden persönlichen Erfahrungsberichte geben einen Einblick in die vielen unterschiedlichen Aufgaben, die von den Kolleginnen und Kollegen im Rahmen diverser Mobilitätsinitiativen wahrgenommen werden.

Elena Bobeica, Lead Economist, Generaldirektion Volkswirtschaft

Nachdem ich im Rahmen des internen Mobilitätsprogramms der EZB vorübergehend in der Generaldirektion (GD) Sekretariat gearbeitet hatte, bin ich 2022 zur GD Volkswirtschaft zurückgekehrt, um ein anspruchsvolles Projekt in Angriff zu nehmen. Mir wurde die gemeinsame Leitung einer Expertengruppe der EZB und nationaler Zentralbanken übertragen, die Fragen im Zusammenhang mit der Prognose der Kosten für selbst genutztes Wohneigentum untersuchen soll.

Tatsächlich werden in der derzeitigen Inflationsmessung die Wohndienstleistungskosten im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Instandhaltung und der Nutzung des eigenen Heims nur zum Teil berücksichtigt, obwohl es sich dabei um wichtige Ausgabenposten handelt. Diese Kosten künftig in den Harmonisierten Verbraucherpreisindex einzubeziehen, ist ein mehrjähriges Projekt unter der Zuständigkeit des Europäischen Statistischen Systems, während die Prognose der Inflation und ihrer Komponenten eine der Hauptaufgaben einer Zentralbank ist.

Ich hatte bereits zuvor an verschiedenen Aspekten der Inflationsprognose gearbeitet und wollte die Schwierigkeiten bei der Prognose der Kosten für selbst genutztes Wohneigentum verstehen und Lösungsansätze dafür erforschen. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus den nationalen Zentralbanken war für mich sehr bereichernd. Wir haben bei dem Projekt eng zusammengearbeitet und verschiedene Erkenntnisse und Informationen zu länderspezifischen Besonderheiten ausgetauscht. Da die Wohnimmobilienmärkte im Euroraum von Land zu Land unterschiedlich sind, war dieser Austausch überaus hilfreich. Es ist uns meiner Ansicht nach gelungen, mehr Klarheit über die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum und die potenziellen Auswirkungen ihrer Einbeziehung in den HVPI im Hinblick auf Prognose und Überwachung zu erlangen.

Daniel Gybas, Senior Economist, Sekretariat des Network of Central Banks and Supervisors for Greening the Financial System (NGFS-Sekretariat)

Die Bewältigung des Klimawandels ist eine globale Herausforderung, die globales Handeln erfordert, gleichzeitig ist das Umfeld, in dem die Zentralbanken agieren, in jedem Land anders. Als Mitglied der GD Finanzmarktoperationen war ich in die ersten Überlegungen der EZB dazu eingebunden, wie der Klimawandel in ihren geldpolitischen Handlungsrahmen integriert werden kann. Deshalb hat mich auch interessiert, wie andere Zentralbanken, die in unterschiedlichen Umfeldern agieren, diese Herausforderung in Angriff nehmen. Dank dem Schuman-Programm, einer speziellen Mobilitätsinitiative zwischen den nationalen Zentralbanken der EU, bekam ich die Möglichkeit, im NGFS-Sekretariat, das bei der Banque de France angesiedelt ist, mitzuarbeiten. Dort unterstütze ich den Workstream „Monetary Policy“. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt darin, die geldpolitischen Geschäfte „grüner“ zu gestalten. Dazu gehört es auch dafür zu sorgen, dass zwischen erfahreneren Zentralbanken, wie der EZB, und jenen Zentralbanken, die erst Möglichkeiten für klimabezogene Anpassungen ihres jeweiligen Handlungsrahmens sondieren, ein Austausch stattfindet.

Dank dieser überaus bereichernden Aufgabe erhalte ich direkte Einblicke in die Maßnahmen und Initiativen der Zentralbanken und kann zum Austausch von Fachwissen und Erfahrungen zwischen den Institutionen beitragen. Auf persönlicher Ebene brachte die Übersiedlung meiner ganzen Familie von Frankfurt am Main nach Paris zwar Herausforderungen mit sich, war aber auch mit Chancen für mein persönliches Wachstum und mit dauerhaften Erinnerungen verbunden.

Stefano Pagnano, Senior Business Analysis Expert, Generaldirektion Informationssysteme

Ich habe bei der EZB in der GD Governance und Transformation begonnen und dort im Bereich IT-Governance und digitaler Wandel gearbeitet. Nach einigen Jahren wurde mir bewusst, dass ich die EZB aus einer anderen Perspektive kennenlernen und meine Erfahrungen auf einem neuen Gebiet einbringen wollte. Dank des internen Mobilitätsprogramms erhielt ich 2022 die Möglichkeit, in die Abteilung Datenanalytik der GD Informationssysteme zu wechseln. Meine neue Abteilung arbeitet an hochmodernen Datenplattformen und Analysetools, die zum Ziel der EZB beitragen, eine datengesteuerte Organisation zu werden.

Ich arbeite zurzeit an einer zentralen Plattform zur Datenübermittlung namens CASPER, mit der Daten von überall auf der Welt im Self-Service-Modus und innerhalb kurzer Zeit automatisiert an die EZB übermittelt werden können. Zurzeit verwenden über 3 000 Nutzer und 175 verschiedene Institutionen CASPER, um ihren Berichtspflichten nachzukommen.

In meiner neuen Funktion bin ich in das Projektmanagement und die Geschäftsanalyse eingebunden. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der GD Statistik versuchen wir ständig, unsere Dienste zu verbessern. Meine neue Abteilung hat beispielsweise ein gemeinsames Datenmanagementprogramm eingerichtet. Dabei handelt es sich um ein komplexes Projekt, mit dem eine Datenverwaltungs- und -analyseplattform der neuen Generation für alle Nutzerinnen und Nutzer im ESZB und SSM aufgebaut werden soll. Wir befinden uns mitten in einem Transformationsprozess, und dieser bringt Herausforderungen mit sich, aber unser Teamgeist und unser konstruktiver Ansatz gehören zu unseren Stärken.

Im Rahmen dieses Mobilitätsprogramms lerne ich viel, sowohl in beruflicher als auch in persönlicher Hinsicht. Ich kann dadurch mein Netzwerk ausbauen und an innovativen Aufgaben mitarbeiten. Dabei kann ich einerseits meine Perspektive als Neuankömmling und andererseits meine Kenntnisse als erfahrener Experte einbringen.

Meri Sintonen, Economist, Generaldirektion Geldpolitik

Im Jahr 2022 wurde ich im Rahmen einer Mobilitätsinitiative des Eurosystems, dem Schuman-Programm, von der Suomen Pankki, der finnischen Zentralbank, in die Abteilung Geldpolitische Strategie der EZB entsandt. Als Wirtschaftswissenschaftlerin mit Fachkenntnissen im Bereich des Zahlungsverkehrs arbeite ich mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Geschäftsbereichen der EZB an der Analyse der geldpolitischen Auswirkungen eines digitalen Euro. Ein digitaler Euro könnte zwar viele Vorteile bieten, könnte jedoch auch Auswirkungen auf die Geldpolitik und die Finanzstabilität mit sich bringen, je nachdem, inwieweit damit Geldeinlagen bei Banken ersetzt werden würden.

Das Projekt, an dem ich mitarbeite, zielt darauf ab, die potenzielle Nachfrage nach einem digitalen Euro in Abhängigkeit von seinen Gestaltungsmerkmalen vorherzusagen. Anhand der Ergebnisse dieser Forschungsarbeit lässt sich abschätzen, wie sich die Einführung eines digitalen Euro auf die Bankeinlagen und die Bargeldbestände der privaten Haushalte auswirkt. Erkenntnisse aus der Analyse geben auch Aufschluss darüber, wie unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich des Designs die Nachfrage nach einem digitalen Euro beeinflussen und wie sich die Nachfrage abhängig von den Merkmalen der privaten Haushalte und zwischen den Ländern des Euroraums unterscheidet.

Diese Entsendung gibt mir die einzigartige Gelegenheit, meine Fähigkeiten und meine Netzwerke auszubauen, die EZB besser kennenzulernen und zu einem unglaublich interessanten Projekt beizutragen. Es ist eine inspirierende Erfahrung, gemeinsam mit so vielen talentierten Menschen an gemeinsamen Zielen zu arbeiten.

Erweiterter Jahresabschluss

https://www.ecb.europa.eu/pub/annual/annual-accounts/html/ecb.annualaccounts2022~ee9329bf6f.de.html

Konsolidierte Bilanz des Eurosystems zum 31. Dezember 2022

https://www.ecb.europa.eu/pub/annual/balance/html/ecb.eurosystembalancesheet2022~4a2e481250.de.html

Europäische Zentralbank, 2023

Postanschrift 60640 Frankfurt am Main, Deutschland
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Alle Rechte vorbehalten. Die Anfertigung von Kopien für Ausbildungszwecke und nichtkommerzielle Zwecke ist mit Quellenangabe gestattet.

Redaktionsschluss für die in diesem Bericht enthaltenen Daten war der 18. April 2023 (auf Ausnahmen wird ausdrücklich hingewiesen).

Zu Terminologie siehe auch Glossar der EZB.

HTML ISBN 978-92-899-5959-9, ISSN 1725-2849, doi:10.2866/667483, QB-AA-23-001-DE-Q


  1. Da keine offiziellen Quartalsdaten zu den öffentlichen Investitionsausgaben vorliegen, wird in EZB-Publikationen häufig dieser alternative Näherungswert verwendet.

  2. Die Volatilität ist auf die weltweiten Aktivitäten einer begrenzten Zahl von großen multinationalen Konzernen mit Sitz in Irland zurückzuführen und spiegelt die steueroptimierende internationale Übertragung immaterieller Vermögenswerte wider, die im Wesentlichen nicht mit dem Konjunkturzyklus in Verbindung steht. Solche Transaktionen können umfangreich und unregelmäßig sein. Sie können zudem unmittelbar erfolgen, da für den Aufbau immaterieller Vermögenswerte keine Zeit benötigt wird.

  3. Der fiskalische Kurs spiegelt Richtung und Ausmaß des Impulses der diskretionären Fiskalpolitik auf die Volkswirtschaft – ohne die automatische Reaktion der öffentlichen Finanzen auf den Konjunkturzyklus – wider. Weitere Einzelheiten zu diesem Konzept finden sich in: EZB, Der fiskalische Kurs im Euro-Währungsgebiet, Wirtschaftsbericht 4/2016, Juni 2016.

  4. Siehe EZB, Finanzpolitik und hohe Inflation, Wirtschaftsbericht 2/2023, März 2023.

  5. Siehe hierzu EZB, Sprunghafter Anstieg des Preisauftriebs bei Nahrungsmitteln im Euro-Währungsgebiet und Auswirkungen des Russland-Ukraine-Kriegs, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 4/2022, Juni 2022.

  6. Siehe EZB, Arbeitsmarktentwicklung im Euro-Währungsgebiet und in den Vereinigten Staaten und ihr Einfluss auf die Löhne, Kasten 1, in: Lohnentwicklung und die maßgeblichen Einflussfaktoren seit Beginn der Pandemie, Wirtschaftsbericht 8/2022, Januar 2023.

  7. Siehe C. Antonopoulos et al., The Greek labour market before and after the pandemic: Slack, tightness and skills mismatch, Economic Bulletin Nr. 56, Bank of Greece, 2022.

  8. Siehe EZB, EZB veröffentlicht Einzelheiten zur angestrebten Dekarbonisierung ihrer Bestände an Unternehmensanleihen, Pressemitteilung vom 19. September 2022.

  9. Siehe EZB, Schrittweises Auslaufen der pandemiebedingten Maßnahmen zur Lockerung der Sicherheitenkriterien, Kasten 7, Wirtschaftsbericht 3/2022, April 2022.

  10. Siehe EZB, The financial risk management of the Eurosystem’s monetary policy operations, Juli 2015.

  11. Siehe FAQ on the corporate sector purchase programme and non-financial commercial paper auf der Website der EZB (aktualisiert am 22. Februar 2023).

  12. Siehe EZB, EZB unternimmt weitere Schritte, um Klimaschutz stärker in ihre geldpolitischen Geschäfte einzubeziehen, Pressemitteilung vom 4. Juli 2022.

  13. Siehe Wie kommen Gewinne und Verluste bei der EZB und den nationalen Zentralbanken zustande? in der Rubrik „Wissenswertes“ auf der Website der EZB (aktualisiert am 23. Februar 2023).

  14. Artikel 5 der SSM-Verordnung weist der EZB diesbezüglich eine wichtige Rolle mit besonderen Befugnissen zu, einschließlich der Befugnis, bei Bedarf strengere Kapitalmaßnahmen zu erlassen.

  15. Elf Länder (Bulgarien, Deutschland, Estland, Irland, Frankreich, Kroatien, Zypern, Litauen, die Niederlande, Slowenien und die Slowakei) erhöhten 2022 den antizyklischen Kapitalpuffer. Luxemburg beschloss die Beibehaltung eines positiven Puffers. Was die Systemrisikopuffer anbelangt, führten zwei Länder (Deutschland und Slowenien) einen sektoralen Puffer ein, und Litauen behielt einen positiven sektoralen Puffer bei (Belgien hatte Ende 2021 beschlossen, anstelle des auf Wohnimmobilien angewandten Risikogewichts einen sektoralen Systemrisikopuffer einzusetzen). Österreich erhöhte seinen breiten Systemrisikopuffer, Bulgarien und Kroatien beschlossen die Beibehaltung ihres positiven allgemeinen Systemrisikopuffers.

  16. In der Erklärung wurde auch die Warnung des ESRB zu Anfälligkeiten im EU-Finanzsystem vom 22. September 2022 zustimmend zur Kenntnis genommen (siehe unten).

  17. Siehe EZB, Enhancing macroprudential space in the banking union – report from the Drafting Team of the Steering Committee of the Macroprudential Forum, Anhang 2 zur Antwort der EZB auf das Beratungsersuchen der Europäischen Kommission zur Überprüfung des makroprudenziellen Rahmens der EU, März 2022.

  18. Kasten 8 in der Mai-Ausgabe war beispielsweise der Transmission und der Wirksamkeit kapitalbasierter makroprudenzieller Maßnahmen gewidmet.

  19. Der ESRB ist für die makroprudenzielle Aufsicht über das Finanzsystem in der EU sowie für die Prävention und Begrenzung des systemischen Risikos verantwortlich. Bei der Erfüllung seines Mandats bedient sich der ESRB so genannter „Soft Powers“, d. h. der Herausgabe von Warnungen und Empfehlungen.

  20. Siehe ESRB, Review of the EU Macroprudential Framework for the Banking Sector – response to the call for advice, März 2022; ESRB, Review of the EU Macroprudential Framework for the Banking Sector – a Concept Note, März 2022; und M. Wedow et al., Making the EU macroprudential framework fit for the next decade, VoxEU-Kolumne, 4. Oktober 2022.

  21. Siehe ESRB, Mitigating systemic cyber risk, Januar 2022.

  22. Siehe ESRB, Report on the economic rationale supporting the ESRB Recommendation of 2 December 2021 on money market funds and assessment, Januar 2022.

  23. Siehe ESRB, EU Non-bank Financial Intermediation Risk Monitor, Nr. 7, Juli 2022.

  24. Siehe ECB/ESRB Project Team on climate risk monitoring, The macroprudential challenge of climate change, EZB/ESRB, Juli 2022.

  25. Siehe ESRB, Vulnerabilities in the EEA commercial real estate sector, Januar 2023.

  26. Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zur Reform der Geldmarktfonds (ESRB/2021/9) (ABl. C 129 vom 22.3.2022, S. 1) und Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 2. Dezember 2021 zu einem europaweiten Koordinierungsrahmen für betreffende Behörden in Bezug auf systemische Cybervorfälle (ESRB/2021/17) (ABl. C 134 vom 25.3.2022, S. 1).

  27. Siehe ESRB, ESRB issues new warnings and recommendations on medium-term residential real estate vulnerabilities, Pressemitteilung vom 11. Februar 2022.

  28. Warnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 22. September 2022 zu Anfälligkeiten des Finanzsystems der Union (ESRB/2022/7) (ABl. C 423 vom 7.11.2022, S. 1).

  29. Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 1. Dezember 2022 zu Anfälligkeiten des Gewerbeimmobiliensektors im Europäischen Wirtschaftsraum (ESRB/2022/9).

  30. Unter ihrer entsprechenden Befugnis im Hinblick auf beaufsichtigte Kreditinstitute verhängte die EZB im März 2022 Sanktionen gegen die Banque et Caisse d’Epargne de l’Etat, Luxembourg, wegen Falschmeldung des Kapitalbedarfs. Am selben Tag verhängte die EZB Sanktionen gegen die Bank of Cyprus wegen nicht genehmigter Liquiditätstransfers an Tochterunternehmen. Im Dezember 2022 verhängte die EZB Sanktionen gegen die ABANCA wegen eines nicht fristgerecht gemeldeten Cybervorfalls.

  31. Weitere Details zur Eigenkapitalverordnung und -richtlinie sowie Links zu EZB-Stellungnahmen zu Vorschlägen in Bezug auf das Bankenpaket finden sich in Kasten 2.

  32. Siehe z. B. F. Elderson, Mind the gap, close the gap – the ECB’s views on the banking package reforms, The Supervision Blog, EZB, 28. April 2022, und J. M. Campa (Vorsitzender der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde), L. de Guindos und A. Enria, Strong rules, strong banks: let’s stick to our commitments, The Supervision Blog, EZB, 4. November 2022.

  33. Siehe L. de Guindos, Vizepräsident der EZB, An EU financial system for the future, Rede auf der gemeinsamen Konferenz der EZB und der Europäischen Kommission über die europäische Finanzintegration, Frankfurt am Main, 6. April 2022.

  34. Siehe EZB, Mind the liquidity gap: a discussion of money market fund reform proposals und Assessing the impact of a mandatory public debt quota for private debt money market funds, Macroprudential Bulletin, Ausgabe 16, 21. Januar 2022.

  35. Siehe FSB, Assessment of the Effectiveness of the FSB’s 2017 Recommendations on Liquidity Mismatch in Open-Ended Funds, 14. Dezember 2022.

  36. Siehe FSB, Enhancing the Resilience of Non-Bank Financial Intermediation – Progress report, 10. November 2022.

  37. Siehe CPMI und Board of IOSCO, Application of the Principles for Financial Market Infrastructures to stablecoin arrangements, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und IOSCO, Juli 2022.

  38. Siehe Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 27. April 2022 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf Aufsichtsbefugnisse, Sanktionen, Zweigstellen aus Drittländern sowie Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsrisiken (CON/2022/16) (ABl. C 248 vom 30.6.2022, S. 87) und Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 24. März 2022 zu einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Vorschriften für das Kreditrisiko, das Risiko einer Anpassung der Kreditbewertung, das operationelle Risiko, das Marktrisiko und die Eigenmitteluntergrenze (Output-Floor) (CON/2022/11) (ABl. C 233 vom 16.6.2022, S. 14). Die EZB veröffentlichte außerdem eine Stellungnahme zum dritten Element des Pakets, siehe Stellungnahme der EZB vom 13. Januar 2022 zu einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen im Hinblick auf die Abwicklung (CON/2022/3) (ABl. C 122, 17.3.2022, S. 33).

  39. Siehe Y. Ikeda et al., Covid-19 and bank resilience: where do we stand?, BIS Bulletin, Nr. 44, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 22. Juli 2021.

  40. Ein Verfahren um sicherzustellen, dass nur qualifizierte und erfahrene Persönlichkeiten Spitzenpositionen in Banken bekleiden.

  41. Beispielsweise kann eine Bank, die Finanzierungen für Unternehmen in vom Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft betroffenen Branchen gewährt, bedeutenden Risiken betreffend Kreditausfälle und die Widerstandsfähigkeit ihres Geschäftsmodells ausgesetzt sein. Mit den vorgeschlagenen Rechtsbestimmungen wird sichergestellt, dass eine solche Bank einen Plan zur proaktiven Messung und Steuerung dieser Risiken ausarbeitet. Dies sollte der Bank helfen, Möglichkeiten zur Minimierung der ESG-Risiken zu erkennen, z. B. durch die Unterstützung des Übergangs und der Anpassung bei ihren anfälligsten Kunden.

  42. Insgesamt traten 2020 fünf größere Vorfälle im Zusammenhang mit der IT (aber nicht mit der Cybersicherheit) auf, die den Zahlungsverkehr und die Wertpapierabwicklung im Rahmen der TARGET-Dienste betrafen. Siehe EZB, EZB veröffentlicht unabhängigen Prüfbericht zu TARGET-Vorfällen im Jahr 2020, Pressemitteilung vom 28. Juli 2021.

  43. TIBER-EU ist das europäische Rahmenwerk für ethisches Hacking (Red-Teaming) auf Basis von Bedrohungsinformationen (Threat Intelligence). Es dient als EU-weiter Leitfaden dafür, wie Behörden, Unternehmen und Anbieter diesbezüglicher Dienstleistungen zusammenarbeiten sollten, um mit Hilfe eines kontrollierten Cyberangriffs die Cyberresilienz eines Unternehmens zu testen und zu verbessern.

  44. Gemäß Artikel 141 Absatz 2 AEUV, Artikel 17, 21.2, 43.1 und 46.1 der ESZB-Satzung sowie Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates vom 18. Februar 2002.

  45. Gemäß Artikel 122 Absatz 2 und Artikel 132 Absatz 1 AEUV, Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung sowie Artikel 8 der Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010.

  46. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 10 der Verordnung (EU) 2020/672 des Rates vom 19. Mai 2020 zur Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) im Anschluss an den Covid-19-Ausbruch).

  47. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Verordnung (EU) Nr. 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität).

  48. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 3.5 des EFSF-Rahmenvertrags).

  49. Gemäß Artikel 17 und 21 der ESZB-Satzung (in Verbindung mit Artikel 5.12.1 der „ESM General Terms for Financial Assistance Facility Agreements“).

  50. Im Zusammenhang mit der Kreditrahmenvereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets (mit Ausnahme Deutschlands und Griechenlands) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – die im öffentlichen Interesse handelt und den Anweisungen der Bundesrepublik Deutschland unterliegt, die eine Garantie zugunsten der KfW übernimmt – als Kreditgeber einerseits und der Hellenischen Republik als Kreditnehmerin und der griechischen Zentralbank als deren Vertreterin andererseits sowie gemäß Artikel 17 und 21.2 der ESZB-Satzung und Artikel 2 des Beschlusses der Europäischen Zentralbank vom 10. Mai 2010 über die Verwaltung von der Griechischen Republik gewährten zusammengelegten bilateralen Krediten und zur Änderung des Beschlusses EZB/2007/7 (EZB/2010/4) (ABl. L 119 vom 13.5.2010, S. 24).

  51. Leitlinie (EU) 2022/971 der Europäischen Zentralbank vom 19. Mai 2022 über die zentralisierte Wertpapierdatenbank und die Erstellung von Statistiken über Wertpapieremissionen und zur Aufhebung der Leitlinie 2012/689/EU (EZB/2012/21) und der Leitlinie (EU) 2021/834 (EZB/2021/15) (EZB/2022/25) (ABl. L 166 vom 22.6.2022, S. 147).

  52. Verordnung (EU) Nr. 1333/2014 der Europäischen Zentralbank vom 26. November 2014 über Geldmarktstatistiken (EZB/2014/48) (ABl. L 359 vom 16.12.2014, S. 97).

  53. Leitlinie (EU) 2022/747 der Europäischen Zentralbank vom 5. Mai 2022 zur Änderung der Leitlinie 2012/120/EU über die statistischen Berichtsanforderungen der Europäischen Zentralbank im Bereich der außenwirtschaftlichen Statistiken (EZB/2011/23) (EZB/2022/23) (ABl. L 137 vom 16.5.2022, S. 177).

  54. Der zusätzliche Reiter „Focus on Russia“ steht auch im Dashboard zur Zahlungsbilanz und zum Auslandsvermögensstatus (Balance of payments and international investment position) zur Verfügung.

  55. Siehe EZB, EZB präsentiert Maßnahmenplan zur Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in ihrer geldpolitischen Strategie, Pressemitteilung vom 8. Juli 2021.

  56. Siehe Climate change-related indicators auf der EZB-Website.

  57. Siehe EZB, EZB unternimmt nächsten Schritt in Richtung Harmonisierung statistischer Meldungen zur Entlastung der Banken und Verbesserung der Analyse, Pressemitteilung vom 17. Dezember 2021.

  58. Im Einklang mit dem Beschluss des EZB-Rats vom Oktober 2016 über mehr Transparenz in den EZB-Verordnungen über europäische Statistiken.

  59. Siehe Standardising banks’ data reporting (IReF and BIRD) auf der Website der EZB.

  60. Siehe EZB, The ESCB input into the EBA feasibility report under Article 430c of the Capital Requirements Regulation (CRR 2), September 2020.

  61. Weitere Informationen zu der Analyse der SFIs finden sich in Non-bank financial intermediation in the euro area: implications for monetary policy transmission and key vulnerabilities, Occasional Paper Series der EZB, Nr. 270, überarbeitet im Dezember 2021.

  62. Siehe L. Laeven und A. Popov, Carbon taxes and the geography of fossil lending, Working Paper Series der EZB, Nr. 2762, Dezember 2022.

  63. Siehe A. Reghezza, Y. Altunbas, D. Marques-Ibanez, C. Rodriguez d’Acri und M. Spaggiari, Do banks fuel climate change?, Working Paper Series der EZB, Nr. 2550, Mai 2021.

  64. Siehe R. De Haas und A. Popov, Finance and Green Growth, The Economic Journal, Bd. 133, Ausgabe 650, Februar 2023, S. 637-668.

  65. Siehe J. Hassler, P. Krusell und C. Olovsson, Finite resources and the world economy, Journal of International Economics, Bd. 136, Nr. 103592, Mai 2022.

  66. Siehe J. Hassler, P. Krusell und C. Olovsson, Presidential Address 2020 Suboptimal Climate Policy, Journal of the European Economic Association, Bd. 19, Nr. 6, Dezember 2021, S. 2895-2928.

  67. Verbundene Rechtssachen C-97/18 P, C-598/18 P, C-603/18 P und C-604/18 P - ECLI:EU:C:2020:1028.

  68. Rat der Europäischen Union, Europäische Kommission, Euro-Gruppe und Europäische Union.

  69. Siehe Schreiben von Fabio Panetta an Irene Tinagli (Vorsitzende des ECON-Ausschusses), Progress reporting on the investigation phase of a digital euro, EZB, 14. Juni 2022.

  70. Die von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelten Standards enthalten Anforderungen an die Berichterstattung durch Unternehmen zu vielfältigen ESG-Themen.

  71. Siehe EZB, EZB veröffentlicht erweiterte Verhaltensregeln für hochrangige Funktionsträger zur Durchführung privater Finanzgeschäfte, Pressemitteilung, 16. Dezember 2022.

  72. Leitlinie (EU) 2021/2253 der Europäischen Zentralbank vom 2. November 2021 zur Festlegung der Grundsätze des Ethikrahmens für das Eurosystem (EZB/2021/49) (ABl. L 454 vom 17.12.2021, S. 7) und Leitlinie (EU) 2021/2256 der Europäischen Zentralbank vom 2. November 2021 zur Festlegung der Grundsätze des Ethikrahmens für den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism — SSM) (EZB/2021/50) (ABl. L 454 vom 17.12.2021, S. 21).

  73. Siehe gemeinsamer Bericht des ECB/ESRB Project Team on climate risk monitoring, The macroprudential challenge of climate change, Juli 2022.