Erstmalige Veröffentlichung der Daten zur MFI-Zinsstatistik für das Euro-Währungsgebiet
Die Europäische Zentralbank (EZB) veröffentlicht heute erstmals die Ergebnisse der harmonisierten Zinsstatistik. Seit dem Referenzmonat Januar 2003 werden die Daten sowohl für das Neugeschäft als auch für die Bestände von einem repräsentativen, aus rund 1 800 Kreditinstituten bestehenden Berichtskreis im gesamten Euro-W ährungsgebiet monatlich erhoben. Die neue Statistik umfasst die von den MFIs im Eurogebiet gegenüber im Euro-W ährungsgebiet ansässigen privaten Haushalten und nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften angewandten Zinssätze für alle wichtigen, auf Euro lautenden Einlagen- und Kreditkategorien sowie die dazugehörigen Geschäftsvolumina. Die Ergebnisse werden sowohl für das Euro-Währungsgebiet insgesamt als auch für jeden einzelnen Mitgliedstaat (über die Website der zuständigen nationalen Zentralbank) veröffentlicht.
Die neue harmonisierte Statistik bedeutet eine wesentliche Verbesserung der Daten, die für die Analyse der monetären Entwicklung und der Wirkungen geldpolitischer Veränderungen auf die Volkswirtschaften des Eurogebiets sowie von Fragen der Finanzstabilität zur Verfügung stehen. Von den Kreditzinsen lassen sich beispielsweise Aussagen über die Finanzierungskonditionen ableiten, während der Spread zwischen Kredit- und Einlagenzinsen Informationen über die Lage im Bankensektor liefert. Zudem können die Einlagen- und Kreditvolumina, ergänzend zu der regelmäßig von der EZB veröffentlichten Statistik zur Bilanz der MFIs im Euro-Währungsgebiet, Aufschluss über die finanziellen Entwicklungen geben. Schließlich erlaubt die neue harmonisierte Statistik dem Bankensektor und der Öffentlichkeit erstmals einen sinnvollen Vergleich zwischen den Zinssätzen der MFIs im gesamten Euro-Währungsgebiet.
Die neue Zinsstatistik tritt an die Stelle der zehn nichtharmonisierten Zinssätze im Kundengeschäft der Banken im Euro-Währungsgebiet, die von der EZB seit Januar 1999 veröffentlicht wurden. Der Erfassungsbereich und die Konzeption der neuen Statistik weicht erheblich von den bisher veröffentlichten Zinssätzen im Kundengeschäft der Banken ab. Daher ist ein direkter Vergleich der neuen und alten Zinssätze nicht möglich.
Zunächst werden die Ergebnisse zur MFI-Zinsstatistik jeweils am 30. Geschäftstag nach dem Ende des Referenzzeitraums veröffentlicht. Die nächste Pressemitteilung ist für den 15. Januar 2004 vorgesehen. Die Daten werden außerdem auf der Website der EZB, im Monatsbericht und im ECB Statistics Pocket Book veröffentlicht.
ENTWICKLUNG DER ZINSSÄTZE DER MFIs (JANUAR 2003 BIS SEPTEMBER 2003)
Die neue Statistik zeigt, dass das durchschnittliche euroraumweite Niveau der Zinssätze der MFIs für Einlagen und Kredite unterschiedlich ist und unter anderem auch von der Laufzeit, dem Kundenkreis und dem Zweck des Kredits abhängt. So lagen beispielsweise die Zinsen für täglich fällige Einlagen von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften im September 2003 bei 0,87%, während die Zinsen für täglich fällige Einlagen von privaten Haushalten 0,68 % betrugen. Der durchschnittliche Zinssatz für Einlagen von privaten Haushalten mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten belief sich auf 1,93%. Längerfristige Einlagen, wie beispielsweise Einlagen von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften mit vereinbarter Laufzeit von über 2 Jahren, wurden zu einem Satz von 3,64 % verzinst. Auf der Kreditseite belief sich der Zinssatz für Konsumentenkredite an private Haushalte mit variabler Verzinsung bzw. anfänglicher Zinsbindung von bis zu einem Jahr auf 7,37 %, während der Zinssatz für Kredite über 1 Mio EUR an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften mit variabler Verzinsung bzw. einer anfänglichen Zinsbindung von bis zu einem Jahr bei 3,11 % lag. Der Zinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit einer anfänglichen Zinsbindung von über einem Jahr bis zu fünf Jahren lag bei 4,10 %.
Bei Betrachtung der Entwicklungen im bisherigen Jahresverlauf bestätigen die Angaben zum Neugeschäft, dass die Einlagenzinsen der MFIs zwischen Januar und September 2003 zurückgegangen sind. Im kurzfristigen Laufzeitenbereich erreichte dieser Rückgang bei den täglich fälligen Einlagen (von privaten Haushalten wie auch von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften) sowie bei den Einlagen von privaten Haushalten mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten eine Größenordnung von 20 bis 35 Punkten (siehe Abbildung 1). Im längeren Laufzeitenbereich sanken die Zinssätze für Einlagen von privaten Haushalten und nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften mit vereinbarter Laufzeit von mehr als 2 Jahren um rund 75 bzw. 60 Basispunkte (siehe Abbildung 2).
Die durchschnittlichen Kreditzinsen der MFIs gingen für die meisten Kategorien zwischen Januar und September 2003 ebenfalls zurück. Allerdings war die Entwicklung der Zinsen für Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften nicht mit der Entwicklung der Zinsen für Kredite an private Haushalte identisch (siehe Abbildung 3). So nahmen im Falle der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften die Zinsen für Überziehungskredite und für Kredite von über 1 Mio EUR mit einer variablen Verzinsung oder mit anfänglicher Zinsbindung von bis zu einem Jahr um rund 75 bzw. 60 Basispunkte ab. Die Zinssätze für Überziehungskredite an private Haushalte verringerten sich dagegen um lediglich 13 Basispunkte, und der Zinssatz für Konsumentenkredite mit variabler Verzinsung oder mit anfänglicher Zinsbindung von bis zu einem Jahr stieg sogar um rund 15 Basispunkte an.
Bei den langfristigen Zinssätzen war der Rückgang für die privaten Haushalte allerdings ausgeprägter als für die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften (siehe Abbildung 4). Der Zinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit einer anfänglichen Zinsbindung von über 5 und bis zu 10 Jahren sank zwischen Januar und September 2003 um rund 60 Basispunkte, während der Zinssatz für Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften von über 1 Mio EUR mit mehr als fünf Jahren anfänglicher Zinsbindung im gleichen Zeitraum um rund 35 Basispunkte zurückging. Diese Differenzen könnten teilweise die veränderte subjektive Wahrnehmung der MFIs in Bezug auf die Kreditrisiken, die mit den verschiedenen Kreditformen verbunden sind, widerspiegeln.
Den Entwicklungen der kurzfristigen Zinssätze der MFIs zwischen Januar und September 2003 steht ein Rückgang des Geldmarktsatzes für Dreimonatsgeld um rund 70 Basispunkte im selben Zeitraum gegenüber (siehe auch Abbildung 1 und 3). Damit bestätigt die neue Statistik das anhand der bisherigen Statistik festgestellte Muster, nach dem sich die Zinssätze für täglich fällige Einlagen und für typische Spareinlagen (d. h. Einlagen von privaten Haushalten mit Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten) besonders langsam an Veränderungen der Geldmarktsätze anpassen. Die Zinssätze für kurzfristige Kredite waren für die privaten Haushalte offenbar unflexibler als für die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften.
Vergleichbare langfristige Marktzinsen, wie zum Beispiel die Zinsen für fünfjährige Staatsanleihen, schwankten im Verlauf dieses Jahres; nachdem sie anfangs zurückgegangen waren, stiegen sie nach dem Monat Juni wieder an und erreichten im September in etwa wieder ihr Niveau vom Januar (siehe auch Abbildung 2 und 4). Die Zinssätze der MFIs reagieren auf Bewegungen der Marktzinsen gewöhnlich mit einer gewissen Verzögerung. Insbesondere die Zinssätze für langfristige Einlagen von privaten Haushalten scheinen auf den jüngsten Anstieg der langfristigen Marktzinsen recht zögerlich reagiert zu haben.
Ein weiteres Merkmal der neuen Statistik ist, dass sie Aufschluss über die Gesamtkosten der Kreditaufnahme für zwei Kreditkategorien gibt. Diese Gesamtkosten, gemessen anhand des effektiven Jahreszinssatzes, umfassen nicht nur die Zinszahlungen, sondern auch alle anfallenden sonstigen Kosten, wie z. B. die Kosten für Anfragen, Verwaltung, Erstellung der Dokumente, Garantien und Kreditversicherungen. Aus den verfügbaren Daten geht hervor, dass diese Kosten für Konsumentenkredite insgesamt höher waren als für Wohnungsbaukredite (siehe Abbildung 5). Im Schnitt belief sich die Differenz zwischen dem effektiven Jahreszins und dem gewichteten Durchschnitt der Zinssätze von Januar bis September 2003 für Konsumentenkredite auf 65 Basispunkte und für W ohnungsbaukredite auf 20 Basispunkte.
Die neue Statistik enthält auch Informationen über die durchschnittlichen Zinssätze für die Bestände an auf Euro lautende Krediten und Einlagen (siehe Abbildung 6). Diese Angaben beziehen sich auf den Durchschnittssatz für alle bestehenden Geschäfte. Folglich weisen die Zinssätze für die Bestände geringere Schwankungen auf als die Zinssätze für das Neugeschäft.
Anmerkung
- Weitere Informationen zur MFI-Zinsstatistik sind auf der Seite "Euro area MFI interest rate statistics" im Abschnitt "Statistics" auf der Webseite der EZB (http://www.ecb.europa.eu) abrufbar. Die MFIs umfassen Kreditinstitute und ähnliche Finanzinstitute. Der Berichtskreis für die Zinsstatistik besteht fast ausschließlich aus Kreditinstituten.
- Die entsprechenden Geschäftsvolumina für jede einzelne Kategorie der Zinssätze der MFIs werden in Tabelle 2 und 4 des Anhangs zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen finden sich im Anhang zu dieser Pressemitteilung auf der Website der EZB [pdf 48 kB].
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