Suchoptionen
Startseite Medien Wissenswertes Forschung und Publikationen Statistiken Geldpolitik Der Euro Zahlungsverkehr und Märkte Karriere
Vorschläge
Sortieren nach
PRESSEMITTEILUNG

SEMINAR ÜBER DEN EU-BEITRITTSPROZESS

7. Dezember 2001

Am 7. Dezember 2001 fand in Berlin das dritte der alljährlich durchgeführten Zentralbankseminare über den Prozess der Beitritte zur Europäischen Union (EU) statt. Es wurde von der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank (EZB) gemeinsam organisiert. An dem Seminar nahmen Vertreter der EZB, der 12 nationalen Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets sowie der Zentralbanken der 12 Länder teil, die zurzeit über einen Beitritt zur Europäischen Union verhandeln (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern).

Zweck des Seminars war die Vertiefung des Verständnisses wichtiger Zentralbankangelegenheiten im Hinblick auf den EU-Beitritt. Dadurch soll eine reibungslose Eingliederung der Zentralbanken der Beitrittsländer in das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) und schließlich in das Eurosystem vorbereitet werden. Das diesjährige Seminar konzentrierte sich auf Struktur und Funktionsweise des Finanzsektors in den Beitrittsländern, Auswirkungen der Liberalisierung des Kapitalverkehrs auf die Wechselkursstrategien dieser Länder und Elemente eines erfolgreichen Aufholprozesses. Die Hauptergebnisse der Erörterungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Struktur und Funktionsweise des Finanzsektors: Die Beitrittsländer haben beim Aufbau eines soliden, gut kapitalisierten und stabilen Bankwesens große Fortschritte gemacht. Dies ist das Ergebnis einer umfassenden Umstrukturierung sowie einer weitgehenden Öffnung für strategische Anleger aus dem Ausland, die zurzeit mehr als 60 % der Bankanlagen in diesen Ländern besitzen. Die Entwicklung der inländischen Kapitalmärkte hat sich jedoch als schwierig erwiesen, und Aktien- und Anleihemärkte spielen nur eine begrenzte Rolle. Mögliche Finanzierungsengpässe werden gemildert durch erheblichen Rückgriff auf Finanzmittel aus dem Ausland, sei es durch ausländische Kredite, Anleihe- oder Aktienemissionen im Ausland, sei es durch Direktfinanzierung von Muttergesellschaften.Geldpolitische Impulse werden in vielen Beitrittsländern nach wie vor überwiegend durch Wechselkursveränderungen und weniger über Zins- und Kreditkanäle weitergegeben. Dies ist auf eine Reihe von Strukturmerkmalen dieser Volkswirtschaften und ihrer Finanzsektoren zurückzuführen. Zu den relevanten Merkmalen gehören eine große Offenheit der Volkswirtschaft, eine starke Signalwirkung von Wechselkursveränderungen auf die Erwartungen und ein geringeres Maß an Finanzintermediation durch das inländische Finanzsystem. Es wurde betont, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank und anderer Aufsichtsorgane von entscheidender Bedeutung ist. Die Teilnehmer hoben ebenfalls hervor, dass die Zentralbanken auch weiterhin eine Schlüsselrolle in der Bankenaufsicht spielen sollten. Darüber hinaus hielten sie angesichts des hohen Anteils ausländischer Eigentümer in den Bankensystemen der Beitrittsländer eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Bankenaufseher für wesentlich. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt der Aufbau solider Bankensektoren eine Priorität. Die Stärkung des institutionellen und rechtlichen Rahmens sowie Verbesserungen der Unternehmenskontrolle wurden als entscheidend für die Förderung der Entwicklung der Banken- und Finanzsektoren angesehen. Eine solche Entwicklung, so die Teilnehmer, würde auch das Wirtschaftswachstum fördern.
  2. Die Auswirkungen der Liberalisierung des Kapitalverkehrs auf die Wechselkursstrategien: Alle Beitrittsländer müssen letztlich das Prinzip der vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs als Teil des Acquis Communautaire erfüllen. Die Umsetzung der Kapitalverkehrsliberalisierung, die Glaubwürdigkeit des Beitrittsprojekts wie auch die Aussicht auf höhere Renditen aus Anlageinvestitionen während des Aufholprozesses und positives Zinsgefälle gegenüber dem Euroraum können durchaus zu einer Fortsetzung der beträchtlichen Kapitalzuflüsse führen. Der Zugriff auf Ersparnisse aus dem Ausland ist dem Aufholprozess zuträglich, ein erhöhtes Volumen volatiler Kapitalströme jedoch abträglich. In diesem Zusammenhang tauschten die Teilnehmer ihre Ansichten über den möglichen Einfluss erheblicher volatiler Kapitalströme auf die Wechselkursstrategien der Beitrittsländer aus.
  3. Roundtablediskussion über Elemente eines erfolgreichen Aufholprozesses: Das Einkommensniveau der Beitrittsländer – als am leichtesten zu quantifizierende Variable für die Beurteilung des Ausmaßes der realen Konvergenz – liegt nach wie vor weit unter dem der EU, und zwar macht es ausgedrückt in Kaufkraftparitäten 44 % und nach den derzeitigen Wechselkursen 22 % des EU-Durchschnitts aus. Die Teilnehmer erörterten die Notwendigkeit weiterer Fortschritte bei Reformen, Liberalisierung und makroökonomischer Stabilisierung als entscheidenden Faktor für die Wachstumsförderung und die Gewährleistung eines erfolgreichen Aufholprozesses.

Die Teilnehmer wurden vom Präsidenten der EZB, Willem F. Duisenberg, sowie vom Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Ernst Welteke, begrüsst. Das Eurosystem wurde bei dem Seminar durch Tommaso Padoa-Schioppa, Mitglied des EZB-Rats, und Jürgen Stark, Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, sowie Vizepräsidenten der übrigen Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets vertreten. Seitens der Beitrittsländer nahmen an dem Treffen jeweils der Präsident und ein weiterer Vertreter der Zentralbank teil.

Das nächste der jährlich stattfindenden Seminare wird Ende 2002 in Brüssel durchgeführt.

KONTAKT

Europäische Zentralbank

Generaldirektion Kommunikation

Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

Ansprechpartner für Medienvertreter